AfD und Unrechtsstaat
- Pressemeldung: Strafverfahren gegen Dubravko Mandic,
Alternative für Deutschland, wegen Beleidigung -
(Kirche zum Mitreden, 19.10.2016)
Gegen Dubravko Mandic, Vizevorsitzender des
AfD-Landesschiedsgerichts Baden-Württemberg, ist ein Strafverfahren
wegen Beleidigung anhängig. Mandic hatte auf seiner Facebookseite
eine Fotomontage veröffentlicht: Angeklagte bei den Nürnberger
NS-Prozessen hatten nun z.B. die Gesichter von Claudia Roth, Cem
Özdemir und Anton Hofreiter - und dafür haben diese Politiker gegen
Mandic Strafanzeige wegen Beleidigung erstattet. Inzwischen gab es
auch schon eine Hausdurchsuchng bei Mandic, inkl. Beschlagnahme
eines Laptops. Mandic kommentierte dies: "Selbst, wenn der Vorwurf
der Beleidigung zuträfe - was er nicht tut, denn wir haben in
Deutschland noch immer Meinungsfreiheit - so wäre eine
Hausdurchsuchung bei mir wegen einer bloßen Beleidigung vollkommen
unverhältnismäßig. Es ist schon überraschend, dass die deutsche
Justiz landauf, landab regelmäßig bei Delikten wie Beleidigung oder
sogar Körperverletzung untätig bleibt und den Otto-Normal-Bürger auf
den Privatklageweg verweist, in meinem Fall aber gleich mein Haus
durchsucht, meine Kanzlei aufgesucht und alle elektronischen
Datenträger beschlagnahmt werden. Ich habe deshalb keine andere
Erklärung, als dass Staatsanwaltschaft und Polizei hier nicht nach
objektiven juristischen Maßstäben vorgegangen sind, sondern sich
davon beeindrucken ließen, dass der Strafantrag von mehreren
bekannten Politikern kommt. So operiert nur ein Unrechtsstaat."
Diese ganze Posse unterstreicht nur einmal mehr, dass auch die AfD -
wie die NPD - nur Establishment ist; sonst wäre sie ja n.b. auch gar
nicht vom Wahlausschuss zugelassen. Die "Alternative für
Deutschland" hat - ebenso wie die "(grüne) alternative Liste" die
"Alternative" schon im Namen, während die NPD bereits seit langem
als "echte Alternative" für sich wirbt. "Alternative"? Wovon denn
eigentlich? Und v.a.: Wofür?
Damit zur aktuellen Causa Mandic: Insbesondere als Jurist muss er
ganz klar unentschuldbar bzgl. der "Straftat Beleidigung" Bescheid
wissen. Nicht nur jeder Jurist muss das Grundgesetz kennen: Keine
Strafe ohne Gesetz (nulla poena sine lege; § 1 StGB, Art. 103 Abs. 2
GG). Cf. BVerfG, 2 BvR 2202/08 vom 18.5.2009, Absatz-Nr. 9: »Als
spezielles Willkürverbot des Grundgesetzes für die Strafbarkeit
verpflichtet Art. 103 Abs. 2 GG den Gesetzgeber, die Voraussetzungen
der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Tragweite und
Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich
durch Auslegung ermitteln lassen (vgl.BVerfGE 47, 109 <120>;
55, 144 <152> ; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten
Senats vom 20. Mai 1998 - 2 BvR 1385/95 -, NJW 1998, S. 2589
<2590>). Diese Verpflichtung dient zum einen dem
Normadressaten, der vorhersehen können soll, welches Verhalten
verboten und mit Strafe bedroht ist. Zum anderen soll sichergestellt
werden, dass gerade der Gesetzgeber über die Strafbarkeit
entscheidet (vgl.BVerfGE 71, 108 <114> ). Dabei muss ein
Normadressat anhand der gesetzlichen Regelung voraussehen können, ob
ein Verhalten strafbar ist.«
Konkret zum Beleidigungsparagraphen §185 StGB:
a) Prof. Dr. Hans Jürgen Heringer: »Paragraph 185 StGB handelt von
der "Einfachen Beleidigung". Er lautet einfach: "Die Beleidigung
wird mit Geldstrafe oder mit Haft oder mit Gefängnis bis zu einem
Jahre und, wenn die Beleidigung mittels einer Tätlichkeit begangen
wird, mit Geldstrafe oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren
bestraft." Was eine Beleidigung ist, sagt der Paragraph nicht.«
b) Dr. Dr. habil. Richard Albrecht: »Solange „Beleidigung“ nicht im
Strafgesetz definiert ist, kann „Beleidigung“ gar nicht
rechtserheblich („justitiabel“) sein. Jedem angeblichen Beleidiger
muß entsprechend des Hinweises im Strafgesetzbuch auf
„Verbotsirrtum“ (StGB § 17) „die Einsicht, Unrecht zu tun", fehlen.
Wer aber „ohne Schuld handelt“, darf nach Recht und (Straf-) Gesetz
in Deutschland nicht betraft werden. Sondern muss als Unschuldiger
nach dem zwingenden Rechtsgrundsatz "Keine Strafe ohne Schuld"
[nulla poena sine culpa] freigesprochen werden, weil nur der
bestraft werden darf, der schuldhaft handelt.«
c) Claus Plantiko: »Daß die Strafbestimmungen zur Beleidigung gegen
das Bestimmtheitsgebot des Art. 103(2) GG verstoßen, räumte selbst
das Bundesverfassungsgericht ein, s. E 93, 266, 292; 71, 108,
114ff., meint aber, der Begriff der Beleidigung habe durch
>100jährige und im Wesentlichen einhellige Rechtsprechung einen
hinreichend klaren Inhalt erlangt, der den Gerichten ausreichende
Vorgaben für die Anwendung an die Hand gibt und den Normadressaten
deutlich macht, wann sie mit einer Bestrafung wegen Beleidigung zu
rechnen haben. Das Bundesverfassungsgericht verstößt damit selber
gegen das Gewaltentrennungsgebot der Verfassung, da Art. 103(2) GG
eine gesetzliche Bestimmtheit der Strafe fordert und keine durch
(verfassungswidriges!) Richterrecht. Daß letzteres verfassungswidrig
ist, zeigt die reductio ad absurdum: wenn jedes Gesetz entbehrlich
ist und durch Aussprüche von Richtern ersetzt werden kann, fehlt
ihnen jede Vorgabe, an die sie sich halten müssen, und der
Rechtsunterworfene ist wie „in ein steuerloses Boot“ (Klabund)
geworfen, das die Richter, wie einst die Schildbürger, nach einer
Marke zu steuern vorgeben, die sie selber an den Bug ihres Schiffes
nageln. Man kann auch von einer rechtswidrigen („dynamischen“)
Verweisung auf Veränderliches sprechen, und das ganze StGB kann auf
einen Satz zusammengestrichen werden: „Wer tut, was Richter für
strafbar halten, wird nach ihrem Gutdünken bestraft“.«
d) Bert Steffens: »Es gibt keine „Beleidigungsgesetze in
Deutschland“. Es gibt auch keine „Rechtsprechung“ bei Anwendung des
§ 185 StGB – nur Unrechtsprechung. Auch ist die Anwendung des § 185
StGB nicht „infantil“, sondern ein Verbrechen.«
Also die AfD hätte schon seit Jahren auch bei dem rettungslosen
Unrecht der Beleidigungsjustiz ansetzen müssen. Bereits durch die
bloße Existenz eines derartigen illegalen Beleidigungsparagraphen §
185 StGB ist klar bewiesen: "Die Rechtsprechung ist schon seit
langem konkursreif" (Wolfgang Neskovic). Das gilt erst recht
angesichts der mehr als 200.000 (zweihunderttausend) juristischen
"Beleidigungsfälle" pro Jahr in der BRD. Diese bilden stattliche 20
(zwanzig) Prozent der gesamten BRD-Strafrechtsfälle für die
angeblich so überlastete Justiz. Und nicht vergessen: Der Bürger ist
laut BVerfG ganz ausdrücklich vollkommen verpflichtet, ganz
ausschließlich nur aus den über hundert Jahren Beleidigungsjustiz
herauszufinden, womit er sich einer "Beleidigung" strafbar macht.
Wenn man für die über hundert Jahre dann gemittelt 100.000
Beleidigungsfälle ansetzt, dann muss jeder Bürger mehr als
10.000.000 (über zehn Millionen) Beleidigungsverfahrensunterlagen
aufmerksam studieren, bevor er den Mund überhaupt aufmacht. Und
wehe, man hat irgendwo ein Berufungsgericht vergessen - oder es
wurde zwischenzeitlich das für die eigene Äußerung zugrundegelegte
endgültig rechtskräftige und unanfechtbare Urteil dann doch wieder
irgendwie gekippt. Noch gar nicht dabei berücksichtigt ist das
heillose Chaos angesichts konträrer Urteile gleichrangiger Gerichte
bei gleichgearteten Fällen. Denn das BVerfG höchstselbst erklärt ja
ganz ausdrücklich, dass die "Beleidigungs-Rechtsprechung" gar nicht
einhellig ist, sondern ganz im Gegenteil nur "im Wesentlichen
einhellig", wobei dieses "Wesentliche" wiederum vollkommen
unbestimmt bleibt, d.h. alles ist vollkommen widersprüchlich. Der
"Inhalt" des Beleidigungsbegriffs ist ganz ausdrücklich nur
"hinreichend klar", d.h. vollkommen unklar.
Ebenfalls noch gar nicht berücksichtigt in diesem ganzen
Beleidigungs-Tohuwabohu ist die Feststellung von Peter Briody: »Die
Stellungnahme des KSZE (Kommittee für Sicherheit und Zusammenarbeit
in Europa) zu den Strafgesetzen einiger Staaten gegen 'Beleidigung'
von 24. Mai 2002 lautete übrigens: "Strafgesetze gegen Beleidigung
und Diffamierung werden häufig als nötige Abwehr gegen angeblichen
Missbrauch der Meinungsfreiheit gerechtfertigt. Sie sind aber mit
OSCE Normen nicht konform und deren Anwendung bildet einen Verstoß
gegen das Recht auf freie Meinungsäusserung." Deutschland fällt
nicht nur wegen der Pflege solcher Gesetzgebung auf, sondern durch
den Exzess, den es auf der Grundlage solcher Paragraphen treibt. Der
'infantile Ehrenkult', der dahintersteckt, ist symptomatisch für
zurück gebliebene unreife Staatsdiener.«
Die AfD macht trotz allem nicht nur all die Jahre gar nichts gegen
diese "Beleidigungs-Justiz-Verbrechen", sondern ganz im Gegenteil:
Ausgerechnet in seiner eigenen Beleidigungs-Posse zementiert Mandic
massiv die Illusion von einem "Delikt Beleidigung". Mandic beschwert
sich quasi, "dass die deutsche Justiz landauf, landab regelmäßig bei
Delikten wie Beleidigung untätig bleibt und den Otto-Normal-Bürger
auf den Privatklageweg verweist". Also für Mandic reicht diese
bombastische Explosion der Beleidigungsjustiz noch lange nicht! Es
reicht Mandic demzufolge auch noch lange nicht, dass der Bürger
bereits jetzt mehr als zehn Millionen Beleidigungs-Urteile
aufmerksam studieren muss, bevor er überhaupt den Mund aufmacht - es
müssen noch viel, viel mehr Beleidigungsprozesse sein, u.z.
vorzüglich Strafprozesse! D.h. der Angeklagte ist dabei - anders als
ggf. bei bloßen Privatklagen - immer ein totaler Verlierer, selbst
wenn er mit Glanz und Gloria freigesprochen / "rehabililtiert"
würde. Zunächst: Semper aliquid haeret - es bleibt immer etwas
hängen. Wenn einmal die Justiz zuschlägt, bekommt das Umfeld
praktisch immer etwas davon mit, und der Makel der "Strafverfolgung"
bleibt selbst am Allerunschuldigsten immer beständig haften. Und die
ganze Zeit, das ganze Geld, die ganze Angst, die ganze Not eines
Beleidigungsprozesses wird kein Gericht dieser Welt am Unschuldigen
jemals wiedergutmachen können, und v.a. im Normalfall auch gar nicht
müssen! Denn als strafrechtlich Beschuldigter bleibt man praktisch
immer auf seinen - oft horrenden und ruinösen - Kosten sitzen, vom
psychischen Stress bis zum Zusammenbruch mal ganz zu schweigen. Und
weil Richter resp. Staatsanwälte selbst bei permanenten schwersten
Rechtsbeugungen normalerweise niemals zur Verantwortung gezogen
werden, deshalb gibt es z.B. den "Verein gegen Rechtsmissbrauch" und
die "Stiftung Pro Justitia".
Dazu nochmals Peter Briody: »Die Gesetzgebung wegen des Tatbestands
der "Beleidigung" ist für Behörden sowie Industrie sehr nützlich, um
unbequeme Bürger in die Falle zu locken: Sobald er auf eine
Provokation mit einer "Beleidigung" reagiert, hat man ihn - für
alles andere sorgen die untergeordneten Gerichte - auch für die
Rechtsbeugung. Der Bürger wird sich im allgemeinen nicht wehren
können.«
Q.e.d.: Die AfD ist auch nur Establishment. Sie kultiviert -
zugegebenermaßen mit wachsendem Erfolg - die Illusion, dass sich
doch mal eine Partei der wirklichen Nöte des deutschen Volkes
annehmen würde. In Wahrheit betreibt die AfD aber den Erhalt und
sogar Ausbau z.B. der Beleidigungs-Unrechts-Justiz. Eine
Verbesserung für Deutschland, eine Alternative zum sog.
"Unrechtsstaat", bietet die AfD keinesfalls.
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