Predigt am 23.02.2003

- Sexagesima -
(Kirche zum Mitreden, 23.02.2003)
Eine beständige Gefahr für das christliche Leben besteht darin, bei der Beurteilung von Fragen der Glaubenslehre, der Moral, der Liturgie und weiteren Bereichen nicht das richtige Maß zu wahren. Manches, was von höchster Wichtigkeit ist, wird nur nachlässig beobachtet, manches, was nur von geringerer Bedeutung ist, wird mit übertriebenem Eifer beobachtet.
Betrachten wir hier die Frage der liturgischen Sprache. In der abendländischen Kirche gibt es kaum eine andere liturgische Sprache als das Latein. Grundsätzlich wurde argumentiert, dass die Liturgie ausschließlich in den Sprachen gefeiert werden dürfe, in denen die Kreuzesinschrift verfasst ist, also in Hebräisch, Griechisch oder Lateinisch. Dazu ein Beispiel: Im neunten Jahrhundert verwendeten die Brüder Cyrill und Methodius, die Apostel der Slawen, bei der römischen Liturgie die slawische Sprache. Während man heute die Verdienste der Slawenapostel für die slawische Kultur und insbesondere für die slawische Literatur anerkennt, erhoben sich damals scharfe Proteste gegen die Verwendung der slawischen Sprache. Besonders von deutscher Seite wurde der Vorwurf formuliert, man dürfe nicht eine "barbarische Sprache" wie das Slawische in die Liturgie einführen.
Aber auch wenn es bisweilen mehr oder weniger starke volkssprachliche Anteile in der Liturgie gab, so hat sich doch sehr früh das Lateinische als die beherrschende liturgische Sprache durchgesetzt und gehalten. Bestrebungen einiger Kleriker, volkssprachliche Elemente einzufügen, wurden bisweilen sehr hart von der kirchlichen Obrigkeit bestraft.
Dass die Inschrift am Kreuz in Hebräisch, Griechisch und Lateinisch verfasst war, ist vielleicht der wichtigste Grund, weswegen andere Sprachen in der Liturgie nur sehr selten und in sehr geringem Umfang geduldet wurden. Ein anderer Grund ist der Geheimnischarakter der Liturgie: Es wird eine Art schützender Schleier um den Kult gelegt, man will das Heilige nicht zum Spielball der Ungläubigen und Ungebildeten machen. Es bedarf einer gewissen Bildung, die Teile der Messe zu verstehen. Die Erhabenheit der liturgischen Geheimnisse findet in der fremden Sprache eine schöne Entsprechung. Will man die Ehrfurcht vor dem Messopfer zerstören, wird man eine Alltagssprache wählen, die von Primitivität und Oberflächlichkeit durchsetzt ist. So sind ja die liturgischen Veranstaltungen der Feinde Christi von unerträglicher Banalität und Plattheit gekennzeichnet. Ehrfurcht, Andacht, Anbetung, all das hat in den Veranstaltungen der Feinde Christi keinen Platz mehr. Oft genug wird von den Feinden Christi unverhohlen versucht, liturgische Veranstaltungen so abzuhalten wie ein satanisches Rockkonzert. Das spricht jeden auf dem untersten Niveau an, insofern ist eine durchschlagende Breitenwirkung nicht unwahrscheinlich, und wer sittlich verroht ist, wird daran auch so seine Freude haben, allerdings hat das ganze nichts mehr mit der gottgefälligen Liturgie zu tun.
Es sprechen also sehr gewichtige Gründe für die lateinische Liturgie. Aber - ist die lateinische Sprache alles? Nun, alles kann sie ja schon deshalb nicht sein, weil es ja auch andere liturgische Sprachen gibt. Aber was die lateinische Sprache betrifft, stellt man bei manchen eine Überbewertung der lateinischen Sprache fest und eine Unterbewertung des eigentlichen Glaubens. Es gibt manche, für die ist eigentlich nur wichtig, dass die Liturgie lateinisch ist. Die Verwendung der Landessprache wird dann mit den schlimmsten Verurteilungen gegeißelt, ebenso werden diejenigen, die an einer katholischen Liturgie in der Landessprache teilnehmen, in unzulässiger Weise kritisiert. Das einzige, was für diese übertriebenen Lateinfreunde zählt, ist die lateinische Sprache, aber nicht, in welcher Glaubensgemeinschaft diese Liturgie zelebriert wird. Ob es eine katholische Gemeinschaft ist oder eine Gemeinschaft von Sektenanhängern, diese Frage wird gar nicht erst gestellt oder geduldet. Und manche gehen noch weiter: Hauptsache Latein - egal, welcher Ritus zelebriert wird; solange alles in Latein ist, ist auch alles gut, selbst wenn die lateinischen Texte nur so überquellen von unklaren oder ganz falschen Aussagen. Wie kann man so oberflächlich, so gleichgültig gegenüber dem Glauben sein? Es ist heilsnotwendig, zur katholischen Kirche zu gehören, und wenn man feststellt, dass man einer Gemeinschaft angehört, die sich nur katholisch nennt, aber es in Wahrheit nicht ist, dann muss man sich von dieser Gemeinschaft trennen und der wahren katholischen Kirche anschließen. Und für die Kulthandlungen gilt: Die Teilnahme an Kulthandlungen, die in sich häretisch sind, ist schon durch das Naturrecht verboten. Bei Kulthandlungen, die die Häretiker mit uns Katholiken gemeinsam haben, ist die Teilnahme, selbst wenn daraus kein Ärgernis entsteht, wenigstens durch das Kirchengesetz verboten. Ganz im Eifer, an einer lateinischen Liturgie teilzunehmen, werden die elementarsten Fragen wie die der Kirchenzugehörigkeit völlig ignoriert. Hier besteht ein massives Missverhältnis in der Bewertung von wichtigen und weniger wichtigen Aspekten des christlichen Lebens.
Es gibt außerdem noch praktische Vorteile der lateinischen Sprache: Ein Beispiel: Weil die lateinische Sprache so weit verbreitet ist, kann man als Katholik des lateinischen Ritus in unterschiedlichen Ländern derselben Sprache begegnen. Insofern schafft die Sprache auch eine Vertrautheit. Wer die Teile der hl. Messe kennt, kann ihr in verschiedenen Ländern immer problemlos folgen. Man fühlt sich im lateinischen Ritus gewissermaßen "zu Hause".
Die Gebete nach der stillen heiligen Messe werden alllerdings mancherorts in der jeweiligen Volkssprache gebetet, und dann entsteht bisweilen ein Problem: Es gibt verschiedene Übersetzungen dieser Gebete. Am einfachsten wäre es wohl, wenn man die Grundgebete wie das Pater noster, das Ave Maria und andere in der lateinischen Sprache beten würde. Und es sollte wohl nur die wenigsten überfordern, diese wenigen lateinischen Worte auswendig zu lernen.
Aber zu den Unterschieden in der Übersetzung: Das "Ave Maria" schließt mit "ora pro nobis peccatoribus, nunc et in hora mortis nostrae." Dieser letzte Teil wird z.B. übersetzt mit "bitte für uns arme Sünder jetzt und in der Stunde unsres Absterbens." Manche beten aber auch "bitte für uns Sünder jetzt und in der Stunde unsres Todes." Auch wenn die inhaltlichen Änderungen bei den Übersetzungen normalerweise nur gering oder gar nicht vorhanden sind, ist es damit schwierig, gemeinsam zu beten. Man wird sich also, wenn man gemeinsam beten will, auf eine gemeinsame Formel einigen müssen. Und hier darf man sich nicht darauf versteifen, dass man eine bestimmte Übersetzung gelernt und jahrelang verwendet hat, und dass man auch beim gemeinschaftlichen Gebet an dieser bestimmten Übersetzung festhalten will, ohne Rücksicht auf das Gemeinschaftsgebet und ohne Rücksicht auf die Tatsache, dass eine andere Übersetzung vollkommen einwandfrei ist. Diese Rücksichtslosigkeit und Engstirnigkeit ist ebenfalls zu meiden.
Sehen wir die Sachen also immer so, wie sie sind. Beachten wir immer das richtige Maß, meiden wir Übertreibungen und Oberflächlichkeiten, und erweisen wir uns immer als gehorsame Kinder der katholischen Kirche. Amen.

S. auch:
Syllabus
Sacrosanctum Concilium
Der Rosenkranz
Die Sonntagsheiligung
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