1. Das Unfehlbarkeitsdogma
Der Küng-Streit entzündete sich v.a. an seinem Büchlein
"Unfehlbar?". Es dürfte klar sein, daß kein wesentlicher Unterschied
dazwischen besteht, ob man ein Dogma anzweifelt oder leugnet: In beiden
Fällen wird das Grundprinzip der Kirche, nämlich der Beistand
des Heiligen Geistes bei der Erkenntnis der Wahrheit, ausgehebelt. Küng
erlaubte sich die "Anfrage", ob die Kirche bzw. der Papst unfehlbar sein
kann (Ganz nebenbei: Das führte zu der bekannten Scherzfrage: "Warum
will Hans Küng nicht Papst werden? - Weil er dann seine Unfehlbarkeit
verliert!"). Die Antwort auf seine "Anfrage" hätte Küng leicht
in folgendem Text finden können:
"Durch die Unfehlbarkeit wird das Werk Gottes, welches durch die Offenbarung
begonnen wurde, fortgesetzt und zu seinem Ziel geführt, so daß
sich die Unfehlbarkeit zu Inspiration und Offenbarung so verhält wie
die Bewahrung und Lenkung der Welt zur ihrer Erschaffung.
Nr. 93. Man unterscheidet eine zweifache Unfehlbarkeit, nämlich
eine aktive und eine passive; erstere kommt dem Lehramt der Kirche zu,
das bei dem Vorlegen von Dogmen von jedem Irrtum frei ist; letztere, die
bisweilen und mit Recht Irrtumsfreiheit genannt wird, bezieht sich auf
die lernende Kirche, insofern die Gläubigen dadurch, daß sie
dem unfehlbaren Lehramt der Kirche gehorchen, nur Wahres glauben.
Wir können hier nur erstere zum Thema haben, die aktive Unfehlbarkeit,
die eine der Kirche durch eine besondere Wirksamkeit Gottes übertragene
Gabe ist, durch dessen Kraft sie im Bewahren und Vorlegen des göttlichen
Glaubensinhaltes (depositum fidei) und allgemein bei der Führung der
Gläubigen zum Heil von jedem Irrtum frei ist.
Beweis:
1. Aus der Hl. Schrift. Mt 16,18: Und die Pforten der Unterwelt werden
sie nicht überwältigen; Mt 28,20: Und siehe, ich bin mit euch
alle Tage bis zur Vollendung der Welt; Joh 14,26: Der Fürsprecher
aber, der Hl. Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, er wird
euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe;
1 Tim 3,15: Die Kirche des lebendigen Gottes, die Säule und Festung
der Wahrheit;
2. aus den Vätern; der hl. Irenäus sagt: Wo die Kirche [ist],
dort [ist] auch der Heilige Geist [Ubi ecclesia ibi et Spiritus Sanctus],
der Geist aber ist der Urheber der Wahrheit, oder Origenes, wenn er schreibt:
Wie es zwei Leuchten am Himmel gibt, Sonne und Mond, so können wir
zwei Leuchten in uns haben, die uns erleuchten, Christus und seine Kirche,
die uns erleuchtet. Er ist nämlich das Licht der Welt, der auch die
Kirche mit seinem Licht erleuchtet. Und die Kirche, die dieses Licht empfangen
hat, erleuchtet alle, die in der Nacht der Unwissenheit [in ignorantiae
nocte] leben;
3. bereits aus der Unvergänglichkeit [indefectibilitas] und dem
Ziel der Kirche: wenn sie nämlich jemals von der Wahrheit abfallen
würde [deficeret], wäre sie nicht mehr die wahre Kirche, die
Christus gegründet hatte, damit sie in seinem Auftrag und Namen die
Religion, die sie empfangen hat, durch alle Zeiten bewahre und mit göttlicher
Autorität den Menschen auf ordentliche Weise den wahren Weg zum Heil
zeigt und die geeigneten Mittel dazu bereitstellt, die sie alle nicht geben
könnte, wenn sie dem Irrtum ausgeliefert wäre" (Vidmar, 107f).
Die Unfehlbarkeit des Papstes wurde erst auf dem ["Ersten"] Vatikanischen
Konzil in feierlicher Form als Dogma verkündet, aber bereits in der
ersten Zeit der Kirche stand nicht nur Petrus, sondern standen auch seine
Nachfolger in hohem Ansehen und wurden in Streitfragen der Weltkirche konsultiert.
Die besondere Verheißung Christi an Petrus (Mt 16,18) wurde schon
sehr früh im Sinne der Unfehlbarkeit gedeutet; mit dem Dogma wird
endlich der letzte Rest von Ungewißheit ausgeräumt. Hier der
vollständige Text des Dogmas (zitiert nach NR):
"Zur Ehre Gottes, unseres Heilandes, zur Erhöhung der katholischen
Religion, zum Heil der christlichen Völker lehren und erklären
wir endgültig als von Gott geoffenbarten Glaubenssatz, in treuem Anschluß
an die vom Anfang des christlichen Glaubens her erhaltene Überlieferung,
unter Zustimmung des heiligen Konzils:
Wenn der römische Papst in höchster Lehrgewalt (ex cathedra)
spricht, das heißt, wenn er seines Amts als Hirt und Lehrer aller
Christen waltend in höchster, apostolischer Amtsgewalt endgültig
entscheidet, eine Lehre über Glauben oder Sitten sei von der ganzen
Kirche festzuhalten, so besitzt er auf Grund des göttlichen Beistands,
der ihm im heiligen Petrus verheißen ist, jene Unfehlbarkeit, mit
der der göttliche Erlöser seine Kirche bei endgültigen Entscheidungen
in Glaubens- und Sittenfragen ausgerüstet haben wollte. Diese endgültigen
Entscheidungen des römischen Papstes sind daher aus sich und nicht
auf Grund der Zustimmung der Kirche unabänderlich.
Wenn sich jemand - was Gott verhüte - herausnehmen sollte, dieser
unserer endgültigen Entscheidung zu widersprechen, so sei er ausgeschlossen."
2. Die Erkennbarkeit Gottes
S. dazu auch unseren Text Alma Mater (2). Küng
hat zwar eine ganze Reihe von fetten Schmökern auf den Büchermarkt
geworfen, aber wir haben uns nur ein Buch angetan, u.z. das Buch, in dem
er sich zum Atheismus bekennt: "Existiert Gott?" ("Gott ist ausgerichtet
auf die Welt, kein Gott ohne Welt"; E.G., S. 734). Schon bevor wir die
letzte der über 800 Seiten gelesen hatten, war uns klar, daß
die Lektüre von Küngs Märchenbüchern nur Zeitverschwendung
ist, wenn man sich philosophisch-theologisch bilden will.
Es wäre selbst für Hans Küng noch zu platt, wenn er
einfach sagen würde: "Gott ist nicht erkennbar". Also druckst er sich
herum und behauptet, der "richtige Weg", um die Existenz Gottes zu beweisen,
"läge zwischen Karl Barth und dem Vatikanum I" (E.G., S. 590).
Karl Barth, ebenfalls Schweizer und zudem offiziell ein "protestantischer
Theologe", gilt als einer der kuriosesten Gestalten in der nichtkatholischen
Szene. Zum einen tat er so, als wollte er Christ sein, etwa bei seinem
Job als "Pfarrer", zum anderen geht er noch weiter als die bereits extrem
progressistischen Theologen wie z.B. Dietrich Bonhoeffer. Die zentrale
Behauptung bei Karl Barth lautet, die Seinsanalogie (analogia entis) sei
"DIE Erfindung des Antichrist". Damit weiß man eigentlich alles Wissenswerte
über Karl Barth und seine "Theologie", zumindest genug, um einen großen
Bogen um ihn zu machen. Zum Begriff der Analogie: Nach allgemeiner Auffassung
ist unsere irdische Gotteserkenntnis analog: "Man unterscheidet die eigentliche
und die analoge Erkenntnis (cognitio propria und analoga). Erstere erfaßt
den Gegenstand durch dessen eigenes in dem Erkennenden hervorgerufenes
Erkenntnisbild (per speciem propriam). Letztere erfaßt ihn durch
das Erkenntnisbild eines anderen Dinges (per speciem alienam). Eine eigentliche
Gotteserkenntnis wird nur durch die unmittelbare Anschauung Gottes gewährt.
Unsere irdische Erkenntnis Gottes ist analog, d.h. wir erkennen Gott nur
in Begriffen, die aus der endlichen Welt hergenommen und nach verhältnismäßiger
Gleichheit auf ihn angewandt werden.
Hinsichtlich unserer Erkenntnis pflegt man die analogia entis und die
analogia fidei zu unterscheiden. Die analogia entis ist die mit der natürlichen
Vernunft erkennbare verhältnismäßige Gleichheit in der
Beziehung Gottes und der Geschöpfe zum Sein (und zu den auf das Sein
gegründeten reinen Vollkommenheiten). Es ist eine wirkliche Gleichheit,
insofern das gemeinsame Analogon (das Sein, das Wahre, das Gute, das Leben
usw.) Gott und den Geschöpfen wirklich zukommt; aber es ist nur eine
verhältnismäßige Gleichheit, insofern das gemeinsame Analogon
in den Geschöpfen nur geworden, bedingt und beschränkt ist, während
es Gott ungeworden, unbedingt und in unbegrenzter Vollkommenheit eigen
ist. Die analogia fidei ist die uns duch die übernatürliche Offenbarung
Gottes bekannt gewordene, in unserer Sprache geformt verhältnismäßige
Gleichheit in den Beziehungen Gottes und der Geschöpfe. Sie gibt uns
über Gottes Sein und Leben und über seine Ratschlüsse und
sein Wirken weit höhere Aufschlüsse als die analogia entis. So
sind die in der Offenbarung auf Gott angewandten Ausdrücke Vater,
Sohn, Geist, Wort usw. Glaubensanalogien. Sie sagen uns, daß nicht
nur unter den Menschen, sondern auch in Gott wahrhaft und eigentlich ein
Vater, ein Sohn usw. sind; aber es ist bloß eine verhältnismäßige
Gleichheit, da in Gott die Vaterschaft, die Sohnschaft usw. frei von jeder
menschlichen Beschränktheit, in unendlicher Vollkommenheit, rein geistig,
ewig und notwendig wirklich sind" (F. Diekamp, Katholische Dogmatik, Bd.
1, Münster (10)1949, S. 125). - Analoger Sprachgebrauch findet sich
auch im Alltag; Thomas von Aquin nennt das Beispiel "gesund". Man spricht
ja von einem gesundem Menschen, gesundem Urin und gesundem Essen weder
in gleicher Weise noch in zusammenhangloser Weise. Ein Mensch ist gesund,
wenn sein Körper ordnungsgemäß funktionsfähig ist;
Urin ist gesund, wenn er keine Spuren von Krankheitserregern enthält
oder Hinweise auf körperliche Fehlfunktionen gibt; eine Speise ist
gesund, wenn sie die Funktionsfähigkeit des Körpers stärkt.
Auch die Heilige Schrift spricht wörtlich von analoger Gotteserkenntnis
(Weish 13,5) oder auch der Sache nach (1 Kor 13,12). Nach Barth ist die
Hl. Schrift also "DIE Erfindung des Antichrist"! Aber wer hat dann den
Antichristen "erfunden"? - Es verwundert nicht, daß Barth das Dogma
von der natürlichen Gotteserkenntnis ("Wer sagt, der eine und wahre
Gott, unser Schöpfer und Herr, könne mit dem natürlichen
Licht der menschlichen Vernunft durch das, was gemacht ist, nicht mit Sicherheit
erkannt werden, der sei ausgeschlossen") ablehnt. Welche absurden Klimmzüge
Barth unternimmt, um seine Ablehnung zu "begründen", spielt dabei
eigentlich keine Rolle; interessant ist nur, daß nach Küng die
Wahrheit zwischen Barth und Vatikanum I liegen soll, also zwischen zwei
sich absolut ausschließenden Aussagen.
Kurz: Nach Logik sucht man bei Küng vergeblich. Jetzt stellt sich
aber die Frage, was an diesem Mann denn so toll sein soll, daß er
schon seit Jahren mit Auszeichnungen überschüttet wird; insbesondere
die deutschen Spitzenpolitiker ließen sich bei Küng nicht lumpen,
der Theodor-Heuss-Preis ist da nur eine von vielen Auszeichnungen, die
Küng bislang eingeheimst hat. Erwin Teufel, CDU (!), überreichte
ihm vor einigen Jahren das "Bundesverdienstkreuz erster Klasse" - der Nachname
des CDU-Politikers führte zu einigen recht spitz formulierten Schlagzeilen
wie "Teufel ehrt Küng mit dem Bundesverdienstkreuz". Außer Küng
erhielten u.a. Alice Schwarzer, Vorzeigefigur der "Emanzipation" (s. auch
unseren Artikel "Kirchenlehrerin - zum Dritten")
und der Schwulenbeauftragte der Berliner Polizei, Polizeihauptkommissar
Heinz Uth, dem u.a. die Berliner Polizei sowie die Homosexuelle Arbeitsgemeinschaft
der Polizei Berlin-Brandenburg gratulierten, das Bundesverdienstkreuz.
Bubis, Dahrendorf, Schwarzer, Uth, Küng: Nicht Gestalten, die dem katholischen Glauben wohlgesonnen oder wenigstens indifferent gegenüberstehen, sondern vielmehr solche, die ihn - direkt oder indirekt - bekämpfen. Mit diesen Preisen wird eine neue Form von Bürgertum gefördert - das liberale, freigeistige Bürgertum. Ist es etwa bloß unbeherrschter Zynismus oder geplante Blasphemie, daß in der Präambel zum Grundgesetz steht: "Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott ... hat das Deutsche Volk ..., um dem staatlichen Leben für eine Übergangszeit eine neue Ordnung zu geben, ... dieses Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland beschlossen". Eins steht fest: Es ist eine neue Ordnung, in der wir leben sollen, wie es ja auch die Konzilssekte mit dem "Novus Ordo" gerne möchte, eine Ordnung, in der Gott zu einer irreführenden Vokabel verkommen ist (s. dazu den Artikel "Staat und Legalität").
Was soll nun das ganze Theater mit "Theodor-Heuss-Preis" oder "Bundesverdienstkreuz"?
Es werden neue Vorbilder für eine neue Zeit geschaffen, Idealtypen
der freigeistigen / freimaurerischen Gesellschaft. Der ideale Europäer
(und später Weltbürger) ist der glaubenslose und sittenlose:
Er ist so katholisch wie Hans Küng und so keusch wie Hella von Sinnen,
so kinderlieb wie ..., so asketisch wie ... etc. Der neue Mensch
sagt, was er will, und er darf auch sagen, was er will, denn er richtet
sich gegen die Kirche. Nur kirchenfeindliche Propaganda fällt noch
in den Bereich der Meinungsfreiheit. Die im Grundgesetz, Artikel 5, verbriefte
"Meinungsfreiheit" entpuppt sich somit immer mehr als blanke Farce; wie
anders ist es zu erklären, daß die Konzilssekte uns immer wieder
mit staatlicher Hilfe Knebel anlegt und uns mit hohen Geldstrafen in Anspruch
nehmen kann, aber nicht zur Widerlegung unserer Argumente verpflichtet
ist?
Die Perversion des Rechtsgefüges läßt sich sehr drastisch
durch die vor wenigen Jahren vollzogene Streichung des § 175 StGB
(Verbot von Homosexualität) belegen; machte sich noch vor wenigen
Jahren derjenige strafbar, der Homosexualität nicht als strafwürdiges
Verbrechen bewertete, haben sich die Vorzeichen mittlerweile umgekehrt.
Bald wird derjenige sich strafbar machen, der sich nur irgendwie abfällig
über Homosexualität äußert. Versagen der Logik. Sodom
2000.
Die Zeit, in der eine Konfliktlösung à la Adolf Hitler ("Endlösung")
im Umgang mit den Katholiken ganz unverhohlen an der Tagesordnung sein
wird, wird kommen. Wir Katholiken können das Grundgesetz bereits in
dieser Form nicht akzeptieren; wir können nicht schweigen zu dem Massenmord
im Mutterleib und zu den anderen Angriffen auf die göttlichen Gebote.
Und wie Adenauer betonte, soll dieses Grundgesetz nur einen vorläufigen
Charakter haben, genau wie der "Novus Ordo" der Konzilssekte ja vorläufigen
Charakter haben soll. Wie immer diese Endlösung aussehen mag, sie
wird wohl kaum an das christliche Erbe erinnern.
Wir wissen nicht, wann Christus kommen wird, zu richten die Lebenden
und die Toten, aber wir kennen die Mahnung Christi: "Nehmt euch in acht,
daß ihr eure Herzen nicht mit Schwelgerei und Trunkenheit und mit
irdischen Sorgen beschwert und daß jener Tag nicht unversehens über
euch kommt. Denn wie eine Schlinge wird er über alle kommen, die da
wohnen auf dem ganzen Erdkreis. So seid denn allezeit wachsam und betet,
damit ihr imstande seid, all dem zu entgehen, was da kommen soll, und zu
bestehen vor dem Menschensohn" (Lk 21, 34-36).