Staat und Legalität

(Internet, 29.11.1997 / 18.02.1999)

legalität staat bei G.
In einigen Fragen, die unsere bundesdeutsche Verfassung betreffen, kam und kommt es immer wieder zu Konflikten zwischen dem, was die katholische Lehre sagt, und dem, was in den Gesetzen steht. Berühmte Beispiele sind das Abtreibungsrecht und das Verbot, Kruzifixe in staatlichen Schulen aufzuhängen. Wie soll in diesen Fragen entschieden werden? Die obersten Richter sagen (Tusch): Gemäß der Verfassung muß entschieden werden!
Die Thematik der Verfassung wird u.a. bei KzM des öfteren behandelt; die lehramtlichen Richtlinien finden sich u.a. in der Enzyklika "Divini Redemptoris" (über den Kommunismus); Anmerkungen zur gegenwärtigen Regierung Schröder gibt es hier. Wir weisen nachdrücklich auf unseren bereits weit verbreiteten und auch schon geraume Zeit im Internet veröffentlichten Text Faustrecht hin, der - ebenso wie unsere anderen Texte - UNWIDERSPROCHEN blieb.
Prinzipiell stellt sich zunächst die Frage, ob man Anarchie (d.h. das Fehlen jeder Regierung) oder gesetzlich geordnete Lebensverhältnisse möchte. Hat man sich dann für die Gesetzesvariante entschieden (wobei eigentlich auch die Anarchie ein Gesetz enthält: das Verbot von Gesetzen - insofern besteht keine wirkliche Alternative zum Gesetz), muß man darüber entscheiden, welche Gesetze richtig und welche falsch sind. Blicken wir auf die Geschichte, wenn es um die staatliche Beurteilung bestimmter Verhaltensweisen geht:

Ist das Ermorden von Juden legal: Ja, wenn man an die deutsche Rechtsprechung der 30er Jahre denkt.
Ist Kinderpornographie legal: Ja, wenn man an die Praktiken im antiken Griechenland und Rom denkt.
Ist das Abschlachten von kommunistenfeindlichen Studenten legal: Ja, wenn man an die Vorgänge in China denkt.
Ist Homosexualität legal: Nein, wenn man an unsere Gesetzgebung von vor 10 Jahren denkt.
Ist der Schießbefehl an Landesgrenzen legal?
Ist Pornographie legal?
Ist Ehescheidung legal?
Ist Abtreibung legal?
Ist Prostitution legal?
Ist Drogenhandel legal?
Ist Bestialität legal?
Ist Wahlfälschung legal?
Ist Euthanasie legal?
Ist die Zugehörigkeit zur Geheimen Staatspolizei legal?
Ist die Zugehörigkeit zum Staatssicherheitsdienst legal?
Ist die Zugehörigkeit zum Militärischen Abschirmdienst legal?
Ist das Verbreiten der Parole "Soldaten sind Mörder" legal?
Ist Vergewaltigung legal?
Ist Vergewaltigung in der Ehe legal?
Ist Polygamie legal?
Ist Sterbehilfe legal?
Ist Kannibalismus legal?
Ist xyz legal?

Man sieht, in einigen Fragen der staatlichen Ordnung werden je nach Staatsordnung / Zeitumständen unterschiedliche Antworten gegeben. Welche Maximen kann oder muß nun eine Regierung anlegen, wenn sie Gesetze vorlegen oder vertreten will, ohne sich den Vorwurf der Willkür einzuhandeln? Unter Hitler und Stalin war das recht einfach: Diejenigen, die der Regierung Willkür vorwarfen, wurden beseitigt. Diese Maßnahme beseitigte aber nicht eigentlich das Faktum der Regierungswillkür, sondern nur die Formulierung dieses Faktums. Hier greift jetzt der Trick mit der Verfassung, mit dem sich die höchsten Richter aus der Verantwortung zu stehlen versuchen: Wenn z.B. in in den Grundrechten festgeschrieben steht, daß absolute Religionsfreiheit gilt, dann ist es tatsächlich legal, das Aufhängen von Kruzifixen in staatlichen Schulen zu verbieten, bzw. dann ist das Aufhängen von Kruzifixen in staatlichen Schulen illegal. Allerdings: Wenn die Würde des Menschen wirklich unantastbar ist, wie kann dann Abtreibung straffrei bleiben? Dies wurden die Verfassungsanbeter schon oft gefragt, nur zu einer Antwort konnten sie sich bis jetzt noch nicht durchringen. Wie dem auch sei: Die Begründung eines Gesetzes mit der Verfassung begründet rein gar nichts, denn auch die Verfassung ist - wie die Erfahrung beweist - keine vollkommene, unwandelbare Größe. Wenn Richter behaupten, aufgrund der Verfassung müsse man das Aufhängen von Kruzifixen verbieten, dann liegt die Schuld nicht bei der Verfassung - Schuld gibt es nämlich nur beim Menschen, also muß man die dahinter stehenden Menschen schuldig sprechen; im Kruzifixurteil sind also die Richter, die die falschen Entscheidungen der Politiker von 1949 billigen und unterstützen, voll verantwortlich. Merke: Hinter jeder Verfassung stehen Menschen; falls die Verfassung gut ist, verdienen die Verteidiger dieser Verfassung Lob, falls die Verfassung schlecht ist, verdienen die Verteidiger dieser Verfassung Tadel.
Wir meinen also keineswegs, daß eine Verfassung, ein Kodex mit Grundrechten und Grundgesetzen, Gesetzbücher etc. an und für sich schlecht wären - ganz im Gegenteil, wir fordern die Bestrafung von Nazi-Verbrechern, von Kinderschändern etc. bzw. den Schutz für die Ungeborenen, Schutz für vergewaltigte Ehefrauen etc.; ebenso unterstützen wir Bestrebungen, denenzufolge Homosexualität wieder als Verbrechen bestraft werden soll. Nur müssen wir darauf hinweisen, daß die Gebote Gottes über jedem menschlichen Gesetzgeber stehen.
In Deutschland heißt das nächste Zauberwort nach Verfassung: Demokratie! Was der überwiegende Teil eines Volkes akzeptiert, das ist auch richtig! Dann war also der Nationalsozialismus - jedenfalls zeitweilig - richtig? Schauen wir einmal auf einen biblischen Bericht über eine demokratische Entscheidung:
"An jedem Fest pflegte der Statthalter dem Volk einen Gefangenen freizugeben, den es haben wollte. Man hatte damals einen berüchtigten Gefangenen namens Barabbas. Pilatus fragte also die versammelte Menge: 'Wen soll ich euch freigeben, Barabbas oder Jesus, der Messias genannt wird?' Er wußte nämlich, daß sie ihn aus Mißgunst überliefert hatten. Während er auf dem Richterstuhl saß, ließ seine Frau ihm sagen: 'Hab nichts zu schaffen mit jenem Gerechten! Denn ich habe seinetwegen heute im Traum viel ausgestanden.' Die Hohenpriester und die Ältesten aber beredeten das Volk, Barabbas zu fordern, Jesus dagegen ins Verderben zu bringen. Der Statthalter nahm das Wort und fragte sie: 'Wenn soll ich euch freigeben?' Sie riefen: 'Barabbas!' Pilatus sagte zu ihnen: 'Was soll ich denn mit Jesus machen, der Messias genannt wird?' Alle schrien: 'Ans Kreuz mit ihm!' Der [Statthalter] sagte [ihnen]: 'Was hat er denn Böses getan?' Da schrien sie noch lauter: 'Ans Kreuz mit ihm!' Pilatus sah, daß er nichts erreichte, sondern der Lärm nur noch größer wurde. Er ließ sich Wasser reichen und wusch sich vor dem Volk die Hände, indem er sagte: 'Ich bin unschuldig am Blut dieses Gerechten. Seht ihr selber zu!' Da rief das ganze Volk: 'Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!'" (Mt 27,15-25). Ist Pontius Pilatus wirklich unschuldig, weil er sich ja auf ein demokratisches Urteil stützen konnte?
Sicherlich kann man Demokratie nicht grundsätzlich als schlechte Staatsform oder Monarchie grundsätzlich als beste Staatsform bewerten; man sollte sich aber hüten, in der Stimme des Volkes gleich die Stimme Gottes zu sehen - Mehrheiten sind kein Garant für Wahrheiten, noch nicht einmal in der Politik. Der Vollständigkeit halber erinnern wir hier an die katholische Lehre über die rechte Regierungsform, indem wir aus der Rundfunkbotschaft Papst Pius XII. über Demokratie und Weltfrieden (24. Dezember 1944) zitieren:
"Es ist wohl kaum nötig, hier daran zu erinnern, daß es nach der Lehre der Kirche 'nicht verboten ist, Regierungsformen den Vorzug zu geben, die durch die Mitwirkung des Volkes beeinflußt werden; wohlverstanden unter der Bedingung, daß die katholische Lehre über den Ursprung und die Anwendung der staatlichen Macht gewahrt bleibt' (Leo XIII., Enz. "Libertas" vom 20. Juni 1888). Denn 'die Kirche lehnt keine der vielen verschiedenen Formen ab, die eine Regierung haben kann, sofern sie nur geeignet ist, das Wohl der Bürger zu sichern' (Leo XIII., ebd.)" (zit. nach: P. Jussen (Hg.), Gerechtigkeit schafft Frieden. Reden und Enzykliken des Heiligen Vaters Papst Pius XII, Hamburg 1946, 97).
Den Irrsinn einer rein innerweltlichen moralischen Prinzipienlehre finden wir am ausgeprägtesten bei dem "Königsberger Klops", Immanuel Kant (geb. 1724 in Königsberg, Sohn eines Köngisberger Sattlers, Studium in Königsberg, Privatlehrer in Königsberg und umliegenden Dörfern, seit 1770 Prof. in Königsberg, gest. 1804 in Königsberg). Bekannt ist I. Kant u.a. für seinen "Kategorischen Imperativ", der da lautet: "Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte." Mit anderen Worten: Mach, was du willst, erlaubt ist, was gefällt. Haargenau das ist die Forderung des "Kategorischen Imperativs": Die reinste Willkür ist das vollkommene Moralprinzip. Hitler und Stalin sind vom Standpunkt des K.I. die perfekt tugendhaften Gestalten: Die Maxime ihres Willens konnte erwiesenermaßen als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten. Kant läßt keine andere Sittensbegründung zu als den Menschen; die Berufung auf den Willen Gottes ist für Kant unzumutbar und direkt abwegig, weil a) die Existenz Gottes nicht schlüssig bewiesen werden kann und Gott damit eine unsichere Größe ist und b) weil Gott, vorausgesetzt, daß es ihn gibt, dann solcher Art wäre, daß für ihn unser Handeln absolut belanglos ist, d.h. es wäre unsinnig anzunehmen, daß Gott unser moralisch richtiges Handeln wollen kann.
In welch wüsten Verirrungen des menschlichen Geistes Kant sein Dasein gefristet hat, läßt sich aus Sätzen wie diesem erahnen: "Die anschauende Erkenntnis der anderen Welt [das Jenseits] kann allhier nur erlangt werden, indem man etwas von demjenigen Verstande einbüßt, welchen man für die gegenwärtige nötig hat" (Träume eines Geistersehers: Kants Werke II, Berlin 1905, 341).  Daß Kant nicht in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt sein Leben verbracht hat, liegt wahrscheinlich nur daran, daß Königsberg keine entsprechende Anstalt bzw. fähige Psychiater besaß. Angesichts solcher rein polemisch formulierten und niemals argumentativ gestützten Aussagen, die dem gesunden Menschenverstand Hohn sprechen, können wir Kant nur als armen Irren abtun. Es fällt schwer, denjenigen, die auf Kants "Moralprinzip" aufbauen wollen, ein besseres Zeugnis auszustellen.
Erst die röm.-kath. Glaubenslehre bietet moralische Prinzipien, die jedem Angriff standhalten und als einzige dem Vorwurf der Willkür entgehen können: Gott über alles lieben und den Nächsten lieben wie sich selbst. Wer sich in seinem Moralkonzept nicht auf den Himmel stützt, der hängt völlig in der Luft - es gibt keinen sicheren Anhaltspunkt, alles ist der Beliebigkeit ausgeliefert. Richtig können also überhaupt nur solche Gesetze sein, die nicht der katholischen Lehre widerstreiten. Je spezieller ein Gesetz ist, desto schwieriger wird es, eine unumstößlich richtige Vorschrift zu erlassen; manche Lösungen sind sogar von zeitlichen Gegebenheiten abhängig und können oder müssen eine Veränderung erfahren; in einer Situation kann Gesetz A, in einer anderen Situation kann Gesetz B die bessere Lösung sein. Ferner muß bei der gesetzlichen Reglementierung Maß gehalten werden: Mit der Anzahl der Gesetze wächst auch die Schwierigkeit, alle Gesetze zu kennen und zu befolgen. Doch das soll uns hier nicht weiter interessieren.
Wichtig ist nur die Feststellung, daß ein Staat entweder christlich geprägt ist oder in der Gefahr steht, in Willkür zu versinken. Wie weit sind wir in Deutschland?

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