Die Atkins-Diät

- Pressemitteilung: kohlenhydratarme Ernährung als Ideologie -
(Kirche zum Mitreden, 12.03..2010)
Noch immer findet eine Ernährung mit "wenig Kohlenhydraten" ("low carb" - carbohydrates) eine gewisse Anhängerschaft; auch Jahre nach seinem Tod ist einer der bekanntesten low-carb-Prediger, i.e. der Kardiologe Dr. Robert Atkins, für diese angeblich "revolutionäre" Ernährungsweise namensgebend. S. z.B. Eric C. Westman et. al., New Atkins for a New You: The Ultimate Diet for Shedding Weight and Feeling Great, New York (Atkins Nutritionals, Inc.) 2010.
"Atkins", also eine kohlenhydratarme Ernährung, hat im wesentlichen drei Kernpunkte:
1. Man muss mit dem Essen aufhören, wenn man satt ist;
2. man muss Sport treiben;
3. man muss jeden Tag bei der Nahrungsaufnahme unter einer bestimmten Menge Zucker bleiben, üblicherweise (erheblich) unter 50 Gramm.
Soweit ist daran eigentlich nichts auszusetzen.
Die angebliche "Revolution" bei Atkins besteht nun im wesentlichen in einem - wenn auch eklatanten - Fehler: Es unterbleibt die notwendige Unterscheidung bei den Kohlenhydraten zwischen einerseits Zucker (Einfachzucker / Traubenzucker und Zweifachzucker / Haushaltszucker) und anderseits den komplexen Kohlenhydraten (Stärke). Ernährungsexperten empfehlen bekanntlich, den täglichen Kalorienbedarf zu mindestens 50% aus Kohlenhydraten zu decken, zzgl. ca. 30% aus Fett und ca. 20% aus Proteinen. Allerdings sollte dabei der Zuckeranteil immer unter zehn Prozent liegen - und bei einem Kalorienbedarf von 2.000 kcal wären das eben mindestens 250g Kohlenhydrate, davon weniger als 50g Zucker.
Sicherlich, man kann mit Atkins abnehmen resp. ein optimales Gewicht halten - allerdings immer vorausgesetzt, die Energiebilanz ist negativ (d.h. man verbrennt mehr Kalorien, als man aufnimmt) resp. ausgewogen. Denn Vergleichsstudien von verschiedenen Diäten, ob nun "low carb" oder "low fat" (wenig Fett), zeigen, dass für das Gewicht letztlich die Kalorien entscheidend sind. Ernährung ist aber natürlich komplexer: Nicht jeder benötigt, und nicht jeder verträgt die gleiche Nahrung, weder quantitativ noch qualitativ. Insofern sollte jeder low-carb-Interessierte sich nüchtern informieren, welche gesundheitlichen Schäden aus kohlenhydratarmer Ernährung resultieren können.
"Atkins" ist im Laufe der Jahre immer etwas verändert worden, bereits von Atkins selbst mit seinem "Neuen Atkins" und jetzt eben auch von Eric C. Westman mit seinem "New Atkins". Obst und Gemüse sind zwar nicht strikt verboten, aber doch nur sehr gering und selektiv erlaubt. Brot hat bei Atkins allerdings kaum eine Chance: In nur 100g Brot sind - je nachdem - normalerweise 40g bis 50g Kohlenhydrate enthalten. Zumindest bei Vollkornbrot sind von diesen ca. 50g höchstens 5g Zucker, aber diese unverzichtbare Unterscheidung der Kohlenhydrate fehlt ja eben bei Atkins.
Aus christlicher Perspektive ergibt sich daraus nun ein gewisses Unbehagen. Man schaue einmal auf die Abschnitte im Neuen Testament mit dem Wort "Brot", z.B.
- die Vaterunser-Bitte "Unser tägliches Brot gib uns heute" (Mt 6,11);
- die Brotvermehrungen (Mt 13,14-21 und Mt 15,29-39);
- das Brotbrechen bei der Einsetzung der Eucharistie (Mt 26,26);
- die eucharistische Rede - "Ich bin das Brot des Lebens" (Joh 6,35);
- die Weisung des Paulus, das Brot selbst zu verdienen (2 Thess 3,8f und 3,12).
Gem. christlicher Ethik ist der Mensch dazu verpflichtet, sich nach Möglichkeit gesund und leistungsfähig zu erhalten - auch durch die Ernährung. Tugendhaftes Verhalten ist immer vernunftgemäßes Verhalten. Durch die Vernunft, konkret durch die Tugend der Mäßigung, ist jede Maßlosigkeit verboten, sowohl Völlerei als auch zu strenges Fasten. Die Vernunft fordert konsequenterweise auch, dass man sich gegenüber wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht völlig verschließt, auch in Ernährungsfragen nicht. Damit ist es also nicht statthaft, einfach hartnäckig solche Forschungsergebnisse zu ignorieren, denenzufolge low carb ineffektiv oder gar schädlich ist, nur damit man selbst weiterhin low carb einhalten und predigen kann.
Erst recht bedenklich wäre es aber, wenn diese Brotfeindlichkeit so arg strapaziert würde, dass das Christentum - insbesondere angesichts der obigen Beispiele aus dem NT - diskreditiert würde. Damit wäre die Grenze zur Ideologie eindeutig überschritten.

[Zurück zur KzM - Startseite]