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    Christliche Nächstenliebe und barmherziger Samariter
    Predigt 12.08.2018 (12. Sonntag nach Pfingsten; 2 Kor 3,4-9; Lk 10,23-37)


    "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen, aus deiner ganzen Seele, aus allen deinen Kräften und aus deinem ganzen Gemüte, und deinen Nächsten wie dich selbst." Christus verheißt denen, die das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe erfüllen, das ewige Leben. Im Katechismus lautet die erste Aussage: Wir sind auf Erden, um Gott zu erkennen, um ihm in Liebe und Treue zu dienen und um das ewige Leben zu erlangen. Entscheidend ist das Seelenheil. Die zeitlichen Güter, so verlockend und verführerisch sie auch manchmal erscheinen können, werden in der Heiligen Schrift immer wieder auch betrachtet als Gefahren für das Seelenheil. Jesus warnt: "Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber dabei seine Seele verliert? Was kann der Mensch als Entgelt für seine Seele geben?" (Mt 16,26). Und: "Fürchtet euch nicht vor denen, die wohl den Leib, nicht aber die Seele töten können. Fürchtet vielmehr den, der Seele und Leib in der Hölle verderben kann" (Mt 10,28).Und in der Offenbarung des Johannes heißt es: "Die Toten wurden nach ihren Werken gerichtet ... Der Tod und die Unterwelt wurden in den Feuerpfuhl geworfen. Und das ist der zweite Tod, der Feuerpfuhl. Wer nicht im Buch des Lebens verzeichnet war, wurde in den Feuerpfuhl geworfen" (Offb 20,12-15). Himmel oder Hölle, ewige Seligkeit oder ewige Verdammnis, neues Leben bei Gott oder zweiter Tod im Feuerpfuhl, darum geht es eigentlich. Die christliche Botschaft bzw. das christliche Gebot der Liebe hat also einen unvorstellbaren Ernst.
    Die Kirche verkündet als Dogma, also als unfehlbare Glaubenslehre, dass der Mensch aus einem materiellen Leib und einer geistigen Seele besteht, und dass jeder Mensch eine unsterbliche Seele besitzt. Der Tod ist dementsprechend die Trennung der Seele von ihrem Leib. Ob jemand in der Ewigkeit zum Leben, also zur Freude des Himmels, oder zum Tod, also zur Strafe der Hölle gelangt, hängt von dem Zustand der Seele vor dem Tod ab. Wer im Stand der heiligmachenden Gnade stirbt, also frei ist von jeder Todsünde, kommt zur Himmelsfreude. Wer durch eine Todsünde die heiligmachende Gnade verloren und diese Gnade vor seinem Tode nicht wiedererlangt hat, kommt zur Höllenstrafe. Vergegenwärtigen wir uns dies also ganz klar: Die Todsünde darf niemals in unserem Leben Platz haben. Und genau darin zeigt sich echte Selbstliebe: In der Liebe und Treue zu Gott und folglich in der Abscheu vor und in der Meidung bzw. Abwendung von jeder Beleidigung Gottes, insbesondere von jeder schweren Sünde. Echte, aufrichtige Gottesliebe äußert sich in einem möglichst sündenfreien Leben.
    In der Moraltheologie findet man gelegentlich die Formulierung: "Die Seele der Liebe ist die Liebe der Seele." Also wie die Seele den Menschen belebt, wie die Seele das Wesen des Menschen ausmacht, so muss die Liebe grundsätzlich auf das Seelenheil bedacht sein. Und so muss dann auch die Nächstenliebe gestaltet sein: aus der Liebe für die Seele des Nächsten, aus der Sorge für das Seelenheil des Nächsten. Ob wir also selbst essen oder trinken, oder ob wir unserem Nächsten zu essen oder zu trinken geben: Grundsätzlich müssen alle unsere Handlungen davon bestimmt sein, dem Seelenheil zu dienen. Jedenfalls darf grundsätzlich keine einzige Handlung diesem Ziel des Seelenheils widersprechen.
    Viele denken bei Liebe gerne an die Liebe zwischen Mann und Frau, an Leidenschaft, an sog. "körperliche Liebe", ggf. sogar an sog. "käufliche Liebe". In dieser eingeschränkten bzw. völlig falschen Sicht wird dann spöttisch gefragt: "Kann denn Liebe Sünde sein?" Wenn die Todsünde der Unzucht zur Liebe erklärt wird, dann ist das eine völlige Umkehrung der Wahrheit. Nun kann natürlich auch das körperliche Begehren durchaus ein richtiger und wichtiger Ausdruck der Liebe sein - aber eben nur dann, wenn dieses Begehren nicht dem Seelenheil widerspricht. Liebe kann und darf nicht blind sein, und gerade bei der Zuneigung zu einem anderen Menschen muss man sich darüber im klaren sein, wovon man eigentlich geleitet ist oder womöglich beherrscht ist. Zumindest bei längeren und näheren Bekanntschaften muss man sich Klarheit verschaffen: Will man eigentlich und letztlich das Seelenheil des anderen? Oder ist der andere eigentlich und letztlich nur ein Mittel zum Zweck, ein Genussmittel, ein Gebrauchsgegenstand? Benutzt man den anderen im wesentlichen nur für die eigene Befriedigung eigener Interessen, ob nun ganz speziell rein körperlich oder mehr generell vielleicht als eine Art Erfüllungsgehilfen für das eigene Genießen, als Interessengemeinschaft für den Egoismus? Ist eine längere Gemeinschaft oder gar feste Partnerschaft letztlich nur ein gegenseitiges Ausnutzen für die Gottlosigkeit, ein gegenseitiges Missbrauchen für die Beleidigung und Verhöhnung Gottes? In der BRD wurden i.J. 2016 410.000 Eheschließungen und i.J. 2017 153.000 Ehescheidungen gemeldet. Wie viel Leid und Schmerz mag hinter diesen Zahlen stehen? Wie viel Leid und Schmerz hätte verhindert werden können, wenn man von Anfang an und durchgehend bedacht hätte: "Die Seele der Liebe ist die Liebe der Seele." In der Moraltheologie wird ganz besonders die Bedeutung der "wohlwollenden Liebe" betont. Dieses Wohlwollen ist auch bestimmend für den barmherzigen Samariter. Die "Liebe des Begehrens" mag vom Gefühl her besonders auf den Menschen wirken, hingegen die "Liebe des Wohlwollens" ist die vollkommene Liebe. Gott hat die Welt vollkommen frei geschaffen, er hat aus ihr keinerlei Vorteil, keinerlei Zugewinn an seiner unendlichen Vollkommenheit. Aus reinem Wohlwollen und in absoluter Freiheit lässt er die Geschöpfe an seinem Leben teilhaben. Dabei hat der Mensch die Freiheit, sich für oder gegen Gott, für oder gegen das wahre Leben zu entscheiden. Paulus schreibt im Hohelied der Liebe (1 Kor 13): "Die Liebe ist nicht eifersüchtig ... sie handelt nicht unschicklich, sie sucht nicht das ihre ... Am Unrecht hat sie kein Gefallen, an der Wahrheit freut sie sich ... die Liebe hört niemals auf." Unsere Liebe muss der Vollkommenheit der göttlichen Liebe immer ähnlicher werden. Alles Unschickliche, alles Egoistische, alles Ungerechte, alles Verlogene müssen wir immer mehr, immer gründlicher aus unserem Leben verbannen. Wir müssen das Wohlwollen für den Nächsten immer weiter vervollkommnen. Also müssen wir je nach unseren Möglichkeiten und Aufgaben auch auf unseren Nächsten Einfluss nehmen, dass auch er alles Unschickliche, alles Egoistische, alles Ungerechte, alles Verlogene aus seinem Leben verbannt. In aller Klarheit: Wir müssen Heilige werden. Und wir müssen auch unsere Nächsten durch unser ganzes Leben dazu anleiten und anspornen, Heilige zu werden. Wer aber stattdessen dieses Leben genießen will, wer sich hier in Unschicklichkeit, in Egoismus, in Unrecht, in Verlogenheit wälzen will, der steuert auf den ewigen Tod zu und reißt dabei womöglich noch den Nächsten mit ins ewige Verderben. Selbst wenn der Mensch bei seinem hemmungslosen Genießen die ganze Welt gewinnen sollte, er wird Schaden an seiner Seele nehmen. Und was können wir tun, wenn wir mit einem Genussmenschen konfrontiert werden? Nun, solange der Mensch lebt, kann er noch den Weg zum Leben wählen. Jesus mahnt (Mt 5,44-48): "Liebet eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen. Dann werdet ihr Kinder eures Vaters im Himmel sein; der seine Sonne aufgehen lässt über Gute und Böse und regnen lässt über Gerechte und Sünder. Denn wenn ihr nur jene liebt, die euch lieben, welchen Lohn werdet ihr dann haben? ... Seid also vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist."
    Bleiben wir also der Liebe Gottes treu. Tun wir Gutes. Seien wir gute Vorbilder. Beten wir für unsere Feinde. Üben wir uns täglich ein in der wohlwollenden Liebe, die für uns und für den Nächsten das Seelenheil anstrebt, damit wir dereinst teilhaben an der ewigen Freude im Himmel. Amen.