Predigt am 18.04.2004

- Weißer Sonntag, dm -
(Kirche zum Mitreden, 18.04.2004)
Weisser Sonntag predigt bei G.
1 Jo 5,4-10; Jo 20,19-31

"Alles, was aus Gott geboren ist, überwindet die Welt; und das ist der Sieg, der die Welt überwindet: unser Glaube. Wer ist es, der die Welt überwindet, wenn nicht der, welcher glaubt, daß Jesus der Sohn Gottes ist?"
Kann man dieses Wort des Apostels Johannes heute noch ernsthaft sprechen? Muss man nicht nach 2.000 Jahren Christentum endlich die Konsequenz ziehen: Nicht der Glaube hat die Welt überwunden, sondern die Welt hat den Glauben überwunden. Muss man nicht formulieren: Die Welt überwindet den, der noch glaubt, dass Jesus der Sohn Gottes ist. Die Welt überwindet alles, was aus Gott geboren ist. Die Welt ist die strahlende Siegerin über den Glauben. Der Glaube ist gescheitert. Ereignisse, die zu einer solchen Meinung verführen können, gibt es sicherlich viele. Ein Beispiel: Ein Jude (Hans Jonas) hielt 1984 bei einem so gen. "Katholikentag" eine Rede "Der Gottesbegriff nach Auschwitz". Die Grundaussage lautete: "Ein Gott, der allmächtig gedacht und geglaubt wird, lässt sich nicht mit Auschwitz zusammen denken." Die Allmacht Gottes wird öffentlich auf einem "Katholikentag" geleugnet, und statt heftiger Proteste erntet der Redner dafür sogar noch Dank und Anerkennung.
Ein anderes Beispiel: Es wird bisweilen vom "Siegeszug des Christentums" gesprochen, davon, dass die Kirche die Christenverfolgungen der ersten Jahrhunderte überdauert und dann eine weltweit respektierte, einflussreiche Position erlangt hat. Allerdings liest man z.B. in einem Lexikon (des katholischen Lebens, 152): "Ausschließlicher noch als die alten tragen die modernen Christenverfolgungen den Charakter der Kirchenverfolgungen, indem sie die Kirche unmittelbar oder durch Unterstellung unter die jeweilige Staatsideologie mittelbar zu vernichten suchen." Wenn der Staat alles daran setzt, die Kirche zu vernichten, und bei seinem Vorhaben oft auch große Erfolge feiert, dann klingt das Wort vom "Sieg" des christlichen Glaubens doch unglaubwürdig. Man schaue insbesondere in Deutschland auf die staatlichen Beschlüsse, dass die Beschimpfung des Glaubens erlaubt, die Verbreitung oder gar Verteidigung des Glaubens aber verboten und mit den schlimmsten Strafen belegt wird. Wäre es angesichts dieser offensichtlichen Fakten nicht endlich an der Zeit, mit der Rede vom Sieg des christlichen Glaubens aufzuhören? Soll man nicht endlich die Lehre von der Allmacht Gottes fallen lassen und davon ausgehen, dass Gott gescheitert ist, und dass ebenso jeder scheitern wird, der noch an der Allmacht Gottes festhält?
Ferner: Wenn man von Auschwitz bzw. von der Zeit nach Auschwitz spricht, muss die Frage erlaubt sein, wie sich die "Justiz" seitdem entwickelt hat. In einer Radiosendung z.Th. "50 Jahre Grundgesetz" (Offener Kanal Lübeck, 25.05.1999) hieß es: "Wir konnten auch kein Rechtsstaat werden, weil das Dritte Reich der Nazis illegal in der Justiz fortbestand. [...] Nach dem offenkundigen Terror am Volksgerichtshof, an den Sondergerichten und vielen anderen Strafgerichten ist es unbegreiflich, daß diese Schlächter wieder die Robe anziehen durften. Auch handelte es sich nicht um Einzelfälle; die Renazifizierung der Justiz war flächendeckend. Nach dem Krieg hatten zum Beispiel in Westfahlen dreiundneunzig Prozent des Justizpersonals das NSdAP-Parteibuch besessen. In Bayern waren es einundachtzig Prozent und im Bezirk des Oberlandesgerichts Bamberg sogar achtundneunzig Prozent. Unter der Geltung des Grundgesetzes sorgte der Deutsche Bundestag dafür, daß fast alle NS-Beamten einen Rechtsanspruch auf Wiedereinstellung erhielten und damit faktisch die Mitgliedschaft in der Nazipartei zur Einstellungsvoraussetzung des öffentlichen Dienstes wurde. Konrad Adenauer, der sich mit seiner eigenen Stimme zum ersten Bundeskanzler gewählt hatte, überließ schwerbelasteten Altnazis wie Globke, Oberländer und Vialon hohe und wichtige Posten in der Bonner Ministerialbürokratie. Obwohl die kriminellen Taten vieler Nazijuristen mit jedem Horrorfilm konkurrieren konnten, wurde kein einziger dafür rechtskräftig verurteilt. Das muß man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Eine Krähe hackt eben der anderen kein Auge aus, auch wenn es sich um einen Massenmörder handelt. Das Blut zigtausender Justizopfer schreit noch heute ungesühnt zum Himmel."
Das Unrecht, weswegen auf einem "Katholikentag" Gottes Allmacht geleugnet wurde, lebt also weiter. Wie geht man nun mit den Fakten um? Diesbzgl. gibt es ein sehr breites Angebot. Man beschäftigt sich z.B. gar nicht mit der Thematik und vergeudet seine Zeit in Ablenkungen aller Art, ob nun Arbeit, Freizeitvergnügung, Alkohol oder was auch immer. Dann gibt es noch den Versuch, dieses offenkundigste Unrecht irgendwie zu leugnen, und das sogar im Namen des Christentums. Man tut also so, als ob dieses Unrecht nicht wirklich Unrecht wäre. Ja, man stellt es sogar als Christenpflicht hin, dieses Unrecht nicht nur schweigend zu dulden, sondern ausdrücklich gutzuheißen. Wenn die "Justiz" irgend etwas "beschließt", dann hat das seine Richtigkeit! Wenn ein Jude bei einem "Katholikentag" die Allmacht Gottes leugnet, dann hat das seine Richtigkeit! Und wenn man das Unrecht bis zur höchsten Stufe kombinieren will: Wenn die "Justiz" befiehlt, dass nur noch eine antichristliche Gemeinschaft, aber nicht mehr die katholische Kirche Anspruch auf die Bezeichnung "katholisch" hat, dann hat das seine Richtigkeit! Was liegt dann näher, als zu behaupten: Nicht der christliche Glaube hat gesiegt, sondern das Unrecht. Und wer möchte nicht auf der Seite der Sieger stehen? Wer stellt sich freiwillig auf die Seite der Verlierer?
Es gibt allerdings auch eine richtige Möglichkeit, mit den Fakten umzugehen: Man nimmt die Worte des Apostels Johannes ernst: "Alles, was aus Gott geboren ist, überwindet die Welt; und das ist der Sieg, der die Welt überwindet: unser Glaube. Wer ist es, der die Welt überwindet, wenn nicht der, welcher glaubt, daß Jesus der Sohn Gottes ist?" Man lässt sich eben nicht durch die Triumphe des Unrechts einschüchtern, sondern bekennt mutig den Glauben an Christus, selbst dann, wenn daraus Spott, Verfolgung und Vernichtung folgen. Man sieht die Welt im Licht der österlichen Freude. Man betrachtet das Wunder der Auferstehung, dass Christus den Satan und Tod besiegt hat. Das bedeutet, dass wir die Welt in ihrer Vergänglichkeit erkennen und den Blick richten auf das Unvergängliche. Das bedeutet, dass wir ein Leben führen, das nicht den irdischen Erfolg an die erste Stelle setzt, sondern das Gnadenleben. Das bedeutet, dass wir in diesem Leben das Böse meiden, und wenn wir in Sünde gefallen sind, die Versöhnung mit Gott suchen. Das bedeutet, dass wir nach Möglichkeit das sakramentale Leben pflegen durch regelmäßige Beichte und Kommunion. Dann kann uns die Welt mit ihren Triumphen nicht schrecken. Dann lassen wir uns nicht verwirren, selbst wenn Gotteslästerung vom Staat geschützt und Glaubenstreue vom Staat bestraft wird. Wir bekennen Christus vor den Menschen, dann wird Christus beim Gericht uns vor seinem Vater bekennen. Wenn wir ganz in diesem Glauben leben, und wenn wir bereit sind, alles für diesen Glauben zu opfern, dann werden wir einst das Leben gewinnen in der ewigen Seligkeit des Himmels. Amen.

S. auch:
Die Nazis haben gewonnen

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