Das Papsttum - gestern und morgen
- Die Notwendigkeit einer Papstwahl (1) -
(Franziskaner-Rundbrief, Juni 1997; Internet 28.03.1998)
1. Einleitung: Das weltweite Nichtstun
Ein trauriges Jubiläum steht der römisch-katholischen Kirche
bevor: In gut einem Jahr wird sie auf 40 Jahre Sedisvakanz zurückschauen
dürfen: die mit Abstand längste Zeitspanne, in der kein sichtbares
Oberhaupt die Kirche geleitet hat.
Das damit verbundene Elend auf der ganzen Linie haben wir schon oft
angesprochen, und dennoch haben nur sehr wenige ihre Bereitschaft bekundet,
an einer Wiederherstellung geregelter kirchlicher Strukturen - je nach
den eigenen Umständen natürlich in unterschiedlicher Weise -
mitzuarbeiten. In erster Linie fällt das absolute Desinteresse vieler
Laien auf, die sich denken: "Hauptsache, ich habe meine (mehr oder weniger)
«tridentinische» Messe, einen (sicher gültig, nicht sicher
gültig oder sicher nicht gültig) geweihten Sakramentenspender,
und ich bin´s zufrieden". Ob nun ein Konzilsangestellter, der - mit
oder ohne Dispens - «tridentinisch» zelebriert, ob ein Mitglied
der Lefebvre-Sekte oder ob gar ein freimaurerisch orientierter Sektierer
(z.B. Eugen Rissling oder Courtney Krier aus Hellers "Einsicht"-Truppe)
am Altar steht, danach fragen viele schon gar nicht mehr. Ob hier eine
katholische Messe oder nur ein sektiererisches Spektakel vollzogen wird,
ist vielen gleichgültig. "Erlaubt ist, was gefällt!" Objektiv
liegt bei fast allen, die es mit dubiosen oder gar mit offen antichristlichen
Gruppierungen halten, schwere Schuld vor: Mit ein wenig Überlegung
lassen sich fast alle unkatholischen Gruppierungen auch von Laien bereits
nach kurzer Zeit durchschauen. Dazu haben wir an anderer Stelle schon geschrieben.
Insbesondere fällt aber das Verhalten vieler Kleriker auf, die
es genießen und bis zum letzten auskosten, keinen klar zugeordneten
Vorgesetzen zu haben. Bei der Beschäftigung mit den Klerikern aus
verschiedenen Weihelinien stießen wir immer wieder auf Fälle,
in denen Kleriker durch Alkoholmißbrauch, Unkeuschheit und andere
Sünden gravierendster Art bekannt geworden sind. Doch selbst wenn
es nicht zu solchen extremen Verfehlungen gegen die göttlichen Gebote
kommt, so ist vielfach Arroganz und Selbstherrlichkeit übelster Sorte
bei den Klerikern festzustellen. Jeder will sein eigener Papst sein und
duldet da keinen Widerspruch. Ohne wirkliche Not wird das Kirchenrecht
(CIC 1917) mißachtet, Dispensen jeglicher Art werden erteilt oder
einfach in Anspruch genommen, und als vermeintliche Rechtfertigung heißt
es dann: "Wir haben keinen Papst, also kann und muß ich als Priester
/ Bischof selbst entscheiden." An Zusammenarbeit mit anderen Bischöfen,
gleichgültig in welcher Form, sind die wenigsten Bischöfe interessiert;
wenn Bischöfe überhaupt einmal miteinander reden, dann oft nur,
um quasi mit Messern aufeinander loszugehen. Nur ganz selten kommt es zu
wirklich positiven Begegnungen unter Bischöfen, wobei jedoch meist
nur eine zweckorientierte Politik des Nichtangriffs, aber nicht eine Einheit
in der Wahrheit angestrebt wird.
Wenn sich dennoch vereinzelt ein Kleriker für eine Papstwahl ausspricht,
wird ihm sofort von fast allen Seiten der Vorwurf des Sektierertums gemacht.
Wer dem gegenwärtigen Elend ein Ende setzen will, steht meist wie
ein Aussätziger allein auf weiter Flur. So schrieb uns kürzlich
ein Kleriker, als er von unserem Vorhaben bzgl. einer Papstwahl hörte:
"Ich stimme zu, daß diese Probleme uns in solch einem Maße
bedrängen, weil es niemanden mit Autorität in Rom auf dem Stuhl
Petri gibt. Die große Spaltung unter so vielen ist wahrscheinlich
der am besten sichtbare Beweis dieses Punktes. Obwohl wir einen Papst heute
brauchen, bin ich vorsichtig sowohl hinsichtlich der Vorgehensweise als
auch der Wahl. Bis ein Papst gewählt werden kann von etwas, das eine
positive Mehrheit der Kirche repräsentiert, und von derselben akzeptiert
werden kann, haben wir nur eine Vervielfachung von Anti-Päpsten, die
in Mini-Konklaven gewählt werden. Solche Aktionen führen uns
alle, die wir treu zur Tradition stehen, dazu, eine Witzfigur der katholischen
Welt zu sein."
In der Tat, vieles im Zusammenhang mit Papstwahl / Konklave wirkt reichlich
lächerlich: So gibt es nach unseren neuesten Informationen derzeit
14 Päpste (Wojtyla mitgezählt), doch keiner dieser Herren kann
Ansprüche auf die Fülle der kirchlichen Gewalt ernsthaft geltend
machen. Ein vorausgehendes "Konklave" besteht bei solchen "Papstwahlen"
aus fünf bis zehn Personen unterschiedlicher Stellung (Bischöfe,
Hausfrauen etc.); manchmal soll sogar die Hl. Dreifaltigkeit höchstpersönlich
einen Begnadeten mystischerweise zum Papst eingesetzt haben. Das wohl bekannteste
Unternehmen einer "Papstwahl" kam auf Geheiß von Frau Dr. Elisabeth
Gerstner 1994 in Assisi zustande; dabei wurde bekanntermaßen ein
Teil des Episkopates auf Anordnung von Frau Gerstner ausgeschlossen, so
daß man bereits nicht mehr von einer wirklichen und damit auch wirksamen
Präsenz des Episkopates sprechen konnte; bei der Wahl wurden nicht
nur die wenigen anwesenden Bischöfe, sondern auch Priester und sogar
Laien zugelassen. Der neugewählte "Linus II." wurde m.W. nie zum Bischof
geweiht und hat sich mittlerweile einer Sekte angeschlossen, doch diese
Fragen sind hier ohne Belang.
Weil also auf der ganzen Linie Fehlschläge im Bereich Papstwahlen
festzustellen sind, will man keinen neuen Versuch einer Papstwahl starten.
Was not tut, ist eine Besinnung auf die theologischen Grundlagen des Papsttums,
das von großer Bedeutung in der Lehre über die Kirche (Ekklesiologie)
ist, ebenso eine Besinnung auf die Voraussetzungen für eine Papstwahl.
Die meisten "Traditionalisten" haben sich damit begnügt, auf die Ungültigkeit
des Novus Ordo Missae und auf die Häresien Neu-Roms hinzuweisen; Aufbauarbeit,
die v.a. eine geordnete Hierarchie anstrebt, wurde praktisch nicht geleistet.
Vielmehr wird von manchen Seiten die Aufbauarbeit direkt behindert. Diese
Behinderungen müssen aus dem Weg geschafft werden.
2. Nichtstun als Programm
Hier nehmen wir zu Auffassungen Stellung, die im allgemeinen der "sedisvakantistischen"
Position zugeordnet werden. Die von uns betrachteten Fälle sind alle
weit verbreiteten Publikationen der betreffenden Personen entnommen, nicht
privat oder gar vertraulich geäußerte Ansichten.
Fall 1) Der "Katechismus des Oratoriums": Dieser "Katechismus" wurde
1988 von Prof. Wigand Siebel und Dr. Günther Storck veröffentlicht;
Siebel ist für sein angeblich wunderwirkendes "Oratoriumswasser",
Storck für seine atheistische Pseudophilosophie bekannt. Ferner war
der belgische Priester Paul Schoonbroodt, der v.a. durch seine intensiven
Kontakte zur Lefebvre-Sekte bekannt ist, an der Verbreitung dieses Werkes
beteiligt.
Der "Katechismus" besteht aus zwei Hauptteilen, die beide im üblichen
Frage-Antwort-Stil gehalten sind: 1) eine (nicht immer zutreffende) Darstellung
der traditionellen kirchlichen Lehre (240 Seiten) und 2) ein (ebenfalls
mit Mängeln behaftetes) Kapitel über die Endzeit, d.h. über
den großen Glaubensabfall, die Sedisvakanz etc. (120 Seiten). Über
die Endzeit heißt es u.a.: "Nur durch die Päpste ist das Lehramt
gewährleistet. aber es ist nicht erforderlich, daß die Kirche
immer einen Papst hat. Bereits nach dem Tode eines jeden Papstes ist die
Kirche eine zeitlang ohne Papst. So hat es schon viele Zeiten der Sedisvakanz
(der päpstliche Stuhl ist unbesetzt) gegeben. Bisweilen dauerten diese
jahrelang. Auch gab es Zeiten mit einem oder mehreren Gegenpäpsten,
wo oft keiner wußte, wer der richtige Papst war. So kann es auch
Christus zulassen, daß es in der Endzeit über längere Zeit
keinen Papst mehr gibt oder gar, daß es bis zur Wiederkunft Christi
kein Papst mehr die Kirche leitet. Statt dessen leitet Christus, das eigentliche
Haupt der Kirche, die Gläubigen" (Nr. 735, S. 362, zit. nach 2. Auflage,
1990).
Na, wenn das so ist! Christus selbst kümmert sich um die Leitung
der Kirche, dann brauchen wir tatsächlich keinen Papst mehr. Christus
höchstpersönlich wird die Kirche auch eindeutig besser leiten
als ein Papst, der ja stets ein sündiger Mensch bleibt. Aber was ist
denn mit dem weltweiten Chaos? Wäre es nicht doch besser, wenn ein
Papst hier klare Entscheidungen träfe? "Natürlich werden die
Irrlehrer, weil sie keine Bestrafung durch einen Papst mehr befürchten
müssen, mit größerer Unverschämtheit ihre Ideen vortragen.
Aber für alle diejenigen, die katholisch bleiben wollen, bleibt das
hinterlegte Glaubensgut immer verpflichtend" (Nr. 736, S. 362). Was Siebel
/ Storck hier verbreiten, ist eigentlich eine protestantische Weltsicht:
Wir brauchen eigentlich keinen Papst, jeder kann in jeder Situation das
ewige Heil erreichen. Sicher, wir brauchen streng genommen auch nicht die
Sakramente, wir brauchen keine Dogmen, wir brauchen keine Kirche etc.,
denn Gott könnte das Heil uns auf andere Weise zukommen lassen. Wer
sonntags keine hl. Messe besuchen kann, der zieht sich dadurch auch keine
Schuld zu; in dem Falle, daß ein Todsünder keine Möglichkeit
hat, das Beichtsakrament zu empfangen, kann er durch vollkommene Reue gerettet
werden; der hl. Bernhard von Clairvaux und der hl. Thomas von Aquin lehnten
die Theorie von der Unbefleckten Empfängnis ab (das entsprechende
Dogma wurde erst Jahrhunderte später verkündet), trotzdem gehören
diese Heiligen zu den größten Kirchenlehrern. Aber Gott wollte
es so, mit Papst, mit Sakramenten, mit Dogma, mit Kirche. Weswegen sollte
Christus zweitausend Jahre den Umweg über einen Stellvertreter gegangen
sein, und v.a. weswegen jetzt nicht mehr? Letztlich führt diese Denkschiene
von Siebel / Storck in eine vollkommene Lethargie: Jede Ungerechtigkeit,
jedes Verbrechen, das geschieht, müßte zumindest auf Erden ungestraft
bleiben, um Christus nicht bei der Weltregierung zu behindern. Hierbei
lassen wir einmal außer Betracht, daß es im Zusammenhang mit
der Papstfrage ja nicht nur um Häresien geht, sondern um Fragen kirchlicher
Disziplin, seelsorglicher Ordnung etc.
Letztlich also eine ungeheure Aussage, die hier getroffen wird! Verständlich
ist sie aus der Situation der Autoren heraus. Storck wollte alles verhindern,
was eine Papstwahl und damit seine öffentliche Exkommunikation (Storck
war ein atheistisch orientierter Häretiker) zur Folge haben könnte.
Außerdem leisten Siebel / Storck noch einer anderen verbreiteten
Theorie Vorschub, die das Papsttum an sich betrifft. Hier ist eine nähere
Erklärung erforderlich, weil man immer wieder mit verworrenen und
verwirrenden Aussagen konfrontiert wird.
"Ja, auch ein Papst kann Schismatiker, Häretiker oder Apostat
werden" (Nr. 720, S. 355). "Ja, die Kirche hat bereits einmal einen Papst
zu einem Häretiker erklärt, es ist Honorius I." (Nr. 721, S.
355).
Es gibt noch einige andere Päpste, denen schwere Vorwürfe
bzgl. Häresie gemacht werden, z.B. Liberius (im Zusammenhang mit Athanasius)
und Johannes XXII.; interessant ist auch ein Blick auf Alexander VI. (Rodrigo
de Borja, im Zusammenhang mit Savonarola). Dazu nun einige Ausführungen
und Erklärung der Zusammenhänge:
- Fortsetzung folgt -
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