Die Aufgabe der Pflichtverteidigung
- Zur Arbeitsweise der Justiz im Strafprozess -
(Kirche zum Mitreden, 20.05.2014)
In manchen Strafprozessen bestimmt ein Gericht eine sog.
"Pflichtverteidigung" ohne jeden vernünftigen Grund und sogar gegen
den ausdrücklichen Willen des Angeklagten. Der Angekl. kann dann
allenfalls einen anderen Rechtsanwalt als den vom Gericht bestimmten
beauftragen. Dies ist aber normalerweise mit enormen Zusatzkosten
verbunden. Und v.a. ist so eine Pflichtverteidigung ja normalerweise
nicht grundlos ungewollt, z.B. weil der Angekl. sich ohnehin am
besten selbst verteidigen kann oder weil schlichtweg kein Anwalt mit
der erforderlichen Kompetenz und Durchsetzungskraft zu finden ist.
Zudem: "Die Staatsanwaltschaft hat nicht nur die zur Belastung,
sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln und
für die Erhebung der Beweise Sorge zu tragen, deren Verlust zu
besorgen ist" (§ 160 StPO). Wurde dies bei Gustl Mollath, Ulvi
Kulac, Horst Arnold etc. pp. berücksichtigt?
Im Strafprozess haben die Staatsanwaltschaft mit der Anklageschrift
und das Gericht mit der Verfahrenseröffnung bereits ausdrücklich
ihre feste Überzeugung erklärt, dass für die Schuld des Angekl.
"zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen" (§ 152 StPO).
Wollen sie dann wirklich noch eines Besseren belehrt werden? Wollen
sie, dass man ihnen nachweist, dass sie namentlich die "zur
Entlastung dienenden Umstände" nicht hinreichend ermittelt haben?
Wird ein Gericht einen Anwalt immer wieder als Pflichtverteidiger
beauftragen, der immer wieder beweist, dass es einen Unschuldigen
verfolgt hat? Ist es jedem Anwalt gleichgültig, ob er Mandanten hat
oder nicht? Oder anders: Was erwartet ein Gericht vom
Pflichtverteidiger? Eine Fallstudie gibt Antwort.
Jemand war angeklagt worden, weil er immer wieder auf die
christlichen Grundsätze verwiesen und Beispiele erwähnt hatte, dass
von der Obrigkeit kirchlich verurteilte Irrlehren verbreitet werden.
Zur Erinnerung: Wer sich gegen sexuelle Verwahrlosung oder
Abtreibung ausspricht, kann sich dafür in der BRD recht schnell
hinter Gittern wiederfinden. Eine hartnäckige Behauptung des Angekl.
war: Als Petrus nach seiner Gefangennahme und Befreiung gefragt
wird, warum er trotz strengen Verbotes noch immer den Glauben
verkündet, antwortet er: "Man muss Gott mehr gehorchen als den
Menschen" (Apg 5,29; cf. Mt 10,17-23; 2 Tim 3,12). Diese
Lebensmaxime wurde immer wieder vom kirchlichen Lehramt wiederholt,
und unzählige Bekenner und Märtyrer haben diesen Grundsatz bis zum
äußersten befolgt.
Die Staatsanwaltschaft forderte deshalb mindestens zwei Jahre
Gefängnis, und das Gericht eröffnete das Verfahren.
Angenommen, es ist jedem Anwalt vollkommen gleichgültig, ob er es
sich mit dem Gericht verscherzt, dann bliebe trotzdem die Frage:
Welcher Anwalt ist schon bereit, d.h. sowohl charakterlich als auch
fachlich kompetent, einen religiösen Menschen zu verteidigen in
einem Land mit Konkordatsbruch (BVerfG 1957), mit Kruzifixverbot
(BVerfG 1983) etc.?
Im Wissen sowohl um alle diese Fakten als auch um seine zahlreichen
von verschiedenen Seiten bestätigte Kompetenz in den hier
betroffenen Sach- und Rechtsfragen lehnte der Angekl. den
Pflichtverteidiger nachdrücklich ab. Aber erfolglos: Sowohl Gericht
als auch Pflichtverteidiger zeigten sich vollkommen uneinsichtig und
inszenierten eine "Pflichtverteidigung". Der Angekl. stellte dann
während des gesamten Prozesses immer nur eines fest, nämlich eine
vollkommene Untätigkeit des Pflichtverteidigers in der Sache. Der
Verteidiger weigerte sich v.a., die rechtliche Grundlage von
Tatbestand und Sachverhalt zu überprüfen. Ganz im Gegenteil: Er
versuchte sogar, den Angekl. zu einem "Schuldgeständnis" zu
überreden, um wenigstens das zu erwartende Strafmaß reduzieren zu
können. Der Angekl. versuchte also weiterhin, diese
"Pflichtverteidigung" zu beenden, und beschwerte sich bei Gericht
entschieden über dieses völlige Nichtstun des Anwalts. Aber das
Gericht reagierte einfach nicht; schließlich nahm es den Anwalt
sogar noch ausdrücklich vor Kritik in Schutz.
Irgendwann hat der Angekl. dann aber doch einen wirklich kompetenten
Rechtsanwalt finden können. Dieser wiederum hat dann die
Prozessunterlagen angefordert - die einem Angekl. normalerweise
allenfalls sehr ausschnitthaft gezeigt werden. Und siehe da: Der
Verteidiger war doch nicht ganz untätig: Er hatte - vollkommen
hinter dem Rücken des Angekl. - an das Gericht geschrieben:
"Es wird beantragt, ein psychoanalytisches Sachverständigengutachten
einzuholen, zum Beweis der Tatsache, dass der Angekl. die ihm
vorgeworfenen Straftaten im Zustand (und aufgrund) einer schweren
krankhaften seelischen Störung begangen hat, die seine Fähigkeit,
sein Handeln aus Einsicht in das Unerlaubte zu steuern, aufgehoben
hat (§ 20 StGB)." Und die Straftaten werden weitergehen, "da Herr A.
trotz seines im Übrigen völlig unauffälligen Lebens außerstande ist,
sich zu steuern. Der Sachverständige wird diese Tatsache durch sein
Gutachten belegen. Diese Einholung eines psychoanalytischen
Gutachtens ist deshalb erforderlich, weil bereits in dem Verfahren
[x] versucht wurde, den Angekl. psychiatrisch untersuchen zu lassen,
was jedoch nicht gelang."
Soweit der Pflichtverteidiger. Zugegeben: Religion wird oft als
Geistesstörung hingestellt, z.B. bei Johannes dem Täufer (Mt 11,18),
Christus (Joh 10,21) und Paulus (Apg 26,24). Dennoch:
Bedenklich ist, dass der Verteidiger gleich zweimal ausdrücklich von
der "Tatsache" (d.h. nicht von einer diesbzgl. Frage) der äußerst
schweren Geisteskrankheit spricht, deren Absegnung durch einen
Sachverständigen als bloße Formsache erscheint. Bedenklich ist, dass
lt. Verteidiger sich eine so dermaßen schwere Geisteskrankheit
ausgerechnet in einem "völlig unauffälligen Leben" äußern soll -
eine Geisteskrankheit, bei der der Gestörte sich "nicht mehr
steuern" kann, wo jede "Einsicht in das Unerlaubte" fehlt!
Bedenklich ist, dass der Verteidiger diesen Antrag stellt, nachdem
er von mehreren Personen ganz ausdrücklich darüber belehrt wurde,
dass diese Schuldunfähigkeit eben ganz ausdrücklich *nicht* besteht.
Zudem hatte es sehr wohl bereits eine umfangreiche psychiatrische
Untersuchung des Angekl. gegeben, u.z. auf Anordnung desselben
Gerichts, dem nun der Verteidiger versichert, dass es selbige
Untersuchung niemals gab. Das Gericht hatte sich schon früher am
religiösen Bekenntnis des Angekl. gestört, und weil eben Religion
gerne in Geisteskrankheit uminterpretiert wird, wurde dem Angekl.
auch ein Psychiater ins Haus geschickt. Dieser Arzt erklärte nach
zwei Stunden Untersuchung dann rückhaltlos, dass es keinerlei
psychischen Beeinträchtigungen beim Angekl. gibt. Und dasselbe
Gericht schloss sich daraufhin in einem schriftlichen Beschluss dem
ärztlichen Gutachten an. Also: Der Angekl. ist psychisch vollkommen
gesund, er ist weder in Lebensführung noch in Prozessführung
irgendwie beeinträchtigt.
Angesichts dieses Antrags war dem Gericht vollkommen klar, dass der
bestellte Pflichtverteidiger selbst wichtigste Tatsachen ignoriert,
dass er vielmehr die Schädigung des Angekl. und v.a. überhaupt der
Sache (i.e. der Religion) betreibt. Dass der Verteidiger dabei
hinterrücks agiert, verdient natürlich Beachtung. Bei alldem hält
das Gericht eisern am Pflichtverteidiger fest und entlohnt ihn
fürstlich.
Auch wenn dieses Fallbeispiel sich vielleicht nicht immer
hundertprozentig auf jeden anderen Fall übertragen lassen mag,
sollte es verstehen helfen, welche Ziele die Justiz verfolgt und wie
sie operiert. Ein wichtiges Instrument dabei ist der
Pflichtverteidiger.
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