26.10.97, [23. Sonntag nach Pfingsten],
Christkönigsfest
(Kol 1,12-20; Joh 18,33-37)
Die heutige Lesung stellt uns die Wirklichkeit der absoluten Herrschaft
Christi vor Augen: Christus ist "das Ebenbild Gottes, des Unsichtbaren,
der Erstgeborene vor aller Schöpfung, denn in Ihm wurde alles erschaffen
im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und Unsichtbare, ob Throne, Fürstentümer,
Herrschaften oder Gewalten: alles ist durch Ihn und für Ihn geschaffen."
Im Evangelium vernehmen wir die Stimme Christi: "Mein Reich ist nicht
von dieser Welt. Wenn Mein Reich von dieser Welt wäre, so würden
gewiß Meine Diener für Mich streiten, und Ich wäre nicht
den Juden ausgeliefert worden. Nun aber ist Mein Reich nicht von hier".
Einerseits wissen wir um die wirklich absolute Herrschaft Christi,
andererseits sehen wir, daß Christus seine absolute Macht nicht dazu
einsetzt, andere zu unterwerfen oder zu versklaven. Vielmehr fordert Christus,
daß sich der Mensch freiwillig den göttlichen Geboten unterwirft.
Diese Erdenzeit ist im Grunde nur die Zeit der Entscheidung, ob wir die
von Christus erwirkte Erlösung dankbar empfangen oder selbstherrlich
zurückweisen wollen. Wenn wir uns unter das sanfte Joch Christi beugen,
dann werden wir im Endgericht des ewigen Lebens teilhaftig; wenn wir das
Joch Christi allerdings nicht annehmen wollen, dann respektiert der Heiland
diese Entscheidung und läßt uns in ewiger Gottesferne.
Wenn wir uns unter das Joch Christi beugen wollen, dann heißt
das, daß wir seine Herrschaft in allem erstrahlen lassen wollen,
was das menschliche Leben ausmacht. Beispielsweise ist es falsch, Nichtchristen
irgendwie zur Taufe zu zwingen, denn Jesus hat diesen Zwang nicht ausgeübt.
Aber ebenso falsch ist der Gedanke, es wäre unnötig, den Staat
christlich zu prägen, denn Christus hat ja vor Pilatus für die
Wahrheit Zeugnis abgelegt. Denken wir auch an das Wort Christi: "Man wird
euch den Synagogen und Kerkern überliefern und euch vor Könige
und Statthalter schleppen um meines Namens willen. Da wird euch Gelegenheit
gegeben, Zeugnis abzulegen. Nehmt euch also zu Herzen, nicht vorher zu
überlegen, wie ihr Rede stehen sollt. Denn ich werde euch Beredsamkeit
und Weisheit geben, der alle eure Widersacher nicht zu widersprechen und
zu widerstehen vermögen" (Lk 21,12-15).
Der Christ muß also entschieden darauf hinarbeiten, daß
die Wahrheit der absoluten Herrschaft Christi jedem bekannt wird, bevor
sie beim Endgericht allen offenbar wird. Wir können den anderen nach
Kräften nahelegen, sich Christus zu unterwerfen, wir können sie
aber nicht zwingen. Die staatliche Ordnung kann niemanden zur Taufe oder
zum Bekenntnis des Glaubens zwingen. Jedoch kann und muß die staatliche
Ordnung alles verbieten, was dem Christentum zuwiderläuft, z.B. in
Bereichen des fünften Gebotes (Abtreibung, Drogenkonsum) und des sechsten
Gebotes (Prostitution, Pornographie). Andere Glaubensrichtungen als der
Katholizismus können - wenn überhaupt - nur im Privatbereich
geduldet werden, allein die römisch-katholische Kirche besitzt das
objektive Anrecht auf öffentliche Wirksamkeit.
Daß sich das Christentum soweit ausbreiten und seinen Einfluß
auf die staatliche Ordnung geltend machen konnte, ist in besonderer Weise
den Menschen zu verdanken, die das Zeugnis für Christus mit der Hingabe
ihres Lebens besiegelt haben. Aus den Anfängen der Kirche ist der
Spruch überliefert: Das Blut der Märtyrer ist Samen für
das Christentum. Die Märtyrer wußten um den Anspruch Christi,
dem alles unterzuordnen ist.
Die Zahl derer, die ihren Wohlstand, ihren guten Ruf, ja ihr Leben
opfern, nur um für Christus Zeugnis abzulegen, ist jedoch in unserer
Zeit und in unseren Breitengraden vergleichsweise gering. Bei den meisten
nimmt das Leben einen weit weniger spektakulären Lauf, in Familie
und Beruf geht alles einen recht unauffälligen Gang. Meistens muß
man in den kleinen Dingen des Alltags Zeugnis für Christus ablegen,
z.B. indem man dem Nächsten mit Respekt und Höflichkeit begegnet;
indem man die übertragenen Aufgaben gewissenhaft erfüllt; indem
man Gerechtigkeit walten läßt und jede Form des Betruges ausschließt.
Ein Christ muß aber bereit sein, in der Stunde der Entscheidung
seinen gewohnten Alltag - so schützenswert die Familie und berufliche
Sicherheit sind - zu opfern, wenn es um das Zeugnis für Christus geht
und ein unlösbarer Konflikt zwischen dem alltäglichen Leben einerseits
und den Geboten Christi andererseits vorliegt. Denn Christus sagt klar:
"Ihr werdet sogar von Eltern, Brüdern, Verwandten und Freunden ausgeliefert
werden, und manche von euch wird man ums Leben bringen. Um meines Namens
willen werdet ihr von allen gehaßt werden" (Lk 21,16sq).
Doch Christus ist der absolute Herrscher. Christi Macht steht über
allem, und deswegen kämpfen wir auf der Seite des Siegers, wenn wir
die Leitung Christus, dem König des Weltalls, überlassen. Denn
Christus verheißt uns: "Durch eure standhafte Ausdauer werdet ihr
eure Seele retten" (Lk 21,19). Amen.
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