Predigt vom 22.03.98 (4. Sonntag der Fastenzeit)

(Internet, 22.03.1998)
Entsprechend dem ersten Wort des Eröffnungsverses heißt dieser 4. Fastensonntag "Laetare". "Freu dich, Jerusalem! Kommt alle zusammen, die ihr es liebt; froh überlaßt euch der Freude, die ihr traurig waret...". Dies ist ein guter Anlaß, über die Bedeutung der Freude in unserem Leben nachzudenken. Einige Aspekte sollen kurz genannt werden.
Zunächst sollte klar sein, daß Gefühlsregungen an und für sich gut sind und ihre Berechtigung haben. In der vorchristlichen Zeit haben Philosophen verschiedene Theorien aufgestellt, wie man mit den Gefühlen wie Freude, Trauer, Zorn usw. umgehen soll. Sehr häufig wurde gelehrt, daß Gefühle schlecht seien und deshalb unterdrückt werden müßten. Das Ideal der Heiden bestand darin, mit beständiger Gelassenheit sein Leben zu führen, ob es nun angenehm oder beschwerlich war, ob man Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit erfahren hatte, ob man gesund oder krank war. Dieses Ideal vollkommener Gelassenheit scheinen auch manche Christen gutzuheißen, obwohl es doch dem Christentum fremd ist. Unser Herr hat während seines Lebens auch Gefühlsregungen gezeigt, so den Zorn über die Händler im Tempel oder die Trauer am Grab des Lazarus. Bei allen Gefühlen geht es darum, sie in die richtige Bahn zu lenken, also sie zu beherrschen und nicht sich von ihnen beherrschen zu lassen. Wenden wir das Gesagte nun auf die Freude an.
Freude ist etwas, was einem Menschen das Leben angenehm und lebenswert erscheinen läßt, was stärkt und Hoffnung gibt. In der heutigen Lesung ist u.a. von der Freude über ein neugeborenes Kind die Rede, und auch unser Herr Jesus Christus spricht einmal über diese Art der Freude. Es gibt im Leben eines jeden Menschen Momente der Freude, jedem wird etwas einfallen, worüber er sich einmal sehr gefreut hat, und wir sollten versuchen, diese Situationen der Freude nicht zu vergessen, denn die Traurigkeit kann den Menschen lähmen. Nehmen wir nur die Situation unserer Kirche: viele Probleme, vieles, das nicht in Ordnung ist. Da wäre es jedoch das schlechteste, nur noch zu klagen und den Kampf aufzugeben. Aber noch persönlicher: Aufgrund vieler schlimmer Erfahrungen von Ungerechtigkeit oder schwerem Leid werden Menschen mutlos und vernachlässigen ihr religiöses Leben.
Allgemein kann man sagen: Der Mensch braucht die Freude, um tatkräftig und entschieden sein Leben meistern zu können. Doch sollte man bei der Art der Freude folgendes bedenken: Die Freude über Dinge, die nicht direkt mit dem Glauben in Zusammenhang stehen, ist erlaubt und auch wertvoll, wenn es sich dabei um ein Gut handelt, das den Blick auf Gott nicht versperrt, sondern eher dem geistlichen Fortschritt dienlich ist. Daher kann und darf nichts als Freude empfunden werden, was etwas Sündhaftes einschließt, z. B. Betrug oder Rache. Ferner darf es den Menschen nicht vereinnahmen. Der unkontrollierte Fernsehkonsum etwa vereinnahmt den Zuschauer und kann ihn aufgrund der oft direkt antichristlichen Inhalte vom religiösen Leben abbringen. Man kann in der erlaubten Freude über weltliche Dinge einen kleinen Abglanz sehen von dem, was der eigentliche Grund unserer Freude sein muß, nämlich die Liebe, die Gott uns schenkt.
So heißt es auch weiter im Eröffnungsvers: "Wie freute ich mich, da man mir sagte: Wir ziehen zum Hause des Herrn". Gott hat uns aus Liebe geschaffen und erhält uns aus Liebe im Dasein, das Er uns in Fülle schenken will, wenn wir uns nicht durch die Sünde von Ihm trennen. Ihm In der Liturgie dafür danken zu dürfen, ist ein großes Geschenk; der Kult erinnert uns an die unaussprechliche Liebe und Güte Gottes und ist von daher nicht eine lästige Verpflichtung, sondern ein reiner Grund zur Freude. Die beständige Erinnerung an die Heilstaten Gottes, wie sie im Kult zum Ausdruck kommt, ist ein fester Schutz gegen jede Gefahr, in den Sorgen und Nöten des Alltags zu versinken.
Wenn dies schon für den Kult des Alten Bundes galt, wieviel mehr dann für den des Neuen Bundes. Das erhabene Geheimnis des Meßopfers, das unsagbare Geschenk der heiligen Kommunion, in dem sich der Herr selbst uns gibt, dies muß uns doch mit tiefer Dankbarkeit und Freude erfüllen. Denken wir jetzt in der Fastenzeit auch an das Bußsakrament und an die große Freude im Himmel über die Bekehrung eines Sünders. Sollten wir durch eine Todsünde die heiligmachende Gnade verloren haben, so brauchen wir nicht zu verzweifeln, wenn wir durch eine würdige Beichte die Gnade wiedererlangen. Denken wir oft an die vielen Gnaden, die der Herr uns durch seine Kirche zukommen läßt, und schöpfen wir daraus zuversichtlich die Kraft, allen Anfechtungen dieser Welt, allem Übel und Leid gewachsen zu sein. Amen.

[Zurück zur Hauptseite]