Sowohl in der Lesung als auch im Evangelium des heutigen Tages ist von
der brüderlichen Liebe, besonders von der verzeihenden Liebe die Rede.
Petrus mahnt, nicht Böses mit Bösem zu vergelten, und Christus
warnt, dass jeder, der seinem Bruder zürnt, dem Gerichte verfallen
wird.
Wir brauchen uns nichts vorzumachen: Die Feinde Christi haben dafür
gesorgt, dass der Begriff der Nächstenliebe entwertet und verkehrt
worden ist. Sie reden viel von Mitleid, Brüderlichkeit, Barmherzigkeit,
Bescheidenheit und Demut. Man könnte meinen, dass die Feinde Christi
damit genau den Mahnungen des hl. Petrus folgen. Schaut man aber etwas
genauer hin, erkennt man wesentliche Unterschiede.
Petrus schreibt: "Seid alle einmütig im Gebete, mitleidig, brüderlich,
barmherzig, bescheiden, demütig." An erster Stelle nennt Petrus also
die Einmütigkeit im Gebet. Bei den Feinden Christi fehlt diese Einmütigkeit
im Gebet vollkommen. Zunächst fehlt bei den Feinden Christi normalerweise
das Gebet überhaupt. Während das Gebet für den Christen
eine fundamentale, grundlegende Bedeutung besitzt, sind die Veranstaltungen
der Feinde Christi nicht von Gebet, sondern von Spiel und Spaß geprägt.
Bei den Veranstaltungen der Feinde Christi werden unter dem Motto "Fröhlicher
Gottesdienst" Luftballons durch die Gegend geworfen, die Besucher bringen
ihre Haustiere mit und die kleinen Kinder erzählen von ihren schönsten
Erlebnissen mit ihren Haustieren, und fast bei jeder Veranstaltung der
Feinde Christi gibt es einen Friedensgruß, bei denen jeder allen
ringsum stehenden Unbekannten, mit denen er sonst nie etwas zu tun hat,
kräftig die Hand schüttelt und sagt: "Der Friede sei mit dir."
Und selbst wenn bei den Feinden Christi doch einmal gebetet werden
sollte, darf man nicht vorschnell von einer Einmütigkeit im Gebet
im christlichen Sinne schwärmen. Es ist nämlich noch immer die
Frage, zu wem da überhaupt gebetet wird. Betet man zu Buddha, zu Allah,
zur Weltseele? Während die Feinde Christi so tun, als ob es im Grunde
fast keinen Unterschied macht, zu wem man betet, wie man betet und um was
man betet, müssen wir Christi darauf achten, dass wir in Wahrheit
Gott anbeten. Also stellen wir unsere Werke der Liebe direkt auf die richtige
Grundlage: die Einmütigkeit im Gebet, die immer auch eine Einheit
in der Wahrheit sein muss.
Außerdem: Die Feinde Christi reden viel von Mitleid, Brüderlichkeit,
Barmherzigkeit, Bescheidenheit und Demut. Schaut man aber auf ihre Taten,
so findet man statt Mitleid Gleichgültigkeit, statt Brüderlichkeit
Egoismus, statt Barmherzigkeit Skrupellosigkeit, statt Bescheidenheit und
Demut Überheblichkeit und Selbstbeweihräucherung. Nach christlichem
Verständnis hingegen reicht es nicht aus, nur von guten Werken zu
reden. Petrus schreibt ja nicht: Redet alle von Mitleid, Brüderlichkeit,
Barmherzigkeit, Bescheidenheit und Demut, er schreibt statt dessen: "Seid
alle mitleidig, brüderlich, barmherzig, bescheiden, demütig."
Und Christus warnt: "Wenn eure Gerechtigkeit nicht vollkommener sein wird
als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, werdet ihr nicht in das
Himmelreich eingehen." Wie schildert Christus denn die Gerechtigkeit der
Schriftgelehrten und Pharisäer? Er sagt: "Sie handeln anders als sie
lehren. Sie binden schwere und untragbare Lasten und legen sie den Menschen
auf die Schultern; sie selbst aber wollen sie mit keinem Finger heben.
Alle ihre Werke tun sie, um von den Menschen gesehen werden" (Mt 23,3-5).
Und Christus spricht die Schriftgelehrten und Pharisäer direkt an:
"Ihr durchzieht Land und Meer, um einen einzigen Glaubensgenossen zu gewinnen,
und ist er einer geworden, so macht ihr ihn zu einem Sohn der Hölle,
doppelt so schlimm wie ihr" (Mt 23,15).
Man darf sich also nicht damit begnügen, schöne Worte auf
den Lippen zu führen. Ebensowenig darf man sich von schönen Worten
täuschen lassen. Vielmehr muss man im Gebet, in Dank und in Bitte
an Gott sein Leben richtig orientieren. Im Gebetsschatz, den die Kirche
uns schenkt, findet man Anleitung, Trost und Kraft, um Gott in Wahrheit
zu dienen und die Nächstenliebe in der richtigen Weise zu üben.
So bitten wir im Vaterunser: "Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben
unseren Schuldigern." Petrus mahnt: "Vergeltet nicht Böses mit Bösem,
nicht Schmähung mit Schmähung; vielmehr segnet einander, denn
dazu seid ihr berufen, auf daß ihr Segen erbet." Und Christus mahnt:
Wenn du daher deine Gabe zum Altare bringst und dich daselbst erinnerst,
daß dein Bruder etwas gegen dich hat, so laß deine Gabe dort
vor dem Altar, geh zuvor hin und versöhne dich mit deinem Bruder,
und dann komm und opfere deine Gabe." Verzeihung und Versöhnung sind
also keineswegs unbedeutende Randbegriffe in der christlichen Lehre. Allerdings
kann man bisweilen den Eindruck gewinnen, dass auch unter solchen, die
sich Christen nennen und dafür gehalten werden, eher der Wille herrscht,
Böses mit Bösem, Schmähung mit Schmähung zu vergelten.
Eine Versöhnung mit dem Bruder wird gar nicht erst versucht, sondern
regelrecht abgelehnt. Statt einen Irrenden zur Wahrheit zu rufen, wird
der Irrende zu einem künftigen Hölleninsassen erklärt. In
welch entsetzlicher Verblendung muss ein Mensch doch leben, wenn er sich
darin gefällt, womöglich noch öffentlich zu erklären,
Person xyz begehe die Sünde wider den Heiligen Geist, und diese werde
ihr in alle Ewigkeit nicht vergeben werden? Hat jemand, der sich zum obersten
Richter über seine Mitmenschen aufspielt, eigentlich überhaupt
einen Bezug zu Christus? Wandelt er nicht vielmehr auf den Pfaden der Schriftgelehrten
und Pharisäer, die sich rühmen, die Gottgefälligsten der
Gottgefälligen zu sein, und die sich über die Irrenden in vollkommener
Selbstherrlichkeit erheben? So ein Verhalten darf es bei uns nicht geben.
Vielmehr müssen wir die Irrenden zur Wahrheit rufen.
Allerdings muss man sich auch darüber im klaren sein, dass nicht
jeder gerne den Ruf zur Wahrheit vernimmt. Gerade diejenigen, die in ihren
so gen. "Gottesdiensten" Luftballons werfen, Haustiere streicheln und Unbekannten
die Hände schütteln, reagieren mit Widerstand, wenn man sie oder
andere zur Wahrheit ruft. Die, die am eifrigsten von Mitleid, Brüderlichkeit,
Barmherzigkeit, Bescheidenheit und Demut reden, zeigen ihr wahres Gesicht,
wenn sie mit dem Ruf zur Wahrheit konfrontiert werden, und gehen unbarmherzig
gegen jeden vor, der noch an der Wahrheit festhält und die Lüge
ablehnt. Doch lassen wir uns nicht entmutigen, wenn wir Verfolgung erleiden,
weil wir Gutes tun und die Wahrheit verteigigen. Beten wir für unsere
Verfolger, dass sie doch noch sich bekehren, würdige Buße tun
und gerettet werden. Denken wir an die Worte des hl. Petrus: "Wer kann
euch schaden, wenn ihr eifrig seid im Guten? Wenn ihr aber um der Gerechtigkeit
willen leiden müßtet, selig seid ihr! Fürchtet ihre Drohung
nicht und lasset euch nicht irremachen. Haltet nur Christus, den Herrn,
heilig in euren Herzen." Amen.
S. auch:
Nachrichten v. 11.07.2003
Zivilcourage