Predigt am 12.10.2003

- 18. Sonntag nach Pfingsten, sd -
(Kirche zum Mitreden, 12.10.2003)
1 Kor 1,4-8; Mt 9,1-8

Der Monat Oktober wird auch der Rosenkranz-Monat genannt. Papst Leo XIII. hatte sich in mehreren Schreiben für die Ausbreitung und Pflege des Rosenkranzgebetes eingesetzt. Unter anderem hat er angeordnet, dass im Monat Oktober in allen Pfarr- und Marienkirchen täglich der Rosenkranz gebetet werden soll. Ob tatsächlich der hl. Dominikus, der Gründer des Predigerordens, das Rosenkranzgebet eingeführt hat, ist fraglich. Außer Frage aber steht, dass das Rosenkranzgebet in der Volksfrömmigkeit des zweiten christlichen Jahrtausends eine große Bedeutung besaß und dass besonders die Päpste Pius IX. und Leo XIII. das Rosenkranzgebet empfohlen haben.
In einem Lexikon (Kirchliches Handlexikon) heißt es über den Rosenkranz: "Der eigentliche Wert und Kern des Rosenkranzes liegt in den Geheimnissen, deren Betrachtung ihm theologische Tiefe sichern, Abwechslung bringen und Ermüdung fernhalten; gut verrichtet ist er eine ausgezeichnete Volksandacht."
In der Tat geht es beim Beten des Rosenkranzes um die Betrachtung der Geheimnisse. Leider kann man manchmal den Eindruck bekommen, dass manche beim Rosenkranzgebet äußerst oberflächlich sind. Wie sieht es mit der theologischen Tiefe aus? Ist wirklich allen immer bewusst, dass der eigentliche Wert und Kern des Rosenkranzes in den Geheimnissen liegt, deren Betrachtung ihm theologische Tiefe sichern? Oder besteht nicht bisweilen die Gefahr, dass der eigentliche Wert und Kern des Rosenkranzes aus dem Blickfeld gerät? Aufgrund unserer menschlichen Schwäche kann es natürlich vorkommen, dass wir beim Rosenkranzgebet ermüden, rein schon aufgrund von physischer Erschöpfung. Insofern muss es keinesfalls verwerflich sein, wenn jemand beim Rosenkranzgebet unter Müdigkeit leidet und es ihm schwerfällt, sich auf das Gebet zu konzentrieren. Es kann sogar sein, dass auch in solchen Momenten der Schwäche ein Rosenkranzgebet sehr hilfreich und lobenswert ist. Denn in den Zeiten der Müdigkeit ist man oft auch schwach in seinem Widerstand gegen die Versuchungen. Und wer - insbesondere bei Müdigkeit und Schwäche, wenn sich gerade keine Gelegenheit zur gewünschten Erholung bietet - den Versuchungen Widerstand leistet, indem er die wunderbare Hilfe des Rosenkranzes sucht, der handelt sicher richtig. Und wer sich zu einem regelmäßigen Gebet verpflichtet hat, ähnlich wie z.B. die Kleriker zum Breviergebet verpflichtet sind, der weiß, dass die Erfüllung einer Gebetspflicht nicht immer leicht fällt und dass es Momente geben kann, in denen man lieber etwas anderes, an sich Erlaubtes tun würde, als die Gebetspflicht zu erfüllen. Auch bei einer mühsamen Erfüllung der Gebetspflicht kann ein Rosenkranz viele gute Früchte bringen, selbst wenn man dabei leicht in Zerstreuung fällt, solange man nur immer wieder versucht, mit der gebührenden Ehrfurcht und dem notwendigen Ernst die Gebete zu verrichten.
Während also Müdigkeit und Zerstreuung, die in unserer menschlichen Schwäche begründet sind, den Wert eines Rosenkranzgebetes nicht notwendig mindern, gibt es eine große Gefahr, den eigentlichen Wert und Kern des Rosenkranzes zu verschleiern. Sofern heute überhaupt noch der Rosenkranz gebetet wird, erfüllt er anscheinend sehr oft einen regelrecht antichristlichen Zweck: Die Betenden sollen gerade nicht theologische Tiefe gewinnen, sie sollen sich gerade nicht an Jesu Leben orientieren, sie sollen gerade nicht die Nachfolge Jesu verwirklichen. Dieses Hemmnis bei der Entfaltung des christlichen Lebens, diese Verkümmerung und Verfälschung der Spiritualität, kann sowohl in aktiver als auch in passiver Form vorliegen. Eine aktive Verfälschung des Glaubens durch den Rosenkranz liegt z.B. vor, wenn jemand zwar immer wieder allen Leuten erzählt, sie sollten viel und andächtig den Rosenkranz beten, wenn jemand eifrig in der Welt herumreist und dabei immer wieder behauptet, er würde oft den Rosenkranz beten, wenn jemand sogar als Vorbeter beim gemeinschaftlichen Rosenkranzgebet aktiv ist, wenn jemand sogar massenweise Rosenkränze verschenkt, aber all dies nur tut, um andere möglichst leicht in die Irre zu führen. Nehmen wir einmal an, jemand würde massenweise Rosenkränze verschenken, dann müsste man sich diese Rosenkränze einmal näher ansehen. Haben sie ein ordentliches Kreuz? Oder haben sie ein verbogenes, entstelltes Kreuz, woran möglicherweise noch eine Spottfigur unseres Heilandes befestigt ist? Und v.a.: Wie sieht es mit der Theologie dieses Rosenkranzverbreiters aus? Ist das jemand, der die Geheimnisse, die im Rosenkranz betrachtet werden, auch tatsächlich vertritt und verteidigt? Oder ist das jemand, der seine Anhänger nur in die Irre führen möchte? Im Rosenkranz betrachten wir die wunderbare Geburt Jesu, sein Kreuzesopfer und seine Auferstehung. Wie reagiert der Rosenkranzverbreiter auf diejenigen, die die wunderbare Geburt Jesu, sein Kreuzesopfer und seine Auferstehung bestreiten? Welche theologische Tiefe besitzt dieser Rosenkranzverbreiter eigentlich selbst? Diesen Fragen darf man nicht ausweichen.
Und damit kommt man zur zweiten Gefahr, dem passiven Hemmnis bei der Entfaltung des christlichen Lebens. Diese Gefahr besteht dort, wo man die Vernichtung des Glaubens tatenlos hinnimmt. Man zieht nicht die notwendigen Konsequenzen, man versteckt sich quasi hinter seinem Rosenkranz. Man möchte gar nicht wissen, wer als Rosenkranzverbreiter gefeiert wird, welcher Mensch das wirklich ist und aus welchen Motiven er handelt. Man will die Augen verschließen vor der theologischen Wirrniss rings umher und insbesondere des Rosenkranzverbreiters, man will v.a. selbst keine theologische Tiefe gewinnen, man will nur oberflächlich bleiben. Man begnügt sich, ein Ave Maria nach dem anderen zu sprechen, und will von Dogmen und Moralvorschriften, von Kirchenrecht und Bibelauslegung nichts wissen. Statt den Rosenkranz als großartige Hilfe für ein christliches Leben dankbar anzunehmen und fruchtbringend einzusetzen, missbraucht man ihn, um sich vor der Realität abzuschotten und um nur ja nicht die absolut notwendigen Konsequenzen in seiner Lebensführung ziehen zu müssen. Man betrachtet gar nicht mehr das Erlösungswerk, man versucht gar nicht erst, sich am Leben Jesu zu orientieren, man versinkt in Tatenlosigkeit. So ist es z.B. heilsnotwendig, zur Kiche zu gehören, aber es ist nicht heilsnotwendig, den Rosenkranz zu beten. Trotzdem begnügen sich manche mit dem Rosenkranzgebet und ignorieren völlig die Heilsnotwendigkeit der Kirche.
Versuchen wir also immer, den Rosenkranz fruchtbringend einzusetzen, besonders jetzt im Monat Oktober auch mit den von der Kirche gewährten Ablässen. Auch in der zweiten Hälfte des Monats Oktober kann man durch das Rosenkranzgebet noch einen vollkommenen Ablass gewinnen. Die Bedingungen: Beichte, Kommunionempfang, Besuch einer Kirche und an wenigstens zehn Tagen Gebet von jeweils fünf Gesetzen. Wenn es noch etwas gibt, was uns von Christus und von seinem mystischen Leib, der Kirche, trennt, dann beseitigen wir dieses Hindernis. Suchen wir besonders im Rosenkranzgebet theologische Tiefe, so dass wir aus begründeter Überzeugung und mit mutiger Entschlossenheit das tun, was vor Gott richtig ist, und wenn wir wegen unserer Treue zur Wahrheit mit Christus leiden müssen, wollen wir ganz besonders aus der Hoffnung leben, auch an Christi Auferstehung teilhaben zu dürfen. Amen.

S. auch:
Der Rosenkranz
Nachrichten v. 11.07.2003
Christus in Dachau (1 / 23)
It's not a game

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