Beweiswert rechtskräftiger Urteile
und Gehorsamspflicht
- Pressemitteilung: Zur Prüfungspflicht bzgl. früherer
Urteile trotz Rechtskraft -
(Kirche zum Mitreden, 12.04.2011)
Bzgl. des Beweiswerts rechtskräftiger Urteile erklärt der
Bundesgerichtshof, dass "selbst die Feststellungen rechtskräftiger
Urteile zum Tatgeschehen und zu den Beweistatsachen einen neu
entscheidenden Tatrichter nicht binden (BGHSt 43, 106, zur Verlesung
nicht rechtskräftiger Urteile vgl. BGHSt 6, 141). Sie dürfen
nicht ungeprüft übernommen werden. Beanstandet ein
Verfahrensbeteiligter die Richtigkeit der getroffenen Feststellungen,
muß der Tatrichter vielmehr prüfen, ob die Beanstandungen
nach seiner Auffassung geeignet sind, die in dem Urteil gezogenen
Schlüsse zu erschüttern" (BGH 1 StR 308/02, 22.10.2002).
Tatsächlich wird aber genau dieser Fehler immer wieder begangen:
Statt die Rechtmäßigkeit früherer Urteile zu
prüfen, wird einfach auf ihre "Rechtskräftigkeit" verwiesen.
Zugegeben, das erspart eine Menge Arbeit, und v.a. erspart es den
Vernunftgebrauch: Man redet anderen oder vielleicht sogar sich selbst
einfach blind ein, dass jedes "rechtskräftige" Urteil immer auch
vollkommen gerecht ist, und kann sich dann gedankenlos seinen
Zerstreuungen hingeben.
Christen vor Gericht
Besondere Brisanz gewinnt der Wert resp. die Wertlosigkeit von
"rechtskräftigen Urteilen" beim christlichen Glaubensbekenntnis.
Christus, Petrus und Paulus, unzählige Märtyrer wurden von
der Staatsgewalt zum Tode verurteilt und rechtskräftig ermordet.
Beliebte Tatvorwürfe gegen Christen waren "Beleidigung",
"Missbrauch von Titeln", "Volksverhetzung" und "Ungehorsam". Die
bloße Zugehörigkeit zur Kirche konnte mit dem Tode bestraft
werden. Cf. "Haben sie Mich verfolgt, so werden sie auch euch
verfolgen" (Joh 15,20), und: "Nehmt euch in acht vor den Menschen! Denn
sie werden euch den Gerichten ausliefern und in den Synagogen euch
geißeln. Ja, um meinetwillen werdet ihr vor Statthalter und
Könige geführt werden, um Zeugnis zu geben vor ihnen und vor
den Heiden" (Mt 10,17f).
Wenn also "rechtskräftige Urteile" gegen bekennende Christen
gefällt werden, ist immer besonderes Misstrauen geboten. Das gilt
- entsprechend "Trau, schau, wem" - ganz besonders in Staaten, wo
christliche Grundsätze permanent eklatant verletzt werden
(straffreie Abtreibung, Kondomwerbung etc. pp.). Wenn zudem die Justiz
eines Landes generell immer wieder ganz offen und v.a. begründet
als "konkursreif", "Rechtsbeugermafia" etc. betitelt wird, müssen
"rechtskräftige Urteile" gegen Christen erst recht hinterfragt
werden.
Göttliche und weltliche Autorität
"Rechtskräftige Urteile" binden n.b. an sich nicht nur einen
Richter nicht zwingend; ihre Befolgung kann sogar an sich strafbar
sein. Cf. Papst Leo XIII., Papst Leo XIII., Enzyklika "Diuturnum
illud", 29.06.1881: "Nur einen Grund gibt es für die Menschen,
nicht zu gehorchen: wenn nämlich etwas von ihnen gefordert werden
sollte, was mit dem natürlichen oder dem göttlichen Recht
offenkundig in Widerspruch steht. Denn alles, wodurch das Gesetz der
Weltordnung oder der Wille Gottes verletzt wird: das zu gebieten oder
zu tun ist Gottlosigkeit und Frevel. Sollte daher jemand in eine Lage
kommen, daß er sich gezwungen sieht, eines von beiden zu
wählen, nämlich entweder die Gebote Gottes oder die der
Herrscher zu verletzen - dann hat er Jesus Christus zu gehorchen,
welcher gebietet, dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist, und Gott,
was Gottes ist (Mt 22,21); und nach dem Beispiel der Apostel hat er
unerschrocken zu antworten: Man muß Gott mehr gehorchen als den
Menschen (Apg 5,29). Auch ist kein Grund gegeben, diejenigen, welche so
handeln, wegen Verweigerung des Gehorsams anzuklagen: denn wenn der
Wille der ersten Männer im Staate in Widerspruch steht mit Gottes
Willen und Gesetzen, dann überschreiten diese ihre Machtbefugnis
und vernichten die Gerechtigkeit. Und dann kann eben ihre
Autorität keine Gültigkeit haben: denn wo keine Gerechtigkeit
ist, da ist auch keinerlei Autorität."
Also auch wenn es für machtbesessene Tyrannen und gewissenlose
Untertanen noch so bequem ist, unliebsame Personen einfach mit
"rechtskräftigen Urteilen" zu diskreditieren: Wer Gerechtigkeit
will, darf sich nicht blind an "rechtskräftige Urteile" klammern,
und noch weniger darf er ihnen blind folgen.
[Zurück zur KzM - Startseite]