Das Vertrauen der Bevölkerung in
die Rechtsprechung
- Pressemitteilung zum Kommentar von Wolfgang Thierse im "Fall
Emmely"-
(Kirche zum Mitreden, 26.02.2009)
Ein momentanes Tagesgespräch ist die Supermarkt-Kassiererin
Barbara E. ("Emmely"), die nach mehr als 30 Berufsjahren fristlos
gekündigt wurde, weil sie angeblich ihren Arbeitgeber um 1,30 Euro
betrogen hatte. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
erklärte die Kündigung nun für rechtens. Interessant ist
dabei der Kommentar von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD), das Urteil sei
"barbarisch" und "asozial" - aber nicht wegen des Inhaltes, denn
dergleichen äußern auch andere, sondern wegen der Reaktion
seitens der Justiz auf den Thierse-Kommentar: Karin Aust-Dodenhoff,
Präsidentin des Landesarbeitsgerichts, erwiderte: "Diffamierungen
der Gerichte, zumal von einem der höchsten Repräsentanten
unseres Landes, sind demgegenüber in keiner Weise hinnehmbar."
Vielmehr seien sie geeignet, das Vertrauen der Bevölkerung in die
Rechtsprechung zu beeinträchtigen. Außerdem griffen sie in
die Unabhängigkeit der Gerichte ein.
Also: Dass eine bloße Meinungsäußerung in die
Unabhängigkeit der Gerichte eingreift, ist absurder Unfug und
allenfalls Ausdruck von panischer Angst der Justiz, dass die
Bevölkerung sich irgendwann nicht mehr alles bieten lassen und
dann die Gerechtigkeit sich doch einmal durchsetzen könnte.
Und zum "Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtsprechung" s.
Ex-BGH-Richter Wolfgang Neskovic (Der Mythos von der hohen Moral der
Richter: Zeitschrift für anwaltliche Praxis (ZAP), 25.7.1990, S.
625):
"Die Kritik von Anwälten und Prozessparteien wird
regelmäßig als einseitig zurückgewiesen, die von
Journalisten mangels Fachkompetenz nicht ernst genommen und die von
Politikern als Angriff auf die richterliche Unabhängigkeit
denunziert. Es ist ein Phänomen unserer Mediendemokratie, dass ein
Berufsstand, der über eine so zentrale politische, soziale und
wirtschaftliche Macht verfügt wie die Richterschaft, sich so
erfolgreich dem Prüfstand öffentlicher Kritik entzogen hat.
[...] Die Rechtsprechung ist schon seit langem konkursreif. Sie ist
teuer, nicht kalkulierbar und zeitraubend. Nur noch 30 Prozent der
Bevölkerung haben volles Vertrauen zur Justiz. Der
Lotteriecharakter der Rechtsprechung, das autoritäre Gehabe, die
unverständliche Sprache und die Arroganz vieler Richter (innen) im
Umgang mit dem rechtsuchenden Bürger schaffen Misstrauen und
Ablehnung."
Die Gerichte sorgen deshalb offenkundig immer schneller dafür,
Kritiker mundtot zu machen. Die Richterkaste greift immer verzweifelter
zu Pseudo-Rechtsmitteln wie dem objektiv illegalen, da gesetzlich
unbestimmten Phantomdelikt "Beleidigung",
um das inexiste Vertrauen in die Rechtsprechung durch Furcht vor der
Justiz zu kompensieren. Dementsprechend sind viele Justizkritiker
mittlerweile verstummt, weshalb auch immer.
Trotzdem wird die Kritik am BRD-Unrecht lauter. Im Zusammenhang mit
diesem "Fall Emmely" verweist die "Süddeutsche Zeitung" (Justiz
und kleine Leute, 25.02.2009) auf einen Artikel von Ex-OLG-Richter
Helmut Kramer in "Schwarzbuch Deutschland. Das Handbuch der vermissten
Informationen", wo u.a. die "brandenburgische Trennungsgeldaffäre"
erwähnt wird: Richter und Beamte hatten mindestens zwei Millionen
Euro Trennungsgeld zu Unrecht bezogen, wurden aber meist nur mit
Rückzahlung der Gelder "bestraft": "Es gab 269 Verdachtsfälle
allein im Bereich der Justiz, also bei Richtern und Staatsanwälten
- aber nur eine einzige Verurteilung. Und das Vertrauen des
Arbeitgebers in die Integrität der Richter, Staatsanwälte und
Beamten, das bei Supermarktkassiererinnen, Bäckerei-Filialleitern
und Versicherungs-Kundenbetreuern so wichtig ist, war hier offenbar
nicht nachhaltig beschädigt."
Eine Bevölkerung, die noch Vertrauen in eine solche Rechtsprechung
hat, hat selbst kein Vertrauen verdient.
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