Kostenloses Schulobst als
Beruhigungspille
- Pressemitteilung zum Schulobstgesetz -
(Kirche zum Mitreden, 21.09.2009)
Am 18.09.2009 hat der Bundesrat dem Schulobstgesetz zugestimmt;
dementsprechend sollen den Kindern in Kindergärten und
Grundschulen kostenlos Obst und Gemüse angeboten werden.
Allerdings sind noch dabei nicht alle Fragen der Finanzierung und somit
der Umsetzbarkeit dieses Gesetzes geklärt. Und sogar abgesehen von
der Finanzierungsproblematik wirft dieses Gesetz Fragen auf.
Immerhin: Begrüßenswert ist eine Ernährung mit viel
Obst und Gemüse definitiv, und angesichts der grassierenden Seuche des Übergewichts
muss eine solche Ernährung erst recht gefördert werden: In
Deutschland sind die Hälfte der Frauen und Zweidrittel der
Männer übergewichtig. Oft werden auch dafür bereits im
Kindesalter die Weichen gestellt, sowohl hinsichtlich der
Gewöhnung an eine bestimmte Ernährung als auch v.a.
hinsichtlich der gesundheitlichen Entwicklung. Eine spätere
Umgewöhnung, gerade in Sachen Ernährung, fällt manchen
schwer, ist aber eigentlich immer möglich. Wirklich gravierend
sind hingegen ernährungsbedingte, womöglich irreparable
Schäden, die man dann ggf. viele Jahrzehnte mit sich herumtragen
muss.
Dennoch bleiben Fragen zum neuen Gesetz:
Warum muss das Obst kostenlos sein? Warum sollten nicht die Eltern ganz
normal auch dann für die Verpflegung ihrer Kinder bezahlen, wenn
die Kinder etwas während der Schulzeit essen? Das verwundert umso
mehr, wenn man einerseits die relativ geringen Obstkosten -
geschätzte 40 Euro pro Kind / Jahr - und anderseits sonstige hohe
Kosten bedenkt, die den Eltern für zumindest äußerst
fragwürdige Aktionen aufgebürdet werden, z.B. für
sinnlose und sogar desorientierende Exkursionen.
Warum gibt es noch immer kein generelles strenges Verkaufsverbot von
Süßigkeiten, Salzgebäck, Kuchen etc. an Schulen? Warum
werden den Kindern z.B. überzuckerte Getränke wie Kakao
leicht zugänglich gemacht? Warum wird oft noch geduldet, dass
Eisverkäufer mit ihren Wagen auf Schulhöfen stehen? Ein
diesbzgl. Verbot würde bereits an sich als Schutz vor
schädlicher Ernährung dienen, und mangels ungesunder
Alternative bliebe dann nur der Kauf von gesunden Lebensmitteln als
Option. Zudem würde mit einem diesbzgl. Verbot besonders deutlich
signalisiert, was von ungesunder Ernährung zu halten ist, und
schließlich gäbe es für ein solches Verbot keinerlei
Probleme mit der Finanzierung.
Zudem könnte man noch weiter fragen:
Warum ist noch immer nicht die längst überfällige
Ampelkennzeichnung der Lebensmittel umgesetzt ("Wissenschaft spricht
für Ampelfarben", foodwatch.de, 08.09.2009)?
Warum dürfen fructosehaltige Lebensmittel noch immer mit der
Behauptung "Diät" / "für Diabetiker geeignet" beworben
werden, obwohl schon seit Jahren bekannt ist, dass Fructose
Übergewicht und Leberverfettung fördert und somit einen
Diabetes verschlimmern, ja sogar verursachen kann? Wieso ist der
diesbzgl. §12 der "Verordnung über diätetische
Lebensmittel" (Diätverordnung - DiätV) auch nach zahlreichen
Protesten seitens Verbraucherschützern noch immer nicht revidiert
("Lebensmittel für Diabetiker: schädlich", ZDF, Frontal21,
12.05.2009)?
Warum werden auf vielen Lebensmitteln noch die vom Verband der
Europäischen Lebensmittelindustrie fabrizierten "GDA"-Angaben
("Guideline daily amount" - Richtlinie für den Tagesbedarf an
Kalorien und Nährstoffen) zugelassen? Wieso wird toleriert, dass
diese "GDA"-Kennzeichnung auf uneinheitlichen, somit verwirrenden und
bisweilen regelrecht absurden Portionsgrößen basiert, wobei
sie besonders fatal ist wegen des viel zu hohen Richtwerts für die
Zuckermenge ("Die Wahrheit über heimliche Kalorienbomben", BamS
20.09.2009)?
Statt diese klaren und klar lösbaren Probleme endlich in Angriff
zu nehmen, kommt nun nur ein eigentlich unnötiges Schulobstgesetz,
dessen Umsetzbarkeit obendrein noch gar nicht richtig geklärt ist.
Die Sorge ist also nicht unbegründet, dass auch das jetzige
Schulobstgesetz nur eine halbherzige Verbesserung bringt und eher als
Beruhigungspille für die schlichtweg desaströse
Ernährungssituation dienen soll. Jedenfalls besteht auch mit
diesem Gesetz keine Möglichkeit, mit der Ernährungssituation
zufrieden zu sein.
[Zurück zur KzM - Startseite]