"Die katholischen Bistümer in Bayern haben indes an die ersten Zwangsarbeiter, die in der Nazizeit in katholischen Einrichtungen arbeiten mussten, Entschädigungen gezahlt. Für das Erzbistum München wurden 101 Frauen und Männer – meistens aus der Ukraine und aus Polen – mit Namen und Adresse erfasst. Ein Teil hat bereits 5000 Mark pro Kopf erhalten, die übrigen sollen das Geld in den nächsten Tagen bekommen. Ähnlich sieht es bei den anderen Bistümern aus" (Nürnberger Nachrichten v. 23.03.2001).
Die Tagesblätter setzen der verrohten Masse so einen Abfall vor,
und die verrohte Masse stürzt sich gierig darauf, um alles zu schlucken.
Seiten wie KzM können sich dagegen nicht sehr leicht durchsetzen.
Was KzM zu leisten vermag, haben wir vor kurzem sehr deutlich erfahren
dürfen. Am 16.03.2001 erhielten wir eine e-mail mit dem Betreff "Wer
ist Papst?": "Wer ist Ihrer Meinung nach Papst, und damit Oberhaupt der
katholischen Kirche?"
Annum ingressi sumus
- Apostolisches Schreiben -
- 19.03.1902 -
Papst Leo XIII.
I. Einleitung
a) Dank gegen Gott.
Beim Eintritt in das 25. Jahr Unseres Apostolischen Amtes blicken wir
staunend über Gottes Güte auf den Weg zurück, den Wir unter
großen und beständigen Sorgen zurückgelegt haben und fühlen
uns angetrieben, Unser Herz zum gütigen Gott zu erheben, der zu zahllosen
Wohltaten Uns auch noch eine so lange Regierung hat gewähren wollen,
wie sie kaum ihresgleichen in der Geschichte findet. Zu dem Vater im Himmel,
dem Urheber und Lenker des Lebens, steige daher aus innig gerührtem
Herzen der Lobgesang Unseres Dankes empor. Gewiß, kein Menschenauge
kann den göttlichen Ratschluß, der Uns ein so wieder erwarten
langes Leben schenken wollte, ergründen, und auch Wir vermögen
es nicht. Eins jedoch wissen Wir: wenn es Gott in seiner Güte gefiel,
Uns so lange das Leben zu lassen, so obliegt Uns die hohe hl. Pflicht,
zum Nutzen und Wachstum der Kirche unsere letzten Kräfte zu opfern
und deshalb vor Mühen und Sorgen nicht zurückzuschrecken.
b) Dank gegen die Bischöfe.
Nachdem wir so Unserem Vater im Himmel, dem Ehre und Lob sei in Ewigkeit,
den schuldigen Erweis Unserer dankbaren Gesinnung dargebracht, ist es Uns
eine angenehme Pflicht, Uns an Euch zu wenden, Ehrwürdige Brüder,
die Ihr vom hl. Geist berufen seid, die einzelnen Teile der Herde Jesu
Christi zu weiden und die Ihr darum Teil habt an den Kämpfen und Siegen,
an den Schmerzen und Freuden des oberhirtlichen Amtes. Uns werden niemals
aus dem Gedächtnisse entschwinden die vielfachen glänzenden Beweise
treuer Anhänglichkeit, welche Ihr während Unserer langen Regierung
Uns gegeben und in erfreulichem Wetteifer gegenwärtig erneuert habt.
Da wir Uns mit Euch auf das Innigste durch amtliche Pflicht und väterliche
Liebe verbunden fühlen, sind Uns diese treuen Ergebenheitserweise
durchaus erwünscht nicht so sehr, weil sie Unserer Person gelten,
als vielmehr wie sie ein Zeichen der Anhänglichkeit an diesen Apostolischen
Stuhl sind, der den notwendigen Mittelpunkt aller übrigen Bischofssitze
der katholischen Welt bildet. Wenn je für alle Glieder der kirchlichen
Hierarchie gegenseitig Liebe, Übereinstimmung im Denken und Handeln
nötig waren, als wären sie nur ein Herz und eine Seele, so ist
dies besonders in unseren Tagen geboten. Wem könnte es verborgen bleiben,
daß sich viele erbitterte Feinde zusammentun, um das Werk Jesu Christi
zu Grunde zu richten, indem sie mit unglaublicher Hartnäckigkeit die
göttlichen Wahrheiten und Einrichtungen zu beseitigen trachten? Doch
Ihr selbst schaut dies täglich bis zum Überdruß mit eigenen
Augen; mehr denn einmal habt Ihr es mit uns beklagt, wie unheilvolle Meinungen
und Lehren straflos unter dem Volke um sich greifen. Wie viele Fallstricke
sind dem Glauben der Unvorsichtigen gelegt! Und, was noch mehr zu bedauern
ist, man sucht mit Hindernissen aller Art das segensreiche Wirken der Kirche
zu schwächen und nach Möglichkeit erfolglos zu machen. Zum Schaden
fügt man noch den Spott hinzu und schleudert gegen die Kirche selbst
die Anklage, sie sei nicht mehr imstande, mit ungeschwächter Kraft
wie früher die stürmischen und verheerenden Leidenschaften, welche
alles mit Vernichtung bedrohen, im Zaume zu halten.
II. Der Kampf gegen die Kirche
Gerne möchten Wir, Ehrwürdige Brüder, über angenehmere
Gegenstände zu Euch reden, die auch mehr im Einklage ständen
mit dem freudigen Anlaß, der Uns zum Reden drängt. Das lassen
aber weder die großen Bedrängnisse der Kirche zu, welche schleunige
Erleichterung fordern, noch die traurige Lage der heutigen Gesellschaft,
welche nach Preisgabe der großen christlichen Überlieferung
sich sittlich und materiell verschlimmert und immer noch trauriger gestaltet.
Es ist ja ein Gesetz der Vorsehung, welches auch von der Geschichte bestätigt
wird, daß man die Hochschätzung der Religion dem Volke nicht
nehmen kann, ohne gleichzeitig die gedeihliche Entwicklung der bürgerlichen
Gesellschaft zu erschüttern. Angesichts solcher Bedrängnisse
ist es von Nutzen, den gegen die Kirche entbrannten Kampfe in seiner Entstehung,
seinen Ursachen und in seinen verschiedenen Erscheinungsformen zu betrachten,
auf seine unheilvollen Folgen hinzuweisen und die Heilmittel zu bezeichnen,
um so rechtzeitig die Gemüter mit Mut und Vertrauen zu erfüllen.
Möge daher auch, an die Worte erinnernd, die Wir schon bei anderen
Gelegenheiten gesagt haben, Unsere Stimme weithin erschallen, und nicht
nur zu den gläubigen Kindern der christlichen Einheit dringen, sondern
auch zu den Getrennten und zu jenen Unglücklichen, welche nicht glauben!
Sind doch alle Kinder desselben Vaters und bestimmt zu demselben höchsten
Gute! Möge dieses Wort erschallen als das Testament, welches Wir,
dem Ende nahe, der Menschheit mit dem innigsten Wunsche für das Wohl
der Völker hinterlassen wollen!
1. In seiner Entstehung:
a) Der Kampf entstand ganz natürlich.
Der Hort für Wahrheit und Gerechtigkeit, die heilige Kirche Christi,
mußte zu allen Zeiten Anfeindungen und Verfolgungen erdulden. Schon
durch den Zweck, zu dem sie gestiftet, und infolge der Aufgabe, welche
sie von ihrem Stifter erhalten hatte, nämlich in der Welt das Reich
Gottes fest zu gründen und zu verbreiten und die Herzen der Menschen
von der Liebe zu den vergänglichen Dingen zu den ewigen zu erheben,
stieß sie notwendig mit der verdorbenen und gesunkenen menschlichen
Natur zusammen. Sie sah, wie alle Leidenschaften sich ihr heftig und feindselig
entgegenstellten, weil sie nicht unterließ, zu deren Bekämpfung
aufzufordern.
b) Christus hat ihn vorausgesagt.
Dies wird auch keinen Christen wundernehmen, da diese Verfolgungen
von unserem Herrn und Meister uns zur Warnung vorausgesagt worden sind
und Wir wissen, daß sie fortdauern werden, solange die Welt steht.
Was sagte er denn zu seinen Jüngern, als er sie aussandte, seine Lehre
allen Völkern zu verkünden: Sie werden euch verfolgen, von allen
werdet ihr gehaßt und gering geschätzt werden um meines Namens
willen, vor Könige und Statthalter wird man euch stellen, ihr werdet
vor die Gerichte gezogen und zu den höchsten Strafen verurteilt werden,
sie werden euch Schlimmes antun, ja euch töten. Und um sie für
diese Heimsuchungen zu stärken, wies er auf sein eigenes Beispiel
hin: "Wenn euch die Welt haßt, so wisset, daß sie mich vor
Euch gehaßt hat." (Joh. 15,18) Das ist der uns hienieden versprochene
Lohn.
c) Dieser Haß ist unbegründet.
Ein gerechter Beurteiler freilich muß einen solchen Haß
völlig unbegründet finden. Nachdem Christus im Drange seiner
unendlichen Liebe zu den Menschen herabgestiegen war, verkündete er
eine überaus heilige, trostreiche Lehre, ein Lehre, die ungemein geeignet
war, die Menschheit in Frieden und Eintracht zu verbrüdern. Er verschmähte
Reichtum und Ehre, griff nie in eines andern Rechte ein. Überaus mitleidsvoll
war er gegen die Kranken, gegen die Schwachen, gegen die Armen, gegen die
Unterdrückten, gegen die Sünder. Sein ganzes Leben brachte er
zu, den Menschen Wohltaten zu spenden. Konnte es trotz alledem geschehen,
daß er der Weissagung Simeons gemäß zum Zeichen des Widerspruchs
geworden ist, so müssen wir hierin ein Übermaß menschlicher
Bosheit erblicken, das (ohne sagen zu können, ob Grausamkeit oder
Ungerechtigkeit größer gewesen) durch die Ungerechtigkeit um
so schrecklicher ist.
2. Der Kampf in seinen verschiedenen Formen
Kein Wunder darum, daß der katholischen Kirche, welche Christi
Sendung fortsetzt und die Wahrheit des Glauben unverfälscht bewahrt,
dasselbe Los beschieden ist. Die Verkehrtheit der Welt überdauert
die Jahrhunderte. Neben den Kindern Gottes finden sich immer die Knechte
jenes großen Widersachers des Menschengeschlechtes, der ein Feind
Gottes von Anbeginn war und in der hl. Schrift der Fürst dieser Welt
genannt wird. Darum ist der Welt das Gesetz und sein Verkünder, der
im Namen Gottes es verkündet, unerträglich, weil sie Gottes Herrschaft
hartnäckig zu leugnen sich anmaßt. Wie oft haben sich in Zeiten,
die stürmischer waren als die unseren, die Feinde mit unerhörter
Grausamkeit und unverschämter Rohheit zum törichten Unternehmen
zusammengeschlossen, das Wort Gottes zu vernichten zum Hohn alles Rechtes.
Und wenn man mit der einen Art der Verfolgung nicht zum Ziele kam, versuchte
man eine andere.
a) Die rohe Gewalt.
Gleich von Anfang an suchte man den christlichen Namen in Marter und
Schmach zu ersticken. Drei Jahrhunderte tränkte Martyrerblut die Stadt
Rom und die römischen Provinzen.
b) Die Irrlehre.
Dann erhob sich ein innerer Feind. Die verderbliche Irrlehre versuchte
zuerst versteckt, bald aber mit dreister Offenheit durch trügerische
Lehren und Ränke die Eintracht und Einheit in der Kirche zu zerstören.
c) Der Unglaube.
Sodann erhoben sich mehr denn einmal vom Norden her gleich einem verheerenden
Unwetter die Horden der Barbaren, vom Süden die Sarazenen, deren Spuren
Mord und Verwüstung bezeichneten. So vererbte sich von Jahrhundert
zu Jahrhundert das traurige Vermächtnis des Hasses gegen die Kirche.
d) Der Cäsaropapismus.
Es folgte ein Kaisertum, mißtrauisch und übermächtig,
eifersüchtig auf fremde Gewalt, wie sehr auch die Macht der Kirche
dadurch wachsen mochte, und erneuerte fortgesetzt die Angriffe, um sie
zu knechten oder ihre Rechte sich anzumaßen. Überdruß
erfüllt das Herz, wenn man die häufigen Bedrängnisse und
den schweren Kummer sieht, welche der Kirche zugefügt werden. Und
dennoch ist sie aus allen Hindernissen und Gewalttätigkeiten stärker
hervorgegangen, hat die Grenze ihre Friedensreiches immer weiter ausgedehnt,
das glorreiche Erbe der Wissenschaft, Literatur und Künste gehütet
und war vor allem bestrebt, die menschliche Gesellschaft mit dem Geiste
des Evangeliums zu erfüllen und gar zu durchdringen. Auf diese Weise
schuf sie jene Kultur, die man christliche nennt. Sie brachte den Völkern,
die sich ihrem wohltätigen Einfluß nicht entzogen, gerechte
Gesetze, milde Sitten, lehrte sie Fürsorge für die Schwachen,
die Liebestätigkeit für Arme und Unglückliche, die Achtung
vor den Rechten und der Standeswürde eines jeden und legte dadurch
- so weit das inmitten der menschlichen Leidenschaften möglich ist
- den Grund zu jenem ruhigen bürgerlichen Leben, welches aus einem
besseren Verhältnis zwischen Freiheit und Gerechtigkeit hervorging.
e) Die freie Forschung.
Und dennoch trotz so klarer und herrlicher Beweise für ihre segensreiche
Kraft sehen wir die Kirche gegen das Ende des Mittelalters von gottlosem
Hasse angefeindet. Fast noch härtere Kämpfe brachte das folgende
Zeitalter. Im 16. Jahrhundert begann jener traurige Bruderkrieg der Neuerer,
dessen Voraussetzungen bekannt sind. Durch Angriffe auf das Haupt der Kirche,
das Papsttum und sein Ansehen, welche alle Gläubigen zu einer Liebe
vereinigt und mit Kraft erfüllte, suchten sie in schönster Blüte
stehende Völker von der Einheit des Glaubens kläglich loszureißen.
Durch diese unheilvolle Spaltung langten sie notwendigerweise an einem
Punkte an, wo sie vielleicht selbst nicht anlangen wollten, daß sie
nämlich noch kaum den Schatten des Christentums behielten, die Sache
selbst so ziemlich opferten. Aber nachdem man einmal einerseits die Vorrechte
des römischen Stuhles, das Fundament der Einheit bestritten und andererseits
den Grundsatz der freien Forschung aufgestellt hatte, wurde zahllosen Meinungen
und Neuerungen der Weg geöffnet. Darum gibt es keinen auch noch so
heiligen Grundsatz der christlichen Lehre, den jene Neuerer nicht in Zweifel
zögen oder völlig verwürfen.
f) Die Aufklärung.
Auf demselben Wegen ging die spottsüchtige Philosophie des 18.
Jahrhunderts noch weiter. Für sie gab es weder eine heilige Schrift
noch eine von Gott geoffenbarte Wahrheit. Ihr Endziel war, die letzte Spur
der christlichen Religion aus dem Herzen der Völker zu vertilgen.
Diesen Quellen entsprangen die verderblichen Lehren des Rationalismus und
Pantheismus, des Naturalismus und Materialismus, alte von den Vätern
und den Apologeten bereits siegreich widerlegte Irrtümer in neuem
Gewande. Überhaupt sinkt der Hochmut der Neuzeit, indem er das Licht
des christlichen Glauben verachtet, in die Irrtümer des Heidentums
zurück, so daß man sogar die Vorzüge der menschlichen Seele
und ihre Unsterblichkeit leugnet.
g) Der Skeptizismus.
Unter diesen Umständen gestaltete der Kampf gegen die Kirche sich
heftiger und allgemeiner als vorher, denn der Unglaube unserer Zeit begnügt
sich nicht damit, diese oder jene Glaubenswahrheit zu bezweifeln oder zu
leugnen, sondern bekämpft alle von der Offenbarung geheiligten und
von der gesunden Philosophie bestätigten Grundsätze in ihrem
ganzen Umfange. Nun sind es aber jene heiligen Grundsätze, welche
den Menschen über seine ewige Bestimmung aufklären, ihm den Weg
der Pflicht zeigen, ihn im Leben aufrichten, ihn lehren, seinen Schmerz
zu tragen, ihm vollkommene Gerechtigkeit im Gerichte Gottes und ein glückseliges
Leben nach dem Tode in Aussicht stellen, und ihm einschärfen, die
Zeit der Ewigkeit, die Erde dem Himmel unterzuordnen. Und was setzt man
an die Stelle dieses Glaubens, so überreich an segensvoller Heilkraft?
Eine schauerliche Zweifelsucht, welche die Herzen lähmt und jedes
hochherzige Streben erstickt.
h) Die Religionslosigkeit.
Und schon schaut Ihr, Ehrwürdige Brüder, die Folgen dieser
unheilvollen Lehren, die aus dem Kreise der Meinungen sich einen Weg bahnt
in das öffentliche Leben und in die Einrichtungen des Staates. Große
und mächtige Staaten richten sich beständig danach, wähnend,
daß sie so an der Spitze der öffentlichen Gewalt nicht verpflichtet
wären, sich nach den gesunden Grundsätzen des sittlichen Lebens
zu richten, glauben sie sich vielmehr frei von der Pflicht, Gott öffentlich
zu ehren; und nur zu oft geschieht es, daß sie im Großtun mit
einer vollständigen Gleichgültigkeit gegen alle Religion die
allein feindselig behandeln, welche Gott eingesetzt hat.
3. Der Kampf in seinen unheilvollen Folgen:
a) Die unabhängige Moral.
Nachdem man im öffentlichen Leben Gott verächtlich beiseite
gesetzt hatte, mußte eine tiefgehende Verwirrung und ein Niedergang
des sittlichen Lebens notwendig folgen, da ja die Religion das Fundament
der Gerechtigkeit und Sittlichkeit ist, wie das schon die berühmtem
heidnischen Weltweisen erkannt haben; sind nämlich einmal die Bande
gelöst, welche die Menschen mit Gott, dem höchsten Gesetzgeber
und Richter, verbinden, so gibt es nur mehr ein Schattenbild einer rein
bürgerlichen oder, wie man sagt, einer unabhängigen Moral, welche
um ein ewiges Gesetz und göttliche Vorschriften sich nicht kümmert
und auf abschüssiger Bahn bei der äußersten Folgerung anlangt,
daß der Mensch nach Lust und Laune sich selber Gesetze gibt. Ist
die Hoffnung des Menschen nicht mehr auf die höheren Güter gerichtet,
wird er dann nach etwas anderem trachten als die Freuden und Bequemlichkeiten
dieses Lebens möglichst zu genießen? Der Durst nach den Lüsten
des Lebens steigert sich, es entbrennt die Begierde nach Reichtümern
und das maßlose Verlangen nach übergroßem Gewinn, ohne
Rücksicht auf die Gerechtigkeit; der Ehrgeiz wird entflammt und verschmäht
keine Mittel, um zu Macht und zu Ehren zu gelangen. Wo aber eine solche
Zügellosigkeit die Gemüter der Menge beherrscht, werden die Gesetze
und die öffentliche Autorität verachtet, da kann das Gemeinwesen
nicht mehr fern von seinem Untergange sein.
b) Die Zerrüttung der Familie.
Die Wirklichkeit bestätigt bereits nur allzusehr die aus dieser
heillosen Verwirrung hervorgehenden, vorbezeichneten Übelstände.
Wir sehen die Grundlagen des bürgerlichen Lebens wanken, nachdem man
einmal die Grundsätze von Recht und Gerechtigkeit preisgegeben. Das
hat allen Glieder der Gesellschaft, vor allem aber der Familie, eine schwere
Wunde geschlagen. Denn der Staat, der Kirche entfremdet, überschritt
die Grenzen und das Ziel seiner Machtbefugnisse, legte seine Hand an das
eheliche Band, beraubte es seiner Heiligkeit, verletzte das natürliche
Recht der Eltern auf die Erziehung ihrer Kinder und schädigte an manchen
Orten die Festigkeit des ehelichen Bundes durch gesetzliche Gutheißung
der Ehescheidung. Die Folgen können niemandem verborgen blieben: täglich
wächst die Zahl jener Ehen, die nur aus Leidenschaft leichtfertig
eingegangen und deshalb in kurzer Zeit wegen Ekel und Untreue wieder aufgelöst
werden, gar nicht zu reden von den Kindern, welche durch die Sorglosigkeit
oder das böse Beispiel der Eltern frühzeitig verdorben oder endlich
von den schlechten Grundsätzen des religionslosen Staates vergiftet
werden.
c) Der Zerfall der sozialen Ordnung.
Der Verfall der Familie zog auch den Verfall der sozialen und politischen
Ordnung nach sich, hauptsächlich infolge der neuen Anschauungen, welche
die wahren Begriffe der Herrschergewalt fälschten, indem sie ihr einen
falschen Ursprung zuerkannten.
Nehmen wir wirklich einmal an, daß die Regierungsgewalt nicht
von Gott, dem höchsten und ewigen Grund aller Gewalt, sondern von
der Zustimmung der Volksmenge herrühre, so muß sie sofort in
den Augen der Bürger viel verlieren und in ein künstliches Regiment
ausarten, das auf ein so unsicheres und wankendes Fundament sich stützt,
wie es der menschliche Wille ist. Und sehen wir vielleicht nicht schon
die Folgen in den Gesetzen? Meist bringen sie die Meinung der an Zahl überlegenen
Partei, keineswegs aber, wie es billig wäre, "die geschriebene Vernunft"
zum Ausdruck. Deshalb kann man sehen, daß man den zügellosen
Wünschen der Massen schmeichelt, den Volksleidenschaften die Zügel
schießen läßt, selbst wenn sie die Arbeiten und den Frieden
der Bürger stören. Wenn es aber zum Äußersten gekommen
ist, ergreift man gewaltige und auch selbst blutige Mittel.
d) Der Egoismus im politischen Leben.
Wo man aus dem allgemeinen Völkerrechte die christlichen Gebote
verbannt, welche ein wunderbare Kraft in sich tragen, die Völker zusammenzuschließen
und gleichsam zu einer Familie zu vereinigen, ist in ähnlicher Weise
im Verkehr der Völker untereinander nach und nach maßlose Selbstsucht
und Eifersucht entstanden, so daß man sich, wenn auch nicht mit feindseligem,
so doch mit mißtrauischem Auge beobachtet. Daher lassen die Nationen
bei ihren Unternehmungen sich nicht gar zu sehr von den erhabenen Grundsätzen
der Sittlichkeit und der Gerechtigkeit leiten, sie meinen, es gehe sie
nicht an, die Schwachen gegen die Unterdrückung der Mächtigen
in Schutz zu nehmen. Ihr ganzes Sinnen und Trachten ist auf grenzenlose
Anhäufung von Reichtümern gerichtet, einzig und allein streben
sie das an, was ihnen Vorteil und Nutzen zu bringen scheint, sind sie ja
überzeugt, daß, wenn der Gewaltstreich einmal gelungen ist,
niemand sie an ihre Pflicht gemahnen wird.
Das sind unheilvolle Ansichten, welche die rohe Gewalt als höchstes
Gesetz der Welt aufstellen; daher die rastlose und maßlose Vermehrung
der Kriegsrüstungen, daher ein solcher Friede der dem schlimmsten
Krieg in seinen Folgen vergleichbar ist.
e) Der Geist der Widersetzlichkeit im Volke.
Aus dieser sittlichen Verwirrung erwachsen dem Volke die größten
Nachteile, Unruhen und Unbotmäßigkeit; daher die so häufigen
Unruhen und Aufstände, welche noch schlimmere Stürme ankündigen.
Die unwürdige Lage eines so großen Teiles der gewöhnlichen
Volkes, dem schnell Befreiung oder wenigstens Erleichterung verschafft
werden muß, wird von verschmitzten Führern, an erster Stelle
von der sozialistischen Partei, zu ihrem Vorteil mißbraucht, die
das Volk durch trügerische Versprechen betören und zur Verwirklichung
ihrer schändlichen Pläne antreiben.
f) Der Anarchismus.
Weil aber derjenige, der einen Abhang hinunterstürzt, schließlich
in die Tiefe gelangen muß, so haben die gegebenen Ursachen notwendig
zur Folge gehabt, daß eine Gesellschaft von verkommenen, rohen Menschen
herangebildet wurde, deren gräßliche Taten in kurzer Zeit überall
Schrecken eingejagt haben. Durch ihre Macht und ihre Zahl bei allen Nationen
vermag sie überall ihre verbrecherische Hand anzulegen und dreist
jeden Anschlag zu wagen. Ihre Anhänger zerreißen alle Bande,
welche Gesetz, Religion und Sittlichkeit geknüpft haben, nennen sich
Anarchisten und suchen mit allen Mitteln, die nur wilde Leidenschaft eingeben
kann, die gesellschaftliche Ordnung von Grund aus zu zerstören. Da
aber die Gesellschaft namentlich durch die Obrigkeit Festigkeit und Lebensfrische
erhält, so richten diese verworfenen Menschen ihre Pfeile vorzüglich
gegen die Obrigkeit. Wer erbebte nicht in Mitleid und Entrüstung angesichts
jener mörderischen Anfälle und Mordtaten, denen in diesen wenigen
Jahren Kaiser und Kaiserinnen, Könige und Häupter mächtiger
Republiken zum Opfer gefallen sind, einzig darum, weil sie mit der höchsten
Gewalt bekleidet waren?
III. Die Heilmittel.
Gegenüber so zahlreichen und so schwer drückenden Übeln
und drohenden Gefahren ist es Unsere Pflicht, von neuem alle Gutgesinnten,
besonders die, welche hervorragende Stellungen einnehmen, zu ermahnen und
zu beschwören, geeignete Heilmittel zu suchen und sie behutsam und
mit Nachdruck baldigst anzuwenden.
1. Falsche Mittel:
a) Freiheit ohne Zügel.
Zuerste handelt es sich darum, sie zu erkennen und ihre Kraft abzuschätzen.
Wir hörten schon die Vorteile und die Kraft der Freiheit so überschwänglich
loben, als sollte sie Frieden und Wohlstand bringen. Die Tatsachen haben
Uns aber ihre Unzulänglichkeit und Unfähigkeit zur Genüge
bewiesen. Im wirtschaftlichen Leben, in der Stellung der Bürger untereinander
ist der Kampf entbrannt oder doch am Entbrennen; von einem ruhigen, friedlichen
Zusammenleben ist nichts zu merken. Im Gegenteil, jedermann hat genugsam
erfahren, daß die Freiheit, wie man sie heutzutage versteht, als
gleiche Freiheit für den Irrtum und die Wahrheit, für Tugend
und Laster, nur dazu geführt hat, alles Edle, Heilige und Erhabene
zu unterdrücken, den Verbrechen aber, dem Selbstmord und den schmählichsten
Schandtaten freie Bahn zu schaffen.
b) Unterricht ohne Religion.
Man hat sich auch viel von der Verbesserung des Volksunterrichts versprochen,
als würden die Volksmassen, je gebildeter und aufgeklärter, auch
desto stärker gegen die schlimmen Einflüsse der Leidenschaften
und darum auch um so mehr in der Sittlichkeit und Rechtlichkeit befestigt
werden. Die Erfahrung zeigt aber fast tagtäglich, wohin die Bildung
führt, die von einer gründlichen religiösen und sittlichen
Erziehung nichts wissen will. Die Jugend, unerfahren und von Leidenschaften
umbraust, läßt sich leicht durch die falschen Grundsätze
betören, die besonders die Tagesblätter mit ungezügelter
Freiheit verbreiten, die Geist und Herz verderben und jenen Geist des Hochmuts
und der Unbotmäßigkeit durchweg großziehen, der so oft
in die Familien und in die Gemeinden Verwirrung bringt.
c) Kulturfortschritt ohne Gott.
Schöne Hoffnungen setzten viele auch auf den Fortschritt in den
Wissenschaften, und hierin hat das letzte Jahrhundert Großes, Neues
und Wunderbares geleistet. Hat es aber jene so sehr erwünschten und
darum erwarteten Früchte des Teiles gebracht? Gewiß hat der
strebsame Geist unserer Zeitgenossen, dem neue und unerläßliche
Forschungsgebiete erschlossen wurden, die Herrschaft der Menschen über
die Körperwelt erweitert und das irdische Leben durch manche Annehmlichkeiten
verbessert. Daß aber die Erfolge den Erwartungen keineswegs entsprechen,
leuchtet jedem ein, der diese Richtung des Geistes und den Zustand der
Sitte, die Jahresberichte über die Verbrechen, das schauerliche Murren
der unteren Volksklassen und die Vergewaltigung des Rechtes ins Auge faßt.
Abgesehen von dem zum äußersten gebrachten Volke, genügt
ein Blick, um die unsagbare Traurigkeit, die auf den Gemütern lastet,
und die tiefe Leere in den Herzen wahrzunehmen. Wenn der Mensch auch die
Körperwelt sich dienstbar gemacht hat, so ist sein Geist dennoch unbefriedigt
geblieben. Wohl hat sein Forschen ihm manches Wissen enthüllt, ist
ihm aber in den höchsten und schwierigsten Fragen die Antwort schuldig
geblieben. Die irdischen Dinge reizen nur den Durst nach Wahrheit, Tugend
und dem unendlichen Gute, ohne ihn zu stillen; die vielfach vermehrten
Annehmlichkeiten des Lebens sind nicht imstande, die Sorgen aus den Herzen
zu verbannen.
2. Richtige Mittel:
a) Christliche Freiheit, Fortschritt, Unterricht.
Sollen darum die Schätze der Wissenschaft, der Kultur und einer
maßvoll und vernünftigen Freiheit verachtet oder vernachlässigt
werden? Durchaus nicht! Sie müssen im Gegenteil geschützt und
gefördert werden, sie sind ja als an sich gute, von Gott selbst zum
besten der Menschheit gewollte Mittel zu betrachten. Nutzbringend, nach
den Absichten des Schöpfers, sind sie aber nur im Anschlusse an die
Religion, die ihnen all ihre Kraft und Fruchtbarkeit verleiht. Dieser eine
Punkt ist von entscheidender Wichtigkeit. Denn wie ein Wesen, getrennt
von dem Einflusse der Ursachen, die ihm Bestand gaben, zerrüttet werden
muß, so muß es, um lebensfrisch zu werden, mit der Lebenskraft
dieser Ursachen wieder in Verbindung gebracht werden. Nun denn, in dem
törichten Unterfangen, von Gott sich loszusagen, verwarf die bürgerliche
Gesellschaft dreist alle geoffenbarten Lehren und alles Übernatürliche
und hielt so die lebensspendende Kraft des Christentums von sich ferne,
welche allein die sicherste Bürgschaft für die Ordnung, das wichtigste
Band der Verbrüderung und die nie versiegende Quelle der Tugenden
für den einzelnen wie für die Allgemeinheit bildet. Auf diesen
Abfall vom Glauben folgte eine große Zerrüttung in Leben und
Sitten. Zu den christlichen Einrichtungen muß also die beirrte Gesellschaft
zurückkehren, wenn ihr Wohl, ihre Ruhe und ihr Heil ihr am Herzen
liegt.
b) Rückkehr zur katholischen Kirche.
Wie die Weisheit des Christentums in keine Seele einkehrt, ohne sie
besser zu machen, so dringt es auch in keine Staatsverwaltung ein, ohne
einen friedlicheren, ruhigeren Zustand sofort herbeizuführen. Mit
dem Begriffe eines für alle sorgenden, allweisen, unendlich gütigen
und gerechten Gottes weckt es im Gewissen das Pflichtgefühl, mildert
es die Bitterkeit der Leiden, besänftigt es den Zorn und regt es zu
heldenmütigen Taten an. Wenn es die heidnischen Völker von Grund
aus umzuwandeln vermochte, sie vom völligen Untergange zum Leben zurückrief,
wenn es die Barbarei zurückdrängte, wohin es nur seinen Fuß
setzte, so wird es in gleicher Weise die durch den Abfall zerrütteten
Völker, die zum Christentum zurückkehren, wieder auf die Bahn
der Ordnung zurückgeleiten.
1. Sie ist die wahre Braut Christi.
Soll aber diese Rückkehr wahres und volles Heil bringen, so muß
sie eine Rückkehr in den Schoß der einen, heiligen, katholischen
und apostolischen Kirche sein. Denn die Kirche allein ist Trägerin
des ganzen Christentums, jene ganz geistliche und vollkommene Gesellschaft,
die der mystische Leib Christi ist und zum sichtbaren Oberhaupt den Bischof
von Rom hat, den Nachfolger des Apostelfürsten. Sie setzte der Erlöser
des Menschengeschlechtes ein als Vollenderin seines Werkes und zur Ausspenderin
des ihr anvertrauten Heils, sie verbreitete das Evangelium über die
Erde und verteidigte es mit ihrem Blute, und im Vertrauen auf die heiligsten
Verheißungen und den immerwährenden göttlichen Beistand
führt sie frei von allem Irrtum den Auftrag aus, die Lehre Christi
bis an das Ende der Zeiten unverfälscht zu bewahren.
2. Sie tritt ein für Gerechtigkeit und Liebe.
Als rechtmäßige Hüterin der Sittenlehre des Evangeliums
schützt sie nicht nur die den einzelnen zu ihrem ewigen Heile nötigen
Mittel, sondern auch die Grundbedingungen der Wohlfahrt des Staates: Gerechtigkeit,
gegenseitige Liebe, wahre Freiheit und Gleichheit, soweit sie überhaupt
möglich ist. Den Geboten und Lehren ihres göttlichen Stifters
folgend, wahrt sie nach weisem Ermessen alle Rechte und Vorrechte der ganzen
menschlichen Gesellschaft. Die Gleichheit, die sie verkündet, berührt
die offenbar von der Natur gewollten Standesunterschiede nicht. Die Freiheit,
die sie lehrt, ist derart, daß sie weder die Vernunft vom Gehorsam
und von der Unterweisung unter den Glauben ausnimmt, noch sich selbst überläßt;
sie fordert es als ein Recht, daß die Freiheit der Wahrheit, die
Majorität und Gewalt der Gerechtigkeit, die Menschenrechte den Rechten
Gottes den Vorrang lassen.
3. Sie rettet das Familien- und bürgerliche Leben.
Nicht minder segensreich sind ihre Einflüsse im Familienleben:
sie schützt die Familien gegen die Nachstellung und Zügellosigkeit
schändlicher Feinde des Glaubens, sie schlingt fester die unlöslichen
Bande der ehelichen Liebe und schützt die Ehrbarkeit und Heiligkeit
der Ehe. In gleicher Weise bringt sie dem bürgerlichen wie dem staatlichen
Leben Ordnung und Stärke; denn einerseits stützt sie das Ansehen
der Vorgesetzten und andererseits ist sie berechtigten und billigen Wünschen
der Untertanen nicht abhold; sie verlangt ehrerbietigen Gehorsam gegen
die Obrigkeit und verteidigt die unveräußerlichen Rechte der
Menschenwürde. Und so wird die Gesellschaft, wenn sie der Kirche gehorsam
ist, sich gleich fernhalten von Knechtschaft wie von Gewaltherrschaft.
4. Leo XIII. hat sich bemüht, dies zu zeigen.
Im Bewußtsein eben dieser göttlichen Kraft waren Wir gleich
von Beginn unserer Regierung an eifrig bemüht, die segensreichen Absichten
der Kirche zu betonen, das Licht ihrer Lehren und den Segen ihrer Wohltaten
möglichst weit auszubreiten. Diesen Zweck verfolgten Unsere hauptsächlichen
Apostolischen Schreiben, besonders die Rundschreiben über die christliche
Philosophie, die menschliche Freiheit, die christliche Ehe, die Freimaurerei,
die öffentliche Gewalt, die christliche Verfassung der Staaten, den
Sozialismus, die Arbeiterfrage, die Hauptpflichten des christlichen Bürgers
und über verwandte Gegenstände. Doch war es Unser Herzenswunsch,
nicht nur die Geister mit dem Lichte der Wahrheit zu erleuchten, sondern
auch die Herzen zur Übung der Tugenden zu bewegen. Wie haben deshalb
alles aufgeboten, um durch Ermahnungen und Lehren die Seele zu Liebe der
ewigen Güter anzufeuern; denn das ist das Ziel Unseres ganzen Lebens.
Und dank der Gnade Gottes, die Unsere Bemühungen segnete, wurden viele
in der Wahrheit befestigt, in schwierigen und wichtigen Fragen besser aufgeklärt
und ihr Eifer angespornt, die verschiedene Werke zu fördern, welche
überall entstanden sind zum Besten der Armen. Der christlichen Liebe
ist es ja eigen, jegliches Elend des Volkes zu lindern. Waren die Früchte
nicht reichlicher, Ehrwürdige Brüder, so wollen wir die Geheimnisse
der göttlichen Fügung anbeten und ihn anflehen, er möge
gnädig anschauen jene ungeheure Zahl, auf welche nur zu sehr das Wort
des Apostels Anwendung findet: Der Gott dieser Welt hat die Herzen der
Ungläubigen verblendet, daß ihnen das Licht des Evangelium von
der Herrlichkeit Christi nicht strahle. (2. Kor. 4,4.)
IV. Die Welt verdreht diese guten Absichten der Kirche.
1.Verleumdungen.
Diese aber wenden all ihre Kräfte auf, um der für jegliches
Wohl der Völker so eifrig bemühten Kirche ihr Ansehen zu rauben,
ihre Arbeit zu hemmen, und sie tun das mit so großem Hasse, daß
man sie unschwer als Söhne der Finsternis zu erkennen vermag. Daher
die vielfachen Ränke und Verleumdungen, mit welchen sie das unerfahrene
Volk täuschen und die Eifersucht der Regierungen reizen, und namentlich
dieser überaus boshafte Kunstgriff: sie stellen die Kirche dar als
die Feindin des wissenschaftlichen Fortschrittes, als ein Hemmnis der Freiheit,
die fremde Rechte sich anmaße und die Rechte des Staates an sich
reiße. Wie aber der Mund der Gegner tausendmal diese Anklangen wiederholt,
so hat sie die Vernunft, die Geschichte und das übereinstimmende Zeugnis
aller richtig urteilenden Menschen auch tausendmal widerlegt.
a) Die Kirche eine Feindin der Kultur.
Eine Feindin der Wissenschaft und Bildung nennen sie die Kirche. Als
ob sie als wachsame Hüterin der geoffenbarten Glaubenswahrheiten nicht
eben darin Förderin und Pflegerin aller wahren Wissenschaft und Künste
wäre! Die Kenntnis der durch das Wort Gottes geoffenbarten Wahrheiten,
der Urquell aller Wahrheiten, weit entfernt, die natürliche Erkenntnis
irgendwie zu beeinträchtigen, schärft und stärkt vielmehr
den Menschlichen Verstand. Denn diese Wahrheiten beseitigen die Gefahr
des Irrtums oder quälender Unsicherheit in den wichtigsten Fragen.
Übrigens genügt der Ruhm von 19 Jahrhunderten, den die Kirche
in allen Zweigen den Wissenschaft sich erworben, um die lügenhafte
Behauptung zu richten. Der katholischen Kirche gebührt das Verdienst,
die christliche Weisheit, ohne welche die Welt auch jetzt noch in den Finsternissen
des Aberglaubens und der Barbarei läge, verbreitet und gehütet
zu haben, ihr allein gebührt das Verdienst, die Schätze der Literatur
des Altertums vor gänzlichem Unntergange bewahrt und uns überliefert
zu haben, ihr gebührt das Verdienst, die ersten Volksschulen eröffnet
zu haben, und ihr gebührt endlich das Verdienst, die berühmtesten
Künstler auf allen Gebieten begünstigt und die Schriftsteller
zu erhabenen, ruhmwürdigen Leistungen begeistert zu haben.
b) Die Kirche eine Feindin der Freiheit.
Eine Feindin der Freiheit nennen sie die Kirche. Sie ist - nichts weniger
als das; man lasse doch dem Worte seine Bedeutung, und da es eines der
kostbarsten Geschenke Gottes bezeichnet, mißbrauche man es nicht,
um Schlechtigkeit und Ungerechtigkeit zu benennen. Versteht man unter Freiheit
Gesetzlosigkeit und Ungebundenheit, so wird sie sicherlich bei der Kirche
wie beim gesunden Menschenverstande Widerspruch finden, versteht man aber
unter Freiheit, rasch und ungehindert nach den Bestimmungen des ewigen
Gesetzes zu handeln - und gerade darin besteht die des Menschen würdige
und im Staate nützliche Freiheit -, so hat sie keine eifrigere Beschützerin
als die Kirche. Den Mühen und der Ausdauer der Kirche, welche die
Gleichheit und Brüderlichkeit aller Menschen untereinander verkündete,
ist die Abschaffung der schmachvollen Sklaverei unter den christlichen
Völkern zu verdanken; sie schirmte das Recht der Schwachen gegen Machthaber,
sie erkaufte mit vielem Martyrerblut das öffentliche Bekenntnis des
christlichen Namens, sie hütete die Menschenwürde und Rechte
des Kindes und der Frau, sie förderte in nicht geringem Maße
selbst die bürgerliche und staatliche Freiheit der Völker.
c) Die Kirche eine Feindin des Staates.
Aber die Kirche überschreitet die Grenzen ihrer Rechte und greift
in die des Staates ein! Aber die Kirche hört doch nicht auf, aller
Welt zu verkünden, daß Christus befahl, dem Kaiser zu geben,
was des Kaisers ist und Gott, was Gottes ist; sie hat so den bleibenden
und unveränderlichen Unterschied der beiden Gewalten festgesetzt,
die beide in ihrer Ordnung die höchsten sind; eine segensreiche Unterscheidung,
welche zur Entwickelung der christlichen Gesinnung viel beigetragen hatte.
Sodann liegt der Kirche, die vom Geiste der Liebe geleitet wird, nichts
ferner als feindselige Haltung gegen die staatliche Gewalt, mit welcher
sie nur einträchtig arbeiten will an dem Heil derselben Menschen
und derselben Gesellschaft, wenngleich die Kirche ihrer göttlichen
Sendung gemäß weit höheres als der Staat anstrebt. Wenn
ihr Wirken keinem Argwohn begegnet, erst dann wird sie die genannten überaus
heilsamen Früchte hervorbringen. Der Vorwurf aber, sie erlaube sich
Eingriffe in die Rechte des Staates, ist eine alte Verleumdung, deren alle
Kirchenverfolger sich bedienten, um ihren Bedrückungen den Schein
des Rechtes zugeben. Auch die Geschichte bezeugt es jedem,der die Tatsachen
vorurteilslos erkennen und beurteilen will, mehr als genug, daß die
Kirche niemals irgend ein Recht verletzt, vielmehr nach dem Beispiele ihres
Stifters vielfaches Unrecht gelitten hat, und das gerade deshalb, weil
ihre Stärke nicht in der Macht der Waffen, sondern in der Kraft des
Gedankens und der Wahrheit liegt.
2. Verfolgung durch die Freimaurerei.
a) Ihr Zweck ist die Vernichtung von Staat und Kirche.
Da muß man denn schließlich sagen, diese und etliche Beschuldigungen
beruhen auf Böswilligkeit. Und bei dieser unheilvollen und unehrlichen
Arbeit tut sich eine lichtscheue Vereinigung hervor, welche wie eine bösartige
Krankheit an dem Lebensmark der Gesellschaft zehrt und all deren Kräfte
schwächt und bricht. In ihren Plänen, die auf Umsturz der bestehende
Ordnung hinzielen, und in ihrer Einrichtung erweist sie sich als Feindin
der bürgerlichen Gesellschaft, welche sie von ihren Schlupfwinkeln
aus beherrschen möchte, darum ist ihr auch der Krieg gegen Gott und
die Kirche Gottes angeboren. An diesen auffallenden Merkmalen erkennt jeder
die Freimaurerei, in welcher Wir eigens in Unserem Rundschreiben vom 20.
April 1884 gesprochen haben, indem wir warnend auf ihre Pläne, Lehren
und Untaten hinwiesen. Diese weit und breit sich unbemerkt ausbreitende
Vereinigung hat beinahe alle Völker angesteckt und sich mit anderen
verwandten Sekten vereinigt, welche sie durch verborgene Kunstgriffe zu
leiten versteht. Und nicht nur das. Sie hat es auch verstanden, in alle
Kreise der Gesellschaft einzudringen, teils durch große Vorteile,
welche sie ihren Anhängern in verlockende Aussicht stellt, teils durch
Versprechungen oder Drohungen, mit welchen sie die staatlichen Behörden
sich gefügig macht. So hat sie die Leitung des Staates tatsächlich
in der Hand, wenngleich es den Anschein hat, als ob die Regierung von der
rechtmäßigen Gewalt geführt werde. Gleichsam erfüllt
vom Geiste des Satans, der sich nach den Worten des Apostel in einen Engel
des Lichtes verwandelt (2. Kor. 11.14), tut sie groß mit ihren Wohltätigkeitsbestrebungen,
weiß aber alles ihren Zwecken dienstbar zu machen; sie behauptet
zwar, politische Ziele keineswegs zu verfolgen, sucht jedoch möglichst
viel Einfluß auf die Gesetzgebung und die Leitung des Staates zu
gewinnen; wenn sie auch vorgibt, die Obrigkeit sei ihr heilig und die Religion
ihr nicht verhaßt, hat sie es sich doch zum Ziele gesteckt, wie ihre
eigenen Statuten es bestätigen, den Staat und das Christentum zu vernichten,
in welchen sie die Feinde der Freiheit sieht.
b) Die Verfolgungen der letzten Zeit gingen von ihr aus.
Es kommt immer mehr als Tageslicht, daß, wie die wiederholten
früheren Bedrängnisse der Kirche, so auch der letzte verschärfte
Angriff gegen diese auf das Anstiften und die Arbeit der Freimaurerei an
erster Stelle zurückzuführen sind. Und in der Tat, der in jüngster
Zeit an vielen Orten gleichzeitig auflodernde Brand des Hasses, für
den man keinen hinreichenden Grund findet, die gleichen Mittel, diesen
Brand zu schüren, die Frechheit der Tagesblätter, der Tumult
der öffentlichen Versammlungen, die Ausgelassenheit der Theatervorstellungen,
die gleiche Art und Weise, die Massen aufzureizen durch schmachvolle Verleumdungen,
das alles weist hin auf Gleichheit der Gesinnungen und auf einen einzigen
Anführer. Und doch ist dies nur die teilweise Ausführung eines
verderblichen Kriegsplanes, von dem wir bereits sprachen und dessen Hauptzweck
kein anderer ist, als daß die Jugend ohne religiösen Unterricht
allmählich der Gleichgültigkeit oder dem Unglauben zum Opfer
falle, daß die fortgesetzte Unverschämtheit der Preßerzeugnisse
die christlichen Sitten untergrabe, daß die Gebräuche und Feste
der Kirche ein Gegenstand des Gespöttes und der Verachtung werden.
c) Das Priestertum und die religiösen Orten werden besonders
verfolgt.
Weil aber das Priestertum gerade dazu berufen ist, die Religion in
die Herzen zu pflanzen und die heiligen Geheimnisse auszuspenden, wird
keine Mühe gespart, um die Macht und das Ansehen der Priester beim
Volke zu verkleinern. Die Frechheit wächst von Tag zu Tag in dem Maße,
als immer nur Straflosigkeit zu erwarten ist. Die ehrenwertesten Männer
werden verdächtigt, beschuldigt und mit schmachvollen Beleidigungen
überhäuft. Es war nicht genug, daß man die Diener der Kirche
zum Schaden ihrer Ausbildung dem Militärzwang unterwarf, daß
man die Kirche ihrer Güter, die sie freiwilligen Gaben der Gläubigen
verdankt, beraubt, daß man ander unwürdige Taten zu verüben
sich nicht scheute, nein, der Kirche werden neue Wunden geschlagen.
Gerade den Orten und religiösen Genossenschaften, welche die Befolgung
der evangelischen Räte zum Lebensberufe sich erwählt, rechnet
man das zum Verbrechen an, was nicht weniger den Ruhm des Staates als den
der Religion ausmacht. Darum müssen wir die neuerdings über sie
verhängten ungerechten und gehässigen Maßregeln beklagen,
welche jeder rechtschaffene Mensch verurteilen wird. Nichts war imstande,
das drohende Unheil abzuwenden: nicht die Unbescholtenheit ihres Lebens,
zu erhaben, als daß man erwiesene Verbrechen hätte entdecken
können; nicht die Staatsgesetze, obgleich schon das Naturrecht die
Vereinigung zu ehrenhaften Zwecken erlaubt; nicht die Erkenntlichtkeit
des Volkes für die großen Dienste, welche ihm die Orden geleistet
in Wissenschaft, Kunst und besonders im Ackerbau, und endlich für
die ausgedehnteste Liebestätigkeit zu Gunsten des vielgeplagten Volkes.
So werden die Männer und Frauen, Kinder des Volkes, die freiwillig
auf die Freuden der Familie verzichtet haben, um in freigewählten,
friedlichen Vereinigungen ihre Jugend, ihre Talente, ihre Kräfte und
ihr Leben dem Wohle des Nächsten zu opfern, wie Verbrecherbanden zur
Verbannung verurteilt - und das zu einer an Freiheit zu überreichen
Zeit.
d) Die Beraubung des göttlichen Stuhles.
Kein Wunder, daß die liebsten Kinder so hart behandelt werden,
da man doch mit dem Vater selbst, dem Haupte der Christenheit, dem Bischof
von Rom, nicht glimpflicher verfährt. Es sind allbekannte Tatsachen,
man raubte ihm seine weltliche Herrschaft und damit jene Unabhängigkeit,
welche seine apostolische Sendung zu allen Völkern erheischt. Der
Druck einer feindlichen Macht nötigte ihn, sich in seiner eigenen
Stadt Rom, in seinem eigenen Hause einzuschließen; er fühlt
sich in eine ungerechte und unwürdige Lage versetzt, und das, nachdem
man das lächerliche Versprechen gemacht, für seine Würde
und Freiheit bürgen zu wollen. Wir selbst kennen die zahlreichen großen
Hindernisse, die man dem Wirken des apostolischen Stuhles bereitet, wie
man selbst seine Absichten mißdeutet, um sein Ansehen zu mindern.
Täglich wird es klarer, daß der Raub der weltlichen Herrschaft
deshalb stattgefunden, um den Weg frei zu bekommen, und leichter die erhabene
Gewalt des Papstes zu brechen. Übrigens haben die Urheber und Anführer
des Gewaltreiches dies ohne viele Umschweife ausgesprochen.
3. Die Verfolgungen gereichen nur dem Staate zum Verderben.
Dies aber hat nicht nur die staatliche, sondern auch die gesellschaftliche
Ordnung geschädigt, wie die Folgen klar bezeugen. Dies ist nun einmal
so, daß die gegen die Religion gerichteten Angriffswaffen sich gegen
die Gesellschaft richten. Wie nämlich Gott den Menschen für die
Gesellschaft geschaffen und gebildet, so hat er in seiner Vorsehung auch
die Kirche gegründet, hat sie an einen erhabenen Ort gestellt, auf
den Berg Sion, wie es in der hl. Schrift heißt, auf das ihr Licht
weithin leuchte, die mannigfachen in der Gesellschaft ruhenden Kräfte
zur Entfaltung bringe und mittels der göttlichen Gebote die Gesellschaft
zu wünschenswerte Vervollkommnung führe. Trennt sich daher die
Gesellschaft von der Kirche, deren Einflüssen sie zum großen
Teil ihre Lebenskraft verdankt, so muß sie sinken oder stürzen,
da sie trennt, was nach Gottes Willen verbunden sein sollte.
Wir haben zwar bei jeder sich bietenden Gelegenheit diese Wahrheiten
verkündet, glauben aber gleichwohl bei diesem Anlasse sie noch dringlicher
einschärfen zu sollen. Möchte es doch bewirken, daß sowohl
die Gläubigen am allgemeinen Wohle einsichtsvoller und herzhafter
mitarbeiten als auch die Gegner zur Einsicht kommen, wie unrecht sie handeln,
wenn sie die mütterliche Liebe der Kirche und die herrlichen Wohltaten,
die sie der Menschheit erweist, mit Haß und Bosheit vergelten.
V. Ausblick in die Zukunft.
1. Der Sieg ist unser.
Übrigens, ein trauriges Bild ist es, das Wir in kurzen Zügen
von unserer Zeit entworfen haben! Jedoch dürfen wir die Hoffnung und
das Vertrauen nicht aufgeben, daß der allwissende Gott zur rechten
Zeit uns doch einmal den Sieg verleihen wird. Unser Herz ist tiefbetrübt,
und doch fürchten Wir keineswegs für die Kirche, die, Wir haben
es bereits zu Anfang gesagt, zu Leiden geboren ist. Läßt Gott
Verfolgungen und Anfeindungen über sie hereinbrechen, so tut er das
an erster Stelle, um die Tugend der Guten zu prüfen und zu läutern,
sodann um seine augenscheinliche Hilfe zu offenbaren, indem er die Kirche
auf neuen und unbekannten Wegen durch alle feindlichen Verschwörungen
unversehrt hindurchführt und erhebt. Eine neunzehnhundertjährige
Erfahrung hat gezeigt, daß das Brausen des Sturmes den an der Kirche
angerichteten Schaden weit zu übertreffen pflegt.
2. Die Einheit der Kirche ist unsere Hoffnung.
Und selbst in unseren Tagen erquickt uns der Hinblick auf unleugbare
Hoffnung erweckende Anzeichen. Gewiß haben wir mit gewaltigen Schwierigkeiten
zu kämpfen, aber verschiedene Vorgänge unserer Tage bezeugen,
daß Gott mit wunderbarer Treue seine Versprechen erfüllt. Wohl
man gewaltige Mächte sehen, die sich gegen die Kirche verschworen
haben, sie hat auf keine menschliche Hilfe zu rechnen, und doch überragt
sie alles und gewinnt an allen Orten der Erde an Ausdehnung und Kraft.
Der Fürst dieser Welt, den Christus einmal hinausgeworfen, wird nimmermehr
hier herrschen; er kann sich abmühen, schädliche Pläne zu
entwerfen, sie aber auszuführen, wird er nicht vermögen. Angesichts
der schrecklichen Unordnung, welche die Zwietracht und die täglich
entstehenden Sekten erzeugen, muß man der Huld des hl. Geistes, des
Schirmherrn der Kirche, es zuschreiben, wenn nicht nur in den Herzen der
Gläubigen, sondern in der gesamten katholischen Welt eine wunderbare
Ruhe herrscht, dank der noch nie übertroffenen Vereinigung der Bischöfe
mit dem Apostolischen Stuhl. Dieselbe Einigkeit schließt sowohl die
Bischöfe mit dem Klerus als den Klerus mit den Laien enger zusammen
und zeitigt herrliche Früchte auf allen Gebieten des Eifers und der
Liebe. Die Laien sind aufgewacht, haben die Menschenfurcht abgeschüttelt
und kämpfen in regem Wetteifer für die Sache des Glaubens. Dieses
einmütige Handeln haben wir früher so oft empfohlen und wollen
es von neuem ganz besonders empfehlen. Wir segnen es, damit es mehr erstarke
und zur uneinnehmbaren Mauer werde, an welcher der Ansturm der Gottlosen
zurückprallt.
3. Die christlichen Vereine geben uns Mut.
Mit innerer Freude sehen Wir sodann die natürliche Erscheinung,
daß so viele Vereinigungen in der Kirche gleich Schößlingen
am Baum hervorsprossen, andere hinwiederum nach längerem Bestande
herrlicher gedeihen. Keine Art christlicher Frömmigkeit haben sie
vernachlässigt, möge sie nun die rechte Verehrung Christi selbst
und seine anbetungswürdigen Geheimnisse oder die gebenedeite Gottesmutter
und die vorzüglichsten Heiligen zum Gegenstande haben. Ebensowenig
ist eine Art christlicher Nächstenliebe vergessen worden: überall
scheut man keine Mühe für die christliche Erziehung der Jugend,
die Krankenpflege, die Hebung der öffentlichen Sittlichkeit, die Linderung
von Elend und Not. Und dennoch werden derartige Einrichtungen allzuoft
in höchst ungerechter Weise von Staatswegen unterdrückt, damit
sie nicht so rasch und nicht so ausgiebig dem Gemeinwohle nützen sollen.
4. Die Kirche wächst unter den Heiden.
Während wir uns freuen, daß Gott der Kirche Gedeihen gegeben
in jenen Ländern, welche sie der christlichen Kultur gewonnen und
schon lange besitzt, zeigen sich auch erfreuliche Anzeichen neuer aufblühender
Hoffnung. Es ist der rege Eifer der Missionäre, die weder vor Mühen
noch vor Gefahren zurückschrecken, sondern obgleich es ihnen am Notwendigsten
fehlt, in täglich wachsender Zahl und mit täglich steigenden
Eifer darin fortfahren, ganze Länder der Gesittung und dem Evangelium
zuzuführen; sie schreiten beharrlich vorwärts, wenngleich sie
wie der göttliche Meister häufige Anfeindungen zu erdulden haben.
Die Bitterkeiten werden also durch Tröstungen gemildert, und trotz
der Schwere dieses langen Kampfes ist Grund genug vorhanden, Besseres freudig
zu erhoffen. Das muß jeder, der ernst und aufrichtig nachdenkt, doch
erkennen, daß Gott, der den Menschen über die Erreichung seines
letzten Zieles selber unterrichtet und belehrt hat, auch heute noch durch
die Kirche, welche offenbar seines sicheren Schutzes sich erfreut, lehrt,
wo die Wahrheit und wo das Heil zu erlangen ist.
Unter allen Umständen berechtigt uns der immerwährende Beistand
Gottes zu der zuversichtlichen Hoffnung, daß zur rechten Zeit und
in naher Zukunft das Licht der Wahrheit den schwarzen Nebel zerteilt und
schöner aufleuchten wird, und daß die beinahe zertretene und
zerrüttete Gesellschaft durch die Kraft des Evangelium zu neuem Leben
ersteht.
VI. Aufmunterung.
1. An die Bischöfe und den Klerus.
Wir, Ehrwürdige Brüder, bemühen uns, soviel an Uns liegt,
in jeder Weise das Reich Gottes auf Erden zu schützen und zu verbreiten
und jenen erwünschten Tag so früh als möglich herbeizuführen.
Ihr aber, wie Wir wissen, seit in Eurem Hirtenamte zu eifrig, als das Wir
Euch ermuntern müßten. Jedoch dies wünschen Wir, daß
diese Euer Feuereifer die Herzen der Diener des Heiligtums, die Eure Mühen
und Arbeiten teilen, immer mehr und mehr entzünde. Die kennen am besten
die Wünsche, die Bedürfnisse, die Leiden des Volkes, die zahllosen
und mächtigen Fallstricke und Lockungen, die es umgeben: sie leben
ja mit dem Volke. Und wenn sie, erfüllt vom Geiste Jesu Christi, erhaben
über alle Kämpfe politischer Parteien, wacker mit euch arbeiten,
so werden sie mit Gottes Hilfe unter dem Volke Wunder wirken, indem sie
die Geister durch das Licht der Wahrheit erleuchten, die Herzen durch Freundlichkeit
an sich ziehen und mit einsichtsvoller Liebe die bedrängte Lage der
Armen nach und nach aufbessern helfen.
2. An die Laien.
Und bei dieser Arbeit wird der Klerus eine kräftige Stütze
finden in der tätigen Mitarbeit der gutgesinnten Gläubigen. Auf
diese Weise werden alle, welche die Mutterliebe und Muttersorgfalt der
Kirche großgezogen, ihre Ehre und ihren Ruhm verteidigen, wie das
übrigens für dankbare Kinder sich ziemt. Zu dieser höchst
pflichtschuldigen und für die Ewigkeit hochverdienstlichen Arbeit
können alle ihren Teil beitragen: die Gelehrten und die Schriftsteller,
indem sie in Schriften und namentlich in Tagesblättern die Kirche
verteidigen, diesem mächtigen Werkzeuge, das unsere Gegner so sehr
mißbrauchen; die Familienväter, indem sie selbst oder durch
gute Lehrer ihren Kindern eine christliche Erziehung geben; die Beamten
und Volksvertreter durch Überzeugungstreue und Charakterfestigkeit;
alle endlich durch ein furchtloses Auftreten als Katholiken. Unsere Zeit
erfordert vor allem einsichtsvolle Gesinnung, großmutigen Willen,
planmäßiges Zusammenarbeiten. Hauptsache aber bei dieser Ordnung
und Disziplin ist die willige und vertrauensvolle Unterwerfung unter die
Weisungen des Apostolischen Stuhles. Auf diese Weise hören die Meinungsstreitigkeiten
auf, und alle streben gemeinschaftlich nach dem einen Ziele, dem Siege
Jesu Christi in seiner Kirche den Weg zu bereiten.
3. Aufblick zu Christus.
Das ist die Pflicht der Katholiken; den erwünschten Erfolg wird
der verleihen, der voll Liebe und Weisheit über seine unbefleckte
Braut wacht, von dem geschrieben steht: "Jesus Christus, gestern und heute
unter derselbe in Ewigkeit." (Hebr. 13,8) Ihn rufen Wir auch in diesem
Augenblicke an und beschwören ihn, der zum Beweis seiner unendlichen
Liebe den bittersten Tod als Sühne für das Menschengeschlecht
erdulden wollte, ihn, der, wenngleich unsichtbar, in dem mystischen Schiffe
am Steuerruder steht und alle die aufgewühlten Meeresfluten mit einem
Winke beruhigen kann.
Ihr, Ehrwürdige Brüder, werdet Eure Bitten mit den Unsrigen
vereinen, daß die auf der Gesellschaft so schwer lastenden Übel
schwinden, daß sein Licht die erleuchte, welche mehr aus Unwissenheit
als aus Böswilligkeit die Religion Jesu Christi bekämpfen, daß
er den Guten Kraft und neue Schaffensfreudigkeit schenke, daß er
endlich den Anbruch des Tages der Ruhe und des Friedens für die Menschheit
im Besitze der Wahrheit und Gerechtigkeit beschleunigen wolle.
Als Unterpfand der göttlichen Gaben erteilen Wir aus tiefstem
Herzen Euch, Ehrwürdige Brüder, und allen Eure Hirtensorge Anvertrauten
den Apostolischen Segen.
Gegeben zu Rom bei St. Peter, den 19. März 1902, im fünfundzwanzigsten
Jahre unseres Pontifikates.
Papst Leo XIII.