Predigt am 09.03.2003
- Erster Fastensonntag, sd I cl -
(Kirche zum Mitreden, 09.03.2003)
(2 Kor 6,1-10; Mt 4,1-11)
Das heutige Evangelium von der Versuchung Christi in der Wüste lässt
einige wesentliche Unterschiede zwischen dem irrigen jüdischen Messiasbild
und dem tatsächlichen Wesen des Messias erkennen. Während sich
das Judentum in Träumereien über einen politischen Herrscher-Messias
gefällt, empfängt die Kirche ihre Lehre über den Messias
aus der Wirklichkeit. Christus ist der Erlöser. Der erste Adam hatte
seine Schuld an das gesamte Menschengeschlecht vererbt. Christus ist der
neue Adam, der denen, die sich ihm anschließen, die Befreiung von
der Schuld schenkt.Der erste Adam wurde versucht. Er hat die Probe nicht
bestanden, und der Tod kam in die Welt. Christus, der zweite Adam, wurde
ebenfalls versucht. Aber er hat die Probe bestanden. Er widersteht den
Verlockungen des Satans, er bringt das Leben, und wenn wir Christus nachfolgen
wollen, wenn wir Anteil haben wollen am Leben, das Christus schenkt, dann
müssen auch wir den Verlockungen des Satans widerstehen.
In den Bibelkommentaren zu der Versuchung Christi wird gerne auf eine
Stelle im 1. Johannesbrief hingewiesen: "Denn alles, was in der Welt ist:
Fleischeslust, Augenlust und Hoffart des Lebens, stammt nicht vom Vater,
sondern von der Welt. doch die Welt vergeht samt ihrer Lust. Nur wer den
Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit" (1 Joh 2,16f).
So tritt der Satan mit drei Versuchungen an Christus heran: Genußsucht,
Ehrsucht und Habsucht. Diese Versuchungen Christi gehen von dem jüdischen
Trugbild eines politischen Herrscher-Messias aus. Christus wirft den Juden
immer wieder vor, dass sie den Sinn des Gesetzes durch ihre eigene Gesetzgebung
verdunkelt und entstellt haben, und dass auch ihre Vorstellung vom Messias
menschlichem Wunschdenken, aber nicht der Offenbarung entsprechen. Der
Teufel ist gewissermaßen der Fürsprecher dieser volkstümlichen
jüdischen Messiasvorstellung.
Die erste Versuchung lautet: "Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl,
daß diese Steine Brot werden." Doch Christus stellt richtig: Ein
Leben in Wohlstand ist nicht das, worauf es letztlich ankommt. So wichtig
auch die Nahrung und sonstige materielle Güter sind, der Mensch lebt
nicht vom Brot allein. Will man Christus nachfolgen, so müssen die
Prioritäten klar sein. Armut und Entbehrung sind dem Leben des Messias
nicht zuwider, und wenn es die Situation erfordert, dürfen und müssen
sie gewählt werden. Sind Armut und Entbehrung unausweichlich, dann
müssen sie in der Liebe zu Christus ertragen werden.
Wer von der Fastenverpflichtungen nicht befreit ist, darf an den Fasttagen
nur eine Mahlzeit und zwei kleine Stärkungen zu sich nehmen. Das ist
zwar eine Beschränkung, aber nun nicht wirklich unschaffbar schwierig
zu erfüllen, zumal die Kirche ausdrücklich nichts Unmögliches
verlangt. Bei der Nahrungsaufnahme hat jeder sogar darauf zu achten, dass
das Fasten die Erfüllung seiner Pflichten nicht unmöglich macht.
Trotzdem, indem man sich bei der Nahrungsaufnahme nach Möglichkeit
an diese kirchliche Vorgabe hält, erinnert man sich leichter daran,
dass man eigentlich dafür lebt, den Willen Gottes zu erfüllen,
und dass man eben nicht von Brot allein lebt, sondern von jedem Worte,
das aus dem Munde Gottes kommt. Man widersagt der Welt mit ihrer Genusssucht
und erkennt in der Erfüllung der Gebote Gottes die eigentliche Freude.
Für die zweite Versuchung nimmt der Teufel Christus auf den Tempel
in Jerusalem und fordert: "Wenn Du Gottes Sohn bist, so stürze dich
hinab; denn es steht geschrieben: Seine Engel hat Er ja zu Deinem Schutz
befohlen; auf ihren Händen sollen sie Dich tragen, daß niemals
Deinen Fuß an einen Stein Du stoßest." Hier geht es um die
Hoffart, die Ehrsucht. Die Menge vor dem Tempel sollte sehen, mit welchen
Gnaden Christus ausgestattet ist. Das Volk würde zumindest im ersten
Augenblick von solch einem Wunder mitgerissen und Jesus als Messias anerkennen.
Wie tragfähig diese Christus-Begeisterung des Volkes wäre, bleibe
erst einmal dahingestellt, aber eine schlagartige Begeisterungswelle für
Christus wäre wohl beim Volk zu erwarten. Christus geht auf diese
Versuchung ebenfalls nicht ein. Er verweist auf das Schriftwort: "Du sollst
den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen." Der Wille des Vaters und damit
der Wille Christi besteht nicht darin, wenigstens vorübergehend Anerkennung
beim Volk zu finden, sondern das Volk dazu zu bewegen, sich von den Verstrickungen
in gottlose Begierden zu befreien und den Weg zum Leben zu gehen, also
die Sünde zu meiden und das Gute zu tun. Wer sich für die Nachfolge
Christi entscheidet, soll also nicht damit rechnen, immer von allen nur
Lob und Anerkennung zu erhalten. Es kann auch sein, dass man wie Christus
selbst Verachtung, Spott und Leid von denen erfährt, die lieber jedem
falschen Propheten mit seinen mehr oder weniger spektakulären Auftritten
hinterherlaufen, als auf die Worte Christi zu hören. Man darf Lob
und Anerkennung durch das Volk nicht als den höchsten oder gar einzigen
Sinn und Zweck der Nachfolge Christi bewerten.
Die dritte Versuchung betrifft die Habsucht: "Dies alles will ich Dir
geben, wenn Du niederfällst und mich anbetest." Ja, wieviele erliegen
doch dieser Versuchung! In den Illustrierten, im Fernsehen und am Radio,
immer wieder werden wir mit der Welt der so gen. "Prominenten" konfrontiert,
der Erfolgreichen, die eine große Fangemeinde und ein gut gefülltes
Bankkonto besitzen. Nicht selten glänzen diese Prominenten durch einen
unzüchtigen Lebenswandel; Ehebruch wird in diesen Kreisen schon als
normal betrachtet. Oder die gigantischen Rockkonzerte, bei denen Abertausende
begeistert ihren Rockstars zujubeln, die sich in ihrer satanistischen Religion
hemmungslos austoben: Kann man da nicht neidisch werden, kann man da nicht
versucht sein, den Teufel anzubeten, um im Reichtum zu schwelgen?
Aber auch bei den kleinen Dingen kann es sein, dass man bereit ist,
sich dem Teufel zu unterwerfen. Ein kleiner Diebstahl, eine kleine Lüge,
ein kleiner Betrug, auch wenn sie noch so klein sind, sie stehen im Widerspruch
zum göttlichen Gebot. Auch wenn es aus Habgier geborenes Fehlverhalten
gibt, das nicht schwere Sünde ist, so ist es immer noch Sünde,
und geht man nicht den Weg der Buße, folgt in den meisten Fällen
irgendwann auch der Dammbruch zur schweren Sünde.
Wir stehen am Anfang der Fastenzeit. Führen wir uns anhand des
heutigen Evangeliums wieder vor Augen, worin das Wesen des Messias besteht
und worin die Nachfolge Christi besteht. Christus ist der zweite Adam.
Er schenkt denen, die ihm nachfolgen, das Leben, das das Menschengeschlecht
im ersten Adam verloren hat. War der erste Adam der Ungehorsame, der der
Versuchung nicht widerstanden hat, so ist der zweite Adam der Gehorsame,
der den Versuchungen nicht nachgegeben hat. Wollen wir ein Leben wie Christus
führen, so dürfen wir Genußsucht, Ehrsucht und Habsucht
nicht erliegen. Wir sollen Gott anbeten und Ihm allein dienen, damit wir
einst das wahre Leben in Fülle haben. Amen.
S. auch:
Lieber Karl
Walter der Kasper
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