Eiweiß oder Kohlenhydrate
- Pressemitteilung: Zur Ernährungsstudie von Arne Astrup und
Thomas Meinert Larsen, Universität Kopenhagen -
(Kirche zum Mitreden, 29.11.2010)
Derzeit macht in den Medien wieder mal eine angeblich bahnbrechende
Ernährungsstudie die Runde, durchgeführt von Arne Astrup und
Thomas Meinert Larsen, Universität Kopenhagen (s. Art. "Diets with
High or Low Protein Content and Glycemic Index for Weight-Loss
Maintenance", NEJM, 25.11.2010). Die Teilnehmer hatten allesamt bereits
eine ansonsten unspezifische Diät mit max. 3,3MJ (800kcal) pro Tag
durchgeführt. Für die Studie nun wurden die Teilnehmer
mehreren Gruppen zugeordnet, deren Ernährung sich nach
Protein-Anteil und Glykämischem Index (Glyx; GI) unterschied. Laut
Meinert Larsen und Astrup hilft eine eiweißreiche, fettarme und
kohlenhydratarme Ernährung am besten, um abzunehmen resp. um nach
einer Diät das Gewicht zu halten (gegen den "Jojo-Effekt").
Dementsprechend sollten die bislang geltenden
Ernährungsempfehlungen angepasst werden. Zur optimalen
Ernährung würden dann neuerdings z.B. viel Fleisch und wenig
Kartoffeln gehören, also quasi das umgekehrte Verhältnis zu
heutigen EU-Gesundheitsempfehlungen.
Einige Aspekte dieser "revolutionären" Empfehlungen:
1. Die Gewichtsabweichungen zwischen der schlechtesten (wenig
Eiweiß, hoher GI) und der besten (viel Eiweiß, niedriger
GI) Gruppe betrug nur ca. zwei Kilogramm. Zudem wurde dabei anscheinend
nur das Körpergewicht gemessen, d.h. die eigentlich interessanten
Werte, i.e. Körperfettanteil sowie
Taille-Höhe-Verhältnis (Waist to Height Ratio, WHtR), blieben
unberücksichtigt.
2. Eine Kalorie ist eine Kalorie. Das haben nun schon mehrere Forscher
belegt, neulich z.B. Frank Sacks von der Harvard School of Public
Health, Februar 2009. Ob "wenig Kohlenhydrate" ("low
carb" -
carbohydrates) oder "wenig Fett" ("low fat"): Für das Gewicht ist
letztlich doch die Energiebilanz ausschlaggebend. Zuviele Kalorien
machen dick - ob sie nun aus Kohlenhydraten, Fetten oder Eiweißen
stammen.
3. Der Glyx dient als Maßeinheit, wie ein Lebensmittel auf den
Blutzuckerspiegel wirkt. Bei der Glyx-Bestimmung ergeben sich aber
verschiedene Probleme, z.B. daraus, dass Lebensmittelkombinationen die
Einzelwirkungen der Lebensmittel auf den Blutzucker ändern
können. Immerhin: Praktisch alle Diäten /
Ernährungsempfehlungen kommen darin überein, dass der
Zuckerkonsum niedrig bleiben sollte, denn Zucker liefert nur "leere
Kalorien", d.h. keine Vitamine und Mineralstoffe. Die
stärkehaltigen Kartoffeln liefern dagegen auch z.B. Calcium,
Eisen, Kalium, Magnesium, Phosphor, Vitamin C; zudem liefern sie auch
gut verwertbares Eiweiß.
4. Überhöhte Mengen an Proteinen (Purine), wie sie v.a. in
Fleisch enthalten sind, können zu Gicht und Nierenschäden
führen.
Kritiker dieser neuen Studie können also darauf verweisen, dass
ein fragwürdiger Diät-Erfolg mit fragwürdigen
Ernährungsgewohnheiten erkauft wird. Und bei Berücksichtigung
der bekannten "Glyx"-Problematik sowie der generellen Empfehlung einer
zuckerarmen Ernährung bleibt auch hier wieder das Unbehagen, dass
Kohlenhydrate zu undifferenziert gesehen werden, was jedenfalls bei der
"low-carb"-Ideologie der Fall ist. Die Gefahren einer zu fettarmen
Ernährung, insbesondere die Unterversorgung mit essentiellen
Fettsäuren, sind ebenfalls schon lange bekannt.
Folglich hält der Verf. weiterhin die üblichen
Ernährungsempfehlungen grundsätzlich für einen
brauchbaren Anhaltspunkt: Hinsichtlich der Nährstoffe sollte der
Kalorienbedarf zu 50-60% aus Kohlenhydraten (v.a. Obst, Gemüse,
Vollkornprodukte; wenig Zucker), 30% aus Fetten (v.a. ungesättigte
Fettsäuren) und 10-20% aus Eiweißen (v.a. pflanzlich;
Fleischkonsum nicht höher als ca. 500g pro Woche) bestehen.
Für einen Tagesbedarf von 2.000kcal sind das 1.000-1.200kcal
Kohlenhydrate (ca. 250-300g; davon weniger als 50g Zucker), 600kcal
Fett (ca. 65g), 200-400kcal Eiweiß (ca. 50-100g). Auch der Anteil
an Ergänzungsstoffen (Vitamine, Mineralstoffe, Ballaststoffe) muss
dem persönlichen Bedarf angepasst werden. Ein einmal
sorgfältig erstellter und dann im wesentlichen beibehaltener
Ernährungsplan entlastet von
ständigem großen Aufwand
bei der Essensauswahl.
Insgesamt scheint also keine Notwendigkeit zu bestehen, den Forderungen
von Meinert Larsen und Astrup nach neuen Ernährungsempfehlungen zu
entsprechen.
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