Nach unserer Strafanzeige gegen RTL2 erhielten wir heute das Urteil der Staatsanwaltschaft München; unsere Klage wurde in allen Punkten zurückgewiesen. Hier der Wortlaut des Briefes (Aktenzeichen: 467 JS 307025/00; München, 11.07.2000/bd):
Ermittlungsverfahren gegen Josef Andorfer wegen Verbreitung jugendgefährdender
Schriften
Strafanzeige vom 05.05.2000
Sehr geehrter Herr L.,
das Ermittlungsverfahren habe ich mit Verfügung vom 05.07.2000 gemäß
§ 170 Abs. 2 Strafprozeßordnung eingestellt.
Gründe:
Das Ermittlungsverfahren hat den letzten Beitrag der am 04.05.2000 auf
den Fernsehsender RTL 2 ausgestrahlten Sendung "Die Redaktion"
zum Gegenstand. In diesem Beitrag wurden auf einer öffentlichen Straße
von einem Redakteur dieser Sendung weibliche Passantinnen angesprochen und
ihnen das Angebot unterbreitet, gegen Zahlung von 100,00 DM nur mit ihrer
Unterhose bekleidet einen Hula-Hup-Reifen um ihre Hüften kreisen zu
lassen. Zwei Frauen erklärten sich gegen Zahlung von je 300,00 DM
bereit, dies zu machen. Es war in dem Beitrag dann zu sehen, wie die
beiden Frauen in der beschriebenen Weise den Hula-Hup-Reifen kreisen
lassen.
Anläßlich der Ausstrahlung dieses Beitrags hat der
Anzeigeerstatter mit Schreiben vom 05.05.2000 bei der Staatsanwaltschaft München
I Anzeige gegen die Verantwortlichen des Senders RTL 2 und gegen die
beiden Frauen erstattet. Hinsichtlich der weiteren Begründung der
Anzeige wird auf das Schreiben des Anzeigeerstatters vom 05.05.2000 Bezug
genommen.
Aufgrund des dargestellten Sachverhalts lagen den Verantwortlichen des
Senders RTL 2 eine Straftat der Verbreitung pornographischer Schriften (§
184 StGB) und der beiden Frauen eine Straftat der Erregung öffentlichen
Ärgernisses (§ 183 a StGB) zur Last.
Das Verfahren war einzustellen, weil weder durch die Ausstrahlung des
Beitrags noch durch die Handlungen der Frauen Straftatbestände
verletzt wurden. Die Besichtigung einer Videoaufzeichnung der Sendung "Die
Redaktion" vom 04.05.2000 hat ergeben, daß strafbare Handlungen
nicht vorliegen. Eine Verbreitung pornographischer Schriften ist nicht
gegeben, da der Beitrag keine pornographischen Darstellung im Sinne des §
184 StGB enthält. Zwar sind in dem Beitrag zwei Frauen mit entblößten
Oberkörpern zu sehen, hierbei handelt es sich jedoch nicht um
Pornographie im strafrechtlichen Sinne. Pornographie in diesem Sinne
definiert sich als grobe Darstellung des sexuellen in drastischer
Direktheit, die in einer den Sexualtrieb aufstachelnden oder die
Geschlechtlichkeit in den Schmutz ziehenden oder lächerlich machenden
Weise den Menschen zum bloßen Objekt geschlechtlicher Begierde oder
Betätigung jeglicher Art degradiert. Die Darstellung des nackten
menschlichen Körpers als solchen ist noch nicht pornographisch, auch
nicht hinsichtlich seiner mit dargestellten erogenen Teile, auch wenn ein
sexueller Reiz von ihnen ausgehen kann. Nach der obergerichtlichen
Rechtssprechnung liegt Pornographie beispielsweise dann vor, wenn die primären
Geschlechtsorgane in den Bildmittelpunkt gerückt sind. Der am
04.05.2000 ausgestrahlte Beitrag enthält keine Pornographie im Sinne
der genanten Definition. Insbesondere sind keine primären
Geschlechtsorgane in dem Beitrag zu sehen und die beiden Frauen werden
auch nicht bei einer sexuellen Betätigung gezeigt.
Das Verhalten der Frauen erfüllt auch nicht den Tatbestand der
Erregung öffentlichen Ärgernisses. Dabei kann dahinstehen, ob
das Verhalten der beiden FRauen als sexuelle Handlungen zu bewerten sind,
die ein öffentliches Ärgernis erregen, da der Tatbestand des §
183 a StGB darüber hinaus voraussetzt, daß der Täter
gerade die Absicht hat, ein öffentliches Ärgernis zu erregen,
d.h. daß es ihm darauf ankommt. Aufgrund der näheren Umstände
der Aufnahme, insbesondere deren Kürze, und unter Berücksichtigung
des dokumentierten Verhaltens der vorbeigehenden Passanten, kann diese
subjektive Komponente bei den Frauen nicht festgestellt werden. Es kann
daher auch dahin stehen, ob gegenüber einem Fernsehzuschauer, der
diesen Beitrag nach einer entsprechenden Ankündigung anschaut, noch
ein öffentliches Ärgernis erregt werden kann.
Der genannte Beitrag mag zwar den Moralvorstellungen des
Anzeigeerstatters und von Teilen der Bevölkerung zuwider laufen, es
handelt sich jedoch nicht um strafbare Darstellungen. Etwaige
zivilrechtliche Ansprüche werden durch diese Entscheidung nicht berührt.
Hochachtungsvoll gez. Schaulies, Staatsanwalt
Diese Mitteilung wurde elektronisch erstellt und enthält deshalb
keine Unterschrift, wofür um Verständnis gebeten wird.
Beschwerdebelehrung
Gegen diesen Bescheid können Sie binnen 2 Wochen nach Zugang
Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft München erheben. Die
Beschwerde kann innerhalb dieser Frist auch bei der Staatsanwaltschaft München
I eingelegt werden.
Dazu einige Anmerkungen:
1. "Eine Verbreitung pornographischer Schriften ist nicht gegeben,
da der Beitrag keine pornographischen Darstellung im Sinne des § 184
StGB enthält."
Die gebotene Aufführung ist durchaus ein Verstoß gegen das
Sittengesetz, und nur das hatten wir in unserer Anzeige behauptet.
Irgendwelche Definitionen von Pornographie haben uns dabei nicht
interessiert.
2. "Die Darstellung des nackten menschlichen Körpers als
solchen ist noch nicht pornographisch, auch nicht hinsichtlich seiner mit
dargestellten erogenen Teile, auch wenn ein sexueller Reiz von ihnen
ausgehen kann."
Die Frauen standen nicht bloß nackt herum.
3. "Dabei kann dahinstehen, ob das Verhalten der beiden FRauen als
sexuelle Handlungen zu bewerten sind, die ein öffentliches Ärgernis
erregen, da der Tatbestand des § 183 a StGB darüber hinaus
voraussetzt, daß der Täter gerade die Absicht hat, ein öffentliches
Ärgernis zu erregen, d.h. daß es ihm darauf ankommt."
Hier können wir schlichtweg nicht mehr folgen: Wie soll man denn
diese Absicht herausfinden? Also: Wenn eine Person nackt herumläuft,
muss man also erst einmal diese Person fragen, ob sie mit ihrem
Exhibitionismus öffentliches Ärgernis erregen und sich damit
strafbar machen möchte. Verneint die Person diese Frage, darf sie
weitermachen.
4. "Unter Berücksichtigung des dokumentierten Verhaltens der
vorbeigehenden Passanten, kann diese subjektive Komponente bei den Frauen
nicht festgestellt werden."
Bei verschiedenen Anlässen haben wir festgestellt, dass sich viele Bürger
einfach nicht mehr trauen, der Verrohung entgegenzuwirken. Unlängst
ergab sich ein Gespräch mit einer Person, die mehrere Fälle nächtlicher
Ruhestörung über sich ergehen ließ und dann endlich die
Polizei einschaltete. Das Ergebnis des Polizei-Einsatzes war ernüchternd:
Die Ruhestörer ließen sich kaum davon beeindrucken, und auch
der Polizei konnte man nicht unbedingt energisches Vorgehen bescheinigen.
Dieser Bericht deckt sich im wesentlichen mit unseren eigenen Erfahrungen,
als wir die Polizei wegen nächtlicher Ruhestörung einschalteten
(wobei allerdings nach geraumer Zeit dann doch noch Ruhe einkehrte). Kurz:
Bei den Bürgern macht sich Resignation breit; das Vertrauen in die
Ordnungsbereitschaft des Staates besteht nicht uneingeschränkt. Indem
der Staat immer mehr zulässt, wächst auch die Bereitschaft,
Sittenwidriges zu tun; viel hat man ja nicht zu befürchten. Bezogen
auf die Passanten, die Zeugen des Hula-Hup-Tanzes wurden, muss bei vielen
angenommen werden, dass sie versucht haben, das Gesehene zu ignorieren,
weil sie - nicht ganz zu Unrecht - der Meinung sind, dass der Staat diesen
Verstoß gegen das Sittengesetz ungestraft lassen wird.
Sieht man auf das Ergebnis bei der Staatsanwaltschaft München, bleibt nur die bittere Feststellung, dass wir anständigen Bürger (wer meint, dies sei doch wohl ein Werturteil, hat den Nagel auf dem Kopf getroffen) uns kaum noch gegen die Verletzung unserer vom Naturgesetz festgelegten Rechte zur Wehr setzen können, zumindest was die Zuhilfenahme des Staates betrifft. Wir ermuntern nicht zur Selbstjustiz, sondern zu einer aktiven Gestaltung des Staates, die immer im Rahmen der christlichen Gebote vonstatten gehen muss.
Wir zitieren oft den Grundsatz: "Die Obrigkeit hat die Pflicht, in
erster Linie für das allgemeine Wohl zu sorgen. Sie muß deshalb
nach Kräften alle Übel vom Staate fernhalten und sein Wohl fördern,
Religion und Sittlichkeit beschützen, für gerechte Verteilung
der Rechte und Pflichten sorgen, die Gesetze ohne persönliche Rücksichten
durchführen, die öffentlichen Ämter nur geeigneten Personen
geben und ungeeignete aus denselben entfernen" (H. Jone, Katholische
Moraltheologie, Paderborn (7)1936, 164).
Mit dem Hula-Hup-Vorfall gibt es nun ein Beispiel mehr dafür, wie
genau es der deutsche Staat mit dem Schutz der Sittlichkeit nimmt.