"Alma mater", Teil 2
- Die Bedeutung der akademischen Anstalten für den konziliaren Umbruch
-
(aus Franziskaner-Gemeindebrief, April 1997)
Im ersten Teil unseres Textes "Alma mater" haben
wir festgestellt, daß die Dissertation des angeblich katholischen
Bischofs G. Storck a) einen antikatholischen Autor (Fichte) anpreist, b)
von einem antikatholischen Professor (Scheffczyk) angenommen wurde und
c) in einer antikatholischen Zeitschrift ("Einsicht") empfohlen wird. Bis
heute, gut drei Wochen nach Veröffentlichung des ersten Teiles, sind
allerdings nur positive Kritiken bei uns eingetroffen, obgleich nach Möglichkeit
alle Hauptpersonen unseres Artikels (v.a. natürlich Scheffczyk und
der Heller-Kollege Jerrentrup) frühzeitig den Text erhalten haben.
Damit zum zweiten Teil:
II. Storcks Kampf gegen Christus und seine Kirche
Zu Beginn bereits unser Urteil über Storcks Text: Dieser verdient
die Bezeichnung "Doktorarbeit" genauso, wie die Konzilssekte den Namen
"röm.-kath. Kirche" verdient, nämlich überhaupt nicht -
aus kirchlicher Perspektive. Aus staatlicher Perspektive verpflichtet z.B.
das geltende deutsche Recht natürlich zweifelsfrei, die Konzilssekte
mit der röm.-kath. Kirche gleichzusetzen und Storcks konfus-chaotisches
Geschreibe als echte Doktorarbeit zu bezeichnen, und dies stellen wir keineswegs
in Abrede. Für unsere Position spricht u.a., daß Storck mit
seiner Kritik an dem größten aller Kirchenlehrer, dem hl. Thomas
von Aquin (1225-1274), der zugleich die Blütezeit der Hochscholastik
repräsentiert, schwere Mängel an scholastischen Kenntnissen verrät,
weswegen der Verdacht zumindest naheliegt, daß er sich nie ernsthaft
mit Thomas bzw. generell mit katholischer Theologie beschäftigt hat.
Sollte dies der Fall sein, erinnern wir an den Abschnitt aus der Antimodernisten-Enzyklika
"Pascendi" des hl. Papst Pius X.: "In Zukunft soll niemand mit einem Doktorgrad
in Theologie und im kanonischen Recht ausgezeichnet werden, der die festgesetzen
Ausbildungsinhalte in der scholastischen Philosophie vorher nicht gründlich
durchgearbeitet hat. Falls er [der Doktorgrad] verliehen wird, sei er wirkungslos
verliehen" (Nr. II).
Wenn man Storcks Machwerk aufschlägt, fällt zunächst
der hohe Anteil an Fußnotentext auf. Üblicherweise dienen Fußnoten
nur zur Angabe von Fundstellen, d.h. wenn man im Haupttext (durch Zitat,
Paraphrasierung oder Inhaltsangabe) auf einen fremden Text hinweist, werden
in der Fußnote die genauen bibliographischen Angaben hinzugefügt
(Ausnahmen sind natürlich möglich, z.B. können Fußnoten
auch als Zeilenkommentar zu einem fremden Haupttext verwendet werden).
Storck allerdings setzt auf manchen Seiten mehr Text in den Fußnoten-
als in den Hauptbereich, der Leser hat also keinen durchstrukturierten,
gedankenentwickelnden Text vor sich, sondern wird mit Unmengen von Randbemerkungen
und Miniaturexkursen konfrontiert - kurz: Schon rein formal herrscht ein
heilloses Durcheinander in der Textgestaltung. Möglicherweise versuchte
Storck, dadurch auf die Mindestseitenzahl für eine Dissertation zu
kommen, daß er wertlose Aphorismen einschaltete wie: "Große
Heiligengestalten haben ihre oft großartigen theologischen Einsichten
oft nicht aus der Schultheologie" (FN 291, S. 84). Na da schau her! Wirklich
bestechend, diese klare Präzision der Aussage!
Der Verdacht, Storck wolle seine Leser mit solchen Statements für
dumm
verkaufen, erhärtet sich bei den Weisheiten, die er über die
Tugend der Klugheit vom Stapel läßt: "Der Dieb, der einen Diebstahl
mit höchster Klugheit durchführt, wäre dann [d.h. nach klassischer
Ethik / Moraltheologie] genauso tugendhaft wie der Gerechte!" (FN 17, S.
24). Hier zeigt sich ein eklatanter Mangel an philosophisch-theologischem
Wissen; in der Tat ist die Klugheit "auriga et moderatrix omnium virtutum"
[Lenkerin und Beherrscherin aller Tugenden] (zit. nach Noldin-Schmitt,
Summa theologiae moralis, Bd. I, Regensburg (25) 1937, Nr. 266), und richtig
schreibt B. Häring: "Der Schlaue besitzt die Fähigkeit, die Wirklichkeit
daraufhin zu übersehen, wie sie seinen Plänen dienstbar gemacht
werden kann. Der Kluge besitzt eine ebenso wache Hellhörigkeit wie
der Schlaue, aber er hört aus dem Gang der Welt heraus, wie er alles
in den Dienst des Guten, letztlich in den Dienst Gottes stellen kann" (Das
Gesetz Christi, S. 318f, Freiburg 1954; n.b. nur diese erste Ausgabe von
Härings Standardwerk kann guten Gewissens verwendet werden, da Häring
später mehr und mehr liberale Ansichten vertrat). Man muß befürchten:
Storcks Text enthält soviele dumme und falsche Aussagen, daß
es nur noch eine trostlose Fleißaufgabe wäre, alles aufzuzeigen
bzw. richtigzustellen.
Als besonders vernunftbeleidigend ist folgende Position Storcks zu
bewerten: Bereits im Vorwort stöhnte Storck: "Durch eine langjährige
Beschäftigung als Assistent am dogmatischen Seminar gab er [Leo Scheffczyk,
der "Doktorvater"] mir freundlicherweise die Gelegenheit, die schwierige
Materie zu behandeln" (S. 2). Im Dissertationstext heißt es dann:
"Fichte trug die Wissenschaftslehre im Jahre 1804 dreimal vor. Der erste
Vortrag begann am 17. Januar und endete am 29. März. [...] Bedenkt
man den außerordentlichen Schwierigkeitsgrad des in den Vorlesungen
Vorgetragenen und die beträchtliche Kürze der Vortragsdauer,
so stellt sich die Frage, wer von den Zuhörern den sachlichen Anforderungen
gewachsen sein konnte (FN 237: Unter den heute vorauszusetzenden Bedingungen
ist ein authentisches Verständnis dieser zu den schwierigsten Werken
der ganzen philosophischen Literatur zählenden Schrift (wie sich wiederholt
gezeigt hat) nicht ohne eine mehrere Jahre dauernde einläßliche
Beschäftigung zu erreichen. Auch in diesem Vergleich mag ein wenig
von der Differenz des geistigen Niveaus zum Ausdruck kommen, das den heutigen
Leser im Hinblick auf Verstehensbedingungen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
der Wissenschaftslehre charakterisiert)" (S. 66 [140f]). - Mit Hilfe der
abwegigen Behauptung, nur der langjährige Fichte-Leser könne
sich überhaupt ein Urteil über Fichte und Storck erlauben, gleich
jede Kritik im Keim zu ersticken, wirkt zumindest arrogant. Ähnlich
muß auch Fichte charakterlich ausgeprägt gewesen sein: "Fichte
bemerkt beiläufig, daß die Ordnung in der Rezeption der Resultate
seines Philosophierens umgekehrt war. Man hat erst beurteilt und widerlegt
und dann allenfalls verstanden (oder auch nicht!)" (S. 112 [249]).
Respekt und Ehrlichkeit gehören anscheinend generell nicht zu
den Stärken Storcks: den hl. Thomas fertigt er in wenigen Sätzen,
oft nur in Fußnoten ab; die berühmte Kritik des Jansenisten
Blaise Pascal am "Gott der Philosophen" [damit meinte Pascal ein willkürliches
Produkt des menschlichen Geistes, das mit dem wahren Gott, wie er uns in
der hl. Schrift begegnet, nichts zu tun hat] stellt Storck fälschlicherweise
als Kritik am scholastischen Denken hin (cf. z.B. S. 95 [209]). Die Aversion
gegen den hl. Thomas nimmt schon sonderbare Formen an, wenn man z.B. sieht,
wie ausgiebig Storck darauf hinweist, daß jemand, der behauptet,
es gebe keine Wahrheit, wenigstens den Satz: "Es gibt keine Wahrheit",
als wahr betrachten müsse (passim; cf. z.B. S. 72-79 [154-171]). Statt
eine Binsenwahrheit so oft zu paraphrasieren, hätte Storck ganz einfach
aus der Summa theologiae (I.2.1.obj.3) zitieren brauchen: "Qui negat veritatem
esse, concedit veritatem non esse. Si enim veritas non est, verum est veritatem
non esse" [Wer leugnet, daß Wahrheit sei, gibt damit zu, daß
Wahrheit ist. Wenn nämlich Wahrheit nicht ist, dann ist es wahr, daß
Wahrheit nicht ist]. Zudem kann diese Erkenntnis leicht aus dem in der
klassischen Philosophie als Axiom [Grundsatz, der keines Beweises bedarf]
bekannten "Satz vom Widerspruch" [Etwas kann nicht in derselben Hinsicht
A und Nicht-A sein] erschlossen werden und ist bereits von daher keiner
großen Erwähnung wert. Allerdings könnte hier wieder Storcks
Not ausschlaggebend gewesen sein, seinen kurzen Text irgendwie strecken
zu müssen.
Immerhin kann man Storck bei seinen Ausführungen zum philosophischen
Widerspruch noch zugutehalten, daß die Grundaussage stimmt. Eine
andere penetrante Aussage seiner Dissertation läßt sich aber
selbst dadurch nicht mehr rechtfertigen, nämlich der Vorwurf, die
klassische Theologie habe einen unerträglichen Zwiespalt zwischen
Orthodoxie [Rechtgläubigkeit; nicht im Sinne der (häretischen!)
"orthodoxen" Konfession] und Orthopraxie [Rechttätigkeit, d.h. moralisch
richtiges Handeln] verschuldet, während doch in Wahrheit Glauben und
Handlung untrennbar zusammengehörten (cf. z.B. S. 79-84 [171-184];
"Nur dort, wo das Erkennen dem sittlichen Willen, der auf den totalen Lebensakt
gerichtet ist, integriert wird, erschließt sich die Wahrheit in ihrer
Ganzheit und Einheit" (S. 84 [184])). Es trifft zwar zu, daß ein
sittlich verkommener Mensch entweder schwerer den Glauben finden oder ihn
leichter verlieren wird als jemand, der sich um moralische Integrität
bemüht, dennoch ist eindeutig die Trennung von Orthodoxie und Orthopraxie
aufrechtzuerhalten! Andernfalls wäre nämlich z.B. folgender Satz
widersprüchlich: "Du glaubst, daß es nur einen Gott gibt? Ganz
recht. Aber auch die bösen Geister glauben - und zittern" (Jak 2,19).
Um gerettet zu werden, bedarf es zusätzlich zum wahren Glauben auch
der guten Werke, aber der wahre Glaube kann auch bei sittlich Verkommenen
vorhanden sein! Oder waren sittlich verkommene Päpste wie Alexander
VI. etwa dadurch schon Häretiker - und deswegen auch gar keine Päpste?
Storck entfernt sich mit seinen Fichte-Hypothesen, mit denen er angeblich
Denken und Leben nach der Zerstörungsarbeit der Scholastiker wieder
versöhnt, in Wahrheit entscheidend von grundlegenden Aussagen katholischer
Ekklesiologie [Lehre von der Kirche]: "Daher kommt es, dass nur drei Menschenklassen
von ihr [der Kirche] ausgeschlossen werden: erstens die Ungläubigen,
dann die Häretiker und Schismatiker, endlich die Exkommunizierten
... Es ist jedoch nicht zu leugnen, daß sie unter der Gewalt der
Kirche stehen, um von ihr vor Gericht gerufen, bestraft und mit dem Bannfluche
belegt zu werden ... Von den übrigen aber, wenn auch noch so gottlosen
und verbrecherischen Menschen, ist gar kein Zweifel, dass sie noch in der
Kirche verbleiben ..." (Cat. Rom. I, 10,9).
Die Transzendentalphilosophie, wie Fichte sie vertritt und die Storck
als letzte Rettung der Wahrheit verkündet ("Nur auf diese Weise [d.h.
mit der Fichteschen Transzendentalphilosophie und durch Verwerfung des
Thomismus] ist der grundlegende Satz, daß der Mensch nach dem Bilde
Gottes geschaffen sei, wissenschaftlich einsichtig zu machen und gegen
Theoreme und Ideologien, nach deren letztem Grundsatz der Mensch es ist,
der sich Gott nach seinem Bilde erschafft, in einem rational geklärten
Leben und im lebendigen Wissen wirksam zu vertreten" (Schlußsatz
des Textes, S. 185 [427])), zeichnet sich besonders durch ihre Widersinnigkeit
aus. Bekanntlich vollzieht sich das Erkennen der Welt wesentlich passiv,
d.h. erleidend-hinnehmend. Die gesunde Lehre lautet: Der Erkennende "nimmt
wahr", "nimmt zur Kenntnis", was ist. Die Transzendentalphilosophie dagegen
vertritt eine völlig groteske Meinung darüber, wie sich Erkennen
vollzieht: "Der entscheidende Unterschied zu dem Ansatz, den der Realismus
bei seinem Versuch, in der Frage der Existenz Gottes zu einem Ergebnis
zu gelangen, wählt, besteht, was die Transzendentalphilosophie betrifft,
aber gerade darin, nicht von der Existenz bzw. der Beschaffenheit der Sinnenwelt
auf einen vernünftigen Urheber derselben zu schließen. Denn
die Sinnenwelt ist gerade nicht möglicher terminus a quo [Ausgangspunkt]
des wissenschaftlichen Argumentationsganges. Die Transzendentalphilosophie
leugnet gerade die objektive vom Bewußtsein unabhängige Selbständigkeit
einer realen Außenwelt, indem sie den Nachweis führt, daß
diese Welt nur als real und objektiv vorgestellt wird. Der objektiven Welt
kommt also in Wahrheit keine Existenz an sich zu" (S. 51 [104]). Man kann
zunächst einfach mal den Faden der Transzendentalphilosophie weiterspinnen
und dadurch feststellen, in welch ausweglose Widersprüche dieses Weltbild
führt. Z.B. könnte die Schöpfung erst mit dem sechsten Tage
begonnen haben, da Gott ja nach Storck nicht fähig war, objektive
Wirklichkeit, Realität zu schaffen. Der eigentliche Schöpfer
ist der Mensch, der der Außenwelt erst ihre Beständigkeit verleiht,
und zwar durch das schöpferische Erkennen: "Erkenntnis (und in ihr:
Wahrheit) kann nicht objektivistisch angesetzt werden, sondern nur in der
sie mitkonstituierenden geistigen Leistung (FN 432: Hier ruht das partielle
Wahrheitsmoment des Anliegens Luthers, der die Kategorie des «pro
me» [für mich] in der Glaubenswahrheit hervorhob und gegenüber
einer objektivistischen Scholastik zur Geltung brachte ...). Das ist die
entscheidende transzendentale Einheit (und Einsicht!). Diese Einheit der
Mitkonstitution gilt prinzipiell für die Erkenntnis, also auch für
die Erkenntnis der Wahrheit, aber nicht für die Wahrheit an sich!
[...] Übrigens ist das gleiche Prinzip für den konkreten Glauben
als Zugang zur Offenbarung geltend zu machen. Alle Wahrheiten der Offenbarung
werden durch den sie eröffnenden Glauben mitkonstituiert. Aber der
Glaube kreiert [erschafft] die Wahrheit der Offenbarung nicht ursprünglich,
er erschließt dem glaubenden Subjekt lediglich den Zugang (eben der
Offenbarung) der Wahrheit" (S. 118 [264f]).
Mit seiner Behauptung, die Sinnenwelt könne nicht für Gottesbeweise
herangezogen werden, straft Storck die Heilige Schrift Lügen: "Nichtig
waren ja von Natur aus alle Menschen, denen Unkenntnis Gottes eigen war
und die aus den sichtbaren Gütern nicht den Seienden zu erkennen vermochten,
noch bei der Betrachtung der Werke den weisen Schöpfer erkannten.
[...] Denn aus der Größe und Schönheit der Geschöpfe
wird vergleichsweise ihr Urheber erschaut" (Weisheit 13,1.5); "Gottes Zorn
wird vom Himmel her offenbar über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit
der Menschen, die durch ihre Ungerechtigkeit die Wahrheit unterdrücken.
Denn was von Gott erkennbar ist, das ist ihnen offenbar. Gott hat es ihnen
geoffenbart. Läßt sich doch sein unsichtbares Wesen seit Erschaffung
der Welt durch seine Werke mit dem Auge des Geistes wahrnehmen: seine ewige
Macht wie seine Göttlichkeit. Darum sind sie nicht zu entschuldigen"
(Röm 1,18-20). Storck nimmt diese Ignoranten also nicht nur in Schutz,
er macht den Autoren der Heiligen Schrift auch noch den Vorwurf, widersinnige
Forderungen aufgestellt zu haben. Vor Storck ist auch die Forderung Jesu
an die Jünger unvertretbar: "Glaubt mir, daß ich im Vater bin
und der Vater in mir ist. Sonst glaubt doch wenigstens um der Werke willen"
(Joh 14,11). Spätestens aber seit der Verkündigung der diesbezüglichen
Dogmen steht eines fest:
Storck war ein Häretiker und deshalb kein Mitglied
der röm.-kath. Kirche!
Folgende Dogmen leugnet Storck durch seine Verfechtung des transzendentalen
Erkenntnismodells: "Wer sagt, der eine und wahre Gott, unser Schöpfer
und Herr, könne mit dem natürlichen Licht der menschlichen Vernunft
durch das, was gemacht ist, nicht mit Sicherheit erkannt werden, der sei
ausgeschlossen" (NR 49; cf. DS 3026); "Wer sagt, die göttliche Offenbarung
könne durch äußere Zeichen nicht glaubwürdig werden,
sie müsse also durch rein innere Erfahrung eines jeden oder durch
persönliche Erleuchtung die Menschen zum Glauben bewegen, der sei
ausgeschlossen" (NR 55; cf. DS 3033); "Wer sagt, Wunder könnten nicht
geschehen, deshalb seien alle Wunderberichte, auch die in der Heiligen
Schrift enthaltenen, unter die Mythen und Legenden zu verweisen; oder die
Wunder könnten nicht sicher erkannt werden, und niemals könne
durch sie der göttliche Ursprung der christlichen Religion rechtmäßig
bewiesen werden, der sei ausgeschlossen" (NR 56; DS 3034).
Interessant sind dabei folgende Ausführungen Storcks: "In diesem
Sachverhalt der ursprünglichen Idee der Wahrheit und ihrer unmittelbaren
Intuition [!!], durch die das Vernunftwesen sich erst als Vernunftwesen
konstituiert ([FN 253]) liegt der philosophische Grund und die philosophische
Rechtfertigung des zum Glaubensdogma erhobenen Lehrsatzes von der natürlichen
und zwar in Gewißheit möglichen Erkennbarkeit Gottes (FN 254:
Vgl. DS 3004: «Deum ... naturali humanae rationes lumine ... certo
cognosci posse» [Gott kann mit dem natürlichen Licht der menschlichen
Vernunft mit Sicherheit erkannt werden]. Auf dem «certo» (mit
Gewißheit) ist der entscheidende Akzent zu legen. Dieses Adverb charakterisiert
das Erkennen als ein zweifelsfreies Erkennen, wie es philosophisch im strikten
Sinn zu fordern ist ...)" (S. 71 [153]). Hier haben wir ein Beispiel für
die bereits im ersten Teil angesprochene "tendenziöse Selektion":
Storck liefert ein um den entscheidenden Punkt "per ea, quae facta sunt"
[durch das, was gemacht ist] verstümmeltes Zitat, um seine Häresie
als rechtgläubige Aussage zu verkaufen. Da Storck offensichtlich das
Dogma kannte und eigenmächtig für seine gottfeindlichen Zwecke
zurechtgestutzt hatte, kann man selbst beim besten Willen nicht mehr "unüberwindliche
Unkenntnis" als moralische Entschuldigung für diesen Häretiker
in Anwendung bringen.
Die bekannten fünf klassischen Gottesbeweise des hl. Thomas von
Aquin werden von Storck mit plumpen Kraftausdrücken, dafür aber
ohne Argumente in der Luft zerrissen: "Hier liegt nebenbei [!!] auch ein
Fehler der Argumentation des Thomas v. Aquin in den «quinque viae»
[Fünf Wege (um die Existenz Gottes zu beweisen)]: S. th. I q 2 a 3.
Alle von ihm genannten «Beweise» setzen ganz unreflektiert
die Geltung des Grund-Folge-Verhältnisses voraus" (FN 20, S. 24).
Es ist nur ein reiner Willkürakt Storcks, die Geltung des Grund-Folge-Verhältnisses
(Kausalitätsprinzip: "Es gibt keine Wirkung ohne Ursache") als bezweifelbar
darzustellen, denn auch das Kausalitätsprinzip hängt eng mit
dem Satz vom Widerspruch zusammen. - Weil die Kenntnis der fünf Gottesbeweise
nicht bei jedem vorausgesetzt werden kann, hier ein kleiner Ausschnitt:
"Die Existenz Gottes kann auf fünf Beweiswegen dargetan werden. Der
erste und klarere Weg ist derjenige, welcher aus der Bewegung hergenommen
ist. Es ist sicher und durch die Sinneserfahrung verbürgt, daß
etwas in dieser Welt bewegt wird. Alles aber, was bewegt wird, wird von
einem anderen bewegt. Denn es wird nichts bewegt, außer insofern
es in der Möglichkeit zu jenem ist, zu welchem es hinbewegt wird.
Es bewegt aber etwas, sofern es in Wirklichkeit ist. Denn bewegen
ist nichts anderes als etwas aus der Möglichkeit in die Wirklichkeit
herausführen. Aus der Möglichkeit kann aber etwas in die Wirklichkeit
übergeführt werden nur durch etwas, was in Wirklichkeit ist,
wie das wirklich Warme, z.B. das Feuer, macht, daß das Holz, welches
der Möglichkeit nach warm ist, der Wirklichkeit nach warm ist und
es dadurch bewegt und verändert. Es ist aber nicht möglich, daß
ein und dasselbe zugleich in Wirklichkeit und in Möglichkeit in ein
und derselben Beziehung sei, sondern nur in verschiedenen Beziehungen kann
dies der Fall sein. Was nämlich in Wirklichkeit warm ist, kann nicht
zugleich in Möglichkeit warm sein, sondern ist zugleich kalt in Möglichkeit.
Unmöglich ist es also, daß etwas nach derselben Beziehung und
auf dieselbe Weise bewegend und bewegt sei, oder daß es sich selbst
bewege. Es muß also alles, was bewegt wird, von einem anderen bewegt
werden. Wenn also dasjenige, von welchem es bewegt wird, gleichfalls bewegt
wird, dann muß dieses von einem anderen bewegt werden, und dieses
wieder durch ein anderes. Man kann aber hier nicht ins Unendliche fortschreiten.
Denn dann gäbe es kein erstes Bewegendes und infolgedessen auch kein
anderes Bewegendes, weil die zweiten Bewegenden nur dadurch bewegen, daß
sie von dem ersten Bewegenden bewegt sind, wie der Stock nur dadurch bewegt,
daß er von der Hand bewegt ist. Folglich ist es notwendig, daß
man an ein erstes Bewegendes kommt, das von keinem bewegt wird, und darunter
verstehen alle Gott. Der zweite Weg geht vom Wesen der wirkenden Ursache
aus. Wir finden in dieser sinnenfälligen Welt eine Ordnung der wirkenden
Ursache vor ..." (S.th. I,2,3; zit. nach M. Grabmann, Thomas von Aquin,
Köln 1917, 84-86).
An anderer Stelle erzählt Storck über die "quinque viae":
"Wenn man einmal von den unzulänglichen, weil nur hypothetisch begründeten
Prämissen absieht [!!], ist der generelle Fehler der, daß alle
Beweise auf ein (angeblich) notwendiges Sein (ein erstes Bewegendes, eine
causa efficiens [Wirkursache], ein notwendiges Sein, Ursache des Gutseins,
ordinatio ad finem [Hinordnung auf ein Ziel]) führen, das allerdings
nur unter der Bedingung notwendig ist, daß erklärt werde, was
erklärt werden soll: das kontingente [nicht notwendige] Sein. Das
Absolutum als Absolutum, nämlich der Charakter des Absoluten als Selbstbegründung
kann in diesen Beweisen gar nicht eingesehen werden. Deshalb ist die stereotyp
am Ende des jeweiligen Beweises wiederkehrende Formel: «et hoc omnes
intelligunt Deum» auch irreführend. Niemand versteht unter dem
so erschlossenen Sein «Gott». Nur mit Hilfe einer Äquivokation
[Wortgleichheit bei Sachverschiedenheit] kann man so formaliter verfahren.
Für die wirkliche Einsicht ist mit derartigen Beweisen gar nichts
gewonnen" (S. 95 [209]).
Äquivokation ist denn auch der Schlüssel für uns, wenn
wir über die "Gottesidee" von Fichte / Storck sprechen wollen. Wir
hatten bereits im ersten Teil darauf hingewiesen, daß nicht immer,
wenn der Name "Gott" fällt, damit auch Gott gemeint sein muß.
Es kann durchaus sein, daß bei Texten über "Gott", "Offenbarung"
etc. einfach Vokabeln gebraucht werden, die mit völlig anderen als
den christlichen Sinninhalten gefüllt sind. Ein Beispiel für
Äqivokation in Storcks Text: "Fichte beschreibt das Absolute in scholastischen
Ausdrücken als «actus (essendi)» [(Seins-) Wirklichkeit]
und als ein «esse in mero actu» [Sein in bloßer Wirklichkeit],
in dem sich «Sein und Leben» durchdringen. [...] Im Hinblick
auf die terminologische Bestimmung als «actus» [Wirklichkeit],
die als «actus purus» [reine Wirklichkeit] ja auch in der mittelalterlichen
Philosophie erscheint, in der mit diesem Begriff allerdings das Fehlen
jeglicher Potentialität [Möglichkeit] zum Ausdruck gebracht werden
soll, sei angemerkt, daß man sich durch den gleichlautenden Terminus
[Begriff] nicht irreführen darf. [...] Die mittelalterliche Philosophie
... konnte ... wesensnotwendig kein Leben bzw. keine Selbstbegründung
vom Absoluten aussagen bzw. - was entscheidend ist - einsichtig machen.
Darin lag die wesentliche Verfälschung, von der der Glaube und die
religiöse Existenz unendlich [!!] betroffen worden sind" (S. 152f
[345-347]).
Halten wir an dieser Stelle kurz inne und werfen wir einen Blick auf
einige Informationen über Fichte: Fichte wurde "1799 von der Weimarer
Regierung entlassen, weil er wegen der Identifikation Gottes mit der moralischen
Weltordnung des Atheismus bezichtigt worden war («Atheismusstreit»)"
(M. Buchberger (Hg.), Kirchliches Handlexikon, Bd. 1, München 1907,
1461). Gleichgültig, bei welchem katholischen Philosophen bzw. Theologen
man sich über Fichte informiert, überall wird Fichte als Pantheist
gehandelt. Dazu einige Beispiele: "Fichte [d.h. für Fichte / in Fichtes
Denken] ist Gott pantheistisch das absolute, unendliche Ich" (B. Bartmann,
Dogmatik, Bd. 1, Freiburg 41920, S. 112); "Fichte sucht die Vereinigung
des Menschen mit Gott nicht mehr als Frucht der geschichtlichen Erlösertodes
Jeus Christi, durch welchen er die Sünde in uns zerstört und
die Seele zur übernatürlichen Gotteskindschaft und damit zur
Gottverähnlichung umgeschaffen hat, sondern er findet sie im höchsten
Aufschwung des philosophischen Denkens. Die Erkenntnis, daß das göttliche
und das menschliche Bewußtsein zusammen eine unbedingte Einheit bilden,
ist die Grundlage seiner ganzen Philosophie. Was der Prolog des Johannesevangeliums
von Jesus Christus berichte, nämlich die Menschwerdung des Logos im
menschlichen Dasein, vollziehe sich zu allen Zeiten und ausnahmslos in
jedem einzelnen Menschen. Jesus sei unter allen nur der erste, der die
tiefe und klare Einsicht besessen habe, daß zwischen dem menschlichen
Dasein und dem Göttlichen eine absolute Einheit bestehe. Dadurch sei
er das Urbild aller Frömmigkeit geworden, vor dem sich alle Verständigen
in Ehrfurcht beugen müßten. Diese Einheit zwischen Gott und
Mensch im Bewußtsein des Jesus von Nazareth sei jedoch keinesfalls
ein einmaliges, geschichtliches Ereignis. Vielmehr vollziehe sich dieses
Heilsgeheimnis in der Seeele der gesamten Menschheit. Die Einmaligkeit
und Einzigartigkeit Christi sei deshalb fallen zu lassen. Jeder philosophische
Mensch könne unabhängig von Christus und vom Christentum schon
in diesem Leben die wahre Seligkeit erwerben, indem er sich durch Denkenergie
zu der Einsicht durchringe: Ich und Gott, Gott und ich sind miteinander
verschmolzen, wir sind eine unlösliche Einheit" (J. Riedmann, Die
Wahrheit des Christentums, Freiburg 1951, S. 345f).
Da Fichte Freimaurer war (Loge in Rudolstadt), hier auch ausführliche
Informationen zur Freimaurerei: "Gemäß Nr. 1 der «alten
Pflichten», d.h. des allgemein anerkannten Grundgesetzes der Freimaurerei
von 1723, fassen deutsche Philosophen wie Lessing, Krause, Fichte die Freimaurerei
als Menschheitsbund im kleinen auf, der als über den gemeinen religiösen,
politischen und sozialen «Vorurteilen» stehende geistige Elite
wahrhaft «freier», emanzipierter und selbständiger Männer,
auf Grund des rein und allgemein Menschlichen die in der Menschheit bestehenden
Trennungen in religiöser, sozialer und politischer Hinsicht aufheben
oder überwinden und so den idealen Menschheitsbund im großen
nach Grundsätzen der Freimauereri verwirklichen soll. Diesem Zweck
dient auch die ganze Symbolik des Bundes ([...]) und die Mahnung an die
freimaurerische Grundpflicht, sich selbst und andere von «Unwissenheit»,
«Aberglaube», «Vorurteilen», Sklavenketten zu «befreien»
und alle «Tyrannei» zu vernichten, um so das reine Humanitätsideal:
«Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit», zu verwirklichen
und das goldene Zeitalter der völligen Emanzipation des Menschen in
der freimaurerischen Weltrepublik herbeizuführen. Bestrebungen der
Freimaurerei: In der Freimaurerei englischer Zunge herrscht noch immer
eine verhältnismäßig stark religiös-biblische Richtung,
in Deutschland huldigt die große Mehrzahl der Brüder freidenkerisch-rationalistischen
Anschauungen (bei ständigen inneren Zwistigkeiten), in Frankreich
und Italien entfaltet die hier gänzlich atheistisch-positivistische
Freimaurerei, besonders seit 1870, eine hochgradig politisch-revolutionäre
Tätigkeit und war nachweislich bei allen kirchen- und religionsfeindlichen
Maßnahmen der treibende und leitende Faktor. Dies gilt nach Ausweis
des Berichts über die Trennung von Kirche und Staat in Frankreich,
von der Vernichtung des gesamten kirchlichen Unterrichtswesens, der demnächst
das Laien-Unterrichts-Monopol des Staates die Krone aufsetzen soll. Durch
«Aufklärung» und Entkirchlichung der Frauenwelt und profanen
Bevölkerung soll «der endgültige Untergang des Papsttums»
herbeigeführt werden, «der lügnerische Gott in die Rumpelkammer
wandern», «die auf dem galiläischen Mythus [Jesus von
Nazareth] gegründete römische Kirche zerfallen»" (M. Buchberger
(Hg.), Kirchliches Handlexikon, Bd. 1, München 1907, 1537f). - In
den neunzig Jahren seit Drucklegung dieses Buches hat sich natürlich
einiges im Sinne der Freimaurerei getan, z.B. was die Trennung von Kirche
und Staat oder den Religionsunterricht durch Laien betrifft. Man beachte
ferner: Die drei größten "sedisvakantistischen" Zeitschriften
in Deutschland, i.e. "Kyrie eléison", "Einsicht" und "Athanasius",
werden von Laien (M. Böker, E. Heller, J. Filser) herausgegeben, denen
man Respekt vor kirchlichen Würdenträgern nicht leicht zugestehen
kann.
Wie faßt der Fichteaner und Häretiker Storck also Gott auf:
Nach ihm ist Gott "die absolute Sinnfülle", "sittliche Materialität
oder Liebe" (S. 156 [356]). Man darf sich durch die Äquivokation mit
christlichen Aussagen (cf. "Gott ist die Liebe", 1. Joh 4,8) nicht täuschen
lassen. Dies wird ganz klar, wenn man sich Storcks Versuch einer Apologie
Fichtes im "Atheismusstreit" durchliest. Storck meint: "Nach dieser Darstellung
der Auffassung Fichtes in der Zeit des Atheismus-Streites ist offenbar,
daß der Vorwurf des «Atheismus» zweifellos zu Unrecht
besteht" (S. 58 [124]). Storck kritisiert nur eine gewisse Ungenauigkeit
bzw. mangelnde Ausarbeitung des Grundgedankens, was er jedoch sofort aus
der damaligen Situation Fichtes entschuldigt: "Fichte hat zweifellos den
Gedanken der Substantialität Gottes in zu sehr verkürzter und
philosophisch zu einseitig bestimmter Weise verstanden, um dem Vorwurf,
er leugne die Substantialität Gottes, gerecht werden zu können"
(S. 63 [137]). Nun zu Fichtes Gottesidee: "Die konkrete Bestimmung der
sittlichen Aufgabe der Individuen und deren Resultate zu einer Einheit
in einem Vernunftzwecke nennt Fichte eine «moralische Ordnung»
bzw. eine «moralische Weltordnung». Das Eigenartige der Fichteschen
Auffassung in diesem Zusammenhang besteht darin, daß Fichte diese
«moralische Ordnung» mit dem Absoluten identifiziert. «Jene
lebendige und wirkende moralische Ordnung ist selbst Gott, ...» ([FN
187]). Und: «Diese moralische Ordnung ist das Göttliche, das
wir annehmen» ([FN 188]). Die Haltung, in der in der Annahme des
Sittengesetzes die gesamte Wirklichkeit als auf die Realisierung des Sittengesetzes
hingeordnet erfaßt und dessen endlich eintreffende Realtität
antizipiert wird, nennt Fichte «Glaube» ([FN 189]). Dieser
Glaube findet seine Aktuierung im sittlichen Handeln. «Dadurch wird
dieses Göttliche uns lebendig und wirklich» ([FN 190]). Die
eigentliche Ungläubigkeit und Gottlosigkeit dagegen ist das unsittliche
Handeln: «Der wahre Atheismus, der eigentliche Unglaube und Gottlosigkeit
besteht darin, dass man über die Folgen seiner Handlungen klügelt,
der Stimme seines Gewissens nicht eher gehorchen will, bis man den guten
Erfolg vorherzusehen glaubt, so seinen eigenen Rath über den Rath
Gottes erhebt, und sich selbst zum Gotte macht. Wer Böses thun will,
damit Gutes daraus komme, ist ein Gottloser»" (S.55f [117f]). Dafür
also mußte Storck so hartnäckig auf der angeblichen Einheit
von Orthodoxie und Orthopraxie herumreiten: Um Gott quasi abzuschaffen
und an seine Stelle die "moralische Weltordnung" zu setzen. Fichte spricht:
"Ich sage, dass der Beweis des Daseyns Gottes aus dem Daseyn einer Sinnenwelt
unmöglich und widersprechend ist. Ich läugne sonach allerdings
einen substantiellen aus der Sinnenwelt abzuleitenden Gott" (Fichte, Sämtliche
Werke, V, 216). Wir haben es also gar nicht mehr mit dem christlichen Gott
zu tun, sondern mit einer Äquivokation. Das Sittengesetz ist nicht
Gott, sondern eben nur ein Gesetz, es kommt in allgemeinen Prinzipien wie:
"Was man als gut erkannt hat, das muß man auch tun", zum Ausdruck;
teilweise kann es von der Vernunft erkannt werden, ist also rein natürlich
(z.B. die Gebote der zweiten Tafel), manche Elemente bedürfen einer
besonderen Offenbarung (z.B. das dritte Gebot). Die ausdrückliche
Gleichsetzung des Sittengesetzes mit Gott basiert auf einer pantheistischen
Weltsicht, da können auch christlich anmutende Formulierungen ("Es
[das Absolute / Gott] ist durchaus von sich, in sich, durch sich" (Fichte,
Wissenschaftslehre, 151)) nichts mehr retten. Das ist gerade die Taktik
der Modernisten: Sie haben keine Probleme damit, Widersprüche nebeneinanderzusetzen,
sie schreiben im selben Satz "2+2=4" und "2+2=5". Bestes Beispiel für
die Zusammenstellung von Widersprüchen ist die Leugnung des Dogmas
über die natürliche Gotteserkenntnis mit dem (sinnentstellten)
Zitat selbigen Dogmas bei Storck; die gesamte modernistische Literatur
ist von diesen Widersprüchlichkeiten durchsetzt, und nur zur Veranschaulichung
hier ein Beispiel des Großmeisters der Unlogik, Karl Rahner SJ: "Selbstverständlich
gelten die Dogmen unserer Kirche, aber [!!] es sind allemal erst die Anfänge,
die es weiter zu entwickeln gilt und das immerzu [!!], so daß man
vielleicht schon in hundert Jahren die alten Glaubensformeln unter den
neuen nicht mehr erkennen wird" (K. Rahner, Bilanz der Theologie, Frankfurt
1970, S. 539; zum Vergleich dazu das entsprechende Dogma: "Wer sagt, es
sei möglich, daß man den von der Kirche vorgelegten Glaubenssätzen
entsprechend dem Fortschritt der Wissenschaft gelegentlich einen anderen
Sinn beilegen müsse als den, den die Kirche verstanden hat und versteht,
der sei ausgeschlossen" (NR 61, cf. DS 3043).
Als abschließenden Beleg dafür, daß Storck gar nicht
mehr das Christentum im Auge hat, wenn er von Gott oder Trinität spricht,
hier ein längeres Zitat aus Storcks Äußerungen zur Offenbarung:
"Das genuine [angeborene, echte] sittliche Wollen muß an der Realisierung
des sittlichen Wertes in sittlicher Motivierung interessiert sein, wenn
es dem inneren Anspruch der Sittlichkeit genügen soll. Man kann diesen
Standpunkt der prinzipiellen Offenbarung des Absoluten, auf dem das sittliche
Leben gemäß dem Anspruch des Gewissens ausgerichtet wird, mit
Recht den Standpunkt der Vernunftreligion nennen. Gott als Prinzip des
Gewissens ist die Norm des sittlichen Lebens. Man könnte auf Grund
dieser Position einer prinzipiellen Offenbarung als Vernunftreligion die
These vertreten,daß es einer speziellen, in der Geschichte erfolgenden
Offenbarung ([FN 612]) gar nicht mehr bedürfe. Denn was sittlich gesollt
ist, ist bereits in und aus dem Gewissen als praktische Vernunft bekannt,
es muß also nicht noch zusätzlich positiv geoffenbart werden.
Die Offenbarung als bloße Wissensvermittlung scheidet ebenso aus.
Denn was gewußt werden soll und muß, ist allein und wesentlich
das sittliche Wissen. Es kann immer unmittelbar in der Vernunft gewußt
werden [!!]. Wozu also dann noch eine konkrete Offenbarung? ([FN 613]).
Der ebenso kühne [!!] wie an sich naheliegende [!!] Gedanke der positiven
Offenbarung bezieht sich aber gar nicht primär [!!] auf ein Wissen
im theoretischen oder praktischen Sinn, sondern auf Gott selbst. Und zwar
nicht, insofern er prinzipiell erscheint im Anspruch des Gewissens, sondern
insofern er konkret in der Geschichte erscheint, um als Person in interpersonaler
Relation zur konkreten Verwirklichung der sittlichen Liebe aufzurufen ..."
(S. 168f [383-386]). Man vergleiche dazu die Dogmen: "Wer sagt, es sei
unmöglich oder nicht sinnvoll, daß der Mensch über Gott
und die Gott geschuldete Verehrung durch göttliche Offenbarung belehrt
werde, der sei ausgeschlossen" (NR 50, cf. DS 3027). "Wer sagt, der göttliche
Glaube unterscheide sich nicht von dem natürlichen Wissen über
Gott und nicht von der natürlichen Sittenlehre, und deshalb sei es
zum göttlichen Glauben nicht erfordert, die geoffenbarte Wahrheit
auf die Autorität des offenbarenden Gottes hin zu glauben, der sei
ausgeschlossen" (NR 54, cf. DS 3032); "Wer sagt, in der göttlichen
Offenbarung gebe es nicht wahre Geheimnisse im eigentlichen Sinn, sondern
alle Glaubenssätze könnten durch die richtig gebildete Vernunft
von den natürlichen Grundsätzen aus verstanden und bewiesen werden,
der sei ausgeschlossen" (NR 59, cf. DS 3041).
Storcks Geschreibe enthält noch viele andere Falschaussagen außer
den von uns aufgedeckten, z.B. bzgl. der wissenschaftlichen Freiheit, des
Wahrheitsbegriffes, der Anthropologie etc.; wir haben hier - was als exemplarische
Warnung vor so manchen angeblichen Wahrheitshütern verstanden werden
soll - den Nachweis erbracht, daß Storck ein unerkannter "Feind im
Innern" (Pius X. über die Modernisten) war; das Dogma von der natürlichen
Erkennbarkeit Gottes leugnet er ganz klar, bei anderen Aussagen (z.B. in
Bezug auf die menschliche Erkenntnis, auf das Wesen Gottes, auf die Offenbarung)
hält er sich konsequenter an die Methode der Modernisten, mit Hilfe
zusammenhangloser Einschränkungen und Umformulierungen für Unklarheit
zu sorgen (cf. Pius X., Pascendi: "Sowohl den Rationalisten als auch den
Katholiken spielen sie ohne Unterschied, und das in so perfekter Heuchelei,
daß sie jeden Unvorsichtigen leicht in ihren Irrtum locken."). -
Richtigstellungen fallen üblicherweise umfangreicher aus als die direkte
Darlegung der Wahrheit, und bei gegebenem Anlaß werden wir auf weitere
Fragen, die von Storck falsch beantwortet wurden, die richtigen Antworten
geben. Daß man einen Autor nicht bis ins letzte widerlegen muß,
wußte sogar Storck selbst; in seinem Text widmet er den Ansichten
Schellings einige Seiten, und nachdem er einige Äußerungen Schellings
angeführt und kritisiert hat, schreibt er zusammenfassend zu Schellings
Folgerungen: "Es hat keinen Sinn, die abenteuerlichen Ableitungen zu verfolgen.
Sie haben keinen Evidenzwert" (S. 151 [343]).
III. Schlußbemerkungen
Der Verf. hat Herrn Storck nicht mehr persönlich kennengelernt, jedoch
noch ein gewisses Nachwirken dieses Häretikers zu spüren bekommen.
Die beiden Führungskräfte des umstrittenen sog. "Priesterseminars
Heilig Blut" in München, Herr Josef Filser und Frau Anna ("Schwester
Gertrud") Hilbert, haben sich für die Verbreitung von Storcks Predigt
"Der Charakter dieser Zeit" (gehalten am 02.08.81 in Ulm) starkgemacht.
Storck sagt in diesem Text immer wieder, daß wir in einer Zeit des
Glaubensabfalls und des Sittenverfalls leben, daß wir keinen Papst
haben etc. - das Übliche halt. Warum aber gibt Storck denn Äußerungen
von sich, die ihn als traditionstreuen Katholiken erscheinen lassen? Storck
predigt: "Satan liebt die Finessen, Satan liebt die Verkleidung. Es ist
geradezu lächerlich und kindisch zu meinen, man werde Satan als Satan,
den Antichrist als Antichrist erkennen, da er mitten im Tempel sitzt und
herrscht. Im Gegenteil! Man wird ihn gerade nicht erkennen. Er wird gerade
als Hierarch sich ausgeben, als Papst sich ausgeben, als Bischof in Erscheinung
treten ...".
Wer jetzt noch immer nicht wahrhaben will, daß die "Einsicht"
keine "römisch-katholisch Zeitschrift" ist, sondern nur ein besonders
alarmierendes Beispiel für die Unterminierung des katholischen Widerstandes,
der sei auf eine Stellungnahme von HJ ("Einsicht" XXVI, 116) verwiesen,
wo Jerrentrup seine falschen Sukzessionslisten zu rechtfertigen versucht.
Die dabei gemachten Beteuerungen, man müsse auf das Lehramt hören,
gelten ja nichts, wenn man sieht, wie eigenmächtig HJ z.B. mit den
kirchlichen Vorschriften bzgl. des Thomismus und sogar mit dem Index umgehen.
Über Descartes, dessen philosophische Schriften auf dem Index standen,
schreibt Storck - ohne Protest seitens HJ -: "Dieses letztere auch in kirchlichen
Kreisen und bei Theologen herrschende Verständnis [der Transzendentalphilosophie]
... hat lange und fast völlig den Blick auf die großartige wissenschaftliche
Grundlegung der Philosophie verstellt ... Wäre die Position Descartes'
angenommen worden, hätte die Kirche eine wirksame Waffe gegen den
Skeptizismus und Relativismus gewonnen" (FN 56 (S. 33)). Diese trügerischen
Worte also, das Lehramt habe - auch für HJ - das letzte Wort, leiten
das Bekenntnis ein, wie sehr HJ an der röm.-kath. Kirche hängen:
"In vielen Fällen sind wir auf uns selbst gestellt, auf die Resultate
unserer eigenen, mühevollen Recherchen, wohl wissend, daß sich
damit die immanente [innewohnende] Gefahr einer Protestantisierung auftun
kann."
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