Die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft
- Pressemeldung: Das Justizministerium Baden-Württemberg
kommentiert Rechtsbeugungen nicht -
(Kirche zum Mitreden, 27.06.2016)
"Bitte haben Sie Verständnis, dass das Ministerium der Justiz und
für Europa einzelne Gerichtsentscheidungen wegen des Grundsatzes der
richterlichen Unabhängigkeit grundsätzlich nicht kommentieren oder
bewerten kann." So das Justizministerium Baden-Württemberg -
Aktenzeichen E-1402.2012/193 / 07.06.2016. Zur Erläuterung:
1. Richtig ist, dass der Artikel 97 (1) Grundgesetz oft nur halb
zitiert und damit ganz entstellt wird: "Die Richter sind unabhängig
und nur dem Gesetze unterworfen." D.h. sobald ein Richter sich nicht
dem Gesetz unterwirft, sind gegen ihn Maßnahmen fällig, cf.
Rechtsbeugung § 339 StGB.
2. S. dazu allgemein Horst Trieflinger, Verein gegen
Rechtsmissbrauch e.V. - justizgeschaedigte.de, Rechtsbeugung und
Dienstaufsicht: "Im Gegensatz zur gesetzgebenden und zur
gesetzesvollziehenden Gewalt ist die rechtsprechende Gewalt (die
Rechtsprechung) keiner direkten Kontrolle ausgesetzt. Die
Rechtsprechung kontrolliert sich selber. Offenbar geht dies über
ihre Kraft. [...] Gemäß Artikel 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) ist die
Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden. Letztverbindliche
Instanz für die zur Auslegung und Anwendung dieser beiden
gesetzlichen Vorschriften ist der Bundesgerichtshof (BGH). Die
folgenden Ausführungen beweisen, dass der BGH diese Rechtsnormen
gesetzwidrig auslegt und anwendet, so dass sie nur noch sehr
eingeschränkt wirken können. [...] Die durch den BGH gesetzwidrig
ausgelegten und somit gegen das Gesetz angewendeten beiden
Vorschriften verstoßen nicht nur gegen deren Gesetzeswortlaut,
sondern auch gegen Art. 20 Abs. 3 GG, wonach die Rechtsprechung an
Gesetz und Recht gebunden ist. Dadurch wird die der rechtsprechenden
Gewalt auferlegte Selbstkontrolle fast beseitigt. [...] Auch für die
Rechtsprechung gilt: Unkontrollierte Macht korrumpiert."
3. S. dazu konkret Dr. Dr. habil. Richard Albrecht, »"Beleidigung"
als justitielles Konstrukt von Verfolgerbehörden«: » Solange
„Beleidigung“ nicht im Strafgesetz definiert ist, kann „Beleidigung“
gar nicht rechtserheblich („justitiabel“) sein. Jedem angeblichen
Beleidiger muß entsprechend des Hinweises im Strafgesetzbuch auf
„Verbotsirrtum“ (StGB § 17) „die Einsicht, Unrecht zu tun" , fehlen.
Wer aber „ohne Schuld handelt“, darf nach Recht und (Straf-) Gesetz
in Deutschland nicht bestraft werden. Sondern muß als Unschuldiger
nach dem zwingenden Rechtsgrundsatz "Keine Strafe ohne Schuld"
[nulla poena sine culpa] freigesprochen werden, weil nur der
bestraft werden darf, der schuldhaft handelt. Beim undefinierten,
damit im Sinne von Recht und Gesetz fiktiven, dazu phantomischen und
virtuellen Straftatbestand "Beleidigung" aber kann diese keinem
Täter individuell vorgeworfen werden, weil infolge fehlender
Definition keiner wissen kann, was "Beleidigung" überhaupt ist.« Die
BRD-"Beleidungsjustiz", wobei das gigantische Spektakel um die
"Schmähkritik" von Jan Böhmermann an dem türkischen Präsidenten
Recep Tayyip Erdogan nur ein winziges Mosaiksteinchen der
Beleidigungs-Unbestimmtheit ist, ist nur noch schädlich für das
Recht. Bert Steffens spricht diesbzgl. ausdrücklich von
"Verbrechen", und allein solche "Justizverbrechen" gehen bereits in
die Millionen.
4. Infolge der völlig außer Kontrolle geratenen Justiz gibt es zwar
nahezu nie ein Strafverfahren, geschweige denn eine Verurteilung
wegen Rechtsbeugung. Aber eine Verurteilung eines Amtsrichters gab
es schließlich doch einmal, s. lto.de v. 07.03.2016: "Der
Amtsrichter habe mit der Möglichkeit der Unrichtigkeit seiner
Entscheidungen gerechnet und diese billigend in Kauf genommen."
Also: Im Grunde kann ein Richter sich nur damit vor seiner
fristlosen Entlassung sowie vor schwersten Verurteilungen und
Forderungen wie Schadensersatz, Schmerzensgeld usw. usf. schützen,
dass er jede einzelne seiner Entscheidungen sachlich und logisch
nachvollziehbar schriftlich begründet (wobei er sich natürlich nicht
zu wiederholen braucht, d.h. es bliebe ein sehr begrenzter Aufwand).
Das mag ein hoher Anspruch sein, aber mal ehrlich: In nahezu jedem
Beruf, und sei er hinsichtlich öffentlichen Ansehens und
finanziellen Ertrages noch so niedrigstehend, kann schon die
kleinste Unachtsamkeit, ja das kleinste Missgeschick schlimmste,
ruinöse Folgen haben. Wenn nun nahezu überall nahezu eine
Null-Toleranz bei Fehlern besteht: Wie könnte, wie dürfte man für
Richter praktisch eine Total-Toleranz dulden?
5. Zugegeben: Der Straftatbestand der Rechtsbeugung ist vom
Bundesgerichtshof gesetzwidrig uminterpretiert worden. Aber eben:
Die "richterliche Unabhängigkeit" garantiert, dass ein Richter
unabhängig von gesetzwidrigen Anordnungen handeln muss. Ja, trotz
aller Umtriebe des BGH bleibt jeder Richter nach wie vor "nur dem
Gesetze unterworfen" - und lt. Gesetz ist Rechtsbeugung strafbar.
6. Die BRD-Justiz hat als Maxime "Ehrenschutz ist Täterschutz". Wird
ein Richter oder Staatsanwalt eindeutig als Rechtsbeuger überführt,
erfolgt praktisch immer eine schwere Verurteilung, u.z. nur gegen
den, der die Rechtsbeugung klar bewiesen hat, u.z. mit dem
Tatvorwurf "Beleidigung". S. Tröndle/Fischer, StGB, München
(52)2004, zu §185: »In der strafrechtlichen Praxis kann die
Bedeutung des Ehrenschutzes mit dem Gewicht seiner theoretischen
Ableitung schwerlich mithalten... Die Mehrzahl der Anzeigeerstatter
wird ohne größeres Federlesen auf den Privatklageweg verwiesen und
erleidet dort nach Zahlung von Sicherheitsleistungen (§379 StPO),
Gebührenvorschuss (§379a), Kostenvorschuss für das Sühneverfahren
(§380) und des zur Erhebung einer formgerechten Klage in der Regel
erforderlichen Rechtsanwaltshonorars regelmäßig Schiffbruch (§383
II), in hartnäckigen Fällen eine Sonderbehandlung zur Abwehr des
Querulantentums... Für das Legalitätsprinzip und das gesetzliche
Normalverfahren bleibt ein kleiner Kern von Taten übrig, unter deren
Opfer Amtsträger und öffentlich wirkende Personen überrepräsentiert
sind.«
7. Das Schreiben, welches das Justizministerium (nicht) kommentiert,
ist die Pressemeldung "Der Europäische Gerichtshof für
Menschenrechte und Abtreibung", veröffentlicht vom Verf. am
23.05.2016. Ein Ausschnitt: »Es war jedem Politiker, jedem
Staatsanwalt und jedem Richter zu jeder Zeit absolut vollkommen klar
und bewusst, dass die ganzen BRD-Prozesse gegen Lebensschützer
vollkommen illegal und objektiv rechtsunwirksam sind, weil sie jeder
gerechten Ordnung diametral widersprechen (cf. "Radbruchsche
Formel").« Natürlich ist es ohnehin für jeden erlaubt und ggf. sogar
verpflichtend, gerichtliche Urteile zu kommentieren. Und ohnehin
sollte das Justizministerium kein Urteil, sondern den Text des Verf.
kommentieren. Und selbst wenn dem Justizministerium das Verständnis
für diese beiden Offenkundigkeiten tatsächlich fehlen sollte: Das
Thema ist die Arbeit der Staatsanwaltschaften, und damit ist das
Justizministerium ganz direkt höchstselbst betroffen. Bekanntlich
hatte der damalige Generalbundesanwalt Harald Range am 04.08.2015
bzgl. _seiner_ Arbeit erklärt: "Auf Ermittlungen Einfluss zu nehmen,
weil deren mögliches Ergebnis politisch nicht opportun erscheint,
ist ein unerträglicher Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz."
S. dazu Gerhard Strate, zeit.de, 06.06.2015: »Tatsächlich sind
solche Forderungen völlig geschichtsvergessen. Sie missachten die
historisch gewachsene Gewaltenteilung in der Justiz. Eine
"Unabhängigkeit der Justiz" wäre für den Rechtsstaat keine Stärkung,
sondern eine Katastrophe. Das Grundgesetz kennt diese Sorte
Unabhängigkeit gar nicht. Es kennt nur die Unabhängigkeit der
Richter, ihnen allein ist die rechtsprechende Gewalt anvertraut. Den
Staatsanwalt kurzerhand zu einem "Teil der Dritten Gewalt" zu
erklären, dem dieselbe Unabhängigkeit gebühre wie dem Richter – das
wäre das Ende vom fein austarierten System unserer rechtsstaatlichen
Justiz. [...] Die Staatsanwaltschaft wurde allein dem Justizminister
unterstellt – nicht etwa dem Innenminister – um zu vermeiden, dass
die Polizeistaatlichkeit noch zusätzlich verstärkt werde. Das
externe Weisungsrecht des Justizministers ist auch aus
rechtsstaatlichen Gründen notwendig, da anderenfalls die
Staatsanwaltschaft (als eine der Rechtspflege zwar zugeordnete, aber
trotzdem der Exekutive angehörende Institution) der
parlamentarischen Kontrolle entzogen wäre.«
8. Diese Abtreibungs-Pressemitteilung steht ganz konkret im Kontext
zahlreicher Strafverfahren gegen Lebensschützer. D.h. es geht um
Aktivitäten von Staatsanwaltschaften und somit eigentlich um
Aktivitäten von Justizministern. Zum Hintergrund s. Prof. Erich
Blechschmidt, Wie beginnt das menschliche Leben, Stein am Rhein
(6)1980, 30f: "Schon der einzellige menschliche Keim ist ein
individueller Organismus. [...] Auch der junge Keim entwickelt sich
als menschlicher Keim und nicht als irgendein Etwas, aus dem später
- vielleicht sogar nur zufällig - ein Mensch werden kann. [...]
Zusammengefasst: es gibt ein Gesetz von der Erhaltung der
Individualität, welches für die ganze Dauer des menschlichen Lebens,
von der Befruchtung bis zum Tode gilt." Lebensschützer erinnern an
diese offenkundigen Tatsachen. Der Staat hingegen verweigert
einerseits den Ungeborenen trotzdem den Lebensschutz; stattdessen
duldet resp. fördert er Abtreibungen. Anderseits betreibt der Staat
eine massive Verfolgung von Lebensschützern, und diese
Verfolgungsmaßnahmen wiederum erfolgen obendrein oft mit dem
Tatvorwurf: *Beleidigung* - manchmal auch mit der ähnlichen
"Volksverhetzung", dazu a.a.S. mehr.
Also statt dass das Justizministerium dafür sorgt, dass die
untergebenen Staatsanwälte gegen rechtsbeugende Richter vorgehen,
duldet das Justizministerium resp. sorgt es dafür, dass die
untergebenen Staatsanwälte das Recht beugen, indem sie gegen
Lebensschützer vorgehen, die an das Lebensrecht der Menschen im
Mutterleib erinnern. Das Justizministerium kommentiert diese
ungesühnten und permanenten Rechtsbeugungen nur mit der falschen und
sowieso belanglosen Behauptung, dass es Gerichtsentscheidungen nicht
kommentieren oder bewerten könne. Ein äußerst schwacher und äußerst
vielsagender Kommentar.
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