Betrachten wir im folgenden einige Aussagen der heutigen Lesung.
Der hl. Paulus schreibt an die Römer: "Vergeltet niemandem Böses
mit Bösem." Bei der Vergeltung geht es darum, jedem das zu geben,
was er verdient. Jedem das Seine - das ist der Grundsatz der Gerechtigkeit.
Wer Gutes tut, soll belohnt werden; wer Böses tut, soll bestraft werden.
Paulus spricht keineswegs davon, dass wir alles über uns ergehen
lassen müssen oder dass wir dulden oder gar unterstützen sollen,
wenn anderen Unrecht geschieht. Man soll Böses nicht mit Bösem
vergelten. Wenn man Unrecht erlitten hat, dann ist man nicht berechtigt,
dem Täter Unrecht zuzufügen. Wer ungerechterweise angegriffen
wird, der darf sich auch verteidigen. Die Notwehr kann sogar bis zur Tötung
des ungerechten Angreifers gehen. Man fügt dem ungerechten Angreifer
kein Unrecht zu, man tut ihm nichts Böses, wenn man ihn daran hindert,
dass er seinen ungerechten Angriff durchführt. Nach dem Angriff aber
ist kein Fall von Notwehr mehr gegeben. Dann muss der Weg der Gerechtigkeit
so beschritten werden, dass dem Täter eine angemessene Strafe auferlegt
wird, sowohl zur Wiedergutmachung des Schadens, als auch zur Sühne
für die begangene Tat, als auch zum Schutz der gesellschaftlichen
Ordnung. Indem wir uns für die Bestrafung von Übeltätern
einsetzen, verteidigen wir die von Gott gewollte Ordnung und dienen der
Gerechtigkeit. Sollte sich dabei eine Freude über den Schmerz des
anderen einstellen, wäre das eindeutig gegen die christliche Ordnung.
Beten wir für die, die uns verfolgen.
Bis zu seinem letzten Atemzuge hat der Mensch noch die Möglichkeit,
sich zu bekehren und gerettet zu werden. Wir haben die Aufgabe, auch andere
zur Bekehrung zu rufen und es ihnen so einfach wie möglich zu machen,
den falschen Weg zu verlassen und ein gottgefälliges Leben zu führen.
"Wenn dein Feind Hunger hat, gib ihm zu essen; wenn er Durst hat, gib ihm
zu trinken. Handelst du so, dann sammelst du feurige Kohle auf sein Haupt.
Laß dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde
du das Böse durch das Gute." Diese "feurige Kohle" soll zum Schmerz
der Reue führen. Auch wer sehr viel Böses tut, kann sein Gewissen
nicht abschaffen. Das Gewissen mag noch so verkümmert und verbogen
sein, der Mensch behält dennoch sein Empfinden für Gut und Böse,
Richtig und Falsch. Unser gutes Handeln soll zum Reueschmerz derer führen,
die Böses tun und dennoch Gutes von uns erfahren.
Dass wir verpflichtet sind, unseren Schuldigern zu vergeben, hat Christus
selbst gesagt, als er uns das Vaterunser lehrte. Dort beten wir: "Vergib
uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern". Manche Menschen
scheinen diese Bitte des Vaterunsers nicht so recht ernst nehmen zu wollen.
Ja, es kann sogar sein, dass jemand den Zusatz: "wie auch wir vergeben
unseren Schuldigern" für sein privates Gebet streicht. Diese Auslassung
mag aus einer gewissen Oberflächlichkeit und ohne bewusste Bosheit
geschehen, dennoch ist sie objektiv nicht zu rechtfertigen. Wenn wir in
unserem Herzen den Übeltätern vergeben, ist die Forderung einer
gerechten Strafe damit keineswegs unmöglich, sondern bleibt grundsätzlich
bestehen.
Nun schreibt Paulus: "Wenn es möglich ist, bleibt, soviel an euch
liegt, mit allen Menschen in Frieden." Also: Ein blanker Friedensfanatismus
nach dem Motto "Ruhe um jeden Preis" ist abzulehnen. Wenn jemand unbedingt
Streit und Krieg will, ob im großen oder im kleinen, dann ist es
eben nicht möglich, mit ihm in Frieden zu bleiben. Es kann Fälle
geben, wo die Durchsetzung und Erhaltung der Gerechtigkeit nicht auf friedlichem
Wege möglich ist. Wenn ein Streit, ein Krieg - ob nun im großen
oder im kleinen - von dem Wunsch nach Gerechtigkeit beseelt und von Hass
und Niederträchtigkeit gegen den anderen frei ist, da geschieht also
kein Unrecht. Manchmal kann es notwendig sein, gegen eine Person mit großer
Strenge und Härte vorzugehen, weil sie ein Unrecht begangen hat. In
dem Fall dürfen wir uns nicht durch ein falsches Friedensverständnis
davon abhalten lassen, uns nach Kräften für eine gerechte Bestrafung
des Übeltäters einzusetzen, um den Täter für seine
Vergehen Sühne leisten zu lassen, damit er beim Jüngsten Gericht
vor Strafe bewahrt bleibt, und um die Gesellschaft zu schützen, also
unserer Verantwortung für unsere Nächsten zu erfüllen.
Abschließend noch eine Anmerkung zu der Lehre, dass jeder Mensch
bis zu seinem letzten Atemzuge noch die Möglichkeit hat, sich zu bekehren
und gerettet zu werden. Die kirchliche Gewalt, Sünden zu vergeben,
ist nicht auf bestimmte Arten von Sünden oder auf eine bestimmte Anzahl
von Sünden beschränkt. Jede Sünde kann vergeben werden,
und sei sie auch noch so schwer - das ist eindeutige kirchliche Lehre.
Was ist aber mit den Worten Christi: "Wer ein Wort sagt wider den Heiligen
Geist, findet keine Vergebung, weder in dieser noch in der zukünftigen
Welt" (Mt 12,32), und "Wer aber eine Lästerung wider den Heiligen
Geist begeht, findet in Ewigkeit keine Vergebung, sondern bleibt mit ewiger
Sünde belastet" (Mk 3,29)? Nun, diese Sünde ist gerade eine Verstockung
in der Sünde, sie ist ein Widerstreben gegen das Wirken des Heiligen
Geistes. Damit wird dann Gott nicht mehr als gut und gerecht anerkannt,
sondern als böse und ungerecht hingestellt. Wer in dieser totalen
Umkehrung der Wirklichkeit verharrt, der kann in der Ewigkeit nicht gerettet
werden. Eine solche Umkehrung der Werte haben die Schriftgelehrten begangen,
als sie über Christus sagten: "Er ist von Beelzebub besessen. Mit
dem Anführer der Teufel treibt er die Dämonen aus" (Mk 3,22).
Wegen ihrer Verstockheit spricht Christus zu den Pharisäern und Schriftgelehrten:
"Ihr verschließt das Himmelreich vor den Menschen. Ihr selbst tretet
nicht ein und ihr laßt auch die nicht hinein, die hinein wollen",
und: "Ihr Schlangen- und Natterngezücht, wie wollt ihr der Verurteilung
zur Hölle entrinnen" (Mt 23,13.33).
Wir besitzen nicht das Wissen Christi, wir können nicht sagen,
wer gerettet werden wird und wer nicht. Mit einer Heiligsprechungen sagt
die Kirche zwar, dass die betreffende Person im Himmel ist, aber selbst
das geschieht immer erst nach dem Tod des Menschen. Uns ist ausdrücklich
verboten, darüber zu richten, wer in den Himmel und wer in die Hölle
kommen wird. Hüten wir uns also unbedingt davor, die Lehre der Kirche
über die Sündenvergebung zu leugnen, hüten wir uns, über
andere zu richten, und setzen wir uns statt dessen dafür ein, dass
jedem Gerechtigkeit widerfahre, dass die Guten auf ihrem Weg bestärkt
und die Bösen auf den guten Weg gebracht werden, damit wir einst im
Himmelreich zu Tische sitzen dürfen. Amen.