Es gibt keine mittels des
Strafgesetzbuchs verfolgbare "Beleidigung"!
- Eine Antwort von Bert Steffens auf Peter Briodys Beitrag: "Die
Beleidigungsgesetze in
Deutschland" -
(Kirche zum Mitreden, 12.08.2007)
Bei dem nachfolgenden Text handelt es sich um eine Antwort von Bert Steffens auf den Beitrag von Peter Briody: "Die Beleidigungsgesetze in
Deutschland". Steffens hatte sein Schreiben an Briody bereits bei
einer entsprechenden Meldung über den Briody-Text
veröffentlicht unter http://www.odenwald-geschichten.de/?p=1504.
Die Veröffentlichung bei KzM erfolgt mit dankenswerter Zustimmung
des Autors.
A N W O R T auf Peter
Briodys Beitrag
„Die Protagonisten eines infantilen Ehrenkults – Die
Beleidigungsgesetze in Deutschland“
im Beschwerdezentrum vom 20.03.07 :
Sehr geehrter Herr Briody,
jede Darstellung der katastrophalen Missstände aus andauernder
Rechtsbeugung mittels der Anwendung des „Beleidigungsparagraphen“ 185
StGB ist wichtig, so auch die Ihre.
Aber - Sie erwähnen leider den Kernsachverhalt und damit das
Kernproblem nicht: Die andauernde Missachtung der grundlegenden
Gesetzeslage in Deutschland - und die kommt noch vor der genannten
KSZE-Äußerung.
Grundsätzlich gilt: Veröffentlichungen, die sich kritisch mit
Missständen befassen, haben nur dann einen Sinn, wenn hierbei auch
sachaufklärende Informationen vermittelt werden, welche die
Ursachen des Kritikgegentandes verdeutlichen. Nur so wird – im Falle
andauernden gesetzeswidrigen Handelns durch Staatsgewalt - den
drangsalierten und meist hilflosen Bürgern auch Hilfe zuteil und
diesen eine möglichst nachprüfbare Basis zu eigenen
Überlegungen und Wissenserweiterungen geboten.
Daher: Behauptete Mängel sollen für den Leser im Wesentlichen
überprüfbar sein und Quellen, also Gesetze, Urteile,
Statistiken, aber auch Namen von Handelnden u.ä. sollen benannt
werden.
Aber der Reihe nach.
1. Als Beleg für einen Teil Ihrer Argumentationen führen Sie
eine Aussage einen Nazi-Strafrechtlers schlimmer Sorte, des Dr. Erich
Schwinge (1903 – 1994) an. Ich frage: Was soll das? Sicher könnte
man auch „wahre“ Sätze eines Herrn aus Braunau wiedergeben, denen
man „Recht geben“ könnte.
Der auch noch unmittelbar nach Schwinge erwähnte Jurist
(jüdischen Glaubens) Dr. Eugen Schiffer (1860 – 1954), der kurze
Zeit Reichjustizminister war, wird sich im Grabe umdrehen.
1.1 Richtig ist zudem, dass nicht erst seit 1927, sondern bereits in
der ersten Fassung des „Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich“
(RStGB) vom 15.05.1871, der „Beleidigungsparagraph“ gesetzeswidrig war,
weil der Rechtsgrundsatz „keine Strafe ohne Gesetz“ („nulla poena sine
lege“) mittels des § 2 Abs. 1 RStGB schon galt:
„Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Straftat gesetzlich
bestimmt war, bevor sie begangen wurde.“
Dieser allgemeine Rechtsgrundsatz, auch des Völkerrechts und des
GG, ist idealer Übergang zum Thema des gesetzesunbestimmten und
auch durch Gesetz nicht bestimmbaren Begriffs „Beleidigung“.
2. Die Aussage in der Überschrift Ihres Beitrages ist
unzutreffend. Es gibt keine „Beleidigungsgesetze in Deutschland“. Es
gibt auch keine „Rechtsprechung“ bei Anwendung des § 185 StGB –
nur Unrechtsprechung. Auch ist die Anwendung des § 185 StGB nicht
„infantil“, sondern ein Verbrechen.
Richtig ist: Der § 185 StGB ist bestenfalls ein „halbes Gesetz“
und daher noch nicht einmal ein formal anwendbarer Gesetzestext. Das
mag sich zunächst spitzfindig anhören, ist es aber bei
genauer Betrachtung nicht.
Die Behauptung, es gäbe in Deutschland „Beleidigungsgesetze“ hat
zur Folge, dass ein nichtiger, grundgesetz- und menschenrechtswidriger
Gesetzestext in den Rang von Gesetzen gehoben wird, die auf dem Boden
des Grundgesetzes und des Völkerrechts stehen.
Zudem wertet eines solche Behauptung ungewollt grob gesetzeswidriges
Handeln auf und scheint eine in Wahrheit nicht existente Richtigkeit
des gesetzeswidrigen Handelns zu bestätigen.
Weiter behindert eine solche Behauptung den Blick auf die
Rechtsbeugung, die mit der Anwendung solcher grundgesetz- und
menschenrechtswidriger Gesetzestexte i m m e r einhergeht.
2.1 Der vierzehnte Abschnitt des StGB trägt vereinfachend den
Titel „Beleidigung“. Hier ist aber zu beachten, dass - soweit in den
elf Paragraphen, die dem 185 nachfolgen, der Begriff „Beleidigung“ eine
Rolle spielt –, diese Paragraphen dann den gleichen Regeln unterliegen,
wie der § 185 selbst: Sie sind diesbezüglich oder in
Gänze nichtig, weil die Anwendung des § 185 StGB u.a.
grundgesetzwidrig ist! Gleiches gilt für den § 103 StGB.
3. Dabei ist der Sachverhalt zum § 185 StGB einfach:
3.1 Die Anwendung der § 185 StGB verstößt (u.a.) klar
gegen
Art. 103 Abs. 2 GG;
§ 1 StGB;
Art. 7 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) und
Art. 15 Abs. 1 IPbürgR (Internationaler Pakt über
bürgerliche und politische Rechte).
Die Richter sind aber gemäß Art. 97 Abs. 1 GG “…den Gesetzen
unterworfen” und durch Art. 20 Abs. 3 GG an die
“verfassungsmäßige Ordnung”, sowie betreffend der
Grundrechte an Art.1 Abs. 3 GG gebunden.
Wichtig ist: Gemäß Art. 25 GG gelten in Deutschland auch die
Internationalen (Rechts-)Verträge, d.h., die Richter sind auch
diesen unterworfen.
Nicht und niemand hat die Richter legitimiert von dieser
Gesetzesunterworfenheit abweichen zu dürfen oder gar selbst Regeln
zu setzen.
3.2 Der § 185 ist – nicht weil vorkonstitutionell - n i c h t i g
, weil dessen Text den Regeln des späteren, sprich jüngeren
GG und allen Landesverfassungen, ja selbst dem ersten Paragraphen des
StGB widerspricht.
Hierzu bedarf es nicht eigens der Feststellung eines Gerichts. Lesen,
das kann der Souverän, das Volk, auch ohne Richterschaft – was ja
auch sonst von ihm erwartet wird, wenn es um die Beachtung der Gesetze
geht.
Dies feststellen zu dürfen, beruht auf den vorstaatlichen,
unveräußerlichen Rechten aus unserer Menschenwürde.
Sämtliche Elemente der Menschenwürde haben ihren Ursprung im
kennzeichnenden Merkmal der Spezies Homo sapiens, der
Erkenntnisfähigkeit.
Eines der Elemente ist die Äußerungsfähigkeit. Die vom
Menschen auf Grund seiner Erkenntnisfähigkeit erkannte und
definierte Selbstbestimmtheit hat auch die Äußerungsfreiheit
zur Folge. Diese ist mehr als eine hinten und vorne beschneidbare
„Meinungsfreiheit“ aus Art. 5 GG.
Sich frei Äußern zu können ist eines jener Merkmale,
die den lebenden Menschen vom geknebelten oder toten unterscheiden.
Ich verweise auf meinen diesbezüglichen Beitrag in
www.justizskandale.de .
3.2.1 Die Verletzung und damit die Rechtsbeugung liegt darin
begründet, dass im § 185 StGB die Straftat „Beleidigung“
nicht bestimmt ist, sondern nur das Strafmaß. Beides,
Straftatbestand und Strafmaß sind Grundvoraussetzung für ein
Strafgesetz. Eine von Richtern und/oder Staatsanwälten
nachträglich vorgenommene Bestimmung des Straftatinhaltes
(Straftatbestand) ist grobe Willkür.
Mit dem § 185 StGB hat zwar eine „Straftat Beleidigung“ einen
Namen aber keinen Inhalt. Dieser findet nur in den Köpfen der
Anzeigenden, Staatsanwälte und Richter statt.
3.2.2 Nur beispielhaft sei zur Nichtigkeit eines Strafrechtsparagraphen
angeführt: Weil es an einer der o.g. Grundvoraussetzungen gefehlt
hatte, wurde der § 43a StGB (er war lange nach dem GG ins StGB
gekommen) vom BVerfG am 20.03.2002 für n i c h t i g erklärt.
3.3 Die anwendenden Richter verstoßen mit der Anwendung des
§ 185 StGB u.a. auch gegen Art. 97 Abs. 1 GG (”..und nur dem
Gesetze unterworfen.”).
3.4 Fazit:
Es gibt keine mittels des Strafgesetzbuchs verfolgbare “Beleidigung”!
3.5 Auf diesen nachvollziehbaren Feststellungen muss jede weitere
Kritik aufbauen, d.h.:
3.5.1 HAUPTTHEMA in Sachen der Anwendung des „halben
Beleidigungsparagraphen“ ist daher der § 339 StGB (früher
§ 336), also die Rechtsbeugung durch jene Richter und
Staatsanwälte, die den § 185 StGB anwenden. Auch der vom BGH
(BGH Dienstgericht, Urteil vom 14.04.1997) erfundene „Kernbereich
richterlicher Tätigkeit“ zwecks Praktizierung der Nichtsanwendung
des § 339 StGB, verstößt ebenso gegen das GG, weil es
die richterliche Gesetzesunterworfenheit missachtet, denn: Der
Unterworfene bestimmt nicht die Regeln der Unterwerfung.
Sicher, Vergleiche hinken immer, aber ein Richter, der Rechtsbeugung
begeht – das ist zum Vergleich, wie ein Lehrer, der die ihm
anvertrauten Schüler missbraucht, statt sie zu beschützen.
Ihre Darstellung, sehr geehrter Herr Briody, hätte daher besser
den Titel „Nicht endende Rechtsbeugung durch Anwendung des § 185
StGB“ (oder so ähnlich) getragen.
4. Alles zuvor zum § 185 StGB Ausgeführte betrifft auch den
Fall des drangsalierten Rechtsanwaltes Claus Plantiko, Bonn, wie den
des verstorbenen Helmut Palmer und sehr vieler anderer. Den Fall
Plantiko habe ich in seinen ersten Phasen bereits vor zwei Jahren im
zweiten Band meines noch nicht veröffentlichten Buches „Vom
Prinzip der Menschenwürde – Wann habe ich dich legitimiert“
dargestellt. Auszüge hieraus sind im Internet zu finden.
5. Weiter unterscheiden Sie mit Ihren schönen Balkendiagrammen
(z.B.: 1997 – 2005) nicht zwischen „Verurteilungen in Sachen der
§§ 185-200“ und den „erfassten Fällen in Sachen der
§§ 185-200“, so wie es aus den Unterlagen des Statistischen
Bundesamtes hervorgeht. So z. B. waren es 2004 im ersten Falle 17.047
und im zweiten Falle 174.455 Fälle (zuzüglich 17.480
Fällen wegen „Beleidigung auf sexueller Grundlage“).
Da nur die verurteilte, gesetzesbestimmte Straftat eine solche sein
kann, sollten sie Ihre Berechnung des Anteils der „Straftat
Beleidigung“ (20 %) gegenüber der gesamten Anzahl von Straftaten
überprüfen – und dabei nicht vergessen, dass jedes Urteil,
dass auf § 185 StGB beruht, allein selbst die Straftat
verkörpert und die heißt Rechtsbeugung.
5.1 Beschönigt soll hier nichts werden – all dies ist in einem
Staat, der sich „demokratischer Rechtsstaat“ und „Wertegemeinschaft“
nennt, eine Katastrophe schlimmster Sorte. Die Menschenwürde gilt
nichts – ja es existiert noch nicht einmal eine „Gesetzesbestimmte
Menschenwürde“, so dass das BVerfG formal zu Recht behaupten kann,
dass der Begriff „Menschenwürde“ aus Art. 1 GG „ein unbestimmter
Rechtsbegriff“ (BVerfGE 30, 25) sei.
6. Wichtig und stets zu beachten: Jene Bürger und
Bürgerinnen, die öffentlich gegen gesetzeswidriges Handeln
der Justiz und der Richterschaft kämpfen, werden nur dann ernst
genommen, wenn sie sich um Klarheit bemühen. Das ist meist
anstrengend und zeitraubend.
7. Zum Schluss:
7.1 Erst wenn wir eine “Gesetzesbestimmte Menschenwürde” haben und
zudem der Art. 20 GG von den drei Staatsgewalten beachtet wird und die
Mehrheit der Bürger diese Notwendigkeit und ihre Rechte und
Pflichten als Souverän aus dem Art. 20 GG begreift und dies durch
ihr Wahlverhalten zum Ausdruck bringt - erst dann können wir von
einer (beginnenden) Demokratie reden !
7.1.1 Übrigens: Auch durch Nichtwählen, besser durch
Ungültigmachen der Wahlzettel, wird vom einzigen Souverän,
dem (Wahl-)Volk, zum Ausdruck gebracht, dass der demokratisch denkende
Bürger organisierten Gesetzesbruch und Missbrauch von Staatsgewalt
von keiner der drei Staatsgewalten weiter dulden will.
7.2 Ich darf auf meine, zum Teil älteren Ausführungen zu den
Themen „Beleidigung“, Wahlen, „Ehre“ und Meinungsfreiheit in
www.saar-echo.de und www.justizskandale.de verweisen.
7.3 Warum der Begriff „Beleidigung“ allgemein nicht fassbar, sprich
gesetzlich nicht allgemein bestimmbar sein kann, das bedarf einer
weiteren Darstellung.
Mit freundlichem Gruß
Bert Steffens,
Andernach
[Zurück zur KzM -
Startseite]