Annum ingressi sumus

- Das Testament von Papst Leo XIII. -
(Kirche zum Mitreden, 23.03.2001)

[PRHL] Im folgenden geben wir den vollständigen Text des Apostolischen Schreibens "Annum ingressi sumus" von Papst Leo XIII. (geb. 02.03.1810; Papst 20.02.1878 - 20.07.1903) wieder. Leo XIII. charakterisiert den Sinn dieses Schreibens: "Möge dieses Wort erschallen als das Testament, welches Wir, dem Ende nahe, der Menschheit mit dem innigsten Wunsche für das Wohl der Völker hinterlassen wollen!"
Aus den zahlreichen Schreiben, die Leo XIII. der Kirche geschenkt hat, fasst er hier wichtige Grundaussagen zusammen. Insofern eignet sich diese Schrift hervorragend als Überblick über zentrale kirchliche Themen, wenngleich zur intensiveren Beschäftigung mit der Materie die Lektüre der anderen leoninischen Enzykliken unverzichtbar bleibt. Die Überschriften gehören nicht zum Originaltext, sondern sind vom Herausgeber Carl Ulitzka (Lumen de Caelo, Ratibor 1934, 1-21) eingefügt worden. Sie erleichtern die Orientierung, weswegen wir sie übernommen haben.
Die Enzyklika ist nun fast einhundert Jahre alt, trotzdem schätzen wir die jetzige Lage der Kirche nicht wesentlich besser ein als Leo XIII. die damalige Lage der Kirche. Die Kirche leidet noch heute unter Verleumdungen und Verfolgungen schlimmster Art, wobei die Entscheidung, wo man mit der Apologie anfangen soll, nicht immer leicht fällt. Doch auch bei dem größtmöglichen Eifer gilt: "Wenn euch die Welt haßt, so wisset, daß sie mich vor Euch gehaßt hat" (Joh. 15,18).
Dieses päpstliche Testament vermag Trost zu spenden, wenn man schon fast an der Bosheit dieser Welt kapitulieren möchte. Man vergleiche z.B. die moralische Lage der deutschen Nation mit den Vorschriften des Sittengesetzes. Oder wenn man die antichristliche Propaganda mit den so gen. "Zwangsarbeitern" sieht:

"Die katholischen Bistümer in Bayern haben indes an die ersten Zwangsarbeiter, die in der Nazizeit in katholischen Einrichtungen arbeiten mussten, Entschädigungen gezahlt. Für das Erzbistum München wurden 101 Frauen und Männer – meistens aus der Ukraine und aus Polen – mit Namen und Adresse erfasst. Ein Teil hat bereits 5000 Mark pro Kopf erhalten, die übrigen sollen das Geld in den nächsten Tagen bekommen. Ähnlich sieht es bei den anderen Bistümern aus" (Nürnberger Nachrichten v. 23.03.2001).

Die Tagesblätter setzen der verrohten Masse so einen Abfall vor, und die verrohte Masse stürzt sich gierig darauf, um alles zu schlucken. Seiten wie KzM können sich dagegen nicht sehr leicht durchsetzen.
Was KzM zu leisten vermag, haben wir vor kurzem sehr deutlich erfahren dürfen. Am 16.03.2001 erhielten wir eine e-mail mit dem Betreff "Wer ist Papst?": "Wer ist Ihrer Meinung nach Papst, und damit Oberhaupt der katholischen Kirche?"


Annum ingressi sumus
- Apostolisches Schreiben -
- 19.03.1902 -

Papst Leo XIII.

An die Ehrwürdigen Brüder, die Patriarchen, Primaten, Erzbischöfe, Bischöfe und an alle geliebten christgläubigen Söhne, die Frieden und Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl haben.
Ehrwürdig Brüder!
Gruß und Apostolischen Segen!

I. Einleitung
a) Dank gegen Gott.
Beim Eintritt in das 25. Jahr Unseres Apostolischen Amtes blicken wir staunend über Gottes Güte auf den Weg zurück, den Wir unter großen und beständigen Sorgen zurückgelegt haben und fühlen uns angetrieben, Unser Herz zum gütigen Gott zu erheben, der zu zahllosen Wohltaten Uns auch noch eine so lange Regierung hat gewähren wollen, wie sie kaum ihresgleichen in der Geschichte findet. Zu dem Vater im Himmel, dem Urheber und Lenker des Lebens, steige daher aus innig gerührtem Herzen der Lobgesang Unseres Dankes empor. Gewiß, kein Menschenauge kann den göttlichen Ratschluß, der Uns ein so wieder erwarten langes Leben schenken wollte, ergründen, und auch Wir vermögen es nicht. Eins jedoch wissen Wir: wenn es Gott in seiner Güte gefiel, Uns so lange das Leben zu lassen, so obliegt Uns die hohe hl. Pflicht, zum Nutzen und Wachstum der Kirche unsere letzten Kräfte zu opfern und deshalb vor Mühen und Sorgen nicht zurückzuschrecken.
b) Dank gegen die Bischöfe.
Nachdem wir so Unserem Vater im Himmel, dem Ehre und Lob sei in Ewigkeit, den schuldigen Erweis Unserer dankbaren Gesinnung dargebracht, ist es Uns eine angenehme Pflicht, Uns an Euch zu wenden, Ehrwürdige Brüder, die Ihr vom hl. Geist berufen seid, die einzelnen Teile der Herde Jesu Christi zu weiden und die Ihr darum Teil habt an den Kämpfen und Siegen, an den Schmerzen und Freuden des oberhirtlichen Amtes. Uns werden niemals aus dem Gedächtnisse entschwinden die vielfachen glänzenden Beweise treuer Anhänglichkeit, welche Ihr während Unserer langen Regierung Uns gegeben und in erfreulichem Wetteifer gegenwärtig erneuert habt. Da wir Uns mit Euch auf das Innigste durch amtliche Pflicht und väterliche Liebe verbunden fühlen, sind Uns diese treuen Ergebenheitserweise durchaus erwünscht nicht so sehr, weil sie Unserer Person gelten, als vielmehr wie sie ein Zeichen der Anhänglichkeit an diesen Apostolischen Stuhl sind, der den notwendigen Mittelpunkt aller übrigen Bischofssitze der katholischen Welt bildet. Wenn je für alle Glieder der kirchlichen Hierarchie gegenseitig Liebe, Übereinstimmung im Denken und Handeln nötig waren, als wären sie nur ein Herz und eine Seele, so ist dies besonders in unseren Tagen geboten. Wem könnte es verborgen bleiben, daß sich viele erbitterte Feinde zusammentun, um das Werk Jesu Christi zu Grunde zu richten, indem sie mit unglaublicher Hartnäckigkeit die göttlichen Wahrheiten und Einrichtungen zu beseitigen trachten? Doch Ihr selbst schaut dies täglich bis zum Überdruß mit eigenen Augen; mehr denn einmal habt Ihr es mit uns beklagt, wie unheilvolle Meinungen und Lehren straflos unter dem Volke um sich greifen. Wie viele Fallstricke sind dem Glauben der Unvorsichtigen gelegt! Und, was noch mehr zu bedauern ist, man sucht mit Hindernissen aller Art das segensreiche Wirken der Kirche zu schwächen und nach Möglichkeit erfolglos zu machen. Zum Schaden fügt man noch den Spott hinzu und schleudert gegen die Kirche selbst die Anklage, sie sei nicht mehr imstande, mit ungeschwächter Kraft wie früher die stürmischen und verheerenden Leidenschaften, welche alles mit Vernichtung bedrohen, im Zaume zu halten.

II. Der Kampf gegen die Kirche
Gerne möchten Wir, Ehrwürdige Brüder, über angenehmere Gegenstände zu Euch reden, die auch mehr im Einklage ständen mit dem freudigen Anlaß, der Uns zum Reden drängt. Das lassen aber weder die großen Bedrängnisse der Kirche zu, welche schleunige Erleichterung fordern, noch die traurige Lage der heutigen Gesellschaft, welche nach Preisgabe der großen christlichen Überlieferung sich sittlich und materiell verschlimmert und immer noch trauriger gestaltet. Es ist ja ein Gesetz der Vorsehung, welches auch von der Geschichte bestätigt wird, daß man die Hochschätzung der Religion dem Volke nicht nehmen kann, ohne gleichzeitig die gedeihliche Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft zu erschüttern. Angesichts solcher Bedrängnisse ist es von Nutzen, den gegen die Kirche entbrannten Kampfe in seiner Entstehung, seinen Ursachen und in seinen verschiedenen Erscheinungsformen zu betrachten, auf seine unheilvollen Folgen hinzuweisen und die Heilmittel zu bezeichnen, um so rechtzeitig die Gemüter mit Mut und Vertrauen zu erfüllen. Möge daher auch, an die Worte erinnernd, die Wir schon bei anderen Gelegenheiten gesagt haben, Unsere Stimme weithin erschallen, und nicht nur zu den gläubigen Kindern der christlichen Einheit dringen, sondern auch zu den Getrennten und zu jenen Unglücklichen, welche nicht glauben! Sind doch alle Kinder desselben Vaters und bestimmt zu demselben höchsten Gute! Möge dieses Wort erschallen als das Testament, welches Wir, dem Ende nahe, der Menschheit mit dem innigsten Wunsche für das Wohl der Völker hinterlassen wollen!

1. In seiner Entstehung:
a) Der Kampf entstand ganz natürlich.
Der Hort für Wahrheit und Gerechtigkeit, die heilige Kirche Christi, mußte zu allen Zeiten Anfeindungen und Verfolgungen erdulden. Schon durch den Zweck, zu dem sie gestiftet, und infolge der Aufgabe, welche sie von ihrem Stifter erhalten hatte, nämlich in der Welt das Reich Gottes fest zu gründen und zu verbreiten und die Herzen der Menschen von der Liebe zu den vergänglichen Dingen zu den ewigen zu erheben, stieß sie notwendig mit der verdorbenen und gesunkenen menschlichen Natur zusammen. Sie sah, wie alle Leidenschaften sich ihr heftig und feindselig entgegenstellten, weil sie nicht unterließ, zu deren Bekämpfung aufzufordern.
b) Christus hat ihn vorausgesagt.
Dies wird auch keinen Christen wundernehmen, da diese Verfolgungen von unserem Herrn und Meister uns zur Warnung vorausgesagt worden sind und Wir wissen, daß sie fortdauern werden, solange die Welt steht. Was sagte er denn zu seinen Jüngern, als er sie aussandte, seine Lehre allen Völkern zu verkünden: Sie werden euch verfolgen, von allen werdet ihr gehaßt und gering geschätzt werden um meines Namens willen, vor Könige und Statthalter wird man euch stellen, ihr werdet vor die Gerichte gezogen und zu den höchsten Strafen verurteilt werden, sie werden euch Schlimmes antun, ja euch töten. Und um sie für diese Heimsuchungen zu stärken, wies er auf sein eigenes Beispiel hin: "Wenn euch die Welt haßt, so wisset, daß sie mich vor Euch gehaßt hat." (Joh. 15,18) Das ist der uns hienieden versprochene Lohn.
c) Dieser Haß ist unbegründet.
Ein gerechter Beurteiler freilich muß einen solchen Haß völlig unbegründet finden. Nachdem Christus im Drange seiner unendlichen Liebe zu den Menschen herabgestiegen war, verkündete er eine überaus heilige, trostreiche Lehre, ein Lehre, die ungemein geeignet war, die Menschheit in Frieden und Eintracht zu verbrüdern. Er verschmähte Reichtum und Ehre, griff nie in eines andern Rechte ein. Überaus mitleidsvoll war er gegen die Kranken, gegen die Schwachen, gegen die Armen, gegen die Unterdrückten, gegen die Sünder. Sein ganzes Leben brachte er zu, den Menschen Wohltaten zu spenden. Konnte es trotz alledem geschehen, daß er der Weissagung Simeons gemäß zum Zeichen des Widerspruchs geworden ist, so müssen wir hierin ein Übermaß menschlicher Bosheit erblicken, das (ohne sagen zu können, ob Grausamkeit oder Ungerechtigkeit größer gewesen) durch die Ungerechtigkeit um so schrecklicher ist.

2. Der Kampf in seinen verschiedenen Formen
Kein Wunder darum, daß der katholischen Kirche, welche Christi Sendung fortsetzt und die Wahrheit des Glauben unverfälscht bewahrt, dasselbe Los beschieden ist. Die Verkehrtheit der Welt überdauert die Jahrhunderte. Neben den Kindern Gottes finden sich immer die Knechte jenes großen Widersachers des Menschengeschlechtes, der ein Feind Gottes von Anbeginn war und in der hl. Schrift der Fürst dieser Welt genannt wird. Darum ist der Welt das Gesetz und sein Verkünder, der im Namen Gottes es verkündet, unerträglich, weil sie Gottes Herrschaft hartnäckig zu leugnen sich anmaßt. Wie oft haben sich in Zeiten, die stürmischer waren als die unseren, die Feinde mit unerhörter Grausamkeit und unverschämter Rohheit zum törichten Unternehmen zusammengeschlossen, das Wort Gottes zu vernichten zum Hohn alles Rechtes. Und wenn man mit der einen Art der Verfolgung nicht zum Ziele kam, versuchte man eine andere.
a) Die rohe Gewalt.
Gleich von Anfang an suchte man den christlichen Namen in Marter und Schmach zu ersticken. Drei Jahrhunderte tränkte Martyrerblut die Stadt Rom und die römischen Provinzen.
b) Die Irrlehre.
Dann erhob sich ein innerer Feind. Die verderbliche Irrlehre versuchte zuerst versteckt, bald aber mit dreister Offenheit durch trügerische Lehren und Ränke die Eintracht und Einheit in der Kirche zu zerstören.
c) Der Unglaube.
Sodann erhoben sich mehr denn einmal vom Norden her gleich einem verheerenden Unwetter die Horden der Barbaren, vom Süden die Sarazenen, deren Spuren Mord und Verwüstung bezeichneten. So vererbte sich von Jahrhundert zu Jahrhundert das traurige Vermächtnis des Hasses gegen die Kirche.
d) Der Cäsaropapismus.
Es folgte ein Kaisertum, mißtrauisch und übermächtig, eifersüchtig auf fremde Gewalt, wie sehr auch die Macht der Kirche dadurch wachsen mochte, und erneuerte fortgesetzt die Angriffe, um sie zu knechten oder ihre Rechte sich anzumaßen. Überdruß erfüllt das Herz, wenn man die häufigen Bedrängnisse und den schweren Kummer sieht, welche der Kirche zugefügt werden. Und dennoch ist sie aus allen Hindernissen und Gewalttätigkeiten stärker hervorgegangen, hat die Grenze ihre Friedensreiches immer weiter ausgedehnt, das glorreiche Erbe der Wissenschaft, Literatur und Künste gehütet und war vor allem bestrebt, die menschliche Gesellschaft mit dem Geiste des Evangeliums zu erfüllen und gar zu durchdringen. Auf diese Weise schuf sie jene Kultur, die man christliche nennt. Sie brachte den Völkern, die sich ihrem wohltätigen Einfluß nicht entzogen, gerechte Gesetze, milde Sitten, lehrte sie Fürsorge für die Schwachen, die Liebestätigkeit für Arme und Unglückliche, die Achtung vor den Rechten und der Standeswürde eines jeden und legte dadurch - so weit das inmitten der menschlichen Leidenschaften möglich ist - den Grund zu jenem ruhigen bürgerlichen Leben, welches aus einem besseren Verhältnis zwischen Freiheit und Gerechtigkeit hervorging.
e) Die freie Forschung.
Und dennoch trotz so klarer und herrlicher Beweise für ihre segensreiche Kraft sehen wir die Kirche gegen das Ende des Mittelalters von gottlosem Hasse angefeindet. Fast noch härtere Kämpfe brachte das folgende Zeitalter. Im 16. Jahrhundert begann jener traurige Bruderkrieg der Neuerer, dessen Voraussetzungen bekannt sind. Durch Angriffe auf das Haupt der Kirche, das Papsttum und sein Ansehen, welche alle Gläubigen zu einer Liebe vereinigt und mit Kraft erfüllte, suchten sie in schönster Blüte stehende Völker von der Einheit des Glaubens kläglich loszureißen. Durch diese unheilvolle Spaltung langten sie notwendigerweise an einem Punkte an, wo sie vielleicht selbst nicht anlangen wollten, daß sie nämlich noch kaum den Schatten des Christentums behielten, die Sache selbst so ziemlich opferten. Aber nachdem man einmal einerseits die Vorrechte des römischen Stuhles, das Fundament der Einheit bestritten und andererseits den Grundsatz der freien Forschung aufgestellt hatte, wurde zahllosen Meinungen und Neuerungen der Weg geöffnet. Darum gibt es keinen auch noch so heiligen Grundsatz der christlichen Lehre, den jene Neuerer nicht in Zweifel zögen oder völlig verwürfen.
f) Die Aufklärung.
Auf demselben Wegen ging die spottsüchtige Philosophie des 18. Jahrhunderts noch weiter. Für sie gab es weder eine heilige Schrift noch eine von Gott geoffenbarte Wahrheit. Ihr Endziel war, die letzte Spur der christlichen Religion aus dem Herzen der Völker zu vertilgen. Diesen Quellen entsprangen die verderblichen Lehren des Rationalismus und Pantheismus, des Naturalismus und Materialismus, alte von den Vätern und den Apologeten bereits siegreich widerlegte Irrtümer in neuem Gewande. Überhaupt sinkt der Hochmut der Neuzeit, indem er das Licht des christlichen Glauben verachtet, in die Irrtümer des Heidentums zurück, so daß man sogar die Vorzüge der menschlichen Seele und ihre Unsterblichkeit leugnet.
g) Der Skeptizismus.
Unter diesen Umständen gestaltete der Kampf gegen die Kirche sich heftiger und allgemeiner als vorher, denn der Unglaube unserer Zeit begnügt sich nicht damit, diese oder jene Glaubenswahrheit zu bezweifeln oder zu leugnen, sondern bekämpft alle von der Offenbarung geheiligten und von der gesunden Philosophie bestätigten Grundsätze in ihrem ganzen Umfange. Nun sind es aber jene heiligen Grundsätze, welche den Menschen über seine ewige Bestimmung aufklären, ihm den Weg der Pflicht zeigen, ihn im Leben aufrichten, ihn lehren, seinen Schmerz zu tragen, ihm vollkommene Gerechtigkeit im Gerichte Gottes und ein glückseliges Leben nach dem Tode in Aussicht stellen, und ihm einschärfen, die Zeit der Ewigkeit, die Erde dem Himmel unterzuordnen. Und was setzt man an die Stelle dieses Glaubens, so überreich an segensvoller Heilkraft? Eine schauerliche Zweifelsucht, welche die Herzen lähmt und jedes hochherzige Streben erstickt.
h) Die Religionslosigkeit.
Und schon schaut Ihr, Ehrwürdige Brüder, die Folgen dieser unheilvollen Lehren, die aus dem Kreise der Meinungen sich einen Weg bahnt in das öffentliche Leben und in die Einrichtungen des Staates. Große und mächtige Staaten richten sich beständig danach, wähnend, daß sie so an der Spitze der öffentlichen Gewalt nicht verpflichtet wären, sich nach den gesunden Grundsätzen des sittlichen Lebens zu richten, glauben sie sich vielmehr frei von der Pflicht, Gott öffentlich zu ehren; und nur zu oft geschieht es, daß sie im Großtun mit einer vollständigen Gleichgültigkeit gegen alle Religion die allein feindselig behandeln, welche Gott eingesetzt hat.

3. Der Kampf in seinen unheilvollen Folgen:
a) Die unabhängige Moral.
Nachdem man im öffentlichen Leben Gott verächtlich beiseite gesetzt hatte, mußte eine tiefgehende Verwirrung und ein Niedergang des sittlichen Lebens notwendig folgen, da ja die Religion das Fundament der Gerechtigkeit und Sittlichkeit ist, wie das schon die berühmtem heidnischen Weltweisen erkannt haben; sind nämlich einmal die Bande gelöst, welche die Menschen mit Gott, dem höchsten Gesetzgeber und Richter, verbinden, so gibt es nur mehr ein Schattenbild einer rein bürgerlichen oder, wie man sagt, einer unabhängigen Moral, welche um ein ewiges Gesetz und göttliche Vorschriften sich nicht kümmert und auf abschüssiger Bahn bei der äußersten Folgerung anlangt, daß der Mensch nach Lust und Laune sich selber Gesetze gibt. Ist die Hoffnung des Menschen nicht mehr auf die höheren Güter gerichtet, wird er dann nach etwas anderem trachten als die Freuden und Bequemlichkeiten dieses Lebens möglichst zu genießen? Der Durst nach den Lüsten des Lebens steigert sich, es entbrennt die Begierde nach Reichtümern und das maßlose Verlangen nach übergroßem Gewinn, ohne Rücksicht auf die Gerechtigkeit; der Ehrgeiz wird entflammt und verschmäht keine Mittel, um zu Macht und zu Ehren zu gelangen. Wo aber eine solche Zügellosigkeit die Gemüter der Menge beherrscht, werden die Gesetze und die öffentliche Autorität verachtet, da kann das Gemeinwesen nicht mehr fern von seinem Untergange sein.
b) Die Zerrüttung der Familie.
Die Wirklichkeit bestätigt bereits nur allzusehr die aus dieser heillosen Verwirrung hervorgehenden, vorbezeichneten Übelstände. Wir sehen die Grundlagen des bürgerlichen Lebens wanken, nachdem man einmal die Grundsätze von Recht und Gerechtigkeit preisgegeben. Das hat allen Glieder der Gesellschaft, vor allem aber der Familie, eine schwere Wunde geschlagen. Denn der Staat, der Kirche entfremdet, überschritt die Grenzen und das Ziel seiner Machtbefugnisse, legte seine Hand an das eheliche Band, beraubte es seiner Heiligkeit, verletzte das natürliche Recht der Eltern auf die Erziehung ihrer Kinder und schädigte an manchen Orten die Festigkeit des ehelichen Bundes durch gesetzliche Gutheißung der Ehescheidung. Die Folgen können niemandem verborgen blieben: täglich wächst die Zahl jener Ehen, die nur aus Leidenschaft leichtfertig eingegangen und deshalb in kurzer Zeit wegen Ekel und Untreue wieder aufgelöst werden, gar nicht zu reden von den Kindern, welche durch die Sorglosigkeit oder das böse Beispiel der Eltern frühzeitig verdorben oder endlich von den schlechten Grundsätzen des religionslosen Staates vergiftet werden.
c) Der Zerfall der sozialen Ordnung.
Der Verfall der Familie zog auch den Verfall der sozialen und politischen Ordnung nach sich, hauptsächlich infolge der neuen Anschauungen, welche die wahren Begriffe der Herrschergewalt fälschten, indem sie ihr einen falschen Ursprung zuerkannten.
Nehmen wir wirklich einmal an, daß die Regierungsgewalt nicht von Gott, dem höchsten und ewigen Grund aller Gewalt, sondern von der Zustimmung der Volksmenge herrühre, so muß sie sofort in den Augen der Bürger viel verlieren und in ein künstliches Regiment ausarten, das auf ein so unsicheres und wankendes Fundament sich stützt, wie es der menschliche Wille ist. Und sehen wir vielleicht nicht schon die Folgen in den Gesetzen? Meist bringen sie die Meinung der an Zahl überlegenen Partei, keineswegs aber, wie es billig wäre, "die geschriebene Vernunft" zum Ausdruck. Deshalb kann man sehen, daß man den zügellosen Wünschen der Massen schmeichelt, den Volksleidenschaften die Zügel schießen läßt, selbst wenn sie die Arbeiten und den Frieden der Bürger stören. Wenn es aber zum Äußersten gekommen ist, ergreift man gewaltige und auch selbst blutige Mittel.
d) Der Egoismus im politischen Leben.
Wo man aus dem allgemeinen Völkerrechte die christlichen Gebote verbannt, welche ein wunderbare Kraft in sich tragen, die Völker zusammenzuschließen und gleichsam zu einer Familie zu vereinigen, ist in ähnlicher Weise im Verkehr der Völker untereinander nach und nach maßlose Selbstsucht und Eifersucht entstanden, so daß man sich, wenn auch nicht mit feindseligem, so doch mit mißtrauischem Auge beobachtet. Daher lassen die Nationen bei ihren Unternehmungen sich nicht gar zu sehr von den erhabenen Grundsätzen der Sittlichkeit und der Gerechtigkeit leiten, sie meinen, es gehe sie nicht an, die Schwachen gegen die Unterdrückung der Mächtigen in Schutz zu nehmen. Ihr ganzes Sinnen und Trachten ist auf grenzenlose Anhäufung von Reichtümern gerichtet, einzig und allein streben sie das an, was ihnen Vorteil und Nutzen zu bringen scheint, sind sie ja überzeugt, daß, wenn der Gewaltstreich einmal gelungen ist, niemand sie an ihre Pflicht gemahnen wird.
Das sind unheilvolle Ansichten, welche die rohe Gewalt als höchstes Gesetz der Welt aufstellen; daher die rastlose und maßlose Vermehrung der Kriegsrüstungen, daher ein solcher Friede der dem schlimmsten Krieg in seinen Folgen vergleichbar ist.
e) Der Geist der Widersetzlichkeit im Volke.
Aus dieser sittlichen Verwirrung erwachsen dem Volke die größten Nachteile, Unruhen und Unbotmäßigkeit; daher die so häufigen Unruhen und Aufstände, welche noch schlimmere Stürme ankündigen. Die unwürdige Lage eines so großen Teiles der gewöhnlichen Volkes, dem schnell Befreiung oder wenigstens Erleichterung verschafft werden muß, wird von verschmitzten Führern, an erster Stelle von der sozialistischen Partei, zu ihrem Vorteil mißbraucht, die das Volk durch trügerische Versprechen betören und zur Verwirklichung ihrer schändlichen Pläne antreiben.
f) Der Anarchismus.
Weil aber derjenige, der einen Abhang hinunterstürzt, schließlich in die Tiefe gelangen muß, so haben die gegebenen Ursachen notwendig zur Folge gehabt, daß eine Gesellschaft von verkommenen, rohen Menschen herangebildet wurde, deren gräßliche Taten in kurzer Zeit überall Schrecken eingejagt haben. Durch ihre Macht und ihre Zahl bei allen Nationen vermag sie überall ihre verbrecherische Hand anzulegen und dreist jeden Anschlag zu wagen. Ihre Anhänger zerreißen alle Bande, welche Gesetz, Religion und Sittlichkeit geknüpft haben, nennen sich Anarchisten und suchen mit allen Mitteln, die nur wilde Leidenschaft eingeben kann, die gesellschaftliche Ordnung von Grund aus zu zerstören. Da aber die Gesellschaft namentlich durch die Obrigkeit Festigkeit und Lebensfrische erhält, so richten diese verworfenen Menschen ihre Pfeile vorzüglich gegen die Obrigkeit. Wer erbebte nicht in Mitleid und Entrüstung angesichts jener mörderischen Anfälle und Mordtaten, denen in diesen wenigen Jahren Kaiser und Kaiserinnen, Könige und Häupter mächtiger Republiken zum Opfer gefallen sind, einzig darum, weil sie mit der höchsten Gewalt bekleidet waren?

III. Die Heilmittel.
Gegenüber so zahlreichen und so schwer drückenden Übeln und drohenden Gefahren ist es Unsere Pflicht, von neuem alle Gutgesinnten, besonders die, welche hervorragende Stellungen einnehmen, zu ermahnen und zu beschwören, geeignete Heilmittel zu suchen und sie behutsam und mit Nachdruck baldigst anzuwenden.

1. Falsche Mittel:
a) Freiheit ohne Zügel.
Zuerste handelt es sich darum, sie zu erkennen und ihre Kraft abzuschätzen. Wir hörten schon die Vorteile und die Kraft der Freiheit so überschwänglich loben, als sollte sie Frieden und Wohlstand bringen. Die Tatsachen haben Uns aber ihre Unzulänglichkeit und Unfähigkeit zur Genüge bewiesen. Im wirtschaftlichen Leben, in der Stellung der Bürger untereinander ist der Kampf entbrannt oder doch am Entbrennen; von einem ruhigen, friedlichen Zusammenleben ist nichts zu merken. Im Gegenteil, jedermann hat genugsam erfahren, daß die Freiheit, wie man sie heutzutage versteht, als gleiche Freiheit für den Irrtum und die Wahrheit, für Tugend und Laster, nur dazu geführt hat, alles Edle, Heilige und Erhabene zu unterdrücken, den Verbrechen aber, dem Selbstmord und den schmählichsten Schandtaten freie Bahn zu schaffen.
b) Unterricht ohne Religion.
Man hat sich auch viel von der Verbesserung des Volksunterrichts versprochen, als würden die Volksmassen, je gebildeter und aufgeklärter, auch desto stärker gegen die schlimmen Einflüsse der Leidenschaften und darum auch um so mehr in der Sittlichkeit und Rechtlichkeit befestigt werden. Die Erfahrung zeigt aber fast tagtäglich, wohin die Bildung führt, die von einer gründlichen religiösen und sittlichen Erziehung nichts wissen will. Die Jugend, unerfahren und von Leidenschaften umbraust, läßt sich leicht durch die falschen Grundsätze betören, die besonders die Tagesblätter mit ungezügelter Freiheit verbreiten, die Geist und Herz verderben und jenen Geist des Hochmuts und der Unbotmäßigkeit durchweg großziehen, der so oft in die Familien und in die Gemeinden Verwirrung bringt.
c) Kulturfortschritt ohne Gott.
Schöne Hoffnungen setzten viele auch auf den Fortschritt in den Wissenschaften, und hierin hat das letzte Jahrhundert Großes, Neues und Wunderbares geleistet. Hat es aber jene so sehr erwünschten und darum erwarteten Früchte des Teiles gebracht? Gewiß hat der strebsame Geist unserer Zeitgenossen, dem neue und unerläßliche Forschungsgebiete erschlossen wurden, die Herrschaft der Menschen über die Körperwelt erweitert und das irdische Leben durch manche Annehmlichkeiten verbessert. Daß aber die Erfolge den Erwartungen keineswegs entsprechen, leuchtet jedem ein, der diese Richtung des Geistes und den Zustand der Sitte, die Jahresberichte über die Verbrechen, das schauerliche Murren der unteren Volksklassen und die Vergewaltigung des Rechtes ins Auge faßt. Abgesehen von dem zum äußersten gebrachten Volke, genügt ein Blick, um die unsagbare Traurigkeit, die auf den Gemütern lastet, und die tiefe Leere in den Herzen wahrzunehmen. Wenn der Mensch auch die Körperwelt sich dienstbar gemacht hat, so ist sein Geist dennoch unbefriedigt geblieben. Wohl hat sein Forschen ihm manches Wissen enthüllt, ist ihm aber in den höchsten und schwierigsten Fragen die Antwort schuldig geblieben. Die irdischen Dinge reizen nur den Durst nach Wahrheit, Tugend und dem unendlichen Gute, ohne ihn zu stillen; die vielfach vermehrten Annehmlichkeiten des Lebens sind nicht imstande, die Sorgen aus den Herzen zu verbannen.

2. Richtige Mittel:
a) Christliche Freiheit, Fortschritt, Unterricht.
Sollen darum die Schätze der Wissenschaft, der Kultur und einer maßvoll und vernünftigen Freiheit verachtet oder vernachlässigt werden? Durchaus nicht! Sie müssen im Gegenteil geschützt und gefördert werden, sie sind ja als an sich gute, von Gott selbst zum besten der Menschheit gewollte Mittel zu betrachten. Nutzbringend, nach den Absichten des Schöpfers, sind sie aber nur im Anschlusse an die Religion, die ihnen all ihre Kraft und Fruchtbarkeit verleiht. Dieser eine Punkt ist von entscheidender Wichtigkeit. Denn wie ein Wesen, getrennt von dem Einflusse der Ursachen, die ihm Bestand gaben, zerrüttet werden muß, so muß es, um lebensfrisch zu werden, mit der Lebenskraft dieser Ursachen wieder in Verbindung gebracht werden. Nun denn, in dem törichten Unterfangen, von Gott sich loszusagen, verwarf die bürgerliche Gesellschaft dreist alle geoffenbarten Lehren und alles Übernatürliche und hielt so die lebensspendende Kraft des Christentums von sich ferne, welche allein die sicherste Bürgschaft für die Ordnung, das wichtigste Band der Verbrüderung und die nie versiegende Quelle der Tugenden für den einzelnen wie für die Allgemeinheit bildet. Auf diesen Abfall vom Glauben folgte eine große Zerrüttung in Leben und Sitten. Zu den christlichen Einrichtungen muß also die beirrte Gesellschaft zurückkehren, wenn ihr Wohl, ihre Ruhe und ihr Heil ihr am Herzen liegt.
b) Rückkehr zur katholischen Kirche.
Wie die Weisheit des Christentums in keine Seele einkehrt, ohne sie besser zu machen, so dringt es auch in keine Staatsverwaltung ein, ohne einen friedlicheren, ruhigeren Zustand sofort herbeizuführen. Mit dem Begriffe eines für alle sorgenden, allweisen, unendlich gütigen und gerechten Gottes weckt es im Gewissen das Pflichtgefühl, mildert es die Bitterkeit der Leiden, besänftigt es den Zorn und regt es zu heldenmütigen Taten an. Wenn es die heidnischen Völker von Grund aus umzuwandeln vermochte, sie vom völligen Untergange zum Leben zurückrief, wenn es die Barbarei zurückdrängte, wohin es nur seinen Fuß setzte, so wird es in gleicher Weise die durch den Abfall zerrütteten Völker, die zum Christentum zurückkehren, wieder auf die Bahn der Ordnung zurückgeleiten.

1. Sie ist die wahre Braut Christi.
Soll aber diese Rückkehr wahres und volles Heil bringen, so muß sie eine Rückkehr in den Schoß der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche sein. Denn die Kirche allein ist Trägerin des ganzen Christentums, jene ganz geistliche und vollkommene Gesellschaft, die der mystische Leib Christi ist und zum sichtbaren Oberhaupt den Bischof von Rom hat, den Nachfolger des Apostelfürsten. Sie setzte der Erlöser des Menschengeschlechtes ein als Vollenderin seines Werkes und zur Ausspenderin des ihr anvertrauten Heils, sie verbreitete das Evangelium über die Erde und verteidigte es mit ihrem Blute, und im Vertrauen auf die heiligsten Verheißungen und den immerwährenden göttlichen Beistand führt sie frei von allem Irrtum den Auftrag aus, die Lehre Christi bis an das Ende der Zeiten unverfälscht zu bewahren.
2. Sie tritt ein für Gerechtigkeit und Liebe.
Als rechtmäßige Hüterin der Sittenlehre des Evangeliums schützt sie nicht nur die den einzelnen zu ihrem ewigen Heile nötigen Mittel, sondern auch die Grundbedingungen der Wohlfahrt des Staates: Gerechtigkeit, gegenseitige Liebe, wahre Freiheit und Gleichheit, soweit sie überhaupt möglich ist. Den Geboten und Lehren ihres göttlichen Stifters folgend, wahrt sie nach weisem Ermessen alle Rechte und Vorrechte der ganzen menschlichen Gesellschaft. Die Gleichheit, die sie verkündet, berührt die offenbar von der Natur gewollten Standesunterschiede nicht. Die Freiheit, die sie lehrt, ist derart, daß sie weder die Vernunft vom Gehorsam und von der Unterweisung unter den Glauben ausnimmt, noch sich selbst überläßt; sie fordert es als ein Recht, daß die Freiheit der Wahrheit, die Majorität und Gewalt der Gerechtigkeit, die Menschenrechte den Rechten Gottes den Vorrang lassen.
3. Sie rettet das Familien- und bürgerliche Leben.
Nicht minder segensreich sind ihre Einflüsse im Familienleben: sie schützt die Familien gegen die Nachstellung und Zügellosigkeit schändlicher Feinde des Glaubens, sie schlingt fester die unlöslichen Bande der ehelichen Liebe und schützt die Ehrbarkeit und Heiligkeit der Ehe. In gleicher Weise bringt sie dem bürgerlichen wie dem staatlichen Leben Ordnung und Stärke; denn einerseits stützt sie das Ansehen der Vorgesetzten und andererseits ist sie berechtigten und billigen Wünschen der Untertanen nicht abhold; sie verlangt ehrerbietigen Gehorsam gegen die Obrigkeit und verteidigt die unveräußerlichen Rechte der Menschenwürde. Und so wird die Gesellschaft, wenn sie der Kirche gehorsam ist, sich gleich fernhalten von Knechtschaft wie von Gewaltherrschaft.
4. Leo XIII. hat sich bemüht, dies zu zeigen.
Im Bewußtsein eben dieser göttlichen Kraft waren Wir gleich von Beginn unserer Regierung an eifrig bemüht, die segensreichen Absichten der Kirche zu betonen, das Licht ihrer Lehren und den Segen ihrer Wohltaten möglichst weit auszubreiten. Diesen Zweck verfolgten Unsere hauptsächlichen Apostolischen Schreiben, besonders die Rundschreiben über die christliche Philosophie, die menschliche Freiheit, die christliche Ehe, die Freimaurerei, die öffentliche Gewalt, die christliche Verfassung der Staaten, den Sozialismus, die Arbeiterfrage, die Hauptpflichten des christlichen Bürgers und über verwandte Gegenstände. Doch war es Unser Herzenswunsch, nicht nur die Geister mit dem Lichte der Wahrheit zu erleuchten, sondern auch die Herzen zur Übung der Tugenden zu bewegen. Wie haben deshalb alles aufgeboten, um durch Ermahnungen und Lehren die Seele zu Liebe der ewigen Güter anzufeuern; denn das ist das Ziel Unseres ganzen Lebens. Und dank der Gnade Gottes, die Unsere Bemühungen segnete, wurden viele in der Wahrheit befestigt, in schwierigen und wichtigen Fragen besser aufgeklärt und ihr Eifer angespornt, die verschiedene Werke zu fördern, welche überall entstanden sind zum Besten der Armen. Der christlichen Liebe ist es ja eigen, jegliches Elend des Volkes zu lindern. Waren die Früchte nicht reichlicher, Ehrwürdige Brüder, so wollen wir die Geheimnisse der göttlichen Fügung anbeten und ihn anflehen, er möge gnädig anschauen jene ungeheure Zahl, auf welche nur zu sehr das Wort des Apostels Anwendung findet: Der Gott dieser Welt hat die Herzen der Ungläubigen verblendet, daß ihnen das Licht des Evangelium von der Herrlichkeit Christi nicht strahle. (2. Kor. 4,4.)

IV. Die Welt verdreht diese guten Absichten der Kirche.
1.Verleumdungen.
Diese aber wenden all ihre Kräfte auf, um der für jegliches Wohl der Völker so eifrig bemühten Kirche ihr Ansehen zu rauben, ihre Arbeit zu hemmen, und sie tun das mit so großem Hasse, daß man sie unschwer als Söhne der Finsternis zu erkennen vermag. Daher die vielfachen Ränke und Verleumdungen, mit welchen sie das unerfahrene Volk täuschen und die Eifersucht der Regierungen reizen, und namentlich dieser überaus boshafte Kunstgriff: sie stellen die Kirche dar als die Feindin des wissenschaftlichen Fortschrittes, als ein Hemmnis der Freiheit, die fremde Rechte sich anmaße und die Rechte des Staates an sich reiße. Wie aber der Mund der Gegner tausendmal diese Anklangen wiederholt, so hat sie die Vernunft, die Geschichte und das übereinstimmende Zeugnis aller richtig urteilenden Menschen auch tausendmal widerlegt.
a) Die Kirche eine Feindin der Kultur.
Eine Feindin der Wissenschaft und Bildung nennen sie die Kirche. Als ob sie als wachsame Hüterin der geoffenbarten Glaubenswahrheiten nicht eben darin Förderin und Pflegerin aller wahren Wissenschaft und Künste wäre! Die Kenntnis der durch das Wort Gottes geoffenbarten Wahrheiten, der Urquell aller Wahrheiten, weit entfernt, die natürliche Erkenntnis irgendwie zu beeinträchtigen, schärft und stärkt vielmehr den Menschlichen Verstand. Denn diese Wahrheiten beseitigen die Gefahr des Irrtums oder quälender Unsicherheit in den wichtigsten Fragen. Übrigens genügt der Ruhm von 19 Jahrhunderten, den die Kirche in allen Zweigen den Wissenschaft sich erworben, um die lügenhafte Behauptung zu richten. Der katholischen Kirche gebührt das Verdienst, die christliche Weisheit, ohne welche die Welt auch jetzt noch in den Finsternissen des Aberglaubens und der Barbarei läge, verbreitet und gehütet zu haben, ihr allein gebührt das Verdienst, die Schätze der Literatur des Altertums vor gänzlichem Unntergange bewahrt und uns überliefert zu haben, ihr gebührt das Verdienst, die ersten Volksschulen eröffnet zu haben, und ihr gebührt endlich das Verdienst, die berühmtesten Künstler auf allen Gebieten begünstigt und die Schriftsteller zu erhabenen, ruhmwürdigen Leistungen begeistert zu haben.
b) Die Kirche eine Feindin der Freiheit.
Eine Feindin der Freiheit nennen sie die Kirche. Sie ist - nichts weniger als das; man lasse doch dem Worte seine Bedeutung, und da es eines der kostbarsten Geschenke Gottes bezeichnet, mißbrauche man es nicht, um Schlechtigkeit und Ungerechtigkeit zu benennen. Versteht man unter Freiheit Gesetzlosigkeit und Ungebundenheit, so wird sie sicherlich bei der Kirche wie beim gesunden Menschenverstande Widerspruch finden, versteht man aber unter Freiheit, rasch und ungehindert nach den Bestimmungen des ewigen Gesetzes zu handeln - und gerade darin besteht die des Menschen würdige und im Staate nützliche Freiheit -, so hat sie keine eifrigere Beschützerin als die Kirche. Den Mühen und der Ausdauer der Kirche, welche die Gleichheit und Brüderlichkeit aller Menschen untereinander verkündete, ist die Abschaffung der schmachvollen Sklaverei unter den christlichen Völkern zu verdanken; sie schirmte das Recht der Schwachen gegen Machthaber, sie erkaufte mit vielem Martyrerblut das öffentliche Bekenntnis des christlichen Namens, sie hütete die Menschenwürde und Rechte des Kindes und der Frau, sie förderte in nicht geringem Maße selbst die bürgerliche und staatliche Freiheit der Völker.
c) Die Kirche eine Feindin des Staates.
Aber die Kirche überschreitet die Grenzen ihrer Rechte und greift in die des Staates ein! Aber die Kirche hört doch nicht auf, aller Welt zu verkünden, daß Christus befahl, dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist und Gott, was Gottes ist; sie hat so den bleibenden und unveränderlichen Unterschied der beiden Gewalten festgesetzt, die beide in ihrer Ordnung die höchsten sind; eine segensreiche Unterscheidung, welche zur Entwickelung der christlichen Gesinnung viel beigetragen hatte. Sodann liegt der Kirche, die vom Geiste der Liebe geleitet wird, nichts ferner als feindselige Haltung gegen die staatliche Gewalt, mit welcher sie  nur einträchtig arbeiten will an dem Heil derselben Menschen und derselben Gesellschaft, wenngleich die Kirche ihrer göttlichen Sendung gemäß weit höheres als der Staat anstrebt. Wenn ihr Wirken keinem Argwohn begegnet, erst dann wird sie die genannten überaus heilsamen Früchte hervorbringen. Der Vorwurf aber, sie erlaube sich Eingriffe in die Rechte des Staates, ist eine alte Verleumdung, deren alle Kirchenverfolger sich bedienten, um ihren Bedrückungen den Schein des Rechtes zugeben. Auch die Geschichte bezeugt es jedem,der die Tatsachen vorurteilslos erkennen und beurteilen will, mehr als genug, daß die Kirche niemals irgend ein Recht verletzt, vielmehr nach dem Beispiele ihres Stifters vielfaches Unrecht gelitten hat, und das gerade deshalb, weil ihre Stärke nicht in der Macht der Waffen, sondern in der Kraft des Gedankens und der Wahrheit liegt.

2. Verfolgung durch die Freimaurerei.
a) Ihr Zweck ist die Vernichtung von Staat und Kirche.
Da muß man denn schließlich sagen, diese und etliche Beschuldigungen beruhen auf Böswilligkeit. Und bei dieser unheilvollen und unehrlichen Arbeit tut sich eine lichtscheue Vereinigung hervor, welche wie eine bösartige Krankheit an dem Lebensmark der Gesellschaft zehrt und all deren Kräfte schwächt und bricht. In ihren Plänen, die auf Umsturz der bestehende Ordnung hinzielen, und in ihrer Einrichtung erweist sie sich als Feindin der bürgerlichen Gesellschaft, welche sie von ihren Schlupfwinkeln aus beherrschen möchte, darum ist ihr auch der Krieg gegen Gott und die Kirche Gottes angeboren. An diesen auffallenden Merkmalen erkennt jeder die Freimaurerei, in welcher Wir eigens in Unserem Rundschreiben vom 20. April 1884 gesprochen haben, indem wir warnend auf ihre Pläne, Lehren und Untaten hinwiesen. Diese weit und breit sich unbemerkt ausbreitende Vereinigung hat beinahe alle Völker angesteckt und sich mit anderen verwandten Sekten vereinigt, welche sie durch verborgene Kunstgriffe zu leiten versteht. Und nicht nur das. Sie hat es auch verstanden, in alle Kreise der Gesellschaft einzudringen, teils durch große Vorteile, welche sie ihren Anhängern in verlockende Aussicht stellt, teils durch Versprechungen oder Drohungen, mit welchen sie die staatlichen Behörden sich gefügig macht. So hat sie die Leitung des Staates tatsächlich in der Hand, wenngleich es den Anschein hat, als ob die Regierung von der rechtmäßigen Gewalt geführt werde. Gleichsam erfüllt vom Geiste des Satans, der sich nach den Worten des Apostel in einen Engel des Lichtes verwandelt (2. Kor. 11.14), tut sie groß mit ihren Wohltätigkeitsbestrebungen, weiß aber alles ihren Zwecken dienstbar zu machen; sie behauptet zwar, politische Ziele keineswegs zu verfolgen, sucht jedoch möglichst viel Einfluß auf die Gesetzgebung und die Leitung des Staates zu gewinnen; wenn sie auch vorgibt, die Obrigkeit sei ihr heilig und die Religion ihr nicht verhaßt, hat sie es sich doch zum Ziele gesteckt, wie ihre eigenen Statuten es bestätigen, den Staat und das Christentum zu vernichten, in welchen sie die Feinde der Freiheit sieht.
b) Die Verfolgungen der letzten Zeit gingen von ihr aus.
Es kommt immer mehr als Tageslicht, daß, wie die wiederholten früheren Bedrängnisse der Kirche, so auch der letzte verschärfte Angriff gegen diese auf das Anstiften und die Arbeit der Freimaurerei an erster Stelle zurückzuführen sind. Und in der Tat, der in jüngster Zeit an vielen Orten gleichzeitig auflodernde Brand des Hasses, für den man keinen hinreichenden Grund findet, die gleichen Mittel, diesen Brand zu schüren, die Frechheit der Tagesblätter, der Tumult der öffentlichen Versammlungen, die Ausgelassenheit der Theatervorstellungen, die gleiche Art und Weise, die Massen aufzureizen durch schmachvolle Verleumdungen, das alles weist hin auf Gleichheit der Gesinnungen und auf einen einzigen Anführer. Und doch ist dies nur die teilweise Ausführung eines verderblichen Kriegsplanes, von dem wir bereits sprachen und dessen Hauptzweck kein anderer ist, als daß die Jugend ohne religiösen Unterricht allmählich der Gleichgültigkeit oder dem Unglauben zum Opfer falle, daß die fortgesetzte Unverschämtheit der Preßerzeugnisse die christlichen Sitten untergrabe, daß die Gebräuche und Feste der Kirche ein Gegenstand des Gespöttes und der Verachtung werden.
c) Das Priestertum und die religiösen Orten werden besonders verfolgt.
Weil aber das Priestertum gerade dazu berufen ist, die Religion in die Herzen zu pflanzen und die heiligen Geheimnisse auszuspenden, wird keine Mühe gespart, um die Macht und das Ansehen der Priester beim Volke zu verkleinern. Die Frechheit wächst von Tag zu Tag in dem Maße, als immer nur Straflosigkeit zu erwarten ist. Die ehrenwertesten Männer werden verdächtigt, beschuldigt und mit schmachvollen Beleidigungen überhäuft. Es war nicht genug, daß man die Diener der Kirche zum Schaden ihrer Ausbildung dem Militärzwang unterwarf, daß man die Kirche ihrer Güter, die sie freiwilligen Gaben der Gläubigen verdankt, beraubt, daß man ander unwürdige Taten zu verüben sich nicht scheute, nein, der Kirche werden neue Wunden geschlagen.
Gerade den Orten und religiösen Genossenschaften, welche die Befolgung der evangelischen Räte zum Lebensberufe sich erwählt, rechnet man das zum Verbrechen an, was nicht weniger den Ruhm des Staates als den der Religion ausmacht. Darum müssen wir die neuerdings über sie verhängten ungerechten und gehässigen Maßregeln beklagen, welche jeder rechtschaffene Mensch verurteilen wird. Nichts war imstande, das drohende Unheil abzuwenden: nicht die Unbescholtenheit ihres Lebens, zu erhaben, als daß man erwiesene Verbrechen hätte entdecken können; nicht die Staatsgesetze, obgleich schon das Naturrecht die Vereinigung zu ehrenhaften Zwecken erlaubt; nicht die Erkenntlichtkeit des Volkes für die großen Dienste, welche ihm die Orden geleistet in Wissenschaft, Kunst und besonders im Ackerbau, und endlich für die ausgedehnteste Liebestätigkeit zu Gunsten des vielgeplagten Volkes. So werden die Männer und Frauen, Kinder des Volkes, die freiwillig auf die Freuden der Familie verzichtet haben, um in freigewählten, friedlichen Vereinigungen ihre Jugend, ihre Talente, ihre Kräfte und ihr Leben dem Wohle des Nächsten zu opfern, wie Verbrecherbanden zur Verbannung verurteilt - und das zu einer an Freiheit zu überreichen Zeit.
d) Die Beraubung des göttlichen Stuhles.
Kein Wunder, daß die liebsten Kinder so hart behandelt werden, da man doch mit dem Vater selbst, dem Haupte der Christenheit, dem Bischof von Rom, nicht glimpflicher verfährt. Es sind allbekannte Tatsachen, man raubte ihm seine weltliche Herrschaft und damit jene Unabhängigkeit, welche seine apostolische Sendung zu allen Völkern erheischt. Der Druck einer feindlichen Macht nötigte ihn, sich in seiner eigenen Stadt Rom, in seinem eigenen Hause einzuschließen; er fühlt sich in eine ungerechte und unwürdige Lage versetzt, und das, nachdem man das lächerliche Versprechen gemacht, für seine Würde und Freiheit bürgen zu wollen. Wir selbst kennen die zahlreichen großen Hindernisse, die man dem Wirken des apostolischen Stuhles bereitet, wie man selbst seine Absichten mißdeutet, um sein Ansehen zu mindern. Täglich wird es klarer, daß der Raub der weltlichen Herrschaft deshalb stattgefunden, um den Weg frei zu bekommen, und leichter die erhabene Gewalt des Papstes zu brechen. Übrigens haben die Urheber und Anführer des Gewaltreiches dies ohne viele Umschweife ausgesprochen.

3. Die Verfolgungen gereichen nur dem Staate zum Verderben.
Dies aber hat nicht nur die staatliche, sondern auch die gesellschaftliche Ordnung geschädigt, wie die Folgen klar bezeugen. Dies ist nun einmal so, daß die gegen die Religion gerichteten Angriffswaffen sich gegen die Gesellschaft richten. Wie nämlich Gott den Menschen für die Gesellschaft geschaffen und gebildet, so hat er in seiner Vorsehung auch die Kirche gegründet, hat sie an einen erhabenen Ort gestellt, auf den Berg Sion, wie es in der hl. Schrift heißt, auf das ihr Licht weithin leuchte, die mannigfachen in der Gesellschaft ruhenden Kräfte zur Entfaltung bringe und mittels der göttlichen Gebote die Gesellschaft zu wünschenswerte Vervollkommnung führe. Trennt sich daher die Gesellschaft von der Kirche, deren Einflüssen sie zum großen Teil ihre Lebenskraft verdankt, so muß sie sinken oder stürzen, da sie trennt, was nach Gottes Willen verbunden sein sollte.
Wir haben zwar bei jeder sich bietenden Gelegenheit diese Wahrheiten verkündet, glauben aber gleichwohl bei diesem Anlasse sie noch dringlicher einschärfen zu sollen. Möchte es doch bewirken, daß sowohl die Gläubigen am allgemeinen Wohle einsichtsvoller und herzhafter mitarbeiten als auch die Gegner zur Einsicht kommen, wie unrecht sie handeln, wenn sie die mütterliche Liebe der Kirche und die herrlichen Wohltaten, die sie der Menschheit erweist, mit Haß und Bosheit vergelten.

V. Ausblick in die Zukunft.
1. Der Sieg ist unser.
Übrigens, ein trauriges Bild ist es, das Wir in kurzen Zügen von unserer Zeit entworfen haben! Jedoch dürfen wir die Hoffnung und das Vertrauen nicht aufgeben, daß der allwissende Gott zur rechten Zeit uns doch einmal den Sieg verleihen wird. Unser Herz ist tiefbetrübt, und doch fürchten Wir keineswegs für die Kirche, die, Wir haben es bereits zu Anfang gesagt, zu Leiden geboren ist. Läßt Gott Verfolgungen und Anfeindungen über sie hereinbrechen, so tut er das an erster Stelle, um die Tugend der Guten zu prüfen und zu läutern, sodann um seine augenscheinliche Hilfe zu offenbaren, indem er die Kirche auf neuen und unbekannten Wegen durch alle feindlichen Verschwörungen unversehrt hindurchführt und erhebt. Eine neunzehnhundertjährige Erfahrung hat gezeigt, daß das Brausen des Sturmes den an der Kirche angerichteten Schaden weit zu übertreffen pflegt.

2. Die Einheit der Kirche ist unsere Hoffnung.
Und selbst in unseren Tagen erquickt uns der Hinblick auf unleugbare Hoffnung erweckende Anzeichen. Gewiß haben wir mit gewaltigen Schwierigkeiten zu kämpfen, aber verschiedene Vorgänge unserer Tage bezeugen, daß Gott mit wunderbarer Treue seine Versprechen erfüllt. Wohl man gewaltige Mächte sehen, die sich gegen die Kirche verschworen haben, sie hat auf keine menschliche Hilfe zu rechnen, und doch überragt sie alles und gewinnt an allen Orten der Erde an Ausdehnung und Kraft. Der Fürst dieser Welt, den Christus einmal hinausgeworfen, wird nimmermehr hier herrschen; er kann sich abmühen, schädliche Pläne zu entwerfen, sie aber auszuführen, wird er nicht vermögen. Angesichts der schrecklichen Unordnung, welche die Zwietracht und die täglich entstehenden Sekten erzeugen, muß man der Huld des hl. Geistes, des Schirmherrn der Kirche, es zuschreiben, wenn nicht nur in den Herzen der Gläubigen, sondern in der gesamten katholischen Welt eine wunderbare Ruhe herrscht, dank der noch nie übertroffenen Vereinigung der Bischöfe mit dem Apostolischen Stuhl. Dieselbe Einigkeit schließt sowohl die Bischöfe mit dem Klerus als den Klerus mit den Laien enger zusammen und zeitigt herrliche Früchte auf allen Gebieten des Eifers und der Liebe. Die Laien sind aufgewacht, haben die Menschenfurcht abgeschüttelt und kämpfen in regem Wetteifer für die Sache des Glaubens. Dieses einmütige Handeln haben wir früher so oft empfohlen und wollen es von neuem ganz besonders empfehlen. Wir segnen es, damit es mehr erstarke und zur uneinnehmbaren Mauer werde, an welcher der Ansturm der Gottlosen zurückprallt.

3. Die christlichen Vereine geben uns Mut.
Mit innerer Freude sehen Wir sodann die natürliche Erscheinung, daß so viele Vereinigungen in der Kirche gleich Schößlingen am Baum hervorsprossen, andere hinwiederum nach längerem Bestande herrlicher gedeihen. Keine Art christlicher Frömmigkeit haben sie vernachlässigt, möge sie nun die rechte Verehrung Christi selbst und seine anbetungswürdigen Geheimnisse oder die gebenedeite Gottesmutter und die vorzüglichsten Heiligen zum Gegenstande haben. Ebensowenig ist eine Art christlicher Nächstenliebe vergessen worden: überall scheut man keine Mühe für die christliche Erziehung der Jugend, die Krankenpflege, die Hebung der öffentlichen Sittlichkeit, die Linderung von Elend und Not. Und dennoch werden derartige Einrichtungen allzuoft in höchst ungerechter Weise von Staatswegen unterdrückt, damit sie nicht so rasch und nicht so ausgiebig dem Gemeinwohle nützen sollen.

4. Die Kirche wächst unter den Heiden.
Während wir uns freuen, daß Gott der Kirche Gedeihen gegeben in jenen Ländern, welche sie der christlichen Kultur gewonnen und schon lange besitzt, zeigen sich auch erfreuliche Anzeichen neuer aufblühender Hoffnung. Es ist der rege Eifer der Missionäre, die weder vor Mühen noch vor Gefahren zurückschrecken, sondern obgleich es ihnen am Notwendigsten fehlt, in täglich wachsender Zahl und mit täglich steigenden Eifer darin fortfahren, ganze Länder der Gesittung und dem Evangelium zuzuführen; sie schreiten beharrlich vorwärts, wenngleich sie wie der göttliche Meister häufige Anfeindungen zu erdulden haben.
Die Bitterkeiten werden also durch Tröstungen gemildert, und trotz der Schwere dieses langen Kampfes ist Grund genug vorhanden, Besseres freudig zu erhoffen. Das muß jeder, der ernst und aufrichtig nachdenkt, doch erkennen, daß Gott, der den Menschen über die Erreichung seines letzten Zieles selber unterrichtet und belehrt hat, auch heute noch durch die Kirche, welche offenbar seines sicheren Schutzes sich erfreut, lehrt, wo die Wahrheit und wo das Heil zu erlangen ist.
Unter allen Umständen berechtigt uns der immerwährende Beistand Gottes zu der zuversichtlichen Hoffnung, daß zur rechten Zeit und in naher Zukunft das Licht der Wahrheit den schwarzen Nebel zerteilt und schöner aufleuchten wird, und daß die beinahe zertretene und zerrüttete Gesellschaft durch die Kraft des Evangelium zu neuem Leben ersteht.

VI. Aufmunterung.
1. An die Bischöfe und den Klerus.
Wir, Ehrwürdige Brüder, bemühen uns, soviel an Uns liegt, in jeder Weise das Reich Gottes auf Erden zu schützen und zu verbreiten und jenen erwünschten Tag so früh als möglich herbeizuführen. Ihr aber, wie Wir wissen, seit in Eurem Hirtenamte zu eifrig, als das Wir Euch ermuntern müßten. Jedoch dies wünschen Wir, daß diese Euer Feuereifer die Herzen der Diener des Heiligtums, die Eure Mühen und Arbeiten teilen, immer mehr und mehr entzünde. Die kennen am besten die Wünsche, die Bedürfnisse, die Leiden des Volkes, die zahllosen und mächtigen Fallstricke und Lockungen, die es umgeben: sie leben ja mit dem Volke. Und wenn sie, erfüllt vom Geiste Jesu Christi, erhaben über alle Kämpfe politischer Parteien, wacker mit euch arbeiten, so werden sie mit Gottes Hilfe unter dem Volke Wunder wirken, indem sie die Geister durch das Licht der Wahrheit erleuchten, die Herzen durch Freundlichkeit an sich ziehen und mit einsichtsvoller Liebe die bedrängte Lage der Armen nach und nach aufbessern helfen.

2. An die Laien.
Und bei dieser Arbeit wird der Klerus eine kräftige Stütze finden in der tätigen Mitarbeit der gutgesinnten Gläubigen. Auf diese Weise werden alle, welche die Mutterliebe und Muttersorgfalt der Kirche großgezogen, ihre Ehre und ihren Ruhm verteidigen, wie das übrigens für dankbare Kinder sich ziemt. Zu dieser höchst pflichtschuldigen und für die Ewigkeit hochverdienstlichen Arbeit können alle ihren Teil beitragen: die Gelehrten und die Schriftsteller, indem sie in Schriften und namentlich in Tagesblättern die Kirche verteidigen, diesem mächtigen Werkzeuge, das unsere Gegner so sehr mißbrauchen; die Familienväter, indem sie selbst oder durch gute Lehrer ihren Kindern eine christliche Erziehung geben; die Beamten und Volksvertreter durch Überzeugungstreue und Charakterfestigkeit; alle endlich durch ein furchtloses Auftreten als Katholiken. Unsere Zeit erfordert vor allem einsichtsvolle Gesinnung, großmutigen Willen, planmäßiges Zusammenarbeiten. Hauptsache aber bei dieser Ordnung und Disziplin ist die willige und vertrauensvolle Unterwerfung unter die Weisungen des Apostolischen Stuhles. Auf diese Weise hören die Meinungsstreitigkeiten auf, und alle streben gemeinschaftlich nach dem einen Ziele, dem Siege Jesu Christi in seiner Kirche den Weg zu bereiten.

3. Aufblick zu Christus.
Das ist die Pflicht der Katholiken; den erwünschten Erfolg wird der verleihen, der voll Liebe und Weisheit über seine unbefleckte Braut wacht, von dem geschrieben steht: "Jesus Christus, gestern und heute unter derselbe in Ewigkeit." (Hebr. 13,8) Ihn rufen Wir auch in diesem Augenblicke an und beschwören ihn, der zum Beweis seiner unendlichen Liebe den bittersten Tod als Sühne für das Menschengeschlecht erdulden wollte, ihn, der, wenngleich unsichtbar, in dem mystischen Schiffe am Steuerruder steht und alle die aufgewühlten Meeresfluten mit einem Winke beruhigen kann.
Ihr, Ehrwürdige Brüder, werdet Eure Bitten mit den Unsrigen vereinen, daß die auf der Gesellschaft so schwer lastenden Übel schwinden, daß sein Licht die erleuchte, welche mehr aus Unwissenheit als aus Böswilligkeit die Religion Jesu Christi bekämpfen, daß er den Guten Kraft und neue Schaffensfreudigkeit schenke, daß er endlich den Anbruch des Tages der Ruhe und des Friedens für die Menschheit im Besitze der Wahrheit und Gerechtigkeit beschleunigen wolle.
Als Unterpfand der göttlichen Gaben erteilen Wir aus tiefstem Herzen Euch, Ehrwürdige Brüder, und allen Eure Hirtensorge Anvertrauten den Apostolischen Segen.
Gegeben zu Rom bei St. Peter, den 19. März 1902, im fünfundzwanzigsten Jahre unseres Pontifikates.
Papst Leo XIII.

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