Predigt am 10.02.2002

- Quinquagesima, letzter Sonntag der Vorfastenzeit -
(Kirche zum Mitreden, 10.02.2002)
1 Kor 13,1-13; Lk 18,31-43

Am heutigen Sonntag "Quinquagesima", dem letzten Sonntag der Vorfastenzeit, stellt uns die Kirche bereits das Leiden, das Christus wegen unserer Sünden auf sich genommen hat, vor Augen. Im Schott heißt es zum Evangelium des heutigen Sonntags:
"In der Kraft, die wir uns durch die Feier der hl. Messe sichern, sind wir entschlossen, mit dem Heiland durch die Zeit des Leidens hindurchzugehen, in der hl. Fastenzeit der Welt und Sünde abzusterben, damit wir an Ostern zu neuem Leben auferstehen können. Sind wir auch noch blind, wie der Blinde des Evangeliums, der Heiland kann uns heilen."
Soweit das Zitat aus dem Schott. Es könnte scheinen, als ob im heutigen Evangelium zwei Sinnabschnitte zusammengefasst wären, die eigentlich kaum etwas miteinander zu tun haben. Zunächst sagt Jesus voraus, welchen Erfolg er bei den Menschen haben wird:
"Er wird den Heiden ausgeliefert, verspottet, mißhandelt und angespien werden; man wird ihn geißeln und töten."
Von daher sollte die Frage erlaubt sein, ob wirklich nur Erfolg bei den Menschen als Beweis dafür dienen kann, dass eine Sache gut und richtig ist. In diesem ersten Sinnabschnitt kündigt Christus auch seine Auferstehung von den Toten an; die Jünger verstehen den Sinn der Worte Jesu allerdings nicht.
Als zweiter Sinnabschnitt folgt dann der Bericht über die Heilung des Blinden von Jericho. Der Blinde spricht gegenüber Jesus den Wunsch aus: "Herr, mach, daß ich sehen kann". In dem Breviergebet, das die Kleriker täglich verrichten müssen, wird am heutigen Sonntag eine Predigt des hl. Papstes und Kirchenlehrers Gregor I. zu diesem Evangelium zitiert. Der Papst sieht die beiden Sinnabschnitte nicht getrennt; die Blindenheilung soll vielmehr eine Verständnishilfe für die Worte Jesu über Tod und Auferstehung sein, die von den Jüngern nicht verstanden wurden. Die Wundertaten Jesu dienen dazu, den Glauben zu wecken und zu festigen, auch wenn die Worte Jesu nicht sofort vollkommen verstanden werden.
Der Papst weist darauf hin, dass es bei der Wunderheilung nicht nur konkret um eine Wohltat für diesen einen Blinden geht: Diese Wunderheilung hat auch einen zeichenhaften Charakter. Der Blinde repräsentiert dabei das Menschengeschlecht. Durch den Sündenfall Adams, dessen Folgen auf all seine Nachkommen vererbt werden, lebt das Menschengeschlecht in der Finsternis der Verdammung. Die Anwesenheit des Erlösers hingegen schenkt demjenigen, der darum bittet, neues Licht und weist den Weg, die verlorene Gnade wiederzuerlangen.
Wie der Papst weiter erklärt, bedeutet der Name der Stadt Jericho übersetzt "Mond", wobei der Mond als Bild für die Gebrechlichkeit des Fleisches dient. Das Abnehmen des Mondes verweist auf die menschliche Gebrechlichkeit. Wenn sich nun der Erlöser Jericho, Bild der menschlichen Gebrechlichkeit, nähert, dann schenkt er dem Menschen Licht. Wenn die Gottheit unsere fleischliche Gebrechlickeit annimmt, schenkt sie dem menschlichen Geschlecht das Licht und erhebt den Menschen in den Stand der Gnade. Christus, der Sohn Gottes, der unsere menschliche Natur angenommen hat, zeigt den Menschen den Weg zum Paradies. Ja, Christus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Durch die Sünde des Menschen kommt der Tod, durch die Gottheit kommt die Auferstehung. Durch die Sünde des Menschen kommt die Finsternis, durch die Gottheit kommt das Licht.
Wie wir diesen Weg gehen müssen, erläutert der hl. Paulus in der heutigen Lesung: Es ist der Weg der Liebe. Die Liebe trennt sich von der Sündhaftigkeit des alten Menschen, sie lebt in der Gnadenwelt des neuen Menschen. Paulus schreibt: "Als ich noch ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind, urteilte wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, legte ich das Kindhafte ab." Diese Aussage des heiligen Paulus steht auch rein sprachlich in keinerlei Gegensatz zum Wort Christi: "Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, werdet ihr in das Himmelreich niemals eingehen" (Mt 18,3). Im griechischen Urtext werden jeweils unterschiedliche Vokabeln gebraucht. So wendet sich Paulus gegen das Kindische, Törichte, während Christus von uns Gehorsam und Vertrauen verlangt.
So klar die Worte der Heiligen Schrift und die kirchlichen Texte auch sind, es ist schwerlich zu übersehen, dass sich gerade gegen Ende der Vorfastenzeit kaum jemand darum schert. Vom Ernst der Leidensvoraussagungen Christi ist wenig zu spüren, und von einem Ablegen des Kindischen auch nicht besonders viel.
Ganz besonders traurig ist das Bestreben jener, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht haben, die Heilige Schrift zum Märchenbuch zu erklären. Konkret auf das heutige Evangelium bezogen heißt das, dass 1. Jesus sein Leiden und seine Auferstehung nicht vorausgesagt hat und 2. dass Jesus keinen Blinden geheilt hat. Eine solche radikale Verdrehung der Tatsachen ist nur möglich, indem man die Gottheit Christi leugnet. Ist Christus nur noch reiner Mensch, dann ist er auch kein Erlöser. Dann hat er nichts von seinem bevorstehenden Leiden gewusst, auferstanden ist er sowieso nicht, Wunder vollbringen konnte er natürlich auch nicht. In dieser gottlosen Weltsicht musste Jesus erst so langsam verstehen, dass er von den Menschen abgelehnt wurde. Er ist dann seinen Idealen treu geblieben, hat dafür den Tod auf sich genommen, und das war´s dann auch schon. Sein Leiden hat vielleicht einen besonders beeindruckenden Vorbildcharakter, unterscheidet sich aber letztlich in nichts von dem Leiden anderer, die für ihre Ideale den Tod zu erleiden bereit sind. Wozu auch einen Erlöser, wenn man die Erbsünde leugnet?
Möglichkeiten, sich von der Wahrheit, vom Licht der göttlichen Gnade zu trennen, gibt es also reichlich. Man kann sich mit der heidnischen Welt in den besinnungslosen Taumel stürzen, man kann als Superkritiker alles anzweifeln, was einem nicht gefällt, man kann in Verbitterung und Resignation fallen, weil die Welt antichristlich ist. Aber auch hier helfen uns die Worte des heiligen Paulus weiter, der über die Liebe schreibt:
"Sie läßt sich nicht erbittern, sie denkt nichts Arges; sie freut sich nicht am Unrecht, sondern hat Freude an der Wahrheit; sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, duldet alles." Amen.

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