"So stehet also da, die Lenden umgürtet mit der Wahrheit, angetan
mit dem Panzer der Gerechtigkeit". Stehen Wahrheit und Gerechtigkeit hoch
im Kurs? Sind insbesondere diejenigen, die sich Christen nennen, umgürtet
mit der Wahrheit und angetan mit dem Panzer der Gerechtigkeit? Man könnte
jetzt viele konkrete Beispiele nennen, wo das durchaus nicht der Fall ist.
Man könnte jetzt viele konkrete Namen nennen von lebenden und verstorbenen
Personen, die für gute Christen gehalten werden wollen bzw. wollten
und die auch von anderen als leuchtende Vorbilder für die Träger
von Wahrheit und Gerechtigkeit gehalten und genannt werden. Doch wie kommt
es dazu, dass statt Wahrheit und Gerechtigkeit Unwahrheit und Ungerechtigkeit
regieren? Zu den beliebtesten Mitteln im Kampf gegen Wahrheit und Gerechtigkeit
gehört der Subjektivismus. Die Wahrheit ist gemäß dem Subjektivismus
keine objektive Größe, vielmehr ist sie der Willkür der
Subjekte unterworfen: Ich habe meine Wahrheit, du hast deine Wahrheit,
er hat seine Wahrheit, sie hat ihre Wahrheit. Dieser Subjektivismus feiert
freche Triumphe in Parolen wie: "Ich verstehe zu wenig von anderen Religionen,
um mich hier abschließend zu äußern. Ich will auch nicht
- und bin dazu auch Gott sei dank nicht berufen - das Verhältnis zwischen
dem Christentum und anderen Religionen beurteilen. Ob es also die für
alle und jeden 'einzig wahre' Reigion gibt, diese Frage interessiert mich
nicht" (Sven Stemmildt). Der Subjektivismus erscheint zunächst als
das hartnäckige Desinteresse an der Wahrheit, entpuppt sich aber schnell
als der abgrundtiefe Hass gegen die Wahrheit, in dem genannten Beispiel
als Hass gegen das Dogma von der Heilsnotwendigkeit der Kirche. Weil die
Welt so dermaßen vom Subjektivismus vergiftet ist, hat sich auch
bei vielen, die sich für gute Christen halten, eine entsetzliche Gedankenlosigkeit
breit gemacht. Objektive Normen, ja sogar Dogmen werden zum Spielball der
subjektiven Neigungen. Mit beängstigender Leichtfertigkeit schrauben
so gen. gute Christen nicht nur am Kirchenrecht herum, sie stellen sogar
einen ganz und gar antikatholischen Kirchenbegriff als wahre Lehre hin
und machen auch vor der Gotteslehre nicht Halt.
Das Glaubensbekenntnis des Subjektivismus wurde von einem vermeintlich
"gut katholischen" Bischof (Günther Storck) 1976 in einer vermeintlichen
"Doktorarbeit" so formuliert: "Die Transzendentalphilosophie leugnet gerade
die objektive vom Bewußtsein unabhängige Selbständigkeit
einer realen Außenwelt, indem sie den Nachweis führt, daß
diese Welt nur als real und objektiv vorgestellt wird. Der objektiven Welt
kommt also in Wahrheit keine Existenz an sich zu" (Storck 51 [104]). Das
Subjekt stellt sich die Welt nur vor, erst das Subjekt gibt der Welt die
Existenz. In der vermeintlichen Doktorarbeit wird dieser grobe Unfug penetrant
behauptet, aber nirgends bewiesen, während das katholische Glaubensverständnis
penetrant abgelehnt, aber nirgends widerlegt wird. Mit dem Subjektivismus
erledigt sich sowieso jede Argumentation - man könnte ja auch sagen,
der "Doktorarbeit" kommt in Wahrheit keine Existenz an sich zu. Dass unser
katholischer Glaube durchaus von der objektiven Existenz der Welt ausgeht,
erhellt z.B. aus dem Dogma: "Wer sagt, der eine und wahre Gott, unser Schöpfer
und Herr, könne mit dem natürlichen Licht der menschlichen Vernunft
durch das, was gemacht ist, nicht mit Sicherheit erkannt werden, der sei
ausgeschlossen" (NR 49; cf. DS 3026). Zwar zitiert der vermeintliche "Doktor
der Theologie" auch dieses Dogma, aber bezeichnenderweiser verkürzt
er es genau um diesen Abschnitt: "durch das, was gemacht ist". Braucht
man noch einen deutlicheren Beweis, dass dieser Bischof ganz gezielt die
Wahrheit auf dem Altar des Subjektivismus geopfert hat und dass er ganz
bewusst Tatsachen unterschlägt, um die Wahrheit gemäß seinen
subjektivistischen Wünschen umzubiegen? Und trotzdem: Manche feiern
ihn regelrecht als großartigen Bewahrer und Verkünder des wahren
Glaubens, nennen ihn obendrein noch "Doktor der Theologie", obwohl dieser
Bischof objektiv niemals diesen Titel besaß oder auch nur ein Anrecht
darauf hatte. Einer der von diesem Bischof geweihten Priester (Eugen Rissling)
veröffentlichte sogar vor einigen Monaten noch einen Text "Zum 10.
Jahrestag des Heimgangs" des 1993 verstorbenen Bischofs. Darin heißt
es einleitend: "Wenn auf das Leben eines Menschen Rückschau gehalten
werden soll, muss man sich im Klaren sein, ihm unbedingt Gerechtigkeit
widerfahren zu lassen. Und dies bedeutet - möchte man objektiv sein
und bleiben -, dass man sich die Mühe machen sollte, möglichst
in Erfahrung zu bringen, was ihn jeweils bewegt hat, was die Motivation,
die Antriebsfeder für sein Denken und Handeln war." In dem Text kommen
die Begriffe "gerecht" und "objektiv" häufig vor, ja der Priester
versteigt sich sogar zu der energischen Behauptung: "Ich erinnere mich
noch ganz lebendig, wie zentral es ihm in Abgrenzung zu den modernen Irrtümern
immer darum ging, unmissverständlich darzulegen, dass es eine absolute
und objektive Wahrheit und eine absolut verbindliche Moral gibt, dass Gott
der absolut Heilige ist und sich aufgrund Seiner selbst moralisch rechtfertigt,
dass man Gott in Wahrheit erkennen und lieben kann und soll! Niemals wurde
von ihm etwas anderes gelehrt!" Die Wahrheit sieht allerdings bewiesenermaßen
völlig anders aus. Der Priester ist also offensichtlich ganz bewusst
in die ideologischen Fussstapfen seines Weihevaters getreten.
Zweifelsohne, es gibt sehr viele, die Verwirrung stiften, aber es gibt
nicht sehr viele, die sich für Wahrheit und Gerechtigkeit einsetzen.
Nun mag man meinen: Wenn sogar ein vom Glauben abgefallener Bischof als
treuer Verkünder der Wahrheit gefeiert wird, wie soll man dann noch
die Orientierung finden und behalten? Besteht nicht etwa Grund genug, ja
sogar die Notwendigkeit, selbst im Strudel des Subjektivismus unterzugehen?
Nein, dazu besteht keinerlei Grund, geschweige denn eine Notwendigkeit.
Man muss allerdings die Bereitschaft aufbringen, sich mit der Wahrheit
zu umgürten und den Panzer der Gerechtigkeit anzulegen. Fangen wir
an bei den offensichtlichsten Dingen: Lügen wir niemals! Seien wir
anderen gegenüber gerecht! Wenn wir erfahren, dass jemand Lügen
verbreitet, dann weisen wir ihn je nach Möglichkeit zurecht, aber
wenn er von seinen Lügen nicht ablassen will, dann meiden wir ihn
und warnen ggf. auch andere vor dem Lügner. Ähnliches gilt, wenn
wir sehen, wie jemandem Unrecht geschieht. Je nach Möglichkeit weisen
wir den Übeltäter zurecht, und will er sein Unrecht nicht wiedergutmachen,
meiden wir ihn. Wer diese ersten Schritte tut, der ist bereits auf dem
besten Wege, wer allerdings diese Schritte nicht tut, der braucht sich
nicht zu wundern, wenn in ihm das Gift des Subjektivismus seine zerstörerische
Wirkung entfaltet. Mit der Wahrheit umgürtet, angetan mit dem Panzer
der Gerechtigkeit, ergreift man auch das Schild des Glaubens, die wahre
Lehre, so wie die Kirche sie in den Dogmen unfehlbar und unabänderlich
gültig vorgelegt hat. So ist man gewappnet, wenn der Teufel und seine
Diener mit verführerischen Parolen zum Abfall vom Glauben locken.
Hassen wir die Lüge, hassen wir die Ungerechtigkeit, stehen wir treu
im Glauben der Kirche, dann brauchen wir die Brandpfeile des Bösen
nicht zu fürchten. Ja, es ist ein Kampf, den wir Christen führen
müssen. Nehmen wir diesen Kampf ernst. Führen wir ihn mit der
Waffenrüstung Gottes, mit Wahrheit und Gerechtigkeit, dann werden
wir dereinst Anteil haben an der Freude des Himmels. Amen.
S. auch:
Der Fall Sven Stemmildt
"Alma mater"
König der Lügner