Predigt am 20.07.2003

- 6. Sonntag nach Pfingsten, sd -
(Kirche zum Mitreden, 20.07.2003)
Röm 6,3-11; Mk 8,1-9

"Wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, sind auf Seinen Tod getauft. Denn durch die Taufe sind wir mit Ihm im Tode begraben." Zu den zentralen Lehren des Christentums gehört die Botschaft vom Sündenfall und der daraus resultierenden Erbsünde, und die Botschaft vom Opfertod Christi und der daraus resultierenden Rechtfertigung. Der alte Mensch steht unter der Erbsünde, der neue Mensch hat die Rechtfertigung empfangen. Kurz zuvor hatte Paulus noch den Vergleich zwischen Adam und Christus gezogen: "So ist also durch die Übertretung eines einzigen Menschen über alle die Verurteilung gekommen. Aber durch den einen, der gerecht war, kommt auch die Rechtfertigung und das Leben für alle Menschen. Denn wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die vielen zu Sündern geworden sind, so werden durch den Gehorsam des einen die vielen zu Gerechten gemacht" (Röm 5,18f).Paulus schreibt: "Wir wissen, daß unser alter Mensch mitgekreuzigt worden ist, damit der Leib der Sünde zerstört werde und wir nicht mehr der Sünde dienen. Der wer gestorben ist, ist gerechtfertigt von der Sünde." Durch die Taufe wird der Mensch nicht nur von der Erbsünde befreit, ihm werden auch alle Sündenstrafen vollständig erlassen. Allerdings bleiben die Folgen der Erbsünde bestehen, und die Sünden, die nach der Taufe begangen werden, haben neue Sündenstrafen zur Folge. Die Taufe macht es also keineswegs unmöglich, dass der Mensch der Sünde dient, dass der Mensch sich zum Sklaven der Sünde macht. Obwohl dem Menschen in der Taufe der Weg zum Himmel geöffnet wurde, kann der Mensch sich wiederum vor dem Himmel verschließen. Das Gnadenleben, das ihm in der Taufe geschenkt wurde, stirbt in der Todsünde. Und ist es nicht so, dass Verlockungen aller Art von außen uns bedrohen, dass wir versucht sind, für einen kurzen, trügerischen Genuss das Gnadenleben wegzuwerfen? Ist es nicht auch so, dass in uns Neigungen bestehen, der Sünde zu dienen? Statt den ganzen Versuchungen, ob nun von außen oder von innen, nachzugeben, sollte man einen klaren Kopf bewahren und sich die Worte vor Augen halten: "Wir wissen, daß unser alter Mensch mitgekreuzigt worden ist, damit der Leib der Sünde zerstört werde und wir nicht mehr der Sünde dienen." Also kann es doch gar nicht angehen, dass wir uns willfährig von jeder Versuchung gefangennehmen und versklaven lassen. Sicherlich sind wir schwache Menschen, aber wir haben uns ja auch nicht selbst erlöst, sondern wir sind durch die Gnade Gottes erlöst. Das bedeutet in erster Linie: Wir müssen uns die Gnade, die wir empfangen haben, vor Augen führen. Wir müssen immer tiefer erfassen, welch große Gnade uns Gott durch die Taufe geschenkt hat. Gott hat uns dem Verderben, das durch Adam in die Welt kam, entrissen. Hier besteht schlichtweg keine vernünftige Möglichkeit, dass wir vor den Versuchungen kapitulieren. Je mehr wir begreifen, dass wir durch die Taufe Tote gegenüber der Sünde, aber Lebende für Gott in Christus Jesus sind, desto entschiedener werden wir auch den Verlockungen zur Sünde Widerstand leisten. Und wenn es Momente oder vielleicht sogar lange Zeiträume geben sollte, in denen die Verlockung so massiv vor uns stehen sollte, dass wir sie schon fast als überwältigend empfinden könnten, dann müssen wir uns diese Worte eben um so deutlicher ins Bewusstsein rufen: "Wir wissen, daß unser alter Mensch mitgekreuzigt worden ist, damit der Leib der Sünde zerstört werde und wir nicht mehr der Sünde dienen." Auch wenn wir sehr unter den Verlockungen zur Sünde leiden sollten, wären wir noch immer nicht berechtigt, diesen Verlockungen nachzugeben. Opfern wir diese Leiden vielmehr Gott auf, zeigen wir ihm unsere Liebe und Treue gerade darin, dass wir in den anstürmenden Verlockungen nicht nachgeben oder gar untergehen. Zeigen wir Gott, dass wir aus dem Bewusstsein leben, Tote für die Sünde und Lebende für Gott zu sein. Vergeuden wir nicht unsere Zeit damit, auf die Verlockungen zu hören, konzentrieren wir uns vielmehr darauf, ein Leben für Gott zu führen. Widmen wir uns gerade in den Versuchungen um so eifriger den anfallenden Aufgaben unserer Arbeit, dem Gebet, den guten Werken. Wir nehmen zur Kenntnis, dass wir noch unter den Folgen der Erbsünde, insbesondere unter der Begierlichkeit leiden, aber wir lassen uns dadurch nicht einschüchtern oder gar überwältigen. Versuchen wir, das Gnadenleben immer eifriger zu pflegen, indem wir alle unsere Arbeit, all unser Tun in dem Bewusstsein erfüllen, dass wir durch die Taufe Tote für die Sünde und Lebende für Gott sind. Töten wir das Schlechte ab und lassen wir das Gute wachsen.
Ein wichtiges Mittel zur Stärkung des Gnadenlebens und ein notwendiges Mittel zur Wiederelangung des verlorenen Gnadenlebens ist das Beichtsakrament. Zwar verlangt das Kirchengebot nur, dass man einmal im Jahr alle schweren Sünden nach Art und Zahl beichtet, aber die Kirche empfiehlt den häufigen Empfang des Beichtsakramentes. Infolge unserer geschwächten Natur wird es uns kaum gelingen, auch nur einen einzigen Tag ganz ohne Sünde zu leben, aber es kann uns gelingen, ein Leben ganz ohne Todsünde zu führen. Wer sich frühzeitig seiner lässlichen Sünden anklagt, der wird eher in der Lage sein, der Versuchung zur Todsünde zu widerstehen, als jemand, der sich gar nicht erst bemüht, den Versuchungen zu lässlichen Sünden zu widerstehen. Wer sich in der Gefahr sieht, einer Versuchung zur Todsünde zu erliegen, der wird nicht erst warten, bis er denn tatsächlich gefallen ist, er wird vielmehr ganz besonders die Mittel des Gebetes und der Sakramente anwenden, damit er vor dem Sturz in die Todsünde, vor dem Verlust des Gnadenlebens bewahrt bleibe. Üblicherweise gehen Todsünden lässliche Sünden in derselben Sache voraus. Bevor jemand beispielsweise es wagt, andere zu künftigen Hölleninsassen zu erklären, hat er sicherlich schon sehr oft gegen das Gebot der Nächstenliebe, insbesondere der Feindesliebe, verstossen. Er stand vermutlich schon früh in der Entscheidung: Soll ich meine lässlichen Sünden gegen die Nächstenliebe sühnen, soll ich diese vielleicht beichten und ganz besonders den Vorsatz fassen, üble Nachrede und sonstige Verletzungen der Nächstenliebe zu meiden? Oder soll ich ungestört weiter üble Nachrede betreiben, soll ich immer öfter und schlimmer das Gebot der Nächstenliebe missachten, bis ich dann irgendwann sage, dass ein bestimmter Mitmensch in die Hölle kommen wird, bis ich solche entsetzlichen Äußerungen vielleicht sogar regelmäßig öffentlich verbreite? Soll ich ein gewohnheitsmäßiger Sünder werden, soll ich irgendwann so abgestumpft und verblendet sein, dass ich nur noch ein ungenügendes Sündenbewusstsein habe und mich gar nicht mehr um das Gebot der Nächstenliebe kümmere?
Nein, wir wollen keine gewohnheitsmäßigen Sünder sein. Wir wollen Tote gegenüber der Sünde, aber Lebende für Gott sein. Wir glauben: "Wenn wir mit Christus gestorben sind, werden wir auch mit Christus leben." Amen.

S. auch:
kath.de schlägt zurück?
Editorial zu Ausgabe 05/01 (Nr. 67)

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