Der Fall Peggy Knobloch / Ulvi Kulac
- Ein Schreiben der "Bürgerinitiative" an den bayerischen
"Innenminister" Günther
Beckstein (CSU) -
(Kirche zum Mitreden, 29.03.2007)
Im nachfolgenden wird der vollständige Text des Briefes
wiedergegeben, den die "Bürgerinitiative" an Günther
Beckstein (CSU) geschrieben hat. Derzeit lassen sich recht einfach
weitere Informationen zum darin behandelten Vorfall auffinden; es
bleibt den Lesern überlassen, die Argumentation abzuwägen.
Für
KzM interessant ist der Fall zunächst deshalb, weil er
bestätigt, dass nicht jeder in der brd vollauf mit der "Justiz"
zufrieden ist - selbst wenn er die brd für einen Rechtsstaat und
überhaupt für ein legitimes Gebilde hält. Ferner krankt
unsere Gesellschaft nicht zuletzt an der "Jeder ist sich selbst der
Nächste"-Mentalität: "Wenn jeder an sich denkt, ist an alle
gedacht." Damit hat man zwar eine Horde von skrupellosen Egoisten, aber
noch kein funktionierendes gesellschaftliches Gefüge. Solange man
nicht selbst direkt betroffen ist, zuckt man allenfalls mit den
Schultern, wenn man von Justizverbrechen hört. Außerdem wird
derzeit eine KzM-Stellungnahme zu einem recht prominenten Fall von
zweifelsfrei erwiesenem "Unrecht im Namen des Volkes" vorbereitet.
Auf einen Zeilenkommentar zum Schreiben der "Bürgerinitiative"
wird hier verzichtet. Eine Anmerkung ist aber notwendig: Im Schreiben
heißt es: "Einmalig dürfte jedoch auch sein, dass ein Urteil unter
gröblichster Missachtung der Strafprozessordnung sowie geltender
Gesetze zustande kam."
So etwas ist in
der brd nicht einmalig, sondern alltäglich.
// Lichtenberg,
am 25. März 2007
Betr.: Schreiben der
Bürgerinitiative vom 4.5.2006
Sehr geehrter Herr Innenminister!
Auf Grund Ihrer durch die
Bundesjustizministerin bestätigten Zuständigkeit als
Innenminister wandten wir uns mit Schreiben vom 4.5.06 an Sie und
forderten eine Überprüfung der skandalösen Vorgänge
bei den Ermittlungen, die schließlich zur Verurteilung des
Behinderten führten. Eine Antwort unseres Schreibens steht bis
zum heutigen Tag aus.
Skandalös wurde im
spektakulären Fall der bis heute v e r s c h w u n d e n e n Peggy
Knobloch ein Schauprozess geführt und der geistig
Behinderte Ulvi Kulac 2004 zu lebenslanger Haft verurteilt.
1)
Für uns Zeugen war das Urteil
gegen den geistig behinderten Ulvi Kulac aus Lichtenberg ein derber
Schlag ins Gesicht, denn
wir haben damals tatnah,
unmittelbar nach dem Verschwinden des Mädchens gegenüber
Ermittlungsbeamten unabhängig voneinander nach bestem Wissen und
Gewissen unsere Aussage getätigt, nämlich
„wir haben das
Mädchen an diesem
Tag nach dem angeblichen Mordzeitpunkt
noch gesehen, ja sogar
noch am nächsten Tag“! Wir kannten das Mädchen
genau und eine Verwechslung ist ausgeschlossen.
Ermittlungsbeamte der
von Ihnen persönlich eingesetzten Soko II versuchten
in einem teuflischen Spiel uns Zeugen ein Jahr später in
stundenlangen Verhören in menschenverachtender Art und Weise zu
anders lautenden Aussagen zu bringen, um uns dann schließlich
für unglaubwürdig zu erklären.
Namentlich bekannte,
entlastende Zeugen des Behinderten wurden gar nicht
erst bei Gericht vorgelassen, Zeugenaussagen wurden manipuliert.
Mit dieser Vorgehensweise wurde in
eklatantester Art und Weise gegen Artikel 3 und 6 der Konvention zum
Schutze der Menschenrechte verstoßen.
Wir fordern eine
Untersuchung der damaligen skandalösen Vorgänge durch die
Ermittler der Soko II, die uns zu unglaubwürdigen
Entlastungszeugen machten!
Wenn wir nach einem
Jahr unserer Aussage uns nicht mehr an Einzelheiten erinnern
können,
ist das keinesfalls unglaubwürdig, sondern einfach eine
natürliche menschliche Gedächtnisfunktion.
2)
Ein Ermittlungsverfahren
gegen zwei Hofer Beamte wegen Körperverletzung im Amt
wurde von der Hofer Ermittlungsbehörde eingestellt. Diese
Einstellung war unrechtmäßig und basiert auf Lügen.
Nachfolgend
aufgeführte
Tatsachen rechtfertigen zwingend die Wiederaufnahme dieser
Untersuchung:
a)
Das maßgebliche
Vernehmungsdatum wird von der Strafverfolgungsbehörde mit dem
6.9.01 angegeben, denn nur so ist sichergestellt, dass die
Einstellungsbegründung greift.
Wahr ist: Die
maßgebende
Vernehmung fand bereits am 29.8.01 statt. Laut Wortprotokoll wurde
der geistig Behinderte nicht auf die Möglichkeit der Anwesenheit
eines Rechtsbeistandes hingewiesen. Dies stellt somit eine Verletzung
des § 163a i.V.m. sowie § 136 Absatz 1 Satz 2 StPO dar!
b)
Der sachbearbeitende Staatsanwalt
behauptete wahrheitswidrig, es existiere keine Tonaufnahme der
maßgeblichen Vernehmung.
Wahr ist: Es existiert
ein vom Tonträger abgeschriebenes, von den Vernehmern
unterzeichnetes und beglaubigtes Protokoll vom 29.8.2001.
Die Sicherung und
Auswertung dieses unveränderten Tonträgers ist
zwingend erforderlich.
c)
Der ltd. Hofer
Oberstaatsanwalt, Herr Schmitt
erklärte
wahrheitswidrig vor Medien, der Behinderte hätte niemals
vor dem 2.6.2005 von irgendwelchen Misshandlungen berichtet.
Wahr ist: Es liegen
Zeugenaussagen vor, wonach der Behinderte am „Anfang“ der
Vernehmungen von erlittenen tätlichen Angriffen berichtet.
Gleiche Angaben macht der Behinderte
gegenüber anderen Ermittlern lt. Vernehmungsprotokoll bereits am
24.6.2002 und nennt die beiden Ermittler namentlich.
Ohne Zwang und jegliche Vorgaben
berichtet er gegenüber seinem Gutachter bereits am 19.10.02
sowie am 24.1.2003, dass zwei Hofer Beamte (namentlich
genannt) ihn während der Vernehmung ohne Beisein eines
Rechtsanwalt tätlich angegriffen und Schmerzen zugefügt
haben. Wortwörtlich: „Es hat wehgetan“!
Weiter berichtet er dies glaubhaft vor
seinem Rechtsanwalt am 20.2.2006 und nennt die Namen der
beiden Ermittler.
In der Anhörung vor dem
Ermittlungsrichter am 16.3.2006 rekonstruierte er das damalige
Vorgehen der Ermittler an der Person seines
Rechtsanwaltes.
Er zeigt an Hand einer Skizze
die gegebenen Räumlichkeiten auf, welcher Beamte wo saß
und welcher ihn tätlich angegangen war, so dass daraus eindeutig
feststeht, welcher der beiden ihn angegriffen hat.
Es liegen schriftliche
Zeugenaussagen von Pflegepersonal vor, denen er von den
Übergriffen und unzulässiger Vorgehensweise der Ermittler
berichtete.
Vom Bundesgerichtshof erging
verbindlich die Feststellung, dass zur Folter
nicht einmal das Ziel gehöre,
ein Geständnis zu erpressen. Es genüge nach
internationalem Recht schon, wenn
einem Verdächtigen körperliche oder
seelische Schmerzen zugefügt
werden, um ihn einzuschüchtern.
Sehr geehrter Herr Dr. Beckstein!
Es soll wohl bisher einmalig in
Deutschland sein, dass sich Menschen für einen zu lebenslanger
Haft Verurteilten einsetzen. Einmalig dürfte jedoch auch sein,
dass ein Urteil unter gröblichster Missachtung der
Strafprozessordnung sowie geltender Gesetze zustande kam. Aufs
Schamloseste wurde die Behinderung eines Menschen ausgenutzt.
Wir Bürger eines freien
demokratischen Landes empfinden die Ignoranz unseres Schreibens durch
Sie als verantwortlichen Politiker schlichtweg als persönliche
Missachtung und Demütigung.
Wir appellieren hiermit an Ihr Gewissen
sowie Ihre Kompetenz und fordern eine Untersuchung der skandalösen
Vorgehensweise!
Auf Grund der Brisanz dieser Sache
erlauben wir uns, dieses Schreiben auch der Öffentlichkeit
zugängig zu machen. //
Bevollmächtigter der Zeugen
Vertreter der Bürgerinitiative
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