In Beantwortung unserer e-mail vom 29.03.2000 (s. unseren
Misereor-Text) erhielten wir heute eine e-mail
von Markus Zorn (markus.zorn@bundestag.de), bescheidenerweise mit dem
Vermerk "höchste Prioritätsstufe" versehen. Wir begrüßen,
dass der Staat uns auch einmal per e-mail antwortet, das spart nicht nur
Porto (= Steuergelder), sondern auch Arbeit bei der Übertragung des
Textes.
Die mail enthielt aber leider nur ein Attachment im Word-Format, wobei
wir noch einmal daran erinnern, dass wir grundsätzlich nur mails im
einfachen ASCII-Code annehmen, d.h. mails mit Attachment werden von uns
oft ungelesen gelöscht. Dass eine gewisse Vorsicht bei e-mails nicht
unangebracht ist, hat z.B. kürzlich der "I Love You"-Vorfall
gezeigt: Dieses per e-mail verbreitete Virus hat in den letzten Tagen Schäden
in Milliardenhöhe verursacht, s. auch Viruswarnung.
Hier also der Mailtext:
"DER PRÄSIDENT DES DEUTSCHEN BUNDESTAGES,
Referat Kommunikation, Referentin
Sehr geehrter Herr Pater L.,
der Präsident des Deutschen Bundestages, Herr Wolfgang Thierse, hat
mich gebeten, Ihnen für Ihre E-Mail vom 29. März dieses Jahres
zu danken. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass es ihm
aufgrund der Vielzahl der hier eingehenden Post leider nicht möglich
ist, jeden Brief persönlich zu beantworten. Er hat Ihr Schreiben
jedoch aufmerksam und mit Interesse zur Kenntnis genommen.
In Ihrem Schreiben nehmen Sie Bezug zur Eröffnungsrede des
Bundestagspräsidenten anlässlich der Fastenaktion von Misereor"
am 11. März 2000 in Frankfurt. Ihrer Ansicht nach sei die Aktion Teil
eines antichristlichen Unternehmens, für das sich der Bundestagspräsident
nicht unterstützend einsetzen dürfe. Diese Ansicht teilt der
Bundestagspräsident Thierse nicht. Vielmehr sieht er das Hilfswerk
als eine Institution, die seit 1959 in über 100 Ländern Afrikas,
Asiens und Lateinamerikas vorbildliche Hilfe geleistet und eine Vielzahl
von Menschen unterstützt hat. Was hieran antichristlich sein soll,
ist mir unverständlich.
Wie Sie als römisch-katholischer Priester sicherlich wissen, war die
Auftaktveranstaltung organisiert durch den Bischoff Franz Kamphaus
(Limburg), auf dessen Einladung Bundestagspräsident an der
Veranstaltung teilgenommen hat.
Mit freundlichen Grüßen
(Cornelia Busch)"
In dem Brief sind zwei (oder, wenn man äußerst großzügig ist, vier) Möchtegern-Argumente enthalten:
1. Misereor leistet vorbildliche Hilfe.
2. Bischof Franz Kamphaus organisierte die Auftaktveranstaltung.
(3. Thierse teilt unsere Ansicht nicht.)
(4. Unsere Ansicht ist der Referentin unverständlich.)
Die Argumente 1 und 2 sind schlichtweg Falschaussagen, denn nachweislich
leistet Misereor keinerlei vorbildliche Hilfe, und nachweislich ist
Kamphaus kein Bischof (Weihestufe), geschweige denn Bischof eines Bistums
(kirchliche Zugehörigkeit). Auch hier ist also ein Widerruf seitens
Thierse dringend erforderlich.
Die unter 3 und 4 aufgeführten Aussagen bestärken uns in unserer
Überzeugung, dass das Amt des Bundestagspräsidenten mit Thierse
nicht optimal besetzt ist, und wir sehen keine Veranlassung, unseren Rat
an Thierse, sämtliche politischen Ämter sofort und für
immer niederzulegen, zurückzunehmen.
Von Politikern erwartet man unverbrüchliche Treue zur Wahrheit und aufopferungsvolle Hingabe bei der Urteilsfindung. Beides vermissen wir in dem Schreiben Thierses vollständig. Es bleibt die bange Frage, ob Thierse und Busch in dieser höchst bedeutsamen Angelegenheit wirklich ganz so "aufmerksam und interessiert" waren, wie es die Einleitung nahelegt.