16.11.97, 26. Sonntag nach Pfingsten [sechster (nachgeholter)
Sonntag nach Erscheinung]
(1 Thess 1,2-10; Matth 13,31-35)
"Jesus verkündete das Reich Gottes, gekommen ist die Kirche!" Mit
dieser bekannten Parole wollten die Kirchenhasser des 19. und 20. Jahrhunderts
dem naiven Volk einreden, die Kirche habe eigentlich nichts mit dem zu
tun, was Jesus bewirkt und gewollt hat. Besteht tatsächlich ein unüberbrückbarer
Gegensatz zwischen den Gleichnissen vom Reich Gottes bzw., wie es im Matthäus-Evangelium
heißt, vom Himmelreich und der Kirche?
Sicher ist, daß die verschiedenen Aussagen und Gleichnisse Jesu
dazu dienen, verschiedene Aspekte dieses Himmelreiches herauszustellen.
Die Gleichnisse beleuchten die eine Wirklichkeit des Himmelreiches unterschiedlich,
wobei bereits in der Bezeichnung "Himmelreich" oder "Reich Gottes" der
übernatürliche, überweltliche, nicht profane, sondern heilige
Charakter dieses Reiches zum Ausdruck kommt. Im Gleichnis vom Senfkorn
liegt die Betonung auf dem Wachstum: Das Himmelreich beginnt unscheinbar,
quasi verborgen, es wird aber größer und kann jedem eine Heimat
bieten. Im Gleichnis vom Sauerteig liegt die Betonung auf der Ausbreitung
dieses Reiches durch Umgestaltung der Welt, was im Verborgenen geschieht:
In dem überlieferten griechischen Text und in der lateinischen Übersetzung
heißt es, daß die Frau den Sauerteig im Mehl "verbarg". Dieser
"verborgene" Sauerteig geht nicht im Mehl verloren, sondern breitet sich
aus und gestaltet das ganze Mehl um, kommt also erst mit der Zeit ganz
zur Geltung.
Die Kirchenkritiker, organisiert z.B. in den unzähligen christlich
gefärbten Sekten des Protestantismus, wollen die Predigt Jesu nur
noch im endzeitlichen Sinne gelten lassen: Jesus habe nur das selige Endreich
gemeint, als er vom Himmelreich sprach. Markant formulierte es in unserem
Jahrhundert der protestantische Theologe Karl Barth: "Christentum, das
nicht ganz und gar und restlos Eschatologie ist, hat mit Christus ganz
und gar und restlos nichts zu tun." Die Eschatologie ist die Lehre von
den letzten Dingen, d.h. Weltende, Endgericht, Fegefeuer, Himmel und Hölle.
Kurz gesagt: Glaubt man den Kirchenhassern, dann ist das Reich Gottes nur
die kommende Welt. Unbezweifelbar ist das Himmelreich erst in seiner Endgestalt
gekennzeichnet von ewigem Leben und ewigen Frieden, aber wenn es sich nur
darin erschöpfen würde, wären die Worte Jesu: "Das Reich
Gottes ist unter euch" (Lk 17,21), sinnlos.
Insbesondere der Gedanke einer Gemeinschaft, eines sichtbaren Reiches,
liegt in dem Gleichnis vom Senfkorn: Die Vögel des Himmels kommen
und wohnen in seinen Zweigen. Damit ist den Träumereien einer Privatseligkeit,
die sich nicht um Glaubensgemeinschaft schert, der Riegel vorgeschoben.
Wer dem Reich Gottes angehören will, der muß in dieser Gemeinschaft
Wohnung nehmen, so wie ein Vogel zusammen mit anderen Vögeln in einem
ganz bestimmten Baum sein Nest hat. Und es gibt nur einen Baum, nur ein
Reich, nicht beliebige Gemeinschaften. Es gibt nur ein Reich, das Christus
gepflanzt hat, und demnach sind alle anderen Gruppierungen bestenfalls
schlechte Kopien, die aber niemals wirkliche Heimat geben, d.h. wirklichen
Heilswert besitzen können.
Orientiert man sich also an dem, was Jesus gepredigt hat, dann kann
man nicht von mehreren Heilswegen außerhalb des einen Reiches Gottes
reden. Ebensowenig kann derjenige Glaube sich auf Christus berufen, der
sich nicht um die Gemeinschaft kümmert. Angesichts dieser Tatsachen,
die sich aus dem Gleichnis vom Senfkorn ergeben, versuchen die Kirchenhasser
nun in Frage zu stellen, daß gerade die römisch-katholische
Kirche mit Papst und Bischöfen dieser eine heimatspendende, lebenserhaltende
Baum ist. Aus den weiteren Aussagen Christi ist aber auch diese Verständnismöglichkeit
versperrt. Mit Blick auf die Berufung der Apostel und insbesondere mit
Blick auf die Beauftragung des Petrus erweist sich jeder Kampf gegen die
Kirche als eine organisierte Gemeinschaft, in der jeder Mensch seinen Platz
suchen muß und auch finden kann, um gerettet zu werden, als lächerliches
Hirngespinst. Wie die Geschichte beweist, sind die ganzen christlich gefärbten
Sekten nur Abspaltungen von dem, was Christus gegründet hat. Wer z.B.
einen Glaubenssatz, das Papsttum oder anderes, was grundlegend zur Kirche
gehört, in Frage stellt, der lebt eben nicht in dem einen Baum des
Himmelreiches, der befindet sich nicht in der Arche des Heiles, der hat
die eindringlichen Aufrufe Jesu, das Himmelreich anzunehmen, ausgeschlagen,
der lebt in einer trügerischen Heimat, die keine wirkliche Geborgenheit
bietet. Diejenigen aber, die das Himmelreich annehmen, haben diese Geborgenheit,
sie Leben im Schutz des Baumes, schon jetzt in der Freundschaft mit Gott,
die einst im der ewigen Seligkeit zur Vollendung gelangen wird. Danken
wir unserem Herrn Jesus Christus also für den Segen, den er uns in
und durch seine Kirche zukommen läßt, und bitten wir ihn darum,
daß wir uns nie von der römisch-katholischen Kirche trennen.
Amen.
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