Die dogmatische Toleranz

- Der Modernist Karl Adam über den Anspruch der Kirche -
(Kirche zum Mitreden, 01.06.2000)
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Im folgenden zitieren wir einige Passagen aus dem Buch von Karl Adam, Das Wesen des Katholizismus, Düsseldorf (8)1936 (1. Auflage 1924). Adam bringt in diesem Buch Formulierungen, die teilweise wörtlich von den V2-Sektieren übernommen worden sind, etwa wenn er über Pfingsten - entgegen der kirchlichen Lehre - äußert: "Das war die Geburtsstunde des neuen Glaubens und der neuen Kirche" (67), oder Phrasen drischt wie: "Aber auch in den protestantischen Gemeinschaften sind Heilige und Märtyrer vom katholischen Glauben nicht unmöglich" (209). Adam verpackt seine antikirchliche Gesinnung sehr ausgiebig in rechtgläubigen Sätzen, wodurch die Gefahr, die seine Texte für den Glauben darstellen, nur noch größer wird. In den dreißiger Jahren begann dann auch Karl Rahner seinen Kampf gegen die Kirche, und bezeichnenderweise schwärmt Adam für denjenigen, der maßgeblich die abgelehnte, damit also nur Pseudo-"Doktorarbeit" Rahners, Geist in Welt, beeinflusste, i.e. J. Maréchal.
Es ist ein trauriges Zeugnis für die Gedankenlosigkeit gewisser kirchlicher Persönlichkeiten, dass sie Wüterichen wie Adam und Rahner ein so leichtes Spiel überließen. Jedenfalls beweisen diese Schriften, dass das "Vatikanum 2" aus der unverantwortlichen Nachlässigkeit bei verantwortlichen Stellen und dem damit zusammenhängenden ungebremsten Aktivismus der Neuerer resultiert. Bücher wie Adams "Wesen des Katholizismus" hätten niemals gedruckt werden dürfen.
Nun gibt es sie aber, und wenn wir nun daraus zitieren, dann einerseits deshalb, weil die richtigen Aussagen eindrücklich formuliert wurden und insofern hilfreich sein können. Andererseits kann man - mit Blick auf die obigen Zitate - erkennen, wie raffiniert die Neuerer ihre Revolution geplant und vorangetrieben haben. Kurzum: Die nachstehenden Aussagen über die Heilsnotwendigkeit der Kirche sind richtig:


202-204: Schon in der Urgemeinde berief man sich nach dem Zeugnis des Matthäus (18, 17) für diese Heilsnotwendigkeit der einen Gemeinschaft auf ein ausdrückliches Herrenwort: "Wenn jemand die Kirche nicht hört, der sei dir wie ein Heide und öffentlicher Sünder", d.h. er gelte dir nicht mehr als ein Christ. Die urchristliche Überzeugung sprach nachmals Cyprian in den wuchtigen, von der Christenheit niemals vergessenen Sätzen aus "Damit einer Gott zum Vater haben könne, muß er die Kirche zur Mutter haben" (ep. 74, 7). "Niemand kann selig werden außer in der Kirche" (ep. 4, 4). "Außerhalb der Kirche gibt es kein Heil" (ep. 73, 21).
Damit war jene Formel geprägt, die den Anspruch der Kirche, die alleinseligmachende zu sein, am bündigsten zum Ausdruck brachte: außerhalb der Kirche kein Heil. Das 4. Laterankonzil vom Jahre 1215 übernahm sie wörtlich. Im sogenannten Symbolum Athanasianum, das die Kirche unter ihre Glaubensbekenntnisse aufgenommen hat, fand sie ihre ausführliche Umschreibung: "Wer nur immer selig sein will, für den tut es vor allem not, daß er den katholischen Glauben festhalte. Wenn er ihn nicht unversehrt und unverletzt bewahrt, wird er ohne Zweifel zugrunde gehen." Und noch unzweideutiger äußert sich das Konzil von Florenz im Jahre 1439, das alle Heiden, Juden, Häretiker und Schismatiker des ewigen Lebens verlustig erklärt und dem ewigen Feuer überantwortet. Es ist kein Zweifel, so weltoffen und so weltweit die Kirche durch das Prinzip ihrer Katholizität ist, so selbstbezogen, abweisend und exklusiv ist sie durch den Anspruch, die alleinseligmachende zu sein. Der unbedingtesten, restlosesten Hingabe an die Welt der Werte, wo immer sie sich finden mögen, steht die stärkste, unbedingteste Selbstbehauptung, Selbstsetzung gegenüber. Diese unbedingte Selbstsetzung ist der wesensnotwendige Gegendruck gegen ihre unbedingte Selbsthingabe. Ohne diese starre, bewußte Selbstsetzung, ohne diese ungeheure Bewegung nach einwärts würde das Katholische an ihr, der Drang zur ganzen Menschheit, zur ganzen Welt und ihren Werten eine fortschreitende Auflösung des eigenen übernatürlichen Wesensgehaltes, eine Verschmelzung mit dem Kosmos des Natürlichen, also auch ein Zusammenwachsen mit fremden, ja gegensätzlichen religiösen Vorstellungen und Gebilden (Synkretismus) in gefahrvolle Nähe rücken. Gerade dadurch, daß sich die Kirche mit derselben Wucht und Kraft, mit der sie sich an die Welt hingibt, auf ihren übernatürlichen Ursprung, auf ihren Wesenszusammenhang mit Christus, auf ihre alleinseligmachende Heilandskraft besinnt, bleibt der übernatürliche Kern ihrer Botschaft erhalten und damit die Fähigkeit, alle von der Welt übernommenen natürlichen Werte ins übernatürliche, Christusdurchlebte, Gottbezogene zu erheben. Ist die Katholizität ihre zentrifugale, so ist diese ihre Selbstbezogenheit ihre zentripetale Kraft. Und darin liegt das Geheimnis ihres Sichselbst-Treubleibens in der Fülle, daß diese beiden Kräfte in innerer Spannungseinheit erhalten bleiben, daß die Kirche katholisch und exklusiv zugleich ist. So ist daran nicht zu deuteln: In der Frage nach einem etwaigen Heilandsberuf der übrigen christlichen Gemeinschaften, in der Frage, ob auch nichtkatholische Kirchen seligmachend seien, kennt die Kirche keine Duldung. Eben dadurch, daß sich alle diese Gemeinschaften gegen die ursprüngliche Einheit der Brüder im Glauben und in der Liebe aufrichteten, erwiesen sie sich für das katholische Bewußtsein als Gebilde, die nicht aus dem Geist Jesu erstanden sind, somit als rein menschliche, ja widerchristliche Schöpfungen. Ihnen gegenüber kennt die Kirche nur ein Verwerfungsurteil. Und sie wird dieses Urteil nicht zurücknehmen, bis daß der Herr kommt.
Es ist psychologisch begreiflich, daß die Anhänger nichtkatholischer Bekenntnisse diese dogmatische Unduldsamkeit der Kirche schmerzvoll empfinden und geneigt sind, in ihr das Wehen eines jesufremden, ja jesufeindlichen Geistes zu entdecken, den Geist der Lieblosigkeit und Härte. Wenn von einer "geradezu furchtbaren Exklusivität und Intoleranz" gesprochen wird (F. Heiler, Der Katholizismus, seine Idee und seine Erscheinung, 1923, S. 613), so vergißt man, daß die Wahrheit immer "furchtbar exklusiv und intolerant" sein muß. Und wenn in demselben Atemzug beteuert wird: "Vom alleinseligmachenden Glauben an Jesu Messianität führt ein gerader Weg zum Glauben an die alleinseligmachende Kirche", so ist doch mit der Wahrheit, daß Christus der einzige Name ist im Himmel und auf Erden, durch den wir können selig werden, auch die andere Wahrheit anerkannt, daß nur in der von Ihm gestifteten einen Kirche das wahre Heil zu finden ist. Der eine Christus und der eine Leib Christi gehören unlöslich zusammen. Wer die eine wahre Kirche leugnet, der wird durch die Unerbittlichkeit der Gedankenfolge nur allzu leicht dazu gerührt, auch an Christus irre zu werden. Tatsächlich ist denn auch die Geschichte des Abfalls von der Kirche zugleich die Geschichte der fortschreitenden Auflösung des ursprünglichen Christusbildes geworden. So steht denn die Wahrheit: Es gibt nur einen Christus, und es gibt nur eine seligmachende Kirche Christi, in ihrem inneren, ehernen Zusammenhang hart und unerbittlich da.

212f : ... im Licht der Glaubenswahrheit vom inneren Wesenszusammenhang zwischen Christus und der Kirche, kann es für alle Häretiker und Schismatiker, für alle Juden und Heiden nur jenes Verwerfungsurteil geben, welches das Konzil von Florenz über sie ausgesprochen hat. Insofern sie außerhalb der einen Kirche Christi sind und sein wollen, stehen sie nach dem strengen Sinngehalt des Dogmas außerhalb der Gnadensphäre Christi und außerhalb des Heils. Von diesem rein dogmatischen Standpunkt aus sind die scharfen Verwerfungsurteile der Kirche gegen alle Häretiker und Schismatiker zu verstehen, auch die in der so viel angefochtenen Borromäusenzyklika des Papstes Pius X. Die Kirche will hierbei nicht für den Einzelfall entscheiden, ob ein Häretiker die Wahrheit guten Glaubens oder böswillig leugnet. Sie will noch weniger über sein Endschicksal zu Gericht sitzen. Ihr Verdammungsurteil besagt unmittelbar nur, daß diese Häretiker Vertreter und Zeugen einer widerkirchlichcn Idee sind. Da, wo Ideen aufeinanderprallen, wo Wahrheit gegen den Irrtum, wo Offenbarung gegen Menschenwitz streitet, da gibt es kein Entgegenkommen und keine Schonung. Hätte Christus solche Schonung geübt, wäre Er nicht gekreuzigt worden. Als Er die Pharisäer übertünchte Gräber und Natternbrut, und als Er den Herodes einen Fuchs nannte, da war es der ganze ungeheure Ernst der Idee, nicht irgendein Haß gegen Einzelpersönlichkeiten, da war es das heiße, starke Verantwortlichkeitsgefühl gegenüber der ewigen Wahrheit, das Ihn gegen den Irrtum und seine Vertreter so eifernde Worte finden ließ. Wo dieser Kampf um die Wahrheit nicht mehr ist, da ist alle geistig-sittliche Kraft dahin, da herrscht die Grundsatzlosigkeit, da wird Gott verleugnet. Die dogmatische Intoleranz ist also sittliche Pflicht, Pflicht der unbedingten Wahrheit und Wahrhaftigkeit.


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