Polizei contra Grundrechte
- Pressemitteilung:
Grundrechtekomitee kritisiert rechtswidrige
Polizei-Praktiken -
(Kirche zum Mitreden, 12.02.2008)
Quelle der nachfolgenden Pressemeldung:
Komitee für Grundrechte und Demokratie - Pressemitteilung vom
07.02.2008 (grundrechtekomitee.de)
Veröffentlicht am 07. Februar
2008 bei Lebenshaus Schwäbische Alb e.V. (lebenshaus-alb.de)
Überwachungsstaat:
Klage gegen Polizei-Datei “Straftäter linksmotiviert”
Grundrechtekomitee kritisiert rechtswidrige Polizei-Praktiken
Zwei Mitglieder des Komitees für Grundrechte und Demokratie und
der Pax-Christi-Friedensbewegung sind wegen eines Aufrufes von 1999 an
die Soldaten der Bundeswehr, den rechtswidrigen Einsatz im Krieg der
NATO gegen Jugoslawien zu verweigern, mit dem personenbezogenen Hinweis
“Straftäter linksmotiviert” in der entsprechenden Polizei-Datei
gespeichert. Das ergab eine Anfrage und Akteneinsichtnahme der
Betroffenen im Januar 2008 beim Polizeipräsidium Bonn. Obwohl der
Soldaten-Aufruf seinerzeit in letzter Instanz vom Kammergericht Berlin
mit einem Freispruch bedacht wurde, da der Inhalt des Aufrufes vom
Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt sei, erfolgte aufgrund des
Ermittlungsverfahrens ein polizeilicher Eintrag. Gemäß
Polizeigesetz NRW müssen solche Daten bei Wegfall des Verdachts
der Begehung einer Straftat gelöscht werden.
Das Komitee für Grundrechte kritisiert die systematische
rechtswidrige Speicherung von Daten über politische
Betätigungen von Personen, die ihre Grundrechte wahrnehmen. Durch
diese rechtswidrigen Praktiken von Polizei und
Staatsschutzbehörden sollen Bürgerinnen und Bürger von
der Ausübung ihrer Grundrechte (u.a. Meinungs- und
Versammlungsfreiheit) abgeschreckt werden.
Eine solch tiefgreifende Verletzung des Grundrechts auf informationelle
Selbstbestimmung kann nicht hingenommen werden. Polizeiliche Praktiken,
die zu Generalüberwachung von und zum Generalverdacht gegen
Bürgerinnen und Bürger führen, die ihre Grundrechte
wahrnehmen, gefährden die fundamentalen Prinzipien einer
demokratischen Gesellschaft. Die Kriminalisierung
bürgerrechtlichen Engagements kann zudem nachhaltige Folgen
für andere Freiheits- und Grundrechte haben. Mehrfach wurden in
der Datei “Straftäter linksmotiviert” gespeicherten Personen
restriktive Reise- bzw. Aufenthaltsauflagen im Kontext von
Demonstrationen auferlegt. Im Falle von Beamten und
Beamtenanwärtern sind Benachteiligungen bis hin zum Berufsverbot
möglich.
Einer der Betroffenen hat im Januar 2008 beim Verwaltungsgericht
Köln Klage eingereicht (20 K 64/2008), um die Rechtswidrigkeit der
Datenspeicherung feststellen und deren Löschung anordnen zu
lassen. In seinem Fall sind in der Kriminalakte zusätzlich Daten
über die Beteiligung an mehreren anderen grundrechtlich
geschützten Demonstrationsereignissen gespeichert, u.a. die
Anmeldung einer Mahnwache zum G-8-Gipfel in Köln 1999.
Die Einsichtnahme in die Kriminalakten hat ergeben, dass über die
darin aufgeführten und zur Einsicht freigegebenen Daten hinaus
offensichtlich nicht einsehbare Daten bei der Staatsschutzabteilung
gesammelt werden.
Außerdem waren die Kriminalakten der Betroffenen zwischen
schriftlicher Auskunftsmitteilung im Sommer 2007 über die
gespeicherten Daten und dem Termin der Einsichtnahme im Januar 2008 um
einen weiteren Vorgang über einen Soldaten-Aufruf aus Anlass des
Irak-Krieges 2003 angereichert worden. Offensichtlich existieren bei
den Staatsschutzabteilungen Datenspeicherungen, die in rechtswidriger
Weise geheim gehalten werden.
Das Komitee für Grundrechte und Demokratie fordert die
Innenminister der Länder auf, solchen grundrechtsverletzenden
Polizeipraktiken Einhalt zu gebieten und die Polizeibehörden
anzuweisen, sämtliche rechtswidrig gespeicherten Daten zu
löschen. Die Datenschutzbeauftragten der Länder sind
aufgefordert, gegen rechtswidrige Datenspeicherungen einzuschreiten.
Das Grundrechtekomitee ruft die Bürgerinnen und Bürger auf,
sich nicht von rechtswidrigen Polizeipraktiken einschüchtern zu
lassen. Das Demonstrationsrecht werde am besten durch seine extensive
Inanspruchnahme geschützt. Bürgerinnen und Bürger, die
einen begründeten Verdacht auf rechtswidrige Speicherung ihrer
Daten haben, sollen bei den entsprechenden Behörden (BKA, LKA,
Verfassungsschutzbehörden, lokale Polizeibehörden)
Datenauskunft gemäß Bundesdatenschutzgesetz verlangen und
die Löschung ihrer Daten durchsetzen.
S. auch: Vorratsdatenspeicherung
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