Predigt 20.02.2011

- Septuagesima, II cl sd; 1 Kor 9,24-27; 10,1-5; Mt 20,1-16 / Grassierendes Übergewicht - "Tsunami" der Fettsucht -
(Kirche zum Mitreden, 19.02.2011)

http://www.youtube.com/watch?v=2l4JLmsfOJs
http://de.gloria.tv/?media=131736
Wörter: 1075
Derzeit sind 1,5 Milliarden Menschen zu dick, davon sind eine halbe Milliarde fettleibig, bei einer Weltbevölkerung von sieben Milliarden. Damit hat sich der Bevölkerungsanteil der Fettleibigen seit 1980 fast verdoppelt. Wissenschaftler sprechen mittlerweile von einem "Tsunami" der Fettsucht. Und vor gut einem Jahr lautete das Ergebnis einer Ernährungsstudie: "Der menschliche Körper braucht Hunger, um gesund zu bleiben." Eine Sprecherin (Silke Restemeyer) der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) meinte: "Wer wirkungsvoll und gesund abnehmen möchte, muss sein Ernährungsverhalten langfristig umstellen und sich viel mehr körperlich bewegen." Zudem meinte die Sprecherin, die Fastenzeit könnte für die notwendige Ernährungsumstellung einen Impuls geben. "Doch wer danach wieder in die alten Lebensgewohnheiten zurückfällt, wird die paar Pfunde, die er abgenommen hat, bald wieder draufhaben." Ein Sportwissenschaftler (Walter Brehm) äußerte kürzlich im Zusammenhang mit seiner Studie über die Ursachen des grassierenden Übergewichts (infranken.de, Die fetten Jahre sind noch nicht vorbei, 15.02.2011): "Eine halbe Stunde körperliche Aktivität am Tag hält gesund, mindestens aber sollten es in der Summe zwei Stunden pro Woche sein. Unsportlich Veranlagte gibt es nicht - wir wollen das Verhalten der Inaktiven ändern, sie in Bewegung bringen. Vor allem aber muss jeder selbst erkennen, dass regelmäßiger Sport das Wohlbefinden steigert." Soweit der Sportwissenschaftler.
Mit dem heutigen Sonntag Septuagesima beginnt die Vorfastenzeit, die zwar liturgisch bereits der Fastenzeit ähnlich ist, in der allerdings das Fasten noch nicht vorgeschrieben ist. Und auch wenn die Fastenzeit bisweilen so aufgefasst wird, als ob es dabei um Gewichtsverlust ginge, ist das in Wahrheit keineswegs der Fall. Die Fastenzeit dient ganz besonders der Buße und Umkehr. Der Christ ist einmal im Jahr zum Kommunionempfang verpflichtet, u.z. in der österlichen Zeit. Die vorgeschriebene jährliche Beichte wird, auch wenn dafür keine bestimmte Zeit vorgeschrieben ist,  praktischerweise kurz vor der Kommunion erfolgen. Das kirchlich vorgeschriebene Fasten allerdings betrifft Einschränkungen bei der Nahrungsaufnahme: Pro Tag sind maximal eine Sättigung und zwei kleine Stärkungen erlaubt. Mit dem Fasten soll die Tugend der Mäßigung geübt werden. Dementsprechend kann es keinen Einheitsspeiseplan für alle geben, sondern jeder muss seine persönliche Situation berücksichtigen. Grundsätzlich muss jeder darauf achten, seinen Körper so zu versorgen, dass er seine Aufgaben noch vollständig erfüllen kann. Dementsprechend kann es sein, dass manche Personen gar nicht zu fasten brauchen oder sogar gar nicht fasten dürfen. Man darf vielleicht fragen, inwieweit der "Tsunami" der Fettsucht Ausdruck von Gedankenlosigkeit, von Gottlosigkeit sein mag. Aber es geht nicht an, die kirchliche Fastenzeit als eigentliche Diätwochen hinzustellen.
In der heutigen Lesung aus dem 1. Korinterbrief des hl. Paulus heißt es: "Wißt ihr nicht, daß die Wettläufer in der Rennbahn zwar alle laufen, aber nur einer den Preis erlangt? Laufet so, daß ihr ihn erlanget. Jeder der sich am Wettkampf beteiligt, übt in allem Enthaltsamkeit. Sie tun es, um einen vergänglichen, wir aber, um einen unvergänglichen Kranz zu empfangen. [...] Ich züchtige meinen Leib und bringe ihn in Dienstbarkeit, damit ich nicht selbst verworfen werde, nachdem ich anderen gepredigt habe."
Man muss also Zucht und Maß üben. Jeder sollte sich stets darüber Rechenschaft ablegen können, ob er bei Speis und Trank das richtige Maß einhält. Essen wir, um zu leben, oder leben wir, um zu essen? Worauf kommt es uns in erster Linie an: auf die Nahrungsaufnahme oder auf den Gaumenkitzel? Essen wir, um unser Leben zu meistern, oder haben wir uns an das Essen versklavt? Machen wir unseren Leib dienstbar, oder dienen wir dem fleischlichen Genuss? Ist der Genuss bei der Nahrungsaufnahme eine Begleiterscheinung, die ich als Gottes Geschenk dankbar annehme, oder ist die Gewichtszunahme beim Genuss eine Begleiterscheinung, über die ich mich beständig ärgere? Verdrehe ich den Sinn der Nahrungsaufnahme womöglich so sehr, dass ich nur für den Genuss und gegen jede Vernunft esse? Die Fastenvorschriften können somit ein sinnvoller Prüfstein sein, um sich darüber klar zu werden, ob man die irdischen Dinge in ihrer Vorläufigkeit begreift oder ob man die irdischen Dinge schon zum Götzen erhoben hat. Nutzen wir die irdischen Dinge, so dass sie uns auf unserem Weg zur Seligkeit helfen, oder huldigen wir den irdischen Dingen, so dass sie uns ins Verderben führen?  Ja, Zucht und Maß sowohl bei der Ernährung als auch bei der körperlichen Betätigung tragen zum Wohlbefinden bei. Es ist einfach in vielfacher Hinsicht sehr angenehm, einen gesunden und leistungsfähigen Körper zu haben. Zudem bestätigen sogar neueste Studien immer wieder, dass ordentliche Ernährung für erfolgreichen Sport von großer Bedeutung ist und speziell bei Wettkämpfen den Ausschlag geben kann.
Doch so sehr auch maßvolle Ernährung und maßvoller Sport für echtes Wohlfühlen sorgen mögen, so viele wirklich ehrenhafte Gründe für maßvolle Ernährung und maßvollen Sport sprechen mögen: Das eigentliche, das letztlich entscheidende Ziel aller unserer Mühen, unseres Verzichts und unserer Anstrengungen, liegt eben nicht darin, einen irdischen Preis zu gewinnen, sondern in der Gemeinschaft mit Christus. Ähnlich wie beim Sport kommt es im christlichen Leben auf Ausdauer an, darauf, sich in Beherrschung zu üben, d.h. sowohl Trägheit als auch Überforderung zu meiden. Disziplin, das richtige Maß, spielt jedesmal eine Schlüsselrolle. Gerade in der Fastenzeit soll sich jeder prüfen, wie es mit Zucht und Maß bei der Lebensführung bestellt ist. Habe ich mein Leben unter Kontrolle? Versuche ich, mich gesund und leistungsfähig zu halten, um anderen möglichst keine Last, sondern möglichst eine Stütze sein zu können? Versuche ich, meinen Körper so zu beherrschen, dass meine Talente möglichst zur Entfaltung kommen können? Oder lasse ich meinen Körper verkommen und verwahrlosen? Bin ich träge, bin ich in meiner Leistungsfähigkeit geschwächt und gelähmt? Hindere ich meine Talente durch eine ungesunde Lebensweise an der Entfaltung? Verirren wir uns also nicht in irgendwelchen Diätplänen, die mit der Fastenzeit gar nichts zu tun haben oder ihr gar widersprechen. Sehen wir das Fasten als Opfer, als Ausdruck unserer Liebe zu Gott. Beweisen wir Gott, dass wir bereit sind, auch auf erlaubte Genüsse zu verzichten, eben damit wir den Himmel als unser eigentliches Ziel nie aus den Augen verlieren. Sehen wir das Fasten als Buße, als Beweis, dass wir unsere Sünden aufrichtig bereuen und uns bemühen, Gott künftig nicht mehr zu beleidigen. Die richtige Geisteshaltung wird vom hl. Paulus in demselben 1. Korintherbrief (10,31) so beschrieben: "Mögt ihr also essen oder trinken oder sonst etwas tun, so tut alles zur Ehre Gottes."
Richten wir unser Leben ganz auf Christus aus, der selbst gefastet hat und der das Fasten empfohlen hat. Wenn wir die Tugend der Mäßigung üben, auch durch Erfüllung der kirchlichen Fastenvorschriften, dann tun wir es aus Liebe zu Christus, um den unvergänglichen Kranz zu empfangen, um dereinst teilzuhaben an der ewigen Freude des Himmels. Amen.

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