"Wie am Tage lasset uns ehrbar wandeln, nicht in Schwelgereien und
Trinkgelagen, nicht in Unzucht und Ausschweifung, nicht in Zank und
Eifersucht." So mahnt Paulus in der heutigen Lesung aus dem
Römerbrief. Zunächst: Diese Mahnung ist nicht eigentlich
spezifisch für die Adventszeit, sondern von ganz
grundsätzlicher Natur. Außerdem ist die Adventszeit an sich
keine Fastenzeit mehr, wenngleich es in der Adventszeit noch immer
prinzipiell vier Fastentage gibt: Das sind zum einen die drei
Quatembertage, also der Mittwoch, Freitag und Samstag nach dem dritten
Adventssonntag. Zum anderen gibt es noch das Fasten an der Vigil vor
Weihnachten; wenn aber der 24. Dezember ein Sonntag ist, gilt für
diesen Tag die Fastenvorschrift natürlich nicht. Allerdings wird
im Breviergebet der Priester am heutigen ersten Adventssonntag aus
einer Predigt des heiligen Papstes Leo I. über das Fasten
gelesen. Der Papst weist darauf hin, dass "durch
übermäßigen Trunk die Schärfe des Geistes
abgestumpft und durch übermäßiges Essen die Kraft des
Herzens geschwächt wird." Gerade heutzutage scheint aber die
Adventszeit die Zeit zu sein, um erst recht im Genuss zu schwelgen: Die
Supermärkte sind gerade jetzt vollgepackt mit Butterstollen,
Marzipan, Spekulatius, Lebkuchen, Kräuterprinten, Zimtsternen usw.
sowie den ganzen Schokoladeprodukten wie Nikolausfiguren und
Adventskalender. Glühwein hat nicht nur im Supermarkt Hochsaison,
sondern wird auch hektoliterweise auf den Adventsmärkten
konsumiert. Da scheint es doch etwas unpassend, an die Worte des
Papstes zu erinnern, dass "durch übermäßigen Trunk die
Schärfe des Geistes abgestumpft und durch
übermäßiges Essen die Kraft des Herzens geschwächt
wird." Andererseits könnte man aber auch sagen: Gerade dann ist
ein Mahnruf durchaus angebracht. Nämlich wenn die Versuchung
besonders stark ist, verliert so mancher den nüchternen Blick
für das Wesentliche und lässt die Zügel schießen -
während gerade der Papst in der Predigt dazu mahnt, seine
Begierden zu zügeln. Also: Auch wenn die Adventszeit keine
Fastenzeit ist, bleibt Unmäßigkeit doch immer sündhaft.
Übermäßiges Essen an sich ist zwar üblicherweise
nur eine lässliche Sünde, es kann dann aber eine schwere
Sünde sein, wenn man dadurch Ärgernis hervorruft oder seine
Gesundheit erheblich schädigt. Trunkenheit ist ebenfalls an sich
sündhaft, und völlige Betrunkenheit ist üblicherweise
eine schwere Sünde. - Schauen wir auf Deutschland, so nimmt es in
vielen Disziplinen eine katastrophale Position ein, wenn es nicht gar
das Schlusslicht bildet. Derzeit wird wieder viel über die
aktuelle innerdeutsche Ergänzungsstudie zum internationalen
Pisa-Test geredet; bei der internationalen Pisa-Studie 2000 wurde
festgestellt, dass die deutschen Schüler in allen drei
Leistungsbereichen unterhalb des europäischen Durchschnitts und
ganz weit entfernt von den Spitzenländern liegen; in Lesen,
Mathematik und Naturwissenschaften sind bei fast einem Viertel aller
Schüler die Kenntnisse so gering, dass von einer Gefährdung
der beruflichen und gesellschaftlichen Integration gesprochen wird. In
anderen Bereichen als Bildung kann Deutschland aber Spitzenpositionen
im internationalen Vergleich vorweisen: Abtreibung, Arbeitslosigkeit,
Armut - da spielt Deutschland ganz vorne mit. Nimmt man noch die
Verletzung von Menschenrechten, braucht sich Deutschland auch weltweit
nicht zu verstecken, wenn es gilt, sowohl massenweise als auch massive
Menschenrechtsverletzungen zu begehen. Deutschland kann einen echten
Stillstand der Rechtspflege, eine völlige Perversion der Justiz
vorweisen; kaum ein Land kann da noch mithalten. Und in einer Disziplin
sicherte sich Deutschland erst im vergangen Jahr sogar einen klaren
Spitzenplatz: Deutsche sind die dicksten Europäer. Drei Viertel
der erwachsenen Männer und mehr als die Hälfte der
erwachsenen Frauen in Deutschland sind übergewichtig oder
fettleibig. Bei beiden Geschlechtern konnten sich die Deutschen also
vor die restlichen Europäer setzen. Dieser Zustand kurbelt dann
auch gewisse Teile der Wirtschaft an: Folgeschäden des
Übergewichts, ob nun Diabetes oder Gelenkschäden, wollen
schließlich behandelt werden. Der Bedarf an Ärzten,
Medikamenten, Kuren, Betreuungen usw. usf. wird gesteigert. Und auch
die Süßigkeitenindustrie kann sich freuen: Dank der
massenhaften Maßlosigkeit können satte Gewinne eingefahren
werden. Und wer seinen Magen gewaltsam immer mehr dehnt, der steht kaum
in der Gefahr, schnell satt zu werden und somit seine Essensaufnahme
auf ein gesundes Maß zu beschränken. Trotz all dieser
rosigen Aussichten für gewisse Wirtschaftszweige scheint es aber
dennoch nicht verkehrt, auch heute wieder an die Fastenpredigt von
Papst Leo I. zu erinnern, dass "durch übermäßigen Trunk
die Schärfe des Geistes abgestumpft und durch
übermäßiges Essen die Kraft des Herzens geschwächt
wird." Es kann nämlich nicht Sinn und Zweck des Lebens sein, nur
Teile der Wirtschaft anzukurbeln, selbst dann nicht, wenn es um die
Gesundheits- und Süßigkeitenindustrie geht. Es sollte nicht
unser Lebensziel sein, möglichst schnell und möglichst lange
zum Pflegefall zu werden. Vielmehr sollten wir unseren Geistes
schärfen, wobei ein gesundes, kräftiges Herz durchaus
vorteilhaft und erstrebenswert ist. Schwelgereien und Trinkgelage,
Unzucht und Ausschweifung schädigen und lähmen uns. Wenn
jemand ganz im weltlichen Genuss versinkt, dann will er mit Christus
schlichtweg nichts zu tun haben. Ein genüsssüchtiger Mensch
will von den Mahnungen Christi zu Gebet und Fasten schlichtweg nichts
wissen. Was aber, wenn man den Verlockungen dieser Welt schon lange
Zeit erlegen ist? Was, wenn man sich in Übergewicht und
Fettleibigkeit hineingesteigert hat? Was, wenn man sich daran
gewöhnt hat, oft und viel Alkohol zu konsumieren? Hören wir
wiederum Paulus: "Lasset uns ablegen die Werke der Finsternis und
anziehen die Waffen des Lichts. [...] Zieht an den Herrn Jesus
Christus." Wer auf dem falschen Weg war, der muss eben umkehren, der
muss für die Zukunft den richtigen Weg einschlagen. Und wer selbst
als Genussmensch einmal ganz nüchtern überlegt, der wird sich
doch eigentlich wünschen, von seinem unkontrollierten Konsum
loszukommen. Ist der Rausch ausgeschlafen, warten nicht nur ein
vorübergehender Kater, sondern womöglich lebenslange schlimme
Folgen. Und nicht jeder fühlt sich wirklich wohl, wenn er immer
nur in Spezialgeschäften für Übergrößen
einkaufen kann. Trotzdem mag es schwerfallen, seine falsche Lebensweise
aufzugeben. Aber wer sich Christus vor Augen hält, der wird v.a.
begreifen, dass er von der Gnade Christi abhängig ist. Christus
ist nicht ein bloßer Philosoph und Morallehrer, sondern der Sohn
Gottes. Das Christentum ist nicht bloß eine Morallehre,
geschweige denn eine bloße Gesundheitsideologie. Vielmehr gilt
es, dass der Mensch auch seinen Leib dienstbar macht, um vor Christus,
dem König und Richter der Welt, zu bestehen. Christus muss in uns
leben. Wir müssen den Herrn Jesus Christus anziehen. Wir
müssen uns ganz von seiner Gnade durchdringen lassen. Es muss
nicht unbedingt immer verwerflich sein, wenn man sich vielleicht mal
ein Schlückchen Glühwein und eine Marzipankartoffel
genehmigt, allerdings darf das Maßhalten nie vergessen werden.
Wollen wir den Versuchungen nicht erliegen, müssen wir unsere
Begierden zügeln, und das nicht nur zur Weihnachtszeit, nein, auch
im restlichen Jahr. Was ist nun aber mit der Bildungskatastrophe? Was
ist mit Abtreibung, Arbeitslosigkeit, Armut? Was ist mit den
Menschenrechtsverletzungen und der perversen Justiz in Deutschland?
Nun, wollen wir uns diesen Problemen stellen, dann sollten wir das mit
scharfem Verstand und kräftigem Herzen tun. Machen wir uns nichts
vor: Unser Land ist krank, durch und durch krank. Die grassierende
Fettsucht ist da nur ein Symptom unter vielen. Es gilt, Trägheit
und Abstumpfung zu überwinden. Es gilt, sich auf das Kommen
Christi vorzubereiten. Erst wenn die Gesellschaft wieder auf Christus
schaut, wird eine tragfähige Gesundung der derzeit so
schwerkranken Zustände einsetzen. Leisten wir als Teile der
Gesellschaft unseren Beitrag. Bereiten wir Christus den Weg, den Weg in
unsere Herzen und in unsere Gesellschaft, damit wir dereinst teilhaben
an der ewigen Freude des Himmels. Amen.