Predigt am 21.09.2003

- Matthäus (15. Sonntag nach Pfingsten), d II cl -
(Kirche zum Mitreden, 21.09.2003)
Ez 1,10-14, Mt 9,9-13

"Nicht Gesunde bedürfen des Arztes, sondern Kranke. Gehet hin und lernet, was es heißt: Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer. Denn Ich bin nicht gekommen, die Gerechten zu berufen, sondern die Sünder." Wie diese Worte Jesu zu verstehen sind, darüber herrscht in Einzelfragen nicht bei allen Theologen völlige Einigkeit. Was jedenfalls klar ist: Die Begriffe "Zöllner" und "Sünder" lagen im jüdischen Denken sehr nahe beieinander. Die Zöllner standen im Dienst der verhassten römischen Besatzungsmacht, und wenngleich viele Juden bereits daran Anstoss nahmen, dass die Zöllner für die Römer arbeiteten, war es auch typisch für das Zöllnerwesen, dass die geforderten Beiträge ungerecht waren, dass die Zöllner mit Wucher auch sich selbst bereicherten und ein rücksichtsloses Genussleben führten. In den Augen der Juden war es vom Zöllnerwesen kein weiter Schritt mehr zu völlig sittenwidrigen Berufen wie in der Prostitution.
Nun leuchtet es ein, dass man Sittlich verdorbene Menschen grundsätzlich meiden muss aufgrund der Gefahr der Verführung zur Sünde, die durch einen schlechten Umgang gegeben ist. Insofern erscheint die Reaktion der Pharisäer durchaus nachvollziehbar, wenn sie die Jünger fragen: "Warum ißt euer Meister mit den Zöllnern und Sündern." Weswegen sollte man sich mit sittlich verdorbenen Menschen abgeben, bei denen sowieso nicht auf eine Bekehrung oder auch nur sittliche Besserung zu hoffen ist? Wieso sollte man sich der Gefahr aussetzen, sich von der sittlichen Verrohung dieser Menschen vereinnahmen zu lassen?
Hierauf erwidert also Jesus: "Nicht Gesunde bedürfen des Arztes, sondern Kranke." Man soll auch denjenigen, die in sittlicher Verrohung gefangen sind, noch eine Hilfe geben, damit sie ihren falschen Weg verlassen und sich bekehren. Indem man die Botschaft Christi auf geeignete Weise verbreitet, führt man die Kranken zu dem wahren Arzt, zu Christus. Es widerspricht dem christlichen Gedanken vollkommen, wollte man anderen grundsätzlich die Möglichkeit verweigern, das Christentum kennenzulernen. Leider ist diese zutiefst antichristliche Haltung auch heute gerade bei denen zu finden, die sich für die besten der besten Christen halten und auch von anderen dafür gehalten werden wollen. Angenommen, ein Katholik bietet Nichtkatholiken die Möglichkeit, den katholischen Glauben kennenzulernen, indem er päpstliche Lehrschreiben und dogmatische und moraltheologische Literatur öffentlich verbreitet. Jeder Interessierte kann problemlos, anonym und nahezu kostenfrei diese Literatur sich ansehen und sogar Fragen stellen, wenn ihm etwas in der katholischen Lehre unklar ist. Mit einer unfassbaren Selbstsicherheit erklären daraufhin die Superchristen, dass ein solches katholisches Angebot gar nichts Gutes bewirkt, dass es nicht nur ergebnislos und sinnlos, sondern sogar schädlich für das Christentum ist. Der gesunde Menschenverstand muss doch schon erkennen lassen, dass niemand weiß, welche Wirkungen von einem katholischen Angebot ausgehen. Und selbst wenn dieser Arbeit kein Erfolg im Sinne der Bekehrung eines oder mehrer Nichtkatholiken beschieden wäre: Ist nicht schon ein gutes Werk an sich wertvoll? Oder anders: Darf nur derjenige sich zu Christus bekennen, der beweisen kann, dass er mit seinem Bekenntnis Erfolg im Sinne der Bekehrung anderer haben wird? Wenn ja, wäre noch immer zu fragen, wie jemand denn vorher wissen und insbesondere beweisen kann, dass sein Bekenntnis andere zur Bekehrung führen wird. Trotz aller Logik: Wer anderen, insbesondere Nichtkatholiken, den katholischen Glauben nahebringen möchte, der übt in den Augen der Superchristen Verrat am Christentum, der hat in den Augen der Superchristen nichts besseres verdient als Spott und Hohn. Und die Superchristen bedienen sich bei ihrer Spottkampagne gegen ungeliebte Katholiken derselben Mittel wie die Pharisäer damals: Sie verdrehen die Wahrheit. Sie dürfen sich dabei sicher sein, dass es auch heute noch genug Personen gibt, die sich mit der verdrehten Wahrheit zufrieden geben. Das Christentum verkümmert damit zu einer Privatbelustigung von selbsternannten Katholiken, die sich um christliche Grundsätze nicht scheren, die von Dogmatik, Moraltheologie und Kirchenrecht nichts wissen wollen und an die Stelle der kirchlichen Lehre ihre Privatmeinung gesetzt haben. Durch die kirchliche Lehre haben wir einen klaren Maßstab. Wir können und müssen uns also selbst überprüfen: Steht das, was wir vertreten, im Einklang mit der kirchlichen Lehre? Stehen wir fest und treu zu den kirchlichen Dogmen? Oder basteln wir uns unsere eigene Religion zusammen, wobei wir die kirchlichen Dogmen als "einseitig, oberflächlich, rechthaberisch, dumm und voreilig" verurteilen. Stehen wir fest und treu zum Papstamt? Oder bekennen wir uns lieber zu einem Betrüger, den wir obendrein noch völlig entmündigen, indem wir seine Anordnungen und Bestimmungen ignorieren und öffentlich ins Lächerliche ziehen, so dass wir uns im Grunde selbst als Papst aufspielen? Gehören wir zur katholischen Kirche, oder sind wir eingetragenes Mitglied einer kirchenfeindlichen Organisation?
Dabei kann uns die Mehrheitsmeinung nicht unbedingt helfen: Das gewichtige Wort der Pharisäer über die Zöllner und Sünder spiegelt durchaus eine im damaligen Judentum verbreitete Meinung wider. Trotzdem schließt sich Jesus nicht der Auffassung der Pharisäer an. Er erwidert ihnen: "Ich bin nicht gekommen, die Gerechte zu berufen, sondern die Sünder." Möglicherweise verwendete Jesus den Begriff "Gerechte" ironisch. Gruppen wie die Pharisäer sind also nicht wirklich "Gerechte", sie sind es nur in der Auffassung vieler Juden und wohl v.a. in ihrer eigenen Auffassung. Wer so von sich eingenommen ist, wer seine Fehler nicht mehr sieht, wer nicht mehr erkennt, dass er ein Sünder und der göttlichen Gnade bedürftig ist, der ist nicht empfänglich für die Botschaft Jesu. Bei ihm stößt der Ruf Gottes auf taube Ohren. Jedenfalls sagt Christus immer wieder, dass die Gerechtigkeit der Pharisäer ungenügend ist, um gerettet zu werden. Fest steht: Christus spricht ganz besonders zu denen, die in der größten Gefahr stehen, das ewige Heil zu verfehlen, aber er spricht auch zu denen, die sich um ein sittenreines Leben bemühen. Diese Gerechten befinden sich in einer besseren Situation, sie sind nicht so bedürftig wir die Sünder. Außerdem zitiert Christus den Propheten Hosea: "Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer." Es sollen damit ja Opfer nicht grundsätzlich abgelehnt, geschweige denn verboten werden. Vielmehr geht es darum, rituelle Handlungen nicht von einem gottesfürchtigen Leben zu trennen. Die Worte bei Hosea bedeuten: Man kann sich nicht damit begnügen, ein paar Tiere in kultischen Handlungen zu schlachten und zu verbrennen, man muss auch sein Leben nach den Grundsätzen der Gottes- und Nächstenliebe führen. Allerdings will Gott die Bekehrung auch derer, die in einem sündhaften Leben und Denken gefangen sind. Christus zeigt selbst Barmherzigkeit, wenn er die Sünder zur Bekehrung ruft. Man darf anderen nicht unbarmherzig die Möglichkeit der Bekehrung verweigern.
Bemühen wir uns also um Gerechtigkeit. Führen wir ein Leben gemäß den Geboten Gottes und der Kirche. Orientieren wir uns nicht an irrigen Privatmeinungen, selbst dann nicht, wenn sie weit verbreitet sind. Beten wir für die Bekehrung der Sünder, ganz besonders für die Bekehrung derer, die es sich zum Ziel gesetzt haben, das Christentum zu bekämpfen und auszurotten. Mögen sogar die größten Sünder noch würdige Buße tun und gerettet werden. Amen.

S. auch:
Völkermordorganisation "Staatsanwaltschaft Saarbrücken"
www.katholisch.net
Passionszeit

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