Predigt am 26.01.2003

- 3. Sonntag nach Epiphanie -
(Kirche zum Mitreden, 26.01.2003)
Lesungen: Rom 12,16-21; Mt 8,1-13


Betrachten wir im folgenden einige Aussagen der heutigen Lesung. Der hl. Paulus schreibt an die Römer: "Vergeltet niemandem Böses mit Bösem." Bei der Vergeltung geht es darum, jedem das zu geben, was er verdient. Jedem das Seine - das ist der Grundsatz der Gerechtigkeit. Wer Gutes tut, soll belohnt werden; wer Böses tut, soll bestraft werden.
Paulus spricht keineswegs davon, dass wir alles über uns ergehen lassen müssen oder dass wir dulden oder gar unterstützen sollen, wenn anderen Unrecht geschieht. Man soll Böses nicht mit Bösem vergelten. Wenn man Unrecht erlitten hat, dann ist man nicht berechtigt, dem Täter Unrecht zuzufügen. Wer ungerechterweise angegriffen wird, der darf sich auch verteidigen. Die Notwehr kann sogar bis zur Tötung des ungerechten Angreifers gehen. Man fügt dem ungerechten Angreifer kein Unrecht zu, man tut ihm nichts Böses, wenn man ihn daran hindert, dass er seinen ungerechten Angriff durchführt. Nach dem Angriff aber ist kein Fall von Notwehr mehr gegeben. Dann muss der Weg der Gerechtigkeit so beschritten werden, dass dem Täter eine angemessene Strafe auferlegt wird, sowohl zur Wiedergutmachung des Schadens, als auch zur Sühne für die begangene Tat, als auch zum Schutz der gesellschaftlichen Ordnung. Indem wir uns für die Bestrafung von Übeltätern einsetzen, verteidigen wir die von Gott gewollte Ordnung und dienen der Gerechtigkeit. Sollte sich dabei eine Freude über den Schmerz des anderen einstellen, wäre das eindeutig gegen die christliche Ordnung. Beten wir für die, die uns verfolgen.
Bis zu seinem letzten Atemzuge hat der Mensch noch die Möglichkeit, sich zu bekehren und gerettet zu werden. Wir haben die Aufgabe, auch andere zur Bekehrung zu rufen und es ihnen so einfach wie möglich zu machen, den falschen Weg zu verlassen und ein gottgefälliges Leben zu führen. "Wenn dein Feind Hunger hat, gib ihm zu essen; wenn er Durst hat, gib ihm zu trinken. Handelst du so, dann sammelst du feurige Kohle auf sein Haupt. Laß dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde du das Böse durch das Gute." Diese "feurige Kohle" soll zum Schmerz der Reue führen. Auch wer sehr viel Böses tut, kann sein Gewissen nicht abschaffen. Das Gewissen mag noch so verkümmert und verbogen sein, der Mensch behält dennoch sein Empfinden für Gut und Böse, Richtig und Falsch. Unser gutes Handeln soll zum Reueschmerz derer führen, die Böses tun und dennoch Gutes von uns erfahren.
Dass wir verpflichtet sind, unseren Schuldigern zu vergeben, hat Christus selbst gesagt, als er uns das Vaterunser lehrte. Dort beten wir: "Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern". Manche Menschen scheinen diese Bitte des Vaterunsers nicht so recht ernst nehmen zu wollen. Ja, es kann sogar sein, dass jemand den Zusatz: "wie auch wir vergeben unseren Schuldigern" für sein privates Gebet streicht. Diese Auslassung mag aus einer gewissen Oberflächlichkeit und ohne bewusste Bosheit geschehen, dennoch ist sie objektiv nicht zu rechtfertigen. Wenn wir in unserem Herzen den Übeltätern vergeben, ist die Forderung einer gerechten Strafe damit keineswegs unmöglich, sondern bleibt grundsätzlich bestehen.
Nun schreibt Paulus: "Wenn es möglich ist, bleibt, soviel an euch liegt, mit allen Menschen in Frieden." Also: Ein blanker Friedensfanatismus nach dem Motto "Ruhe um jeden Preis" ist abzulehnen. Wenn jemand unbedingt Streit und Krieg will, ob im großen oder im kleinen, dann ist es eben nicht möglich, mit ihm in Frieden zu bleiben. Es kann Fälle geben, wo die Durchsetzung und Erhaltung der Gerechtigkeit nicht auf friedlichem Wege möglich ist. Wenn ein Streit, ein Krieg - ob nun im großen oder im kleinen - von dem Wunsch nach Gerechtigkeit beseelt und von Hass und Niederträchtigkeit gegen den anderen frei ist, da geschieht also kein Unrecht. Manchmal kann es notwendig sein, gegen eine Person mit großer Strenge und Härte vorzugehen, weil sie ein Unrecht begangen hat. In dem Fall dürfen wir uns nicht durch ein falsches Friedensverständnis davon abhalten lassen, uns nach Kräften für eine gerechte Bestrafung des Übeltäters einzusetzen, um den Täter für seine Vergehen Sühne leisten zu lassen, damit er beim Jüngsten Gericht vor Strafe bewahrt bleibt, und um die Gesellschaft zu schützen, also unserer Verantwortung für unsere Nächsten zu erfüllen.
Abschließend noch eine Anmerkung zu der Lehre, dass jeder Mensch bis zu seinem letzten Atemzuge noch die Möglichkeit hat, sich zu bekehren und gerettet zu werden. Die kirchliche Gewalt, Sünden zu vergeben, ist nicht auf bestimmte Arten von Sünden oder auf eine bestimmte Anzahl von Sünden beschränkt. Jede Sünde kann vergeben werden, und sei sie auch noch so schwer - das ist eindeutige kirchliche Lehre.
Was ist aber mit den Worten Christi: "Wer ein Wort sagt wider den Heiligen Geist, findet keine Vergebung, weder in dieser noch in der zukünftigen Welt" (Mt 12,32), und "Wer aber eine Lästerung wider den Heiligen Geist begeht, findet in Ewigkeit keine Vergebung, sondern bleibt mit ewiger Sünde belastet" (Mk 3,29)? Nun, diese Sünde ist gerade eine Verstockung in der Sünde, sie ist ein Widerstreben gegen das Wirken des Heiligen Geistes. Damit wird dann Gott nicht mehr als gut und gerecht anerkannt, sondern als böse und ungerecht hingestellt. Wer in dieser totalen Umkehrung der Wirklichkeit verharrt, der kann in der Ewigkeit nicht gerettet werden. Eine solche Umkehrung der Werte haben die Schriftgelehrten begangen, als sie über Christus sagten: "Er ist von Beelzebub besessen. Mit dem Anführer der Teufel treibt er die Dämonen aus" (Mk 3,22). Wegen ihrer Verstockheit spricht Christus zu den Pharisäern und Schriftgelehrten: "Ihr verschließt das Himmelreich vor den Menschen. Ihr selbst tretet nicht ein und ihr laßt auch die nicht hinein, die hinein wollen", und: "Ihr Schlangen- und Natterngezücht, wie wollt ihr der Verurteilung zur Hölle entrinnen" (Mt 23,13.33).
Wir besitzen nicht das Wissen Christi, wir können nicht sagen, wer gerettet werden wird und wer nicht. Mit einer Heiligsprechungen sagt die Kirche zwar, dass die betreffende Person im Himmel ist, aber selbst das geschieht immer erst nach dem Tod des Menschen. Uns ist ausdrücklich verboten, darüber zu richten, wer in den Himmel und wer in die Hölle kommen wird. Hüten wir uns also unbedingt davor, die Lehre der Kirche über die Sündenvergebung zu leugnen, hüten wir uns, über andere zu richten, und setzen wir uns statt dessen dafür ein, dass jedem Gerechtigkeit widerfahre, dass die Guten auf ihrem Weg bestärkt und die Bösen auf den guten Weg gebracht werden, damit wir einst im Himmelreich zu Tische sitzen dürfen. Amen.

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