"Ein Schüler kam aufgeregt zum Rabbi: „Der Messias ist gekommen!
Der Messias ist gekommen!“ Ruhig ging der Meister zum Fenster, öffnete
es weit, schaute die Straße hinauf und hinunter. Dann schloss er
das Fenster wieder und sagte nur: „Ich sehe keine Veränderung!“" Diese
Geschichte stand kürzlich in einem Propagandablatt einer international
tätigen Firma, die sich gerne als "christliche Kirche" bezeichnet
[Breitenbach 50/2003]. Daneben stand groß und breit zu lesen: "Nichts
lassen, wie es ist", und dieser Geschichte vom unveränderten Rabbi
war der Kommentar hinzugefügt: "Unsere Achtsamkeit für das, was
geschehen muss, sollte allem Bitten vorauslaufen. Dann braucht der Messias
nicht mehr zu kommen. Er ist schon da. Mitten unter uns."
Zunächst, was soll dieser Aufruf: "Nichts lassen, wie es ist"?
Das ist objektiv ein Aufruf zu permanenter Revolution, u.z. einer Revolution
ohne jede bzw. gegen jede moralische Grundlage. Nehmen wir als Beispiel
das Glaubensbekenntnis. Während die Kirche darauf achtet, dass die
Glaubenslehre unverfälscht bewahrt bleibt, hat diese Firma das erklärte
Ziel, nichts zu lassen, wie es ist. Es leuchtet ein, dass dieser Firma
die unveränderliche katholische Glaubenslehre der größte
Dorn im Auge ist, und sie deshalb ganz besonders am Glaubensbekenntnis
nichts lassen will, wie es ist. Selbstverständlich wird auch in der
Liturgie nichts gelassen, wie es ist, denn wie man die überlieferte
Glaubenslehre abschafft, so schafft man auch die überlieferte Gottesverehrung
ab. Für diese Firma "braucht der Messias nicht mehr zu kommen." Er
musste nicht vor 2000 Jahren kommen, und er muss auch in Zukunft nicht
wiederkommen. Auch wenn die Vokabel "Messias" noch genannt wird, getreu
dem Grundsatz: "Nichts lassen, wie es ist", ist nun nicht mehr von dem
wahren Messias die Rede, sondern nur noch von "unserer Achtsamkeit für
das, was geschehen muss". In der Religion dieser Firma ist kein Erlöser
nötig oder auch nur gewünscht, denn diese Firma schafft sich
selbst ihren Erlöser: Sie will sich selbst erlösen. Der Messias
"ist schon da. Mitten unter uns", wenn man nichts lässt, wie es ist.
Nun könnte man vielleicht vermuten, dass sich eine Firma, die sich
als christliche Kirche bezeichnet, sich von jüdischen Geschichten
wie der vom unveränderten Rabbi irgendwie distanziert, am besten dadurch,
dass sie klar darlegt, wie argumentativ wertlos und sogar furchtbar irreführend
die Geschichte vom unveränderten Rabbi ist. Es folgt aber keinerlei
Kritik - wozu auch, wenn doch der Messias nur ein Bild ist für "unsere
Achtsamkeit für das, was geschehen muss"? Allerdings: Wenn jemand
etwas nicht sieht, dann muss das nicht heißen, dass es nicht da ist.
Wenn jemand keine Radiowellen sieht, muss das nicht heißen, dass
es keine Radiowellen gibt. Wenn jemand nicht sieht, was hinter seinem Rücken
geschieht, muss das nicht heißen, dass hinter seinem Rücken
nichts geschieht. Man kann auch unfähig oder unwillig sein, etwas
zu sehen. Aus den Worten des unveränderten Rabbi spricht also wenigstens
eine erschütternde Oberflächlichkeit, so als ob ihn die biblischen
Aussagen über den Messias nicht interessieren, wenn nicht gar eine
schwere Bosheit. Wenn er die Veränderungen, die durch das Kommen des
Messias eintraten, tatsächlich nicht sehen sollte, so kann er daraus
noch kein Recht ableiten, sich auf den Grundsatz zu versteifen: "Es gibt
nur das, was ich sehe." Wenn er die Veränderungen aber sieht und dennoch
nicht die Wahrheit anerkennen will, sieht die Situation für den unveränderten
Rabbi noch schlechter aus.
Dass sich auch Juden vor der Wahrheit verschließen können,
beweist die Heilige Schrift sehr deutlich. Das heutige Evangelium in der
Tagesmesse von Weihnachten ist der Anfang des Johannesevangeliums, und
dort heißt es: "Er kam in Sein Eigentum; doch die Seinigen nahmen
Ihn nicht auf." Und Christus hat uns nicht im Unklaren darüber gelassen,
was uns bevorstehen kann, wenn wir uns auf seine Seite stellen: "Wenn euch
die Welt haßt, so wisset, daß sie Mich vor euch gehaßt
hat. [...] Haben sie Mich verfolgt, so werden sie auch euch verfolgen"
(Joh 15,18.20). Morgen feiert die Kirche den ersten Märtyrer, den
Diakon Stephanus, über den die Apostelgeschichte (6f) berichtet: "Stephanus,
voll Gnade und Kraft, wirkte große Wunder und Zeichen unter dem Volke.
Da erhoben sich einige von der Synagoge der Libertiner, der Cyrenäer,
der Alexandriner und derer aus Zilizien und Asien und stritten mit Stephanus.
Aber sie vermochten nicht standzuhalten der Weisheit und dem Geiste, mit
dem er sprach. Da stifteten sie Männer an, die aussagen mußten:
'Wir haben ihn Lästerreden gegen Moses und gegen Gott führen
hören.' So wiegelten sie das Volk, die Ältesten und die Schriftgelehrten
auf. Dann überfielen sie ihn und schleppten ihn gewaltsam vor den
Hohen Rat. Dort ließen sie falsche Zeugen aussagen." Stephanus hält
eine lange Verteidigungsrede, und die Reaktion der Juden darauf gestaltet
sich so: "Da erhoben sie ein lautes Geschrei, hielten sich die Ohren zu
und stürmten alle wie ein Mann auf ihn los. Sie stießen ihn
zur Stadt hinaus und steinigten ihn." In vielen Krippen wird am morgigen
Tag die Figur des hl. Stephanus hinzugestellt, was den ernsten Charakter
des Christentums auch in der so idyllisch wirkenden Krippendarstellung
unterstreicht. Bereits an der Krippe Jesu steht der erste Blutzeuge. Wenn
wir Freunde Christi sein wollen, dann müssen auch wir zur Krippe gehen,
und sei es auch als Blutzeuge. Es steht uns nicht zu, vor dem Kommen des
Messias die Augen zu verschließen. Es steht uns nicht zu, uns vor
der Wahrheit die Ohren zuzuhalten. Erst recht dürfen wir nicht die
Wahrheit verdrehen, etwa mit dem Schlachtruf "Nichts lassen, wie es ist".
Nein, wir müssen die Wahrheit so annehmen und weitergeben, wie sie
ist - mögen sich auch viele vor der Wahrheit verschließen, mögen
wir auch Opfer derer werden, die andere zum Lügen anstiften, die das
Volk aufwiegeln, die vor Gericht falsche Zeugen benennen, die sich vor
der Wahrheit die Ohren zuhalten und die im Grunde nur ein einziges Mittel
haben, um sich mit ihrer Lüge durchzusetzen: die Vernichtung derer,
die die Wahrheit sagen.
Damit wir uns - insbesondere in Zeiten der Leids und der Verfolgung
- als treue Freunde Christi erweisen können, brauchen wir Tage der
Ruhe und Erholung, in denen wir uns frei von der alltäglichen Geschäftigkeit
und mit der nötigen Andacht Christus widmen können. Jeder Sonntag
soll so ein Tag sein, an dem wir andächtig dem Messopfer beiwohnen.
Die Freude des Weihnachtsfestes lädt uns ganz besonders zur Anbetung
des Erlösers ein. Kommen wir also in unseren Gedanken zur Krippe nach
Bethlehem. Sehen wir das göttliche Kind. Knien wir vor ihm nieder
und beten wir es an. Schenken wir uns ihm hin, lassen wir es ganz über
uns verfügen. Christus ist das wahre Licht, das in der Finsternis
leuchtet. Lassen wir uns nicht von der Finsternis, die rings um uns tobt,
verwirren. Tragen wir das Licht Christi in unseren Herzen. Stimmen wir
ein in den Chor der Engel: "Ehre sei Gott in der Höhe". Amen.
S. auch:
katholisch.net: Klageschrift und "Verurteilung"
Roland Breitenbach und kath.net