Die Verschwörungstheoretiker haben
seit Jahren ein ganz besonderes Lieblingskind, die sog. "Chemtrails".
Damit sind Streifen gemeint, die hinter Flugzeugen am Himmel
zurückbleiben, aber eben nicht die normalen Kondensstreifen,
sondern angeblich giftige Chemikalien zur fast völligen
Vernichtung der Menschheit. Diese Dauervergiftung soll dafür
sorgen, dass unerwünschtes Leben verschwindet, es ist also quasi
ein Kampf gegen die sog. Überbevölkerung. Noch bevor man
überhaupt auf die technische Machbarkeit dieser Vergiftung durch
Streifen aus giftigen Chemikalien eingeht: Gäbe es nicht weitaus
effektivere Möglichkeiten? Immerhin sollen die Chemtrails schon
seit mindestens zwanzig Jahren die Menschheit vergiften. Und bei der
ganzen Aufdeckungsarbeit der Verschwörungstheoretiker kann von
einem Geheimplan wahrlich keine Rede mehr sein. In den vergangenen
Tagen nun wurden wieder neue Chemtrails-Enthüllungen verbreitet.
Man kann sich mittlerweile sogar auf einen anonymen Insider berufen,
der in einem Internet-Forum die menschheitsvernichtende Wirkung der
Chemtrails ausdrücklich bestätigt hat. Wer es also jetzt noch
unterlässt, vor Chemtrails zu warnen, oder wer gar erklärt,
von einer Chemtrails-Gefahr nicht überzeugt zu sein, der muss mit
radikaler Ächtung seitens der Verschwörungstheoretiker
rechnen.
Ebenfalls neuerlich und seit immerhin zwölf Jahren warnt der
"World Wide Fund For Nature", kurz WWF, in einem jährlichen Report
davor, dass die Reserven der Erde bald erschöpft sein werden. Die
Menschen verbrauchen durchschnittlich das Anderthalbfache von dem, was
der Planet bereitstellen kann. In den Industrieländern ist der
Verbrauch sogar um ein Vielfaches höher, allerdings wirken die
riesigen Armuts- und Hungergebiete quasi als Stoßdämpfer.
Jetzt braucht man doch nur noch zwei und zwei zusammenzuzählen:
Es gibt - gemessen an den Ansprüchen der Industriestaaten -
zuviele Verbraucher auf dieser Welt. Und es gibt eine effektive
Möglichkeit, die Zahl der Verbraucher zu reduzieren. Also keine
Frage: Die Massenvernichtung durch Gifte wie Chemtrails wird von den
Mächtigen durchgeführt, um ihre eigene Rasse in ihrem eigenen
Luxus zu erhalten. Wenn doch alles im Leben so unwiderlegbar klar
wäre!
Allerdings kratzt doch so einiges äußerst intensiv an der
Makellosigkeit der WWF- und Chemtrails-Aktivisten. Beim WWF ist es
bereits das hartnäckige Festhalten an dem ganzen
"Klimaschutz"-Theater. Wie will man jemanden ernstnehmen, der noch so
eifrig das Märchen vom "Klimawandel durch Kohlendioxyd" singt? Die
Chemtrails-Verschwörungstheoretiker hingegen sind zwar keine
Vereinigung wie der WWF und insofern viel bunter gemischt. Doch
Defizite springen auch dort noch oft genug ins Auge. Z.B. schreien sie
oft und heftig schlimmste Verleumdungen gegen die Kirche, sei es bzgl.
angeblicher Vorkommnisse in der Kirchengeschichte oder gar bzgl. der
Person Christi selbst.
Statt allerdings blindlings äußerst fragwürdigen
Behauptungen äußerst fragwürdiger Propheten
hinterherzulaufen, sollte man besser in aller Ruhe über den wahren
Kern solcher Behauptungen nachdenken. In Sachen Chemtrails bzw. WWF
lassen sich immerhin zwei wichtige Stichwörter festhalten: Luxus
und Gift. Auf der einen Seite steht der überhöhte,
verantwortungslose Verbrauch von materiellen Gütern, auf der
anderen Seite steht die Vergiftung aller derer, die sich
ahnungslos-gleichgültig vergiften lassen. Nun wird ja hinsichtlich
materieller Güter oft mit Verweis auf Paracelsus zitiert: "All
Ding' sind Gift und nichts ohn' Gift; allein die Dosis macht, das ein
Ding kein Gift ist." Es kommt also immer auf die Menge an: Die Dosis
ist das Gift. Unterdosierung und Überdosierung können
Schäden verursachen, ob bei Medikamenten oder bei Nahrungsmitteln.
Dementsprechend kommt es nach gesunder moralischer Lehre immer auf das
Maßhalten an, beim Essen, beim Fasten, bei der Arbeit, bei der
Ruhe. Das Gift kann im Zuviel und im Zuwenig bestehen. Wer zu streng
fastet, kann womöglich seine Pflichten aus Mangel an Energie nicht
ausreichend erfüllen. Wer zu viel konsumiert, kann womöglich
seine Pflichten aus Überschuss an Fett nicht ausreichend
erfüllen. Verstöße gegen die Tugend der
Mäßigung können ggf. sogar schwer sündhaft sein.
Aber von den materiellen Dingen und ihrer Wirkung als Gift einmal
abgesehen: Der Begriff "Gift" wird oft im übertragenen Sinne
gebraucht. Im Jakobusbrief (3,8) heißt es: "Die Zunge vermag kein
Mensch zu bezähmen - dieses ruhelose Übel voll tödlichen
Giftes." Papst Pius X. schreibt in seiner Enzyklika gegen den
Modernismus ("Pascendi", 08.09.1907): "Wir sind der Meinung, daß
sich viele aus der katholischen Welt der Laien und - noch viel
schlimmer - sogar aus den Reihen des Klerus, die sich unter dem
Deckmantel der Liebe zur Kirche verstecken, ohne Grundlage einer
soliden Philosophie und Theologie, vergiftet durch falsche Lehren, die
sie aus dem Munde der Feinde zu hören bekamen, und jede
Bescheidenheit beiseite rückend als Reformatoren der Kirche
aufspielen." Papst Pius XII. schreibt in der Enzyklika über die
Herz-Jesu-Verehrung ("Haurietis aquas", 15.05.1956) vom "Gift des
Aberglaubens". Der Ausdruck "Gift der Lüge" wird recht häufig
gebraucht. Bisweilen ist auch vom "Gift der Sittenlosigkeit" oder "Gift
der Unmoral" die Rede. Ja, und wie eifrig werden diese Gifte verbreitet
und wie gierig aufgesogen! Schwärmereien vom "süßen
Gift der Sünde" und Werbeversprechen à la "süß
wie die Sünde" zeugen von einer ungeheuerlichen Verwahrlosung. In
einem Schlager werden das Pariser Vergnügungsviertel "Pigalle" als
"Mausefalle" und das - oft nackte - Fleisch der dortigen Weiblichkeit
als "zucksüßer Speck" besungen. Bei dieser ganzen
Schwärmerei für die Fleischbeschau sollte man aber nicht
vergessen, was der Zweck einer Mausefalle ist bzw. was die Maus in
Wahrheit erhält, wenn sie dem Lockruf des zuckersüßen
Specks folgt. Ist es menschenwürdig, süßen Giften
hinterherzulaufen und sie nach Kräften in sich hineinzupressen,
bis dann die Falle endgültig zuschnappt?
Für viele scheint die Vergiftung als Dauerzustand quasi der Himmel
auf Erden zu sein. Immer weiter der Unzucht frönen, immer weiter
der Maßlosigkeit frönen, und nie an morgen denken,
geschweige denn an den Tod und v.a. an das Jüngste Gericht. Wer
unter Gifteinfluss steht, vermag oft nicht klar zu denken. Die
Dauerberieselung durch satanische Rockmusik ist da eine willkommene, ja
unverzichtbar erscheinende Nahrungsergänzung im gigantischen
Überangebot von Giften. Was ist mit Geschlechtskrankheiten oder
Fettsucht - können wenigstens diese Folgen eines maßlosen
Lebens noch alarmieren und zum Umdenken führen? Anscheinend nicht
immer. Es kann in gewisser Weise beeindrucken, wenn man sieht, wie
unbeeindruckt Raucher selbst nach der Diagnose Lungenkrebs oder gar
nach einer Kehlkopfoperation bleiben.
Also: Statt sich in Spekulationen über Vergiftungen durch
Kondensstreifen zu verlieren oder sich durch Klimaschutz-Phantasien
lächerlich zu machen, sollten wir den Giften den Kampf ansagen, in
denen die Welt tatsächlich versumpft: das Gift der Irrlehre, das
Gift des Aberglaubens, das Gift der Lüge, das Gift der
Maßlosigkeit, das Gift der Sittenlosigkeit. Der christliche
Glaube heilt uns von diesen Giften und weist uns den Weg zum ewigen
Leben, zum Leben in Fülle. Hängen wir unser Herz nicht an
materielle Dinge, hüten wir uns vor jeder Unmoral. Führen wir
ein Leben nach den christlichen Geboten, halten wir uns rein von der
Sünde, und wenn wir in Sünde gefallen sind, lassen wir uns
reinigen durch das Beichtsakrament. Halten wir das richtige Maß,
halten wir uns fern von Giften. Verfallen wir nicht falschen Propheten,
sondern folgen wir den Weisungen der Kirche, des mystischen Leibes
Christi, damit wir dereinst teilhaben an der ewigen Freude des Himmels.
Amen.
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