Abtreibung und Ästhetik

Zur Diskussion um die Legalität der Abtreibung in Deutschland

(Internet, 24.01.1998)
abtreibung schäden bei G.

Bundesfamilienministerin Claudia Nolte, CDU, zeigte sich kürzlich ein wenig unzufrieden mit den Abtreibungszahlen in Deutschland; Nolte beklagte, daß die nun geltende praktisch völlige Straffreiheit bei Abtreibung nicht zu einer Reduzierung der Abtreibungen geführt hätte, und regte eine erneute Diskussion in Richtung auf eine Gesetzesänderung des entscheidenden §218 StGB an. Bundeskanzler Kohl und Bundestagspräsidentin Süssmuth, ebenfalls von der C-Partei, lehnten eine Neubehandlung der Abtreibungsthematik rigoros ab. Man habe ja schließlich nun eine friedliche Lösung gefunden, und man dürfe diesen Frieden nicht gefährden.
Wegen der kritischen Haltung Wojtylas gegenüber dem deutschen "Beratungsmodell", demgemäß konzilskirchliche "Beratungsstellen" ein Gespräch mit der Frau, die ihr Kind ermorden lassen will, führen und dann einen "Beratungsschein" ausstellen, der einer Lizenz zum Töten gleichkommt, appellierten führende C-Politiker wie Rita Süssmuth und Alois Glück (CSU-Fraktionsvorsitzender) an die Konzilsfunktionäre (die - wie allgemein üblich - irreführenderweise als "Bischöfe der katholischen Kirche" bezeichnet werden), auch künftig das Todesurteil für Ungeborene zu unterschreiben. Die bayerische Ministerin Ursula Männle, also auch eine C-Politikerin, verstieg sich (in einer Radiosendung) sogar zu der gottlosen Behauptung, die Konzilssekte "versündige" sich, wenn sie nicht weiter die Beratung anbiete; m.a.W. die Konzilssekte versündige sich, wenn sie den Müttern und Ärzten beim Massenmord keine Beihilfe leiste - wie weit ist es mit Frau Männle schon gekommen?
Auch in den Medien, v.a. in den "Kommentaren" irgendwelcher dahergelaufener Journalisten, wird oft die Direktive Roms kritisiert, derzufolge es zukünftig keine Mithilfe von Konzilssektenstellen bei der straffreien Ermordung von Ungeborenen mehr geben soll. In verschiedenen Artikeln hieß es marktschreierisch, die Kirche verliere ohnehin immer mehr an Überzeugungskraft, und wenn die Kirche jetzt die Frauen im Schwangerschaftskonflikt alleine ließe, dann drohe eine ganz enorme Spannung zwischen Kirche und Welt.
Das Kernproblem bei der Diskussion liegt darin, daß statt solider Ethik eine oberflächliche Ästhetik, ein unreflektiertes Schönheitsempfinden das Denken oder wenigstens das Reden - der Begriff "Argumentation" paßt hier nicht - der Politiker, ob nun mit oder ohne "C", bestimmt. In dieser Hinsicht sind sie womöglich wirklich Volksvertreter - was nur einmal mehr beweisen würde, daß die Mehrheit nicht unbedingt ein Garant für die Wahrheit ist. Muß die Kirche immer das sagen, was das Volk hören will? Oder, mit Blick auf die "kirchenkritischen" Journalisten, ist nur das überzeugend, was jeder oder zumindest der überwiegende Teil für richtig hält? Na denn: Heil Hitler! Adolf von Österreich hatte nämlich einen nicht unbeträchtlichen Teil des Deutschen Volkes auf seiner Seite, mit Sicherheit jedenfalls eine weit größere Anhängerschaft als die Kirche heute weltweit. Nach Journalisten- und Politiker-Logik ist damit der unumstößliche Beweis erbracht, daß Hitler - wenigstens zeitweise - im Recht war. Er handelte tatsächlich so, wie es ja von vielen Demokraten gefordert wird: Im Namen des Volkes! Die Kirche handelt dagegen im Namen des Vaters; sie schuldet nicht Mehrheiten gegenüber Rechenschaft, sondern Gott gegenüber.
Zunächst zum Begriff "Ästhetik": Dieser ist abgeleitet von Aisthesis (Wahrnehmung (griechisch)) und bezeichnet sowohl die wissenschaftliche Lehre vom Schönen (Gesetzmäßigkeit von Harmonie und Ordnung) als auch den schönen Stil selbst. "Schön und gut" ist bereits in der klassischen Antike ein wichtiges Begriffspaar; damit sind Edelmut und sittliche Güte verbunden.
In einer oberflächlichen Ästhetik, bei einem unreflektierten Gefallen bzw. Mißfallen fehlt die Frage, warum etwas als angenehm oder unangenehm empfunden wird, d.h. es wird nicht nach Gesetzmäßigkeit und Harmonie gefragt, diese Frage wird vielmehr, weil lästig, direkt vermieden. Es ist bei einer oberflächlichen Ästhetik nicht mehr erlaubt, etwas als "Geschmacksverirrung" oder "Geschmacklosigkeit" zu beurteilen, zumindest nicht mit Anspruch auf Objektivität und damit Verpflichtung. Man schaue sich einmal an, was heutzutage in den Bereichen Malerei, bildende Kunst, Musik, Mode etc. als "Kunst" bzw. als "schön" ausgegeben wird. Wieviel Schmiererei, Verunstaltung, Lärm, Schamlosigkeit etc. gibt es da. Eigentlich gilt heute die Maxime "häßlich und gut", doch das lassen die Modernen nicht gelten, weil eben kein objektiver Maßstab mehr akzeptiert wird.
Was Ekel hervorruft, ist schlecht, was Wohlgefallen hervorruft, ist gut. Der Konsum von pornographischem Material z.B. wird deshalb heutzutage nicht mehr als schamlos verurteilt, sondern ist "gut", weil er eben Wohlgefallen bei den vielen hervorruft, die faktisch an massiven Geschmacksverirrungen leiden. Es konnte allerdings noch niemand plausibel erklären, weshalb z.B. der Konsum bzw. bereits der Besitz von kinderpornographischem Material "häßlich" und damit "schlecht" sein soll. Das ist auch völlig unmöglich, wenn man nur das heute gängige Geschmacksmodell anwendet. Wenn es den Kindern Spaß macht, sich in pornographischem Material darzustellen, und wenn die Kinder es sogar ausdrücklich wünschen, dann wäre es im demokratischen Sinne absolut verwerflich, den Kindern ihren Spaß zu verbieten. Man denke nur daran, daß bis vor wenigen Jahren Homosexualität noch eine strafbare Handlung war; heute diskutiert man schon öffentlich darüber, "Homosexuellen-Ehen" einzuführen. Der Geschmack hat sich geändert - Homosexualität wird allgemein nicht mehr als "häßlich" empfunden - und damit ändert sich auch das Gesetz. In der Antike war Kinderschändung bzw. Kinderpornographie übrigens nicht generell verboten, sondern eine häufig anzutreffende Praxis.
Zurück zum Thema Abtreibung: Mord wird von vielen als "häßlich" empfunden, und dies aus verschiedenen Gründen, z.B. weil Blut vergossen wird, weil eine liebgewonnene Person genommen wird, weil bei einer eventuellen Straffreiheit für Mörder auch die Angst um das eigene Leben wachsen würde etc.; Abtreibung hingegen wird von vielen nicht als Mord gesehen bzw. wahrgenommen: Das Blut des ermordeten Kindes ist schnell weggewischt, die Mutter bekommt ihr Kind bzw. dessen Einzelteile oft gar nicht zu Gesicht, d.h. es besteht noch keine Beziehung über den Sehsinn, Kinder im Mutterleib werden nicht als schutzbedürftige Personen betrachtet etc.

Am eindrücklichsten läßt sich diese ästhetische Pseudo-Ethik am Wirken des relativ bekannten ehemaligen Leiter einer amerikanischen Abtreibungsklinik und nun entschiedenen Abtreibungsgegner Bernhard Nathanson veranschaulichen: Wir haben bereits vor vielen Jahren Nathansons Filme "The Silent Scream" (Der stumme Schrei) und "Eclipse of Reason" (Aussetzen des Verstandes) gesehen. In "The Silent Scream" wird eine mit Ultraschall aufgezeichnete Abtreibung durch Absaugegerät gezeigt; man sieht, wie das Kind im Mutterleib bei seiner Hinrichtung infolge der Schmerzen seinen Mund zu einem unhörbaren Schrei verformt. "Eclipse of Reason", übrigens eingeleitet von dem Hollywood-Schauspieler Charlton Heston (bekannt aus verschiedenen Horror- und Science-Fiction-Filmen; spielte aber auch z.B. Moses und die Romanfigur "Ben Hur", also einen Christen), enthält eine Aufzeichnung einer anderen Abtreibungsmethode, bei der die einzelnen Gliedmaßen des Kindes per Zange aus dem Mutterleib gerissen werden. Jedesmal, wenn der Mörder (im Volksmund: "Arzt") ein Stück herausgezogen hat, wird die Kamera angehalten und das jeweilige Teil in Großaufnahme mit Beschreibung gezeigt. Schließlich wird der Kopf des Leichnams zertrümmert und aus dem Mutterleib in den Abfalleimer verfrachtet. Nathanson bekennt, daß er "formal nicht religiös" ist und gibt letztlich nur den Ekel als Grund dafür an, daß er gegen Abtreibung eingestellt ist. Das Wissen, bei der Abtreibung einen empfindenden Menschen auf bestialische Weise zu töten, führte bei Nathanson zu seiner Einstellung gegen die Abtreibung.
Nathanson meint, wenn mehr Menschen wüßten, was bei der Abtreibung passiert, so würden weniger Menschen Abtreibung billigen. Ferner weist Nathanson auf Fälle hin, bei denen Abtreibungen bei den Müttern "irreparable psychische und körperliche Schäden" verusacht haben. Man erkennt sehr schnell, daß Nathansons Ansatz letztlich zu nichts führt. Denn dieser Geschmack, daß die Ermordung eines Menschen im Mutterleib "häßlich" ist, kann sich ändern. Und einmal angenommen, solche Damen wie Claudia Nolte, Rita Süssmuth oder Ursula Männle würden die beiden Nathanson-Filme sehen: Man kann zwar nicht sagen, ob diese Politikerinnen die Filme mit Ekel, mit Gleichgültigkeit oder mit Wohlgefallen sehen, aber man kann sagen, daß sich keine dieser Politikerinnen dann für ein absolutes Abtreibungsverbot aussprechen würde; vielmehr müßte objektiv klar sein, daß Abtreibung Mord ist, und daß Mord immer absolut verboten ist.

Listen wir nun einige häufig genannte Argumente gegen die Abtreibung auf, formuliert als Einwände gegen die Aussagen der Abtreibungsbefürworter:

Abtreibungsbefürworter sagen: Das Kind im Mutterleib ist noch kein Mensch!
Die Wahrheit ist: Mit dem Eindringen der Samenzelle in die Eizelle liegen alle Anlagen des Menschen vor; es kommen keine neuen Informationen hinzu. Die nun einsetzende Zellteilung führt zwar zu enormen phänotypischen Veränderungen, doch ist der Mensch während seines Lebens permanent von Zellwandlungen gekennzeichnet, er tauscht die Körperzellen immer wieder aus und verändert sein Aussehen ständig.

Abtreibungsbefürworter sagen: Das Kind fühlt keinen Schmerz!
Die Wahrheit ist: Bereits nach wenigen Wochen lassen sich Empfindungen beim Kind nachweisen; doch selbst wenn in den ersten Tagen noch kein Empfinden beim Kind vermutet wird, rechtfertigt das nicht die Tötung; sonst müßte man jeden, der einen Menschen z.B. im Schlaf oder unter Narkose ermordet hat, freisprechen, weil das Opfer ja keinen Schmerz empfunden hat.

Abtreibungsbefürworter sagen: Der Tod des Kindes ist das geringere Übel.
Die Wahrheit ist: Das Nützlichkeitsdenken (Utilitarismus) ist ähnlich wertlos wie das Schönheitsdenken. Mit diesem Denken wäre es z.B. bei Flutkatastrophen die einzig sinnvolle Lösung, die Rettungssuchenden zu ermorden, Opfer einer Lawine unter dem Schnee zu belassen etc., denn wozu denn möglicherweise Millionenbeträge in die Rettung und Versorgung von Katastrophenopfern investieren, wo es doch äußerst wahrscheinlich ist, daß die Opfer im Falle des Überlebens ein unglückliches Dasein fristen werden, etwa durch körperliche Schäden, Trauer über den Tod von Verwandten, soziale Notlage etc.; zudem könnte man per Gesetz "lebensunwertes Leben" definieren und z.B. alte und behinderte Menschen dann wie Müll entsorgen.
"Ist es etwa so, wie man uns böswillig nachredet und wie einige uns in den Mund legen: 'Laßt uns Böses tun, damit Gutes daraus entspringt'? Solche erwartet die gerechte Strafe" (Röm 3,8).

Abtreibungsbefürworter sagen: Das junge Kind ist nicht alleine lebensfähig.
Die Wahrheit ist: Diese Aussage ist medizinisch nicht mehr haltbar. Doch was heißt hier "nicht alleine lebensfähig"? So müßte man z.B. jeden, der Opfer eines schweren Autounfalls geworden ist, verbluten lassen oder ihm gar den "Gnadenschuß" verpassen, und unterlassene Hilfeleistung wäre nicht mehr strafbar, sondern die einzig akzeptable Verhaltensweise. Ebenso müßten die Intensivstationen der Krankenhäuser geschlossen und z.B. Sauerstoffzelte vernichtet werden, da sie ja die Gefahr bergen, menschliches Leben, das nicht ohne besondere Hilfe erhalten werden kann, künstlich zu verlängern. Und hier ist der Begriff "künstlich" ja auch wirklich angebracht, während das Wachstum des Kindes im Mutterleib ein natürlicher Vorgang ist.
Es kommt übrigens bisweilen vor, daß Kinder die Abtreibung überleben. Wenn der Mörder feststellen sollte, daß das Kind noch lebt, muß er es dann nur zerdrücken, zertreten, weiter zerfetzen, ihm den Kopf abbeißen oder ähnliches unternehmen. Es gibt aber auch Kinder, die aus dem Abfalleimer herausgenommen werden und - selbstverständlich sehr schwer behindert - ein "normales" Leben führen. Uns ist ein Fall bekannt, in dem eine junge Frau über ihr Heranwachsen als abgetriebenes Kind berichtet hat. Unlängst gab es auch eine Klage von Eltern, die ihr Kind abtrieben ließen und dann feststellten, daß das Kind mit sehr schweren körperlichen Schäden die Abtreibung überlebt hatte, und deshalb den Vollstrecker wegen Schadensersatzes in Anspruch nahmen. Kurz: Selbst der durch die Abtreibung schwer geschädigte Organismus besitzt noch enorme Lebenskraft.

Abtreibungsbefürworter sagen: Die Frau muß selbst bestimmen können; schließlich gehört ja der Bauch ihr.
Die Wahrheit ist: In der Tat ist der Bauch, in dem das Kind heranwächst, ein Teil der Mutter. Aber z.B. kann jemandem auch ein Haus gehören - sind dann alle, die in diesem Hause wohnen, seiner Willkür ausgeliefert? Ferner: Wenn man auch zugeben muß, daß die Schwangerschaft mit körperlichen Belastungen für die Frau verbunden ist, so ist doch die Belastung durch das entbundene Kind oft größer, seien diese Belastungen nun finanzieller oder anderer Natur, z.B. der sog. "Generationenkonflikt". Was sollte die Eltern nun davon abhalten, ihr Kind wenigstens in der Zeit straffrei zu ermorden, solange es noch in Abhängigkeit von den Eltern lebt, z.B. wenn es Unterhaltszahlungen von den Eltern erhält?
Doch durch den katholischen Glauben wissen wir, daß uns der Leib nicht gehört! "Fliehet die Unzucht! Jede andere Sünde, die ein Mensch begeht, bleibt außerhalb seines Leibes. Wer sich aber der Unzucht hingibt, versündigt sich an seinem eigenen Leibe. Wißt ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt? Daß ihr somit nicht mehr euch selbst angehört? Ihr seid um einen teuren Preis erkauft. Darum verherrlicht Gott mit eurem Leibe!" (1 Kor 6,19).

Es gibt noch mehr scheinbare "Argumente" für die Abtreibung, aber alle lassen sich leicht als völlig absurd erweisen. Der katholische Glaube läßt uns den diabolischen Hintergrund der Aussagen aus den Reihen der "C"-Parteien leicht erkennen. Wir gehen hier nicht weiter auf diese politische Thematik ein und verweisen auf die Texte "Faustrecht" und "Staat und Legalität".
Wir halten fest: Daß Abtreibung praktisch straffrei bleibt, liegt an einem oberflächlichen ästhetischen Weltbild, das keiner Prüfung standhält und durch die katholische Lehre leicht als gottfeindlich entlarvt wird.
Was nun die Direktive Roms betrifft, derzufolge keine "Beratungsscheine" mehr von konzilskirchlichen Stellen mehr ausgestellt werden sollen: Hier liegt wieder die typische Augenwischerei Roms vor, mit der das trughafte Bild eines "konservativen Papstes" aufrecht erhalten werden soll. De facto wird damit das konzilskirchliche Chaos weiter vorangetrieben; so haben verschiedene deutsche Konzilsfunktionäre angedeutet, sie wollten der Weisung des "Papstes" nicht Folge leisten. Die Konzilssekte ist nun einmal ein Chaos-Verein mit dem Motto: "Je verrückter und widersprüchlicher, desto besser!" Der Fuldaer Konzilsfunktionär Johannes Dyba hat sich schon seit geraumer Zeit aus dem Geschäft mit der Legalisierung von Kindermord zurückgezogen, in anderen Bistumsgebieten füllen die V2-Anhänger noch immer willig die Ermordungserlaubnis aus.
Auch die Herren "Theologen" wollen im Chaos mitmischen, z.B. der angebliche "Moraltheologe" Dietmar Mieth (Tübingen), der im ZDF verkündete, die formale Mitschuld der Beratungsstellen werde von führenden Theologen bestritten, und deswegen könne die Direktive Roms in der Abtreibungsfrage nicht als verpflichtend gelten. Wer sind denn diese "führenden Theologen"? Doch nichts weiter als ein paar lärmende Ketzer, die kaum noch wissen, wie "Gott" überhaupt geschrieben wird. Herr Mieth hat sich anscheinend nie mit Moraltheologie beschäftigt, denn sonst müßte er wissen, weshalb die Kirche sich nicht in den Ermordungsmechanismus mit den Beratungsscheinen einspannen lassen kann. Wir erklären es ihm hier mit wenigen Worten:
Ganz zweifelsfrei bedeutet das Ausstellen dieses Beratungsscheins Mithilfe zum Kindermord, d.h. es ist in jedem Falle verboten, einen Beratungsschein auszustellen. Theologisch unterscheidet man verschiedene Arten der Mitwirkung (vgl. H. Jone, Katholische Moraltheologie, Paderborn (7) 1935, 115):
1. formelle Mitwirkung zur Sünde eines anderen, d.h. eine Mitwirkung, wobei man zur äußeren sündhaften Tat mithilft und zugleich auf die böse Absicht des anderen eingeht; diese ist immer unerlaubt.
2. unmittelbare materielle Mitwirkung, d.h. eine Mitwirkung zur sündhaften Handlung selbst, aber ohne Eingehen auf die böse Absicht; diese ist ebenfalls unerlaubt; Ausnahmen gibt es nur bei Vermögenswerten, und auch bei diesen nur in einigen Fällen;
3. mittelbare materielle Mitwirkung, d.h. eine Mitwirkung zu einer Handlung, die nur als Vorbereitung einer sündhaften Tat dient; dies ist gewöhnlich unerlaubt; nur bei entsprechenden schwerwiegenden Gründen kann diese Mitwirkung erlaubt sein, und auch nur, wenn die eigene Handlung an sich gut oder wenigstens indifferent ist.
Es könnte im Einzelfall zwar zu prüfen sein, ob Fall 1) oder Fall 2), d.h. ob eine formelle Mitwirkung oder eine unmittelbare materielle Mitwirkung bei den Beratungsstellen vorliegt; aber weil es um das Leben eines Menschen geht, ist die Mitwirkung in jedem Falle schwer sündhaft. Die Kirche muß den Müttern als erstes unmißverständlich einschärfen, daß Abtreibung niemals eine Lösung sein kann und immer ein durch und durch verabscheuungswürdiges Verbrechen ist. Ferner muß sich die Kirche nach Kräften gegen jede Abtreibung einsetzen; einen "Beratungsschein" ausstellen kann sie nicht.

Eine Bemerkung zum Schluß: Im Bereich "Klonen" bzw. "Klonen von Menschen" wird es voraussichtlich eine ähnliche Entwicklung geben wie seinerzeit bei der künstlichen Befruchtung. Die "In-Vitro-Fertilisation" ("Befruchtung im Reagenzglas") rief anfangs bei einigen Ablehnung und Empörung hervor, weil sie "geschmacklos" und "häßlich" war, heute gehört sie zu den alltäglichen Vorkommnissen. Das Klonen von Menschen wird möglicherweise sehr bald eine weitaus größere Akzeptanz und Anwendung als die künstliche Befruchtung finden, wenn sich der jetzige Geschmack, der das Klonen von Menschen als "häßlich" empfindet, gewandelt hat.
"Wird aber der Menschensohn auf Erden den Glauben finden, wenn er kommt?" (Lk 18,8).



Nachtrag 28.02.98: Wichtige Informationen bietet das Buch "Wie beginnt das menschliche Leben", CH - Stein am Rhein (6)1989, des bekannten Anatomie-Professors Erich Blechschmidt (s. Leserbriefe vom 28.02.98)

[Zurück zur Startseite]