Bundesverfassungsgericht auf dem Prüfstand
- Einblicke in das deutsche "Rechtssystem" -
(Kirche zum Mitreden, 21.05.2001)
Nicht immer, wenn wir über das Bundesverfassungsgericht berichtet
haben (z.B. in Gotteslästerung in Staat und
V2-Sekte), gab es Anlass, Lobeshymnen auf die dortigen Richter zu singen.
Es war also nötig, eine Untersuchung über die Berechtigung unserer
Kritik durchzuführen, was wir nun erfolgreich abgeschlossen haben.
Als Ergebnis ist festzuhalten, dass all unsere Kritikpunkte in vollem Umfang
berechtigt sind. Bestätigt wurde dies schließlich auch von der
Staatsanwaltschaft Karlsruhe. Hier der Briefwechsel:
Der Einfachheit halber zitieren wir hier noch einmal unser Schreiben
v. 26.01.2001 an die Staatsanwaltschaft Karlsruhe, Akademiestr. 6, 76133
Karlsruhe (s. Beleidigungsfreiheit für kath.de):
Hiermit erstatte ich Strafanzeige
gegen die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts
- Präsidentin Limbach, Sommer, Jentsch, Hassemer, Broß,
Osterloh, Di Fabio -
wegen Betrugs
im Zusammenhang mit der Verfassungsbeschwerde der Religionsgemeinschaft
der Zeugen Jehovas in Deutschland e. V. (BVerfG, 2 BvR 1500/97 vom 19.12.2000)
Begründung:
In dem o.g. Urteil wiederholen die Beklagten die Lüge, in Deutschland
würde "die ungestörte Religionsausübung gewährleistet"
(Art. 4GG Abs. 2), s. z.B. BVerfG, 2 BvR 1500/97 vom 19.12.2000, B. I.:
"Als eine Vereinigung, die sich die Pflege und Förderung eines religiösen
Bekenntnisses und die Verkündung des Glaubens ihrer Mitglieder zum
Zweck gesetzt hat, ist die Beschwerdeführerin Trägerin des Grundrechts
der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG." Bekanntermaßen
ist diese Behauptung der "ungestörten Religionsausübung" aufgrund
der vom deutschen Staat propagierten Zwangshäresie eine bloße
Fiktion. Die Richter führen also wissentlich und willentlich die Bürger
in die Irre.
Das Verhalten der Beklagten ist als äußerst schwerwiegender
Betrug zu werten, der mit aller erforderlichen Härte bestraft werden
muss. Mit ihrer Rebellion gegen das Sittengesetz sind die Beklagten u.a.
mit Verweis auf Art 2GG Abs. 1 zur Verantworung zu ziehen: "Jeder hat das
Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht
die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige
Ordnung oder das Sittengesetz verstößt."
Anlagen:
Kaiser und Gott
Urteilsfindung beim BVG
Die Antwort der Staatsanwaltschaft Karlsruhe, Postfach 100211, 76232
Karlsruhe, Telefon(Durchwahl) 0721/926 6129, Telefax (Durchwahl) 9265005,
Aktenzeichen: 22 Js 4089/01, 06.02.2001 / Klos:
Strafanzeige vom 26.01.2001
gegen Richterin am BVG Osterloh
Richter am BVerfG Di Fabio
Präsidentin des BVG Limbach
Richter am BVerfG Sommer
Richter am BVerfg Hassemer
Richter am BVG Broß
Richter am BVerfG Jentsch
wegen angebliche Straftat
Sehr geehrter Herr L.,
Ihrer Strafanzeige habe ich mit Verfügung vom 29.01.2001 gemäß
§ 152 Abs. 2 Strafprozeßordnung keine Folge gegeben.
Gründe:
Es gibt keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, daß die
Entscheidung des BVerfG im Verfahren 2 BvR 1500/97 in strafrechtlich relevanter
Weise zustandegekommen ist.
Hochachtungsvoll
gez. Dietz
Staatsanwältin
Diese Mitteilung wurde elektronisch erstellt und enthält
deshalb keine Unterschrift, wofür um Verständnis gebeten wird.
B e s c h w e r d e b e l e h r u n g
Gegen diesen Bescheid können Sie binnen 2 Wochen
nach Zugang Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe erheben.
Die Beschwerde kann innerhalb dieser Frist auch bei der Staatsanwaltschaft
Karlsruhe eingelegt werden.
Während wir sonst nicht so viel Wert darauf legen, das Schriftbild
von Briefen wiederzugeben, halten wir es bei dem Dietz-Schreiben für
angemessen. Bereits die Textausrichtung fällt aus dem Rahmen: Einmal
links, einmal rechts, außerdem auch noch zentriert. Dietz hat es
in eminenter Weise verdient, dass nicht nur der Inhalt, sondern auch die
Form ihres Briefes den KzM-Lesern mitgeteilt wird. Wir haben sogar einen
Teil des Briefes gescannt (Bild 43 kb); das Bild
wird vielleicht auch diejenigen interessieren, die nur sehr extensiv KzM
lesen.
Beim Aufzählen der Namen verwendet Dietz 3 x "BVerfG", 3 x "BVG"
und 1 x "BVerfg". Um mit diesem Chaos aufzuräumen: Die einzig richtige
Abkürzung ist "BVerfG", damit hat Dietz einleitend 4 x eine falsche
und nur 3 x die richtige Abkürzung verwendet. Die Abkürzung BVG
verwenden wir zugegebenermaßen bei KzM, aber damit hat sie noch keinen
offiziellen Rang. Wir kürzen ganz nach Lust und Laune ab, was wir
abkürzen wollen und wie wir abkürzen wollen; diese Angewohnheit
hatte uns Hansjürgen Verweyen sogar einmal
vorgeworfen. Es kann sein, dass bestimmte Abkürzungen in mehreren
Texten vorkommen, z.B. V2 (Vatikanum 2), KzM (Kirche zum Mitreden), PRHL
(unser Name). Es kann aber auch sein, dass nur für einen Text eine
Abkürzung gewählt wird. Die Abkürzung BVG ist nun tatsächlich
eine öffentlich gebräuchliche und sehr wahrscheinlich auch rechtlich
geschützte Abkürzung (vergleichbar etwa mit Fernsehsender wie
ARD
und ZDF), allerdings nicht für "Bundesverfassungsgericht",
sondern für "Berliner Verkehrsbetriebe". Wir halten uns zwar nicht
sklavisch an offizielle Abkürzungen (z.B. schreiben wir EGH
statt - offiziell - EuGHMR), allerdings lässt sich aus unserer Verwendung
von Abkürzungen kein Recht ableiten, diesen Abkürzungen offiziellen
Rang zuzuerkennen.
Es ist schon hochgradig peinlich, wenn die Staatsanwaltschaft nicht
weiß, wie man "Bundesverfassungsgericht" abkürzt; dass hier
auch noch verschiedene Abkürzungen bunt durcheinandergemischt werden,
wirkt ebenfalls wenig vertrauenserweckend. Auf den Tatvorwurf der bewussten
Irreführung entgegen den Bestimmungen §2 GG wird gar nicht mehr
eingegangen, statt dessen heißt es nur noch "wegen angebliche Straftat",
was wir mal großzügig als bloßen Druckfehler werten wollen.
Bzgl. der "Gründe" ein Zitat aus Beleidigungsfreiheit
für kath.de: "Man kennt es schon von vielen anderen Justizschreiben,
die bei KzM veröffentlicht wurden: Nicht überall, wo "Gründe"
drüber steht, stehen auch Gründe drin [...] "Gründe" (statt
"Grund" oder "Begründung") signalisiert, dass mehr als ein Grund angegeben
wird." Statt auch nur einen Grund zu nennen, verabschiedet sich Dietz in
die Irrealität und verkündet apodiktisch, dass unsere tatsächlichen
Anhaltspunkte gar nicht existieren.
Wir haben überlegt, wie ein solches Schreiben überhaupt nur
möglich sein konnte. Nachdem wir diesbezüglich mehrere Hypothesen
aufgestellt hatten, die allesamt wenig schmeichelhaft für Dietz sind
und für die wir v.a. keine hinreichende Beweise eruieren konnten,
haben wir aufgegeben, nach den Ursachen für dieses unqualifizierte
Schreiben zu fragen. Man muss den Brief nun einmal nehmen, wie der Brief
nun einmal ist. Dennoch wollten wir der Staatsanwaltschaft eine zweite
Chance einräumen und schrieben am 08.02.2001 wiederum an die Staatsanwaltschaft
Karlsruhe, Postfach 100211, 76232 Karlsruhe:
Aktenzeichen 22 Js 4089/91
Ihr Bescheid vom 06.02.2001
In der Strafanzeige
gegen die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts
- Präsidentin Limbach, Sommer, Jentsch, Hassemer, Broß,
Osterloh, Di Fabio -
wegen Betrugs
im Zusammenhang mit der Verfassungsbeschwerde der Religionsgemeinschaft
der Zeugen Jehovas in Deutschland e. V. (BVerfG, 2 BvR 1500/97 vom 19.12.2000)
lege ich hiermit Beschwerde gegen den o.g. Bescheid vom 06.02.2001 ein.
Ich räume Ihnen hiermit eine Frist bis zum
15. März 2001
ein, mir eine schriftliche Erklärung zukommen zu lassen, entweder
a) dass die Angeklagten verurteilt worden sind oder
b) dass meine Anklage unberechtigt ist.
Sollte Sie diese Frist ungenutzt verstreichen lassen, wird dies als
Einverständniserklärung Ihrerseits gewertet, dass ich das angemessene
Urteil auf meiner Homepage KzM veröffentliche.
Über eine Fristverlängerung wird nur in dem Fall überhaupt
entschieden, dass Sie mir bis zum 15. März 2001 ein schriftliches
Zwischenergebnis Ihrer Bemühungen vorlegen, das eine Fristverlängerung
nach meinem Urteil sinnvoll erscheinen lässt.
Rechtsbelehrung:
"Wer z.B. sich zur Ansicht bekennt, [...] die Kirche sei dem Staate
unterworfen, der ist ein Häretiker" (H. Jone, Katholische Moraltheologie,
Paderborn (7)1936, 93).
"Die Obrigkeit hat die Pflicht, in erster Linie für das allgemeine
Wohl zu sorgen. Sie muß deshalb nach Kräften alle Übel
vom Staate fernhalten und sein Wohl fördern, Religion und Sittlichkeit
beschützen, für gerechte Verteilung der Rechte und Pflichten
sorgen, die Gesetze ohne persönliche Rücksichten durchführen,
die öffentlichen Ämter nur geeigneten Personen geben und ungeeignete
aus denselben entfernen" (a.a.O., 164).
Anlage:
Ausdruck meines Homepage-Textes sodom04.htm
Am 20.02.2001 schrieb uns dann die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe,
Hoffstraße 10, 76133 Karlsruhe, Durchwahl (0721)926- 2086, Aktenzeichen
ZS 246/01:
Anzeigesache - 22 Js 4089/01 -
der Staatsanwaltschaft Karlsruhe
gegen Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Limbach
u.a.
Ihr Schreiben an die Staatsanwaltschaft Karlsruhe vom 08.02.2001
Sehr geehrter Herr L., auf Ihr vorgenanntes Schreiben wurden die Akten
der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vorgelegt. Ihrer Beschwerde gegen
die Entschließung der Staatsanwaltschaft Karlsruhe vom 29.01.2001,
mit welcher von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen wurde,
gebe ich keine Folge.
1. Ihre Beschwerde ist unzulässig. Sie sind nicht Verletzter im
Sinne von § 172 Abs. 1 StPO und damit nicht beschwerdebefugt. Es ist
nicht ersichtlich, dass Sie durch die behauptete Straftat im Zusammenhang
mit dem Verfassungsbeschwerdeverfahren - 2 BvR 1500/97-, ihre tatsächliche
Begehung unterstellt, unmittelbar in einem Rechtsgut verletzt wären.
2. Auch eine Überprüfung der genannten Entschließung
im Wege der Dienstaufsicht ergab keinen Grund zu Beanstandungen. Um Wiederholungen
zu vermeiden, nehme ich Bezug auf die zutreffenden Gründe der Entschließung,
die durch Ihr Beschwerdevorbringen nicht entkräftet werden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen Nr. 1 dieses Bescheids steht Ihnen, soweit Sie den Vorwurf einer
konkreten von Amts wegen zu verfolgenden Straftat zu Ihrem Nachteil erheben,
binnen eines Monats nach der Bekanntmachung der Antrag auf gerichtliche
Entscheidung über die Anklage-erhebung zu. Der Antrag muss die Tatsachen,
welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen,
sowie die Beweismittel angeben und von einem Rechtsanwalt unterzeichnet
sein. Der Antrag ist beim Oberlandesgericht Karlsruhe, Hoffstraße
10, 76133 Karlsruhe, einzureichen und muss bei diesem innerhalb der obengenannten
Frist eingegangen sein. Hochachtungsvoll
Dr. Schäfer
Peinlich, peinlich, was sich die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe
da geleistet hat. Wieder nichts, was einen argumentativen Wert besitzt,
statt dessen wieder Flucht in die Irrealität. Was die "Beschwerdebefugnis"
betrifft, so ignoriert Schäfer sträflich die Tatsache, dass wir
permanent durch den Staat terrorisiert werden, eben weil wir uns der Religionsdiktatur
nicht unterwerfen wollen. S. auch unsere Anzeige gegen Margret
Chatwin:
"Mit seiner Behauptung, wir seien "nicht persönlich betroffen",
wenn der Katholizismus durch den Schmutz gezogen wird, kann Stern keinen
Erfolg haben. Mit einem ähnlichem Versuch ist bereits der Berliner
Staatsanwalt Heitmann kläglich gescheitert, als er behauptete, wir
seien bzgl. der verleumderischen Geschichtsfälschung, die Paul
Spiegel sich herausgenommen hat, nicht "antragsberechtigt". Also: Als
römisch-katholischer Priester sind wir durch alles direkt betroffen,
was die Belange der Kirche betrifft. Es gehört unverzichtbar zu unserer
Aufgabe, für die Rechte der Kirche einzutreten, und unser Ansehen
ist unlösbar mit dem Gesamtansehen der Kirche verknüpft, daher
z.B. auch unsere Anzeige gegen Karl Lehmann. Wir
sprechen daher auch immer direkt im Interesse der Katholiken und indirekt
im Interesse derer, die noch nicht der katholischen Kirche angehören,
weil alle Menschen der katholischen ("allgemeinen") Kirche angehören
müssen und ein Recht darauf haben, dass wir unsere Pflicht der Mission
erfüllen - eine Grundwahrheit, die von der V2-Sekte eifrigst geleugnet
wird. Also hilft auch der Hinweis auf § 170 Abs. 2 StPO nichts."
Unser Rechtsgut der Freiheit wird also durch den Staat permanent verletzt
bzw. wird uns vollständig vorenthalten, und das monierte Zeugen-Jehovas-Urteil
ist ein Mosaikstein in diesem Terrorsystem. Deshalb ist eine Bestrafung
der Richter auch in Bezug auf dieses Urteil unumgänglich.
Dass Schäfer dem Dietz-Schreiben "zutreffende Gründe" andichtet,
ist nur noch lächerlich.
Somit bleibt die Berechtigung unserer Anklage der Verfassungsrichter
unangefochten.
Verweilen wir noch kurz bei dem Phänomen des "Verfassungsrichters".
In der V2-Zeitschrift "Konradsblatt" gab im März 2001 einen Artikel:
"Ist das Gewissen auf dem Rückzug?. Wie es um die letzte Instanz persönlicher
Verantwortung bestellt ist." Leider fehlt in dem Artikel das genaue Veröffentlichungsdatum
resp. die Ausgabenummer, weshalb wir die Quelle nicht genauer angeben.
Wir haben das Konradsblatt auf diese Nachlässigkeit hingewiesen, und
von dort wurde uns versichtert, dass in Zukunft dagegen Abhilfe geschaffen
würde, wenngleich wir davon bislang noch nichts feststellen konnten.
Wie auch immer: Der Text wird eingeleitet mit der Bemerkung:
"Das 9. Allmannsdorfer Gespräch befasst sich mit der Frage nach
dem Gewissen. Thema der diesjährigen Veranstaltung: „Das ruinierte
Gewissen.“ Wie ist es hierzulande um das Gewissen bestellt? In Ost- und
Westdeutschland scheint dieses Wort bereits zum Fremdwort geworden zu sein.
Nach persönlichen Erfahrungen im Umgang mit dem Gewissen befragte
das konradsblatt eine Auswahl an Vertretern aus Kirche und Gesellschaft."
Was folgt, sind bloße Zitate, die unkommentiert und wohl auch
unzensiert wiedergegeben werden, m.a.W. es herrscht wie üblich Chaos
total. Man könnte jetzt im einzelnen untersuchen, was etwa "Elke Martin-Ehret,
Vorsitzende der Diözesangruppe Freiburg des Bundes katholischer Unternehmer"
("Das Gewissen ist für mich der Sitz der persönlichsten Moral")
zu bieten hat, aber aufgrund unseres Themas betrachten wir nur einen der
insgesamt acht Gedankenergüsse, u.z. den von Ernst-Wolfgang Böckenförde,
Richter am Bundesverfassungsgericht a. D.
"Recht und Gewissen
Das Gewissen ist eine kostbare Gabe. Irgendwie ist es uns eingeschaffen,
als eine Art moralischer Gerichtshof, wie Kant gesagt hat. Manche Theologen
sprechen von der Stimme Gottes in uns. Aber das Gewissen bedarf auch der
Bildung und Information, damit es wirklich sprechen und seine Urteile fällen
kann; es ist nicht einfach ein Automat. Das Gewissen spricht auch nicht
jeden Tag; verrichte ich meine tägliche Arbeit, treffe ich nicht laufend
Gewissensentscheidungen. Das Gewissen meldet sich im besonderen Fall, zumeist,
wenn es um einen Konflikt geht.
Als ich Verfassungsrichter war, meldete sich das Gewissen zuweilen,
wenn ich schwierige Fälle zu entscheiden hatte. Es meldete sich im
Hinblick darauf, dass diese Fälle allein nach 'Gesetz und Recht',
das hieß hier nach der Verfassung, zu behandeln seien, nicht nach
eigenen persönlichen Auffassungen und Überzeugungen. Besonders
aktuell wurde das 1992 beim Verfahren über das vom Bundestag beschlossene
Gesetz zum Schwangerschaftsabbruch, das beim Verfassungsgericht zur Prüfung
gestellt war.
Als Katholik habe ich zur Abtreibung eine deutliche Position, die sich
nahezu ganz mit der Lehre der Kirche deckt. Aber das Gewissen mahnte mich
nun nicht, diese Auffassung in der Beratung im Senat mit allen Kräften
durchzusetzen, sondern gerade unabhängig von dieser Auffassung danach
zu fragen und für das einzutreten, was das Grundgesetz in seinen verschiedenen
Gewährleistungen zu diesem Problem selbst sagt oder sich aus ihm entnehmen
lässt, auch wenn dies hinter meiner katholischen Überzeugung
zurückbleibt, ihr womöglich sogar widerspricht. Warum wohl hat
das Gewissen sich so und nicht anders gemeldet? Ich hatte, als ich das
Richteramt übernahm, geschworen, als gerechter Richter das Grundgesetz
und die Gesetze zu wahren und Gerechtigkeit gegen jedermann zu üben.
Dies und dies allein war in diesem Amt meine Aufgabe und Pflicht, nicht
die Vertretung katholischer Belange. Und ich hatte diesen Eid mit der religiösen
Beteuerung 'so wahr mir Gott helfe' geleistet.
So mahnte mich das Gewissen, diese Pflicht voll und ganz zu erfüllen
und davon nicht etwa zugunsten meiner persönlichen, im Glauben gegründeten
Überzeugung abzuweichen. Für diese Überzeugung kann und
soll man im politischen Raum kämpfen, damit sie durch die Gesetzgebung
in das Recht eingeht, aber als Richter darf man sie nicht einfach der Verfassung
unterlegen, wenn sie darin nicht enthalten ist.
Ernst-Wolfgang Böckenförde, Richter am Bundesverfassungsgericht
a. D."
Wer hat nur den Böckenförde zum Richter gemacht? Nun, einer
der Amtsvorgänger von Bundespräsident Johannes
Rau. Bevor wir unsere Würdigung von EWB verfassen, dürfen
wir einen Blick auf den Rau-Text werfen, in dem wir aus A. Göpfert,
K. Staab, Moraltheologie, Erster Band, Paderborn (9)1923, zitiert haben.
Man möge uns die Überschneidung der Zitate verzeihen:
"Das Naturgesetz hat von Gott seine verpflichtende Kraft,
unabhängig von dem geschriebenen oder geoffenbarten göttlichen
Gesetz. Der erste Teil unseres Satzes richtet sich gegen die von Kant,
Fichte u. a. proklamierte "Autonomie" der Vernunft (kategorischer Imperativ,
unabhängige Moral). [...] Der zweite Teil unseres Satzes, daß
das natürliche Sittengesetz zwar von Gott, aber nicht aus der positiven
Offenbarung seine verpflichtende Kraft habe, bekämpft den Traditionalismus,
der alle Verpflichtung dieser Gebote nur aus der positiven Offenbarung
herleiten will" (A. Göpfert, K. Staab, Moraltheologie, Erster Band,
Paderborn (9)1923, 15f).
"Es gibt keine Majestät des Gesetzes vor der göttlichen im
Naturgesetze sich offenbarenden Majestät. Dies muß die katholische
Moral festhalten gegenüber den Behauptungen der historischen Rechtsauffassung,
der menschliche Gesetzgeber solle zwar seine Prinzipien und Ideen aus Gottes
Weltordnung schöpfen, kein ungerechtes, gottwidriges Gesetz machen
oder bestehen lassen; aber wenn er es doch tue, so habe sein Gesetz Rechtskraft
und verpflichte den einzelnen ebenso wie ein gerechtes Gesetz." (a.a.O.,
21f).
Es ist erkenntlich, dass die Lebensmaxime von EWB das Antichristentum
ist. Kant wurde bereits in Staat und Legalität
erwähnt: "Kant u.a. für seinen 'Kategorischen Imperativ', der
da lautet: 'Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich
als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte.' Mit anderen
Worten: Mach, was du willst, erlaubt ist, was gefällt. Haargenau das
ist die Forderung des 'Kategorischen Imperativs': Die reinste Willkür
ist das vollkommene Moralprinzip. Hitler und Stalin sind vom Standpunkt
des K.I. die perfekt tugendhaften Gestalten: Die Maxime ihres Willens konnte
erwiesenermaßen als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten."
Trotzdem bringt EWB es fertig, sich auf Kant zu berufen. Und dann kommt
es tatsächlich knüppeldick: EWB unterschlägt, dass die Verfassung
a) die Verantwortung vor Gott (Präambel), b) die Würde des Menschen
(§ 1) und c) das Sittengesetz (§ 2) - angeblich - als Richtschnur
hat. Das spielt aber für EWB - und überhaupt für das Bundesverfassungsgericht
- keine Rolle. Entscheidungen sollen "allein nach 'Gesetz und Recht', das
hieß hier nach der Verfassung" gefällt werden. EWB rebelliert
vehement gegen den richtigen Gesetzesbegriff und huldigt dem Rechtspositivismus.
Gegen diese hartnäckige Sturheit EWBs scheinen wir chancenlos. Die
Zurückweisung von "eigenen persönlichen Auffassungen und Überzeugungen"
setzt EWB direkt in Zusammenhang mit seiner "deutlichen Position, die sich
nahezu ganz mit der Lehre der Kirche deckt". Wo die Differenzen zur "Lehre
der Kirche" bestehen, erläutert EWB nicht, hier ist also unbegrenzt
Platz für Spekulationen. Jedenfalls ist diese "deutliche Position"
nichts weiter als eine "Auffassung", eine "Überzeugung", die dem Nonplusultra
"Grundgesetz" (bzw. dem, was die Verfassungsrichter dareininterpretieren)
unterzuordnen ist.
Damit ist das Bild vom "gerechten Richter" in der Ideologie des Nazitums
und auch des Übernazitums im Prinzip deckungsgleich.
Ungerechtigkeit wird zur Gerechtigkeit erklärt und umgekehrt - das
ist eindeutig das Werk des Teufels. Spontan erinnerte uns EWBs Gewissensverfälschung
an den berühmten Prozess gegen Karl Adolf Eichmann. Eichmann, geb.
1906, wurde 1962 von Juden in Israel zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Während des Nazi-Terrors war Eichmann verantwortlich für die
Judentransporte in die Konzentrationslager. Nach dem Zusammenbruch der
Hitler-Diktatur konnte er sich nach Argentinien fliehen, würde aber
1960 vom israelischen Geheimdienst dort aufgespürt und nach Israel
entführt. Der dort stattfindende Prozess wurde gefilmt, das Filmmaterial
wurde dann zusammengeschnipselt zu einem "Dokumentarfilm", aus dem wir
einige Ausschnitte gesehen haben. Eichmann sagte u.a., dass er a) nur Befehle
ausgeführt habe, insofern also frei sei von persönlicher Schuld,
und dass b) der so gen. "Holocaust" "das größte
Verbrechen aller Zeiten" gewesen sei.
Mittlerweile wird endlich auch von jüdischer Seite zugegeben,
dass es völlig absurd ist, den Holocaust als "größtes Verbrechen
aller Zeiten" zu werten. (N. v. 15.02.2001:
Norman Finkelstein und die Holocaust-Industrie), wenngleich diese so offensichtliche
Wahrheit von gewissen Kreisen gerne entstellt wird. Wie kann man sich ernsthaft
auf Eichmann berufen, um den Holocaust entgegen jeder Logik zum "größten
Verbrechen aller Zeiten" zu deklarieren?
Man darf dieses "Bekenntnis" Eichmanns nicht getrennt von seiner Beteuerung
der Unschuld sehen. Wieso sollte man Eichmanns Aussage b) als Wahrheit,
Aussage a) hingegen als Unwahrheit werten? Bleibt man realistisch, fällt
auf, dass beide Aussagen objektiv unwahr sind dass sich Eichmann aus beiden
Aussagen einen Vorteil ausrechnen konnte; bzgl. a) ist das selbstverständlich,
bzgl. b) könnte er bezweckt haben, seine Richter durch die Vortäuschung
einer Art von Reue milde zu stimmen. Wir halten es zwar für unmöglich,
dass Eichmann an die Richtigkeit von b) geglaubt hat, allerdings nicht
für unmöglich, dass er an die Richtigkeit von a) geglaubt hat.
In einem seiner Texte, die er während seines Exils in Argentinien
geschrieben hat, hat Eichmann - wenn man unserer englischen Quelle glauben
darf - sich gesehen oder wenigstens dargestellt als "Befehlsempfänger,
dessen Pflicht es war, seinem Eid gegenüber loyal zu sein und die
erhaltenen Befehle und Instruktionen auszuführen", "nur ein treues,
anständiges, korrektes, gewissenhaftes und enthusiastisches Mitglied
der SS und des Reichssicherheitsdienstes, inspiriert einzig durch idealistische
Gefühle gegenüber meinem Vaterland, dem anzugehören ich
die Ehre habe."
Schließlich halten wir es auch nicht für unmöglich,
dass sich die Bonner Landrichter für unschuldig
halten, obwohl sie objektiv betrachtet größenwahnsinnige Schwerverbrecher
sind. Und damit kommen wir wieder bei EWB:
"So mahnte mich das Gewissen, diese Pflicht voll und ganz zu erfüllen
und davon nicht etwa zugunsten meiner persönlichen, im Glauben gegründeten
Überzeugung abzuweichen." Eichmann erfüllte "seine Pflicht",
er hatte "dem Führer" Treue geschworen, und diesem Schwur ist - nach
EWB - absolut alles restlos unterzuordnen. An die Stelle Gottes ist der
Staat als letzte und höchste Instanz getreten: die
Entmachtung des Allmächtigen. Wir sehen keinen Grund, unsere Ablehnung
des kategorischen Imperativs zurückzunehmen, und keine Möglichkeit,
EWB oder einen anderen antichristlichen Richter vor einer Verurteilung
in Schutz zu nehmen. Der EWB-Fall beweist zwar einmal mehr, dass das Übernazitum
radikaler und gewissermaßen "erfolgreicher" ist als das Nazitum,
er beweist aber nicht, dass sich das Übernazitum in seinen elementaren
Prinzipien vom Nazitum unterscheidet.
Der Vollständigkeit halber noch einige Klarstellungen zum Schwur:
Zur Erlaubtheit eines Schwurs ist u.a. nötig, "daß
die Aussage sittlich erlaubt ist. Sündhafte Mitteilungen (Ehrabschneidungen,
Großtun mit Sünden) beschwören, ist eine läßliche
Sünde, auch wenn die Aussage wahr ist. — Etwas Böses eidlich
versprechen, ist eine schwere Sünde, wenigstens wenn die versprochene
Sache schwer sündhaft ist" (H. Jone, Katholische Moraltheologie, Paderborn
(7)1935, 150).
"Der Treueid oder Verfassungseid, wie er von Beamten usw. verlangt
wird, besagt, daß man den staatlichen Gesetzen unterworfen sein,
das Amt nach den Vorschriften der Gesetze führen und nichts Verbotenes
gegen die rechtmäßige Obrigkeit unternehmen wolle, nicht aber,
daß man sich zur Beobachtung aller Staatsgesetze durch einen Eid
verpflichten wolle. Enthalten die Staatsgesetze einige Bestimmungen gegen
göttliches und kirchliches Recht, so darf man den Eid nur leisten
mit der Einschränkung: unbeschadet der göttlichen und kirchlichen
Gesetze. Diese Klausel aber muß gewöhnlich (weil schon hinreichend
bekannt) nicht ausdrücklich hinzugefügt werden, außer es
wäre notwendig zur Vermeidung von Ärgernis" (a.a.O. 151).
Das war´s dann wohl. Ergänzend zu den zahlreichen KzM-Texten
über das Verhältnis von Kirche und Staat hier abschließend
einige Ausschnitte aus dem Standardwerk von A. Gisler, Der Modernismus,
Einsiedeln (2)1912, 190 - 207. Soviel wir uns auch mit dieser Materie beschäftigt
haben, wir haben nie etwas finden können, was den Staat und die V2-Sekte
entlasten könnte. Deshalb bleibt unsere Treue zu Rom selbst dann bestehen,
wenn uns der Staat zwingt, einen Scheinpapst anzuerkennen - was, wie die
deutsche Geschichte beweist, heute nicht zum erstenmal geschieht (s. den
Fall von Nikolaus V. in www.katholisch.de). Wer
die Erneuerung der Kirche will, der muss bei der überlieferten Lehre
Roms bleiben und darf sich nicht durch die Lügen Neu-Roms becircen
lassen.
Gisler schreibt:
Wenn man heute Kirche und Staat zusammen nennt, mutet
das manche an wie der feuchte Flügelschlag einer Eule aus der Nacht
des Mittelalters, wie eine düstere Vision, umschwebt vom Feuerschein
der "gesegneten Flammen " und vom Ächzen der Folterkammern. Und doch
sind Kirche und Staat die zwei ehernen Säulen an der Pforte der christlichen
Zivilisation, die zwei mächtigen Achsen, um welche die christliche
Geschichte von jeher sich drehte, und wohl nirgends hat Klios [Klio, in
der griechischem Mythologie des Dichters Hesiod eine der neun Musen, Töchter
des Göttervaters Zeus, Göttinnen der schönen Künste;
Klio ("die Rühmende") ist die Muse der Geschichtsschreibung; Anm.
PRHL] Griffel Seiten von mehr Tiefe, Leben und Farbe geschrieben, als wo
er den Frieden und Kampf zwischen Sacerdotium und Imperium geschildert.
Das Christentum hat in der Staatsgewalt eine tiefe Umwälzung erzeugt,
indem es die Kirche vom Staate unterschied, zu einem selbständigen
Gebilde erhob, und zwischen beiden Gewalten eine Grenzlinie zog. Im Heidentum
finden wir Königskrone und Priesterkrone verschmolzen. Der römische
Kaiser z.B. war zugleich Pontifex und Hohepriester; die Priesterämter
wurden vergeben gerade wie die Staatsämter. Treffend sang Virgil:
"Äneas war König der Menschen und Priester des Apollo" (Aeneis
3,28). Die Pflege der Religion war durchaus Sache des Staates. Und warum
auch nicht, wenn nach damaliger Anschauung der Zweck der Religion und der
Zweck des Staates im Grunde genau sich deckten?
Christus zog nun zwischen Kirche und Staat den Scheidungsmeridian.
Er unterschied die beiden Gewalten wie Wasser und Land, indem er sprach:
"Gebt dem Kaiser, was des Kaisers, und Gott, was Gottes ist." Wesentlich
bestimmend waren dabei zwei Punkte. Erstlich gründete Christus eine
sichtbare Kirche; die sollte sein Reich sein, nicht von, aber in dieser
Welt. Er verglich dieses Reich einer Stadt auf dem Berge, einem Königreich,
einem Baum, der sich über die Erde breitet, einer Herde, einem Schafstall,
einem Leib, dessen Glieder die Gläubigen, dessen Haupt Christus. Den
Petrus machte er zum Fundamente dieser Kirche. Ihm gab er die Schlüssel,
ihm den Hirtenstab über alle anderen. So war die Kirche einem Turme
gleich in die Welt hineingebaut, ohne Riß, ohne Bruch, ohne Fuge,
wie aus dem Felsen gehauen, wie ein Monolith.
Und dieser Kirche wurde ein neues, ureigenstes Ziel vorgesteckt. Des
Staates Aufgabe ist irdisch; sein nächster, eigentlicher Zweck ist
die zeitliche Wohlfahrt den Bürger. Was hinausragt über den Gesichtskreis
dieses Lebens, was die Seele berührt und die Ewigkeit, dafür
ist nicht er zuständig. Der große Bischof der Seelen ist Christus,
und seine einzige Erbin, Priesterin und Braut ist die Kirche, die sein
Erlösungswerk unter den Menschen fortsetzen soll bis zum Abschluß
der Zeit. Das Schwert dem Staate, Hirtenstab und Schlüssel der Kirche.
Neben Tiberius Petrus, neben dem Kaiser der Papst.
Eine selbständige Kirche mit dem Seelenheil der Menschen als ureigenstem
Zweck, das war der erste bestimmende Punkt zur Demarkationslinie zwischen
Kirche und Staat. Der zweite bestimmende Punkt war dieser: Christus machte
sein Kirche katholisch, d. h. allgemein. Keine von den alten heidnischen
Religionen besaß Katholizität, d.h. Allgemeinheit.
[...]
Nur schwer ermessen wir die Wirkung, welche die Idee der Katholizität
erstmals auf die Gemüter hervorgebracht. Eine Weltkirche! War das
nicht den Juden ein Greuel, den Heiden ein Rätsel? Wie klein und eng
war einst das Zelt der jüdischen Synagoge! Es reichte kaum weiter
als man die Wasser des Jordan rauschen hatte - vom Libanon zum Hermon,
von der Philistergrenze zur Wüste, und der Gott, den sie verehrten,
das war ihr Gott, der Gott Abrahams. - Die Griechen und Römer hielten
es geradezu für unsinnig, daß eine Menge von Völkern durch
die Gemeinschaft eines Glaubens und eines Gottesdienstes, durch die Bande
einer Kirche zum großen, einheitlich geleiteten Ganzen sich verknüpfen
könne. Und nun diese weltweite Entschränkung der Religion! Die
Nationalgötter abgetan, der allgemeine Gott verkündet! Wie ein
Sonnenblick, sagt ein alter Schriftsteller, leuchtet das Christentum über
die Erde dahin (Eusebius, Historia ecclesiastica 2,3). Der Name katholisch
wurde zum leuchtenden Merkmal der Kirche Christi. Ich glaube an die katholische
Kirche - so hieß es bereits in der ältesten Bekenntnisformel,
und dieses Bekenntnis auf den Lippen gingen Tausende in den Tod.
Die Kirche, selbständig und ausgeweitet zur Weltkirche, war nun
mit einem unzerstörbaren Schutzwall umgürtet. Jetzt konnte sie
nicht mehr nationalisiert werden. Die Kirche eines jeden Landes ist ein
Teil der Gesamtkirche und hat ihren Hort und Herzpunkt in Rom. Dort und
nur dort ist der oberste Richter ihrer Lehre und ihres Kultus. Aber gegen
diesen Scheidungsmeridian schlug die Brandung des Kulturkampfes durch alle
Zeiten. Immer wieder sehen wir zentrifugale, nationale Strebungen am Werk.
Da und dort flammender Hader mit Rom, um eine Kirche zu haben nach eigenem
Bauriß und eigenen Heften.
[...]
Aber da die Kirche als selbständig und als Weltkirche gestiftet
wurde, erhielt sie gegen die Eisenhand des Staates für immer eine
mächtige Rüstung. Weil autonom und katholisch, kann sie in die
Wirbel menschlichen Auf- und Unterganges nicht hineingerissen werden. Systeme
wechseln, Kronen fallen, große Männer und Mächte gehen
vorüber: die Kirche bleibt. Als das alte Römerreich in Trümmer
fiel, stand die Kirche lebensfrisch aufrecht. Und wenn ein neuer Diokletian
die Kirche verfolgen und fesseln will, so kann er die Bischöfe seines
Landes einkerkern, die Geistlichen verjagen, aber den Herzpunkt der Kirche
zerstören kann er nicht. Vom ewig lebendigen Mittelpunkt wird immer
wieder die Erneuerung kommen in die Lücken der Peripherie. Daher auch
die Kraft des Ultramontanismus, den die Freisinnigen immer neu zu definieren
suchen, und der im Grunde nichts anderes ist als die lebendige, allseitige
Verbindung der Glieder mit dem Haupt, mit Rom.
Was sich sondert von Rom, baut auf Sand, verfällt der Umklammerung
des Staates und früher oder später dem Untergang. Die Inschrift
"romfrei " am Giebel einer Kirche ist jedesmal auch eine Grabschrift. Das
ist kein bloßer Spruch der Schule, sondern der Erfahrung und Geschichte.
Wie geschickt wußte Luther die Abneigung der Deutschen gegen die
Italiener, gegen die "Wahlen " zur Flamme anzufachen! Vor dem Elstertor
zu Wittenberg wirft er am 10. Dezember 1520 mit der Bannbulle auch das
corpus iuris in die Flammen; das päpstliche Rechte, das Kirchenrecht
überhaupt will er verbrennen. "Ei, so falle es ganz dahin in Gottes
Namen, was in des Teufels Namen sich erhoben hat." Das Tafeltuch mit Rom
war zerschnitten - damit aber auch das Schicksal von Luthers Kirche besiegelt.
Luther war jetzt gezwungen, die oberste kirchliche Gewalt dem Landesherren
zu übertragen, und so erhielt das protestantische Deutschland nun
so viele Päpste als weltliche Landesherren, und die Schweiz so viele
als protestantische Kantonsregierungen. Luther mit den Seinen fielt unter
das Joch des Staates. Nicht einmal eine deutsche Nationalkirche brachte
er zustande; Zwinglianer und Kalvinisten brachen in seine Ernte, und die
einzelnen Landesfürsten griffen nach dem Summepiskopat wie nach süßem
Manna.
Ob die Reichskirche vielleicht in der Zukunft entsteht? Ob die Landesfürsten
ihre päpstlichen und bischöflichen Rechte zu Füßen
des Kaisers niederlegen werden? Und wenn die Landesfürsten sich dazu
entschlössen, wären damit die inneren grundsätzlichen Unterschiede
zwischen den zahlreichen Denominationen des Protestantismus beseitigt?
Und wenn diese inneren Unterschiede sich nicht austilgen lassen, was wäre
diese rein äußerliche Vereinigung grundsätzlich getrennter
Christen anders als ein Pantheon des Protestanstismus, als der eiserne
Reif der Büreaukratie um die "evangelische Freiheit"?
[...]
Die Scheidelinie, die Christus zwischen Kirche und Staat zog, war nicht
bloß ein Schutzwall für die Unabhängigkeit der Kirche,
sondern auch ein Hort für die Freiheit der Völker. Die bloße
Tatsache dieser Ausscheidung, abgesehen von den Natur, dem Ursprung und
Zweck der geistlichen Gewalt, war ein ständiger Hinweis, daß
die Staatsgewalt nicht schrankenlos ist, daß es Dinge gibt, wo man
dem Staate sagen kann und muß: "Ich gehorchen dir nicht." Die greuelvolle
Despotie Asiens war daher bei christlichen Völkern unmöglich;
zugleich war es wieder bezeichnend, daß die großen absolutistischen
Monarchien Europas vom 16.-19. Jahrhundert nichts Eiligeres zu tun hatten,
als den Kirchenverband mit Rom zu lockern und sich in den Mitgenuß
päpstlicher Befugnisse zu setzen. So in Spanien, Frankreich, Österreich,
Rußland. Die Kirche, hieß es, ist ein Teil des Staates. Und
die Rechte des Staates sind heilig wie die Bundeslade; kein Mensch soll
sie nur anrühren, kein Blatt darf sich regen im Reich ohne Erlaubnis
der Regierung.
[...]
Die Kirche soll vom Staat verschieden, aber nicht geschieden und getrennt
sein; wenigstens darf die Trennung von Kirche und Staat nicht als grundsätzliches
Ideal hingestellt werden. Denn das wäre die Losreißung der Welt
von Gott, des Geschöpfes vom Schöpfer, die Mißkennung des
höchsten Zieles, die Zerreißung des Menschen in einen Staats-
und Kirchenmenschen. Die Stellung der Kirche in dieser Frage ist
nicht zweifelhaft seit der Enzyklika Gregor XVI. (Mirari vos 14. August
1832 [s. Charta Oecumenica, Anm. PRHL]), Pius
IX. (Quanta cura, 8. Dezember 1864), seit dem Syllabus (Thes. 55, 77, 78,
79) [vollständiger Text, Anm. PRHL], seit
Leo
XIII. (Immortale Dei, 1. November 1885 [s. Faustrecht,
Anm. PRHL] und Longinqua oceani, 6. Januar 1895).
Pius X.: "Der Grundsatz, daß Staat und Kirche getrennt werden
müßten, ist fürwahr ein ganz falscher und in höchsten
Grade verderblicher Grundsatz. - Denn wer sich auf den Boden der Annahme
stellt, daß der Staat sich in keiner Weise um die Religion kümmern
dürfe, fügt zuerst Gott ein großes Unrecht zu, der ebenso
Begründer und Erhalter der menschlichen Gesellschaft als des Lebens
des einzelnen Menschen ist. Deshalb kann sich der Kult nicht auf das Gebiet
des Privatlebens zurückziehen, sondern er muß ein öffentlicher
sein. - Ferner liegt diesem Grundsatz deutlich genug die Leugnung des Übernatürlichen
zugrunde. Denn es werden hierbei die staatlichen Unternehmungen ganz allein
nach den Aussichten für die Wohlfahrt dieses sterblichen Lebens bemessen,
welche ja wohl die nächste Angelegenheit der bürgerlichen Gesellschaft
ist; die höchste Angelegenheit der Bürger aber, die ewige Seligkeit,
welche jenseits des kurzen Erdenlebens uns sich darbietet, vernachlässigt
er vollständig als eine dem Staate fremde Sache. Und doch sollte das
Staatswesen gemäß der ganzen Ordnung der wandelbaren irdischen
Dinge für die Erreichung des absoluten, höchsten Gutes nicht
hinderlich, sondern förderlich sein." Enzyklika "Vehementer".
[...]
Kirche und Staat sollen also irgendwie verbunden sein; wie werden wir
diese Verbindung genauer abgrenzen? Die Kirche soll nicht die rechtlose
Magd des Staates sein. In der Urzeit des Christentum war sie freilich nicht
einmal das: sie wurde blutig verfolgt. Immer wieder erscholl der Ruf des
Pöbels: "Die Christen vor die Löwen!" Da kam das Jahr 312. Kaiser
Konstantin hatte wunderbar gesiegt und erließ nun das berühmte
Toleranzedikt. Wie ein Morgenstern ging es auf über dem Zelt der Kirche.
Nun erhielt sie Duldung, bald sogar die Freundschaft des Kaisers; er wurde
ihr weltlicher Arm - brachium saeculare.
[...]
Die Kirche keine rechtlose Magd des Staates! Daher verwirft sie die
Theorie Hegels, daß der Staat die Quelle alles Rechtes sei - ein
Leviathan, der alles zermalmt und verschlingt. Die Kirche ist nicht von
Staates Gnaden; von Christus hat sie ihre Schlüssel, nicht vom Cäsar.
[...]
Weder ist die Kirche die rechtlose Magd des Staates, noch ist der Staat
der rechtlose Knecht der Kirche; Kirche und Staat haben ihren eigenen Zweckbereich
und besitzen innerhalb dieses Zweckbereiches die höchste Macht. Nun
empfängt jede Fertigkeit, jede Kunst, jede kulturelle Tätigkeit
ihre Richtlinien zunächst von ihrem Zwecke. Der Zweck ist denn auch,
der die Politik in ihren Anschauungen, Urteilen, Entscheidungen und Maßnahmen
leitet und bestimmt. Der wahre Zweck einer geordneten Politik ist aber
in erster Linie kein anderer als der Zweck des Staates selbst, d.h. die
irdische Wohlfahrt des Volkes. Die irdische Wohlfahrt des Volkes, das gesamte
Staatswohl ist also das eigentliche und nächste Leitmotiv des Politikers
und daher auch jeder politischen Partei als solcher.
[...]
Aber der Politiker ist nicht nur Politiker; er ist auch ein ethisches
Wesen, vielleicht auch Christ und Katholik. Er hat daher seine politischen
Ziele in der Weise anzustreben und seine politischen Rechte in dem Maße
auszuüben, daß dabei andere, vielleicht höhere Ziele, Rechte
und Verbindlichkeiten, als die politischen sind, nicht ungebührlich
verletzt werden. Der Politiker darf seine politischen Rechte und Pflichten
nicht beziehungslos und rücksichtslos ausüben, sondern muß
dieselben seinen übrigen Rechten und Pflichten harmonisch einordnen,
bzw. unterordnen. Denn der Politiker, der Mensch, der Christ, der Katholik
sind ein und dieselbe Person, die sich nicht spalten läßt; sie
wohnen in der gleichen Kammer des Gewissens und haben sich zu verständigen
(FN: Treffend Leo XIII.: Es ist nicht erlaubt, eine andere Verhaltenungsvorschrift
für das private, eine andere für das öffentliche Leben aufzustellen,
so nämlich, daß die Autorität der Kirche für das Privatleben
hochgehalten, für das öffentliche Leben abgelehnt würde.
Denn das hieße Gutes mit Schlechtem verbinden und den Menschen mit
sich selbst im Widerspruch setzen, während er doch umgekehrt immer
in sich konsequent bleiben muß, und in keiner Angelegenheit und auf
keinem Lebensgebiet der christlichen Tugend sich entziehen darf." Immortale
Dei)
[...]
Die negative Pflicht des Politikers, die Rechte der Kirche nicht anzutasten,
ist an und für sich und grundsätzlich eine schrankenlose und
wenigstens in Bezug auf die primären Rechte eine ausnahmslose. So
darf z.B. der Staat niemals hindern, daß ein Sterbender die Sterbesakramente
verlange und daß die Kirche sie spende. Hingegen dürfte Staat
darauf dringen, daß die Kirche auf die Ausübung gewisser sekundärer
Rechte verzichtet, wenn und insoweit einem wichtigsten Staatsinteresse
Gefahr droht; so würde in Zeiten ansteckender Krankheit die Abhaltung
etwa einer großen Prozession polizeilich mit Recht beanstandet.
[...]
Wem steht es zu, endgültig zu entscheiden, was ein primäres,
unveräußerliches Recht der Kirche sei und was ihre Interessen
entweder fördere oder hindere? Dies in letzter Linie zu entscheiden,
ist Sache des kirchlichen Lehramtes, nicht aber des Politikers. (FN: Pius
X.: "Kraft des Amtes, die Wahrheit und das christliche Gesetz zu schirmen,
werden wir verpflichtet sein: ... die Grundsätze der Ordnung, der
Gewalt, der Gerechtigkeit und Billigkeit, die heutzutage unterwühlt
werden, zu stützen; jeden einzelnen, und zwar nicht nur die Untergebenen,
sondern auch die Herrschenden ... im privaten und im öffentlichen
Leben, auch auf dem sozialen und politischen Gebiet nach der Norm und Regel
der Sittlichkeit zu leiten. - Wir sehen zwar voraus, daß einige Anstoß
nehmen werden, wenn wir erklären, wir müßten uns auch mit
Politik befassen. Aber wer die Dinge richtig beurteilt, sieht ein, daß
der Papst vom Lehramt, daß er in Sachen des Glaubens unter Sitten
besitzt, das Gebiet der Politik nicht trennen darf." Acta S. Sedis, vol.
36. S. 195). Wenn daher da und dort gesagt wurde: die Kirche kann religiöse
Organisation überwachen, nicht aber politische, so ist das in dieser
Allgemeinheit ein falscher Satz.
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