Weswegen also überhaupt noch eine Erwähnung dieses Vorfalls?
Weil hier in eindrucksvoller Weise ein Beispiel mehr für diese blinde
Wut vorliegt, die quasi die Wurzel des Protestantismus mit seinen zahllosen
Sekten ist. Schauen wir auf die Fakten über den "seligen Dr.
Luther", wie ihn die im Controvers-Katechismus
zitierten Protestanten ehrfurchtsvoll nennen:
"Luthers Persönlichkeit empfiehlt sich von selbst zum Paradigma
eines Lehrbuchs der Psychopathologie, um daran zu veranschaulichen, was
manisch-depressives Kranksein bedeutet" (A. Mock, Abschied von Luther,
Köln 1985, 32). Luther war bekannt für seine permissive Lebensführung
voller Hurerei und Sauferei; aller Wahrscheinlichkeit wegen Totschlags
eines Studienkameraden floh er vor der Justiz in ein Kloster (ebd. 38f);
Luthers Begründung für den Klostereintritt mit einem Gewitter
und der hl. Anna sollte man schon allein deshalb nicht unbedingt Glauben
schenken, weil Luther ja den Begriff der "Notlüge" geprägt hat,
während es in der wahren, d.h. katholischen Lehre keine "Notlüge"
gibt. In einer Tischrede deutet Luther einmal selbst eine von ihm begangene
Straftat als Grund für den Klostereintritt an (ebd. 43f).
Kennzeichnend für Luther sind "sein manisches Selbstwertgefühl,
das immer wieder umschlug in Überheblichkeit, Verachtung und Haß
gegenüber Andersdenkenden und Andersglaubenden. Er konnte nur 'sein'
Evangelium und sein 'sola' gelten lassen, weil nur diese Einstellung ihn
vor dem Sturz in die Depression bewahrte" (ebd. 70). Entscheidend ist dabei,
daß Luther in Wahrheit kein Gesandter war, erst recht nicht in dem
Maße, in dem er sich bisweile selbst anpries: "Luther behauptet
nur und deutet autonom seine schlichte Überzeugung, um nicht zu sagen
Autosuggestion, beschreibt und begründet sie aber nicht" (ebd. 71).
Was aber nicht in Luthers Evangelium paßt, ist "des Teufels. Seine
grobianistischen Entgleisungen, seine Koprolalie und Haßtiraden sind
so außergewöhnlich ausfallend, daß sie sogar den darin
abgehärteten Nietzsche zu der Äußerung bewegen: 'Die gräßliche
hochmütige gallig-neidische Schimpfteufelei Luthers, dem gar nicht
wohl wurde, wenn er nicht vor Wut auf jemanden speien konnte, hat mich
zu sehr angeekelt. Gewiß haben sie recht mit der 'Förderung
der europäischen Demokratisierung', aber gewiß war dieser rasende
Bauern-Feind (der sie wie tolle Hunde totschlagen ließ und
eigens den Fürsten zurief, jetzt könne man mit Schlachten und
Würgen von Bauervieh sich das Himmelreich erwerben) einer der unfreiwilligsten
Förderer derselben' (F. Nietzsche, Werke IV, Frankfurt 1979, 1159).
Am überheblichsten und ausfälligsten zeigte sich Luther gegenüber
seiner alten Kirche, den Papisten: '... ich kann Psalmen und Propheten
auslegen, das können sie nicht. Ich kann die Heilige Schrift lesen;
das können sie nicht. Ich kann beten, das können sie nicht ...
Luther will´s so haben und spricht, er sei ein Doctor über allen
Doctoren im ganzen Papsttum' (cf. "Ein Sendbrief Dr. Martin Luthers, Nürnberg
1530). Tradition und Kirchenväter bedeuten ihm nichts: '... (bezüglich
der Messe) stemme ich mich wider alle Aussprüche der Väter, der
Menschen, der Engel und Teufel und zwar unter Berufung 'auf alten Brauch
und Überlieferung' noch so vieler Menschen, sondern einzig und allein
auf das Wort der ewigen Majestät, auf das Evangelium, das auch die
Gegner anzuerkennen gezwungen sind ... Das ist Gottes Wort, nicht das unsrige.
Hier stehe ich, hier sitze ich, hier bleibe ich, hier poche ich, hier triumphiere
ich, hier trotze ich mit Hohn allen Papisten, Thomisten, Heinrichisten
[nach König Heinrich von England], Sophisten und allen Pforten der
Hölle, geschweige denn allen Aussprüchen von Menschen, auch der
heiligsten und täuschendsten Gewohnheit.' (WA 10, 2 Olv 6, 215 (437))
In einem Brief an G. Spalatin vom 21. August 1544 schreibt er: 'Ich kann
dem Freund und Feind nur sagen: nimm gläubig an, was Christus durch
mich zu dir spricht; denn ich irre nicht, soviel ich weiß. Ich rede
nicht Satanisches. Christus redet durch mich.' (H. Grisar, Luther III,
331) Hier paßt nur noch der Begriff 'Unfehlbarkeitswahn', eine psychopathische
Abwehrreaktion gegen die als übermächtig erlebte Autorität
des Papstes und der Konzilien, die zu brechen ihm allein bisher gelungen
ist. Das ist nicht als Tadel aufzufassen, sondern lediglich als psychopathologische
Diagnose" (ebd. 72f).
Wer sich auf die "Religion" eines Psychopathen, d.h. z.B. auf die "evangelische Konfession" stützt, der stellt sich selbst nicht gerade das beste Zeugnis aus.
Eine andere Frage ist, wie man mit "Protestanten" umgehen soll, wenn
doch ihre einzige unfehlbare Lehre die Lehre der privaten Unfehlbarkeit
ist, die sich durch nichts belehren läßt. Dies ist in der Geschichte
der Kirche immer wieder ein Problem gewesen, und erst das V2-Gebilde ermöglicht
diese sog. "Ökumene", weil auch die V2-Anhänger die Privat-Unfehlbarkeit
lehren und die Unfehlbarkeit des kirchlichen Lehramtes verwerfen, am anschaulichsten
vielleicht in der Gestalt von Hans Küng ausgeprägt.
Aufschlußreich sind die Angriffe gegen Möhlers Standardwerk
"Symbolik", das wir schon bei dem Controvers-Katechismus empfohlen haben.
Möhler hat daraufhin seiner Symbolik einen zweiten Band hinzugefügt,
in dem er sich mit den Vorwürfen von Dr. Baur, einem - wie Möhler
in Tübingen dozierenden - Professor, allerdings für "evangelische"
Theologie, auseinandersetzt. Möhler schreibt einleitend: "Schriften
dieser Art, die gegen persönliche Angriffe gerichtet sind, können
es nicht vermeiden, sich in Erörterungen einzulassen, durch welche
die Wissenschaft wenig gefördert wird. [...] In Ansehung des Tones,
der in diesem Buche herrscht, gestehe ich es gerne, daß er dann und
wann nicht der einer wissenschaftlichen Untersuchung sei; aber er ist der
collegialische - nach dem Begriffe nämlich, den Herr Dr. Bauer davon
in der Vorrede zu seiner Schrift gegen meine Symbolik angedeutet hat. Er
wollte nämlich gerade mir gegenüber die Lehrgegensätze der
Katholiken und Protestanten behandeln, weil ich sein Collega als Universtitätslehrer
wäre. Ich gebe meine Erwiderungen in einem ähnlichen Tone, wiewohl
ich, die Wahrheit zu gestehen, einen ganz anderen Begriff von collegialischem
Verhältnis und collegialischem Tone habe, als Herr Dr. Baur" (Vf).
Zur Frage nach dem rechten Bibelverständnis schreibt Möhler:
"Die Auctorität Luthers war die heilige Schrift, sagt Herr Baur;
in der That berief sich Luther auf dieselbe. Es kömmt nun aber darauf
an, welche Auctorität er dafür hatte, daß er die heilige
Schrift richtig ausgelegt habe. Da hierauf Alles ankömmt, so muß
ich wohl die Sache ein wenig erörtern. Wenn Christus auf die heiligen
Schriften des alten Bundes verwies, um seinen Charakter als Gottesgesandten
darzuthun, da dieselben von ihm zeugten, und nun Jemand die Schrift durchforschte
- aber in derselben den Jesus von Nazareth nicht als den Messias angezeigt
fand; so stützte sich dieser Jemand auf die Auctorität der heiligen
Schrift. Auch Jesus that es; es fragte sich nun, Wessen Auslegung die richtige
sei. Ohne Zweifel wird Jesus die einzelnen Stellen einer näheren Erörterung
unterworfen, die verschiedenen Aussagen des alten Testaments über
den Messias zusammengefaßt, und daraus Resultate abgeleitet haben;
allein diese Resultate, die als ein Ergebniß des individuellen Urtheils
erschienen, anerkannte der Jude nicht, der ganz andere Resultate aus denselben
Stellen zog. Wessen Schriftauslegung war wohl die richtige? Jesus konnte
sagen: 'die Blinden sehen, die Lahmen gehen, die Aussätzigen werden
rein, und die Toten stehen auf; und überhaupt: wenn ihr meinen Worten
nicht glaubt, glaubet meinen Werken.' Jetzt nahm die Sache eine andere
Wendung. Jesus legitimierte sich durch seine Thaten als einen Gottesgesandten,
als einen göttlichen Beauftragten, dessen Auctorität also, daß
Gott sich selbst in seinem Gesandten darüber aussprach, wie die von
ihm den Juden gegebene Schrift zu verstehen sei. Die Auslegung Jesu war
als eine objective, als eine ganz authentische erwiesen, und die seines
Gegners als eine so subjective, daß sie sich zugleich als eine irrthümliche
und verkehrte darstellte. Allerdings war auch jetzt der Jude noch nicht
genöthigt, vielweniger gezwungen, zu glauben; denn der Glaube, ein
Act der Freiheit, kann in gar keiner Weise aufgenöthigt werden, aber
- es war jetzt kein anderer Grund des Nichtglaubens mehr übrig, als
eben die Ungeneigtheit des Willens.
Die Apostel verbreiteten hierauf nicht blos zufälliger Weise das
Evangelium Jesu Christi, gleich als hätte ein Buch an sich dieselben
Dienste gethan; sie erhielten den Auftrag von Christus, selbst es zu verbreiten,
und zwar mit den Worten: 'wie mich der Vater gesandt hat, sende ich euch;'
so daß er sein Wort ihnen anvertraute, und seine Vollmacht ihnen
übertrug. Mochte ihnen nun Jemand, ein judaisierender Christ, z.B.
Cerinthus die rechte Auffassung der evangelischen Lehre eben so streitig,
wie seine Vorfahren Christo selbst die rechte Auffassung der Lehre des
alten Testaments streitig gemacht hatten, so konnten die Apostel wohl mit
Recht sagen: zeige die Vollmacht auf, die du vom Herrn empfangen hast;
hast du aber keine, mit welchem Rechte setztest du dich uns entgegen, die
wir sie empfangen haben mit dem besiegelnden heiligen Geiste? [...] Wenn
nun Luther die heilige Schrift auslegte, welche Gewähre hatte also
er für sich gegen eine ihm widerwärthige und durch alle Instanzen
der gelehrten Untersuchung hindurchgeführte Erklärung aufzuweisen?
Mich dünkt keine andere, als die innere Befriedigung, die ihm seine
Auslegung immer noch gewährte, oder wie er sich ausdrückte, die
Salbung des heiligen Geistes, seine subjective Gewißheit. Eine äussere
göttliche Auctorität hatte er nicht für sich, denn daß
er von den Aposteln nicht bestellt worden sei, bedarf wohl keines Beweises,
da fünfzehn Jahrhunderte zwischen ihnen und ihm in der Mitte liegen;
und daß er keine Wunder zur Bestätigung seiner höheren
Sendung verrichtet habe, ist wohl auch unbestritten. Von der katholichen
Kirche, deren Auctorität auf dem den Aposteln in ununterbrochener
Reihenfolge succedierenden und in die Vollmachten derselben eingetretenen
Episcopate ruht, empfing er die Sendung auch nicht, da er gegen ihn auftrat,
und sogar läugnete, daß Christus eine sichtbare Kirche, die
seine Auctorität vertrete, gegründet habe. Der Sinn der heiligen
Schrift, den er durch seine Auslegung fand, hatte also nur so viel Werth,
als sein subjectives Urtheil, und er setzte sich, wenn er darauf bestand,
in einen Widerspruch mit der Natur einer äusseren, auf Auctorität
gegründeten Offenbarung" (359-362).
Mutatis mutandis können die abschließenden Worte Möhlers
zur Kritik seitens Baur auch auf die Attacken des protestantischen Lesers
gegen "Kirche zum Mitreden" angewendet werden:
"Gerne würde ich nun auch noch meine Ansichten darüber mittheilen,
ob, und wiefern eine Annäherung zwischen beiden Confessionen neuerdings
stattfinde, wenn ich nicht der Entgegnung auf Herrn Baur´s Schrift
überaus satt wäre. [...] Er macht mir zu böser Letzt S.
436-437 den Vorwurf 'unlauterer Darsthellung'; und den des Strebens nach
'äußerer Macht und Herrschaft' u.s.w. Hierauf die angemessene
Antwort zu geben, verbietet mir die Achtung, welche ich dem Publicum und
mir selbst schuldig bin" (421f).
---
Nachtrag: Dem Leser wurde - ausnahmsweise - vor der offiziellen Publikation
dieses Textes die Möglichkeit eingeräumt, sachliche Gegenargumente
vorzubringen, worauf der Leser aber verzichtete; stattdessen schwelgte
er wieder in unflätigen Äußerungen, die wiederzugeben nicht
statthaft ist, und kündigte an, uns ggf. auch künftig mit seinem
Geschreibe zu belästigen.