Bluthochdruck und andere
Fehldiagnosen
- Pressemitteilung zur Vertrauenswürdigkeit von
Ärzten -
(Kirche zum Mitreden, 04.03.2010)
"Anläßlich jeder Blutspende sind wir aufgrund von
gesetzlichen Bestimmungen zur Blutspende angehalten, eine
Blutdruckmessung durchzuführen und die Spendefähigkeit
festzustellen. [...] Wird bei der Blutdruckmessung der zweite
(diastolische) Wert mit 90 mm Hg bestimmt, wird von Ärzten
durchaus die Empfehlung ausgesprochen einmal eine
Kontrolluntersuchung vornehmen zu lassen."
So das Deutsche Rote Kreuz (DRK - Blutspendedienst West) am
09.02.2010 in Beantwortung einer Beschwerde, dass einem Blutspender
mit bekannt normalem resp. niedrigem Blutdruck (diastolisch unter
80) vom DRK-Arzt geraten wurde, den gerade gemessenen Wert
(diastolisch 90) als möglichen Bluthochdruck (Hypertonus) "mit
dem Hausarzt abzuklären". Eine solche "Empfehlung" ist
unentschuldbar.
1. Jeder, erst recht jeder Arzt muss wissen, wie leicht der
Blutdruck schwanken kann; bereits durch Sprechen kann eine Messung
verfälscht werden. Speziell bei der Blutspende können als
Verfälschungsfaktoren hinzukommen: Weißkittel-Syndrom
(Sorge, der Arzt könnte einen zu hohen Blutdruck messen),
Warten in der Schlange, "Vorfreude" auf den Einstich (ggf. in
Erinnerung an frühere schmerzhafte Fehlstiche) usw. usf.
2. Zur Qualität der Hausärzte / Allgemeinarztpraxen s. die
Studie von K. Korb et al., "Umsetzung von diagnostischen
Empfehlungen bei Herzinsuffizienz" (Deutsche Medizinische
Wochenschrift (DMW) 2010; 135; 120-124), sowie den diesbzgl.
Kommentar von E. Erdmann, dass die "analysierten Fachärzte
für Allgemeinmedizin nur in weniger als der Hälfte der
Fälle bei ihren Patienten mit Herzinsuffizienz die von
anerkannten Fachleuten vorgeschlagene und richtige Routinediagnose
durchführen", es also "an der nötigen Sorgfalt fehlen
lassen", und dass "manche Ärzte undiszipliniert autistisch
denken und handeln" (ebd. 123).
3. S. ferner den Bericht von S. Fürst über ihr "Praktikum
Allgemeinmedizin" (thieme.de, Via medici, 03.05.2007) in einer
Hausarztpraxis: "Bei fast allen Patienten wurde der Blutdruck
gemessen, eine Aufgabe, die meist ich übernahm - bei vielen war
er zu hoch. Dies war zum Teil auf einen nicht gut eingestellten
Hypertonus zurückzuführen aber auch auf das
"Weißkittelsyndrom", also die Aufregung beim Arztbesuch. Um
die Diagnose Hypertonus bei ihnen zu sichern, bekamen einige
Patienten eine 24h-Blutdruckmessung." Zur Erläuterung: Durch
eine 24h-Blutdruckmessung ärgert sich das Opfer unentwegt (was
den Blutdruck hochtreibt) und wird beim Schlafen gestört (was
die notwendige natürliche Erholung inkl. Blutdrucksenkung
verhindert). Im Klartext: (Haus-) Ärzte können nicht nur
grundlegende Fakten zu Blutdruckschwankungen ignorieren und daraus
Fehldiagnosen stellen, sondern Verfälschungen auch selbst
provozieren.
4. Zur Ehrenrettung der Hausärzte s. die Studie über das
Bildungsniveau bei Notärzten von M.A. Ohlow et al., "Probleme
in der präklinischen Diagnostik des ST-Hebungsinfarktes" (DMW
2009, 134, 1984-1989): "73 Notärzten (...) verschiedener
Fachrichtungen und Notarztbezirke wurden jeweils acht 12-Kanal-EKGs
[Elektrokardiogramm (Herzspannungskurve); Aufzeichnung der
elektrischen Herztätigkeit] vorgelegt (...). Die EKGs waren
unter der Frage eines STEMI [Herzmuskelinfarkt] und der
Notwendigkeit einer Reperfusionstherapie [Wiederherstellung der
Durchblutung im Infarktgebiet] zu befunden. [...] Die Gesamtquote
der richtigen Ergebnisse aller befragten Teilnehmer (korrekte
EKG-Befundung und adäquate Therapiewahl) lag bei 66%. Keiner
der befragten Notärzte hatte alle Elektrokardiogramme richtig
befundet und alle Fragen zur notwendigen Therapie richtig
entschieden." Also auch bei Notärzten ist die Lage absolut
katastrophal.
Abschließend: Jeder mag nun selbst entscheiden, ob er einem
(Haus-) Arzt blind Vertrauen schenkt, oder ob ein (Haus-) Arzt sich
dieses Vertrauen erst mühsam verdienen muss. Jedenfalls sei
hier - zumindest bei Verdacht auf Hypertonie - empfohlen, nach
Möglichkeit selbst (regelmäßige) Blutdruckmessungen
vorzunehmen oder z.B. von einem Verwandten vornehmen zu lassen, u.z.
wirklich in Ruhe und Entspannung. Die Anschaffung und Nutzung eines
zuverlässigen Blutdruck-Messgeräts kostet weit weniger
Zeit und Geld als eine Odyssee durch diverse Arztpraxen, von
Gesundheitsbelastungen wie 24h-Blutdruckmessung oder gar Konsum
fragwürdiger / ungerechtfertigter Blutdrucksenkungsmittel ganz
zu schweigen.
Und wer - z.B. als Blutspender - selbst ebenfalls Opfer solcher
vollkommen unentschuldbarer "Empfehlungen" wie "Abklärung eines
möglichen Hypertonus durch den Hausarzt" geworden ist, der
sollte umgehend mit allem Nachdruck dagegen protestieren;
andernfalls steigt die Gefahr, dass z.B. andere, unzulässig
autoritätsgläubige und uninformierte Blutspender auf
solcherlei Empfehlungen hereinfallen und in die
Blutdrucksenkungs-Falle geraten.
S. auch:
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