Predigt 17.10.2010

- 21. Sonntag nach Pfingsten, sd; Eph 6,10-17; Mt 18,23-35; Chemtrails und Überbevölkerung -
(Kirche zum Mitreden, 15.10.2010)

http://www.youtube.com/watch?v=YFplSoXKz-Q
http://gloria.tv/?media=103627
Wörter: 1119
Die Verschwörungstheoretiker haben seit Jahren ein ganz besonderes Lieblingskind, die sog. "Chemtrails". Damit sind Streifen gemeint, die hinter Flugzeugen am Himmel zurückbleiben, aber eben nicht die normalen Kondensstreifen, sondern angeblich giftige Chemikalien zur fast völligen Vernichtung der Menschheit. Diese Dauervergiftung soll dafür sorgen, dass unerwünschtes Leben verschwindet, es ist also quasi ein Kampf gegen die sog. Überbevölkerung. Noch bevor man überhaupt auf die technische Machbarkeit dieser Vergiftung durch Streifen aus giftigen Chemikalien eingeht: Gäbe es nicht weitaus effektivere Möglichkeiten? Immerhin sollen die Chemtrails schon seit mindestens zwanzig Jahren die Menschheit vergiften. Und bei der ganzen Aufdeckungsarbeit der Verschwörungstheoretiker kann von einem Geheimplan wahrlich keine Rede mehr sein. In den vergangenen Tagen nun wurden wieder neue Chemtrails-Enthüllungen verbreitet. Man kann sich mittlerweile sogar auf einen anonymen Insider berufen, der in einem Internet-Forum die menschheitsvernichtende Wirkung der Chemtrails ausdrücklich bestätigt hat. Wer es also jetzt noch unterlässt, vor Chemtrails zu warnen, oder wer gar erklärt, von einer Chemtrails-Gefahr nicht überzeugt zu sein, der muss mit radikaler Ächtung seitens der Verschwörungstheoretiker rechnen.
Ebenfalls neuerlich und seit immerhin zwölf Jahren warnt der "World Wide Fund For Nature", kurz WWF, in einem jährlichen Report davor, dass die Reserven der Erde bald erschöpft sein werden. Die Menschen verbrauchen durchschnittlich das Anderthalbfache von dem, was der Planet bereitstellen kann. In den Industrieländern ist der Verbrauch sogar um ein Vielfaches höher, allerdings wirken die riesigen Armuts- und Hungergebiete quasi als Stoßdämpfer.
Jetzt braucht man doch nur noch zwei und zwei zusammenzuzählen: Es gibt - gemessen an den Ansprüchen der Industriestaaten - zuviele Verbraucher auf dieser Welt. Und es gibt eine effektive Möglichkeit, die Zahl der Verbraucher zu reduzieren. Also keine Frage: Die Massenvernichtung durch Gifte wie Chemtrails wird von den Mächtigen durchgeführt, um ihre eigene Rasse in ihrem eigenen Luxus zu erhalten. Wenn doch alles im Leben so unwiderlegbar klar wäre!
Allerdings kratzt doch so einiges äußerst intensiv an der Makellosigkeit der WWF- und Chemtrails-Aktivisten. Beim WWF ist es bereits das hartnäckige Festhalten an dem ganzen "Klimaschutz"-Theater. Wie will man jemanden ernstnehmen, der noch so eifrig das Märchen vom "Klimawandel durch Kohlendioxyd" singt? Die Chemtrails-Verschwörungstheoretiker hingegen sind zwar keine Vereinigung wie der WWF und insofern viel bunter gemischt. Doch Defizite springen auch dort noch oft genug ins Auge. Z.B. schreien sie oft und heftig schlimmste Verleumdungen gegen die Kirche, sei es bzgl. angeblicher Vorkommnisse in der Kirchengeschichte oder gar bzgl. der Person Christi selbst.
Statt allerdings blindlings äußerst fragwürdigen Behauptungen äußerst fragwürdiger Propheten hinterherzulaufen, sollte man besser in aller Ruhe über den wahren Kern solcher Behauptungen nachdenken. In Sachen Chemtrails bzw. WWF lassen sich immerhin zwei wichtige Stichwörter festhalten: Luxus und Gift. Auf der einen Seite steht der überhöhte, verantwortungslose Verbrauch von materiellen Gütern, auf der anderen Seite steht die Vergiftung aller derer, die sich ahnungslos-gleichgültig vergiften lassen. Nun wird ja hinsichtlich materieller Güter oft mit Verweis auf Paracelsus zitiert: "All Ding' sind Gift und nichts ohn' Gift; allein die Dosis macht, das ein Ding kein Gift ist." Es kommt also immer auf die Menge an: Die Dosis ist das Gift. Unterdosierung und Überdosierung können Schäden verursachen, ob bei Medikamenten oder bei Nahrungsmitteln. Dementsprechend kommt es nach gesunder moralischer Lehre immer auf das Maßhalten an, beim Essen, beim Fasten, bei der Arbeit, bei der Ruhe. Das Gift kann im Zuviel und im Zuwenig bestehen. Wer zu streng fastet, kann womöglich seine Pflichten aus Mangel an Energie nicht ausreichend erfüllen. Wer zu viel konsumiert, kann womöglich seine Pflichten aus Überschuss an Fett nicht ausreichend erfüllen. Verstöße gegen die Tugend der Mäßigung können ggf. sogar schwer sündhaft sein.
Aber von den materiellen Dingen und ihrer Wirkung als Gift einmal abgesehen: Der Begriff "Gift" wird oft im übertragenen Sinne gebraucht. Im Jakobusbrief (3,8) heißt es: "Die Zunge vermag kein Mensch zu bezähmen - dieses ruhelose Übel voll tödlichen Giftes." Papst Pius X. schreibt in seiner Enzyklika gegen den Modernismus ("Pascendi", 08.09.1907): "Wir sind der Meinung, daß sich viele aus der katholischen Welt der Laien und - noch viel schlimmer - sogar aus den Reihen des Klerus, die sich unter dem Deckmantel der Liebe zur Kirche verstecken, ohne Grundlage einer soliden Philosophie und Theologie, vergiftet durch falsche Lehren, die sie aus dem Munde der Feinde zu hören bekamen, und jede Bescheidenheit beiseite rückend als Reformatoren der Kirche aufspielen." Papst Pius XII. schreibt in der Enzyklika über die Herz-Jesu-Verehrung ("Haurietis aquas", 15.05.1956) vom "Gift des Aberglaubens". Der Ausdruck "Gift der Lüge" wird recht häufig gebraucht. Bisweilen ist auch vom "Gift der Sittenlosigkeit" oder "Gift der Unmoral" die Rede. Ja, und wie eifrig werden diese Gifte verbreitet und wie gierig aufgesogen! Schwärmereien vom "süßen Gift der Sünde" und Werbeversprechen à la "süß wie die Sünde" zeugen von einer ungeheuerlichen Verwahrlosung. In einem Schlager werden das Pariser Vergnügungsviertel "Pigalle" als "Mausefalle" und das - oft nackte - Fleisch der dortigen Weiblichkeit als "zucksüßer Speck" besungen. Bei dieser ganzen Schwärmerei für die Fleischbeschau sollte man aber nicht vergessen, was der Zweck einer Mausefalle ist bzw. was die Maus in Wahrheit erhält, wenn sie dem Lockruf des zuckersüßen Specks folgt. Ist es menschenwürdig, süßen Giften hinterherzulaufen und sie nach Kräften in sich hineinzupressen, bis dann die Falle endgültig zuschnappt?
Für viele scheint die Vergiftung als Dauerzustand quasi der Himmel auf Erden zu sein. Immer weiter der Unzucht frönen, immer weiter der Maßlosigkeit frönen, und nie an morgen denken, geschweige denn an den Tod und v.a. an das Jüngste Gericht. Wer unter Gifteinfluss steht, vermag oft nicht klar zu denken. Die Dauerberieselung durch satanische Rockmusik ist da eine willkommene, ja unverzichtbar erscheinende Nahrungsergänzung im gigantischen Überangebot von Giften. Was ist mit Geschlechtskrankheiten oder Fettsucht - können wenigstens diese Folgen eines maßlosen Lebens noch alarmieren und zum Umdenken führen? Anscheinend nicht immer. Es kann in gewisser Weise beeindrucken, wenn man sieht, wie unbeeindruckt Raucher selbst nach der Diagnose Lungenkrebs oder gar nach einer Kehlkopfoperation bleiben.
Also: Statt sich in Spekulationen über Vergiftungen durch Kondensstreifen zu verlieren oder sich durch Klimaschutz-Phantasien lächerlich zu machen, sollten wir den Giften den Kampf ansagen, in denen die Welt tatsächlich versumpft: das Gift der Irrlehre, das Gift des Aberglaubens, das Gift der Lüge, das Gift der Maßlosigkeit, das Gift der Sittenlosigkeit. Der christliche Glaube heilt uns von diesen Giften und weist uns den Weg zum ewigen Leben, zum Leben in Fülle. Hängen wir unser Herz nicht an materielle Dinge, hüten wir uns vor jeder Unmoral. Führen wir ein Leben nach den christlichen Geboten, halten wir uns rein von der Sünde, und wenn wir in Sünde gefallen sind, lassen wir uns reinigen durch das Beichtsakrament. Halten wir das richtige Maß, halten wir uns fern von Giften. Verfallen wir nicht falschen Propheten, sondern folgen wir den Weisungen der Kirche, des mystischen Leibes Christi, damit wir dereinst teilhaben an der ewigen Freude des Himmels. Amen.

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