Predigt am 01.01.2004

- Beschneidung des Herrn, d II cl -
(Kirche zum Mitreden, 01.01.2004)
Titus 2,11-15; LK 2,21

In den vergangenen Tagen stand der jetzige deutsche Bundespräsident bei zwei Anlässen ganz besonders im Rampenlicht. Am 25.12. wurde seine so gen. "Weihnachtsansprache" im Fernsehen ausgestrahlt, und am 28.12. wurde ein Fernseh-Interview mit ihm gezeigt. Die Weihnachtsansprache des Staatsoberhauptes erlangt bereits deswegen einen hohen Bekanntheitsgrad, weil sie als eine Art traditionelles Ereignis gilt und in den Medien dementsprechend Erwähnung findet; also gleichgültig, was das Staatsoberhaupt bei dieser Gelegenheit sagt, in jedem Fall werden die Medien darüber berichten. In dieser "Weihnachtsansprache" erzählte das Staatsoberhaupt: "Gewiss gibt es Situationen in denen wir Freiheit und Recht auch mit Waffen schützen müssen. Deswegen danke ich allen Soldatinnen und Soldaten, Polizistinnen und Polizisten, auch den vielen zivilen Helferinnen und Helfern, die, oft weit weg von zu Hause, ihren Dienst leisten für Frieden, für Menschenrechte und für den Schutz vor Terror und Gewalt. Wir denken an sie und an ihre Familien und Freunde." Solche Worte müssen nachdenklich stimmen, wenn man sich vor Augen hält, was z.B. die Polizei leistet "für Frieden, für Menschenrechte und für den Schutz vor Terror und Gewalt". Unweigerlich ergibt sich die Frage, worauf denn diese Dankesworte sich ganz konkret beziehen. Noch merkwürdiger wird es in der Ansprache, wenn das Staatsoberhaupt auf "die Weihnachtsgeschichte" zu sprechen kommt: "Was hier erscheint, ist das, was wir nicht erwarten und nicht selber machen können. Es ist die Botschaft von der Nächstenliebe und vom Frieden auf Erden, dem äußeren Frieden und dem inneren. Weil es ein Wunder ist, also nie selbstverständlich, darum feiern wir es jedes Jahr aufs Neue." In der gesamten Ansprache kommt das Wort "Gott" nicht vor, nicht "Jesus", nicht "Christus". Von "Nächstenliebe und vom Frieden auf Erden" kann doch eigentlich jeder sprechen. Aber nicht nur, dass man für ein Reden von "Nächstenliebe und vom Frieden auf Erden" kein Christ sein muss, es stellt sich zudem noch die Frage, weswegen ausgerechnet am Weihnachtsfest eine Ansprache gehalten wird, in der nicht nur nichts spezifisch Christliches gesagt wird, sondern in der eine "Weihnachtsgeschichte" ohne religiösen Hintergrund entworfen wird. Wenn man eine bloß humanistische Botschaft verbreiten will, warum nennt man sie dann nicht z.B. einfach "Ansprache zum Jahresende"? Nimmt man noch hinzu, dass das Staatsoberhaupt Äußerungen etwa über die Polizei trifft, die wenigstens befremden, dann könnte diese Weihnachtsansprache sehr merkwürdig, wenn nicht gar sinnlos erscheinen. Aber außer der quasi automatisch in den Medien präsentierten "Weihnachtsansprache" sorgte auch noch ein Interview mit dem Staatsoberhaupt für verhältnismäßig große Aufmerksamkeit in den Medien. Das Interview ist recht umfangreich und berührt mehrere Themen. Mit einem gewissen Entsetzen könnte man auf die Äußerung des Staatsoberhauptes reagieren: "Ich würde gerne haben, dass mehr junge Menschen etwas von der deutschen Kulturgeschichte annehmen und zwar von Grimmelshausen über Goethe bis zu Böll und Grass" - jedenfalls dann, wenn man etwas vom Schaffen der Herren Heinrich Böll und Günter Grass kennt. Grass gehört z.B. zu den Initiatoren des "Willy-Brandt-Kreises", der nach Selbstdarstellung geschaffen ist für Menschen, "die sich die Unabhängigkeit des Denkens bewahrt haben." Allerdings weiß vielleicht nicht jeder, mit welchen Handlungen der Sozialdemokrat Willy Brandt aufgefallen ist oder dass der Sozialistenführer August Bebel erklärt hatte, die Sozialdemokratie erstrebe "auf religiösem Gebiet den Atheismus". Vielleicht weiß nicht jeder, dass selbst die heutigen Sozialdemokraten noch Loblieder auf Bebel singen, und dass das jetzige Staatsoberhaupt vor dem Eintritt in sein überparteiliches Amt des Bundespräsidenten selbst Sozialdemokrat war. Jedenfalls wurde in der Öffentlichkeit das Grass-Lob kaum diskutiert. Der Abschnitt im Interview, an dem sich die Öffentlichkeit und insbesondere einige Politiker v.a. gerieben haben, waren die Äußerungen bzlg. der so gen. "Kopftuch"-Debatte: Dürfen muslimische Frauen, die z.B. an staatlichen Schulen unterrichten, dabei ein Kopftuch tragen, also ein Symbol ihrer Religion? Dazu meinte das Staatsoberhaupt: "wenn das Kopftuch als Glaubensbekenntnis, als missionarische Textile, gilt, dann muss das genauso gelten für die Mönchkutte, für den Kruzifixus. [...] Ich selber komme aus einer reformierten Tradition. In der gibt es den Kruzifixus nicht als religiöses Symbol. Ich bin für Freiheitlichkeit, aber ich bin gleichzeitig für Gleichbehandlung aller Religionen. [...] ich bin der Meinung, die öffentliche Schule muss für jeden zumutbar sein, ob er Christ, Heide, Agnostiker, Muslim oder Jude ist. Und es darf nicht durch religiöse Symbole, die der Lehrer mit sich trägt, eine gewisser Vorrang- oder Vormachtstellung gesucht werden." Die Tragweite dieser Erklärung erhellt, wenn man sie mit päpstlichen Lehrschreiben vergleicht. So erklärte Papst Leo XIII. (Libertas): "Ein gottloser Staat oder, was schließlich auf Gottesleugnung hinausläuft, ein Staat, der, wie man sagt, gegen alle Religionen gleichmäßig wohlwollend gesinnt ist und allen ohne Unterschied die gleichen Rechte zuerkennt, versündigt sich gegen die Gerechtigkeit wie gegen die gesunde Vernunft." Und konkret zur Erziehung erklärte Papst Piux XI. (Divini): "Es ist außerdem unveräußerliches Recht und unabweisbare Pflicht der Kirche, die ganze Erziehung zu überwachen, die ihren Kindern, d.h. den Gläubigen, ob in öffentlichen oder in Privatschulen, zuteil wird, und das nicht bloß hinsichtlich des dort erteilten Religionsunterrichtes, sondern auch hinsichtlich des Unterrichts in allen anderen Fächern und der hierfür getroffenen Maßnahmen, sofern sie mit der Religion und dem Sittengesetz in Zusammenhang stehen (CIC 1381f)." Aber nicht nur, dass das Staatsoberhaupt einen Staat predigt, der sich sich gegen die Gerechtigkeit wie gegen die gesunde Vernunft versündigt: Er fordert diese widervernünftige, sündhafte Struktur obendrein mit der Begründung, "die öffentliche Schule muss für jeden zumutbar sein, ob er Christ, Heide, Agnostiker, Muslim oder Jude ist." Betrachtet man diese "Zumutbarkeitsforderung" in ihrem ganzen Ausmaß, so leuchtet auch endlich ein, was mit der Forderung in der "Weihnachtsansprache", "Freiheit und Recht auch mit Waffen zu schützen", gemeint ist, und was mit dem Dienst der Polizei "für Frieden, für Menschenrechte und für den Schutz vor Terror und Gewalt" gemeint ist, dem ein besonderes Wort des Dankes gilt. So ergeben diese merkwürdigen Äußerungen auf einmal einen Sinn: Die Versündigung gegen die Gerechtigkeit wie gegen die gesunde Vernunft darf nicht durch das christliche Bekenntnis gefährdet werden; es gilt als unzumutbar, wenn jemand noch den Staat an seine Verantwortung vor Gott erinnert. Gegen das christliche Bekenntnis darf und muss der Staat ggf. auch zu den Waffen greifen. Wir haben in der Weihnachtsoktav das Fest des Erzmärtyrers Stephanus und das Fest der Unschuldigen Kinder gefeiert. Diese haben am eigenen Leib den Schutz von "Freiheit und Recht auch mit Waffen", den Einsatz "für Frieden, für Menschenrechte und für den Schutz vor Terror und Gewalt" erfahren. Hier zeigt sich das antichristliche "Rechtsverständnis" sehr deutlich. Wir brauchen uns nicht der Illusion hinzugeben, dass die Feinde Christi es heute nicht mehr schaffen, "Freiheit und Recht auch mit Waffen zu schützen", also das Blut derer zu vergießen, die sich noch zur Wahrheit bekennen. Flüchten wir uns jedoch nicht in Verzweiflung und Resignation, sondern beherzigen wir die Mahnungen des hl. Paulus: Leben wir gerecht und fromm, harren wir in seliger Hoffnung auf die Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes, unseres Heilandes Jesus Christus. Amen.

S. auch:
katholisch.net: Klageschrift und "Verurteilung"
Bundespräsident Johannes Rau
Bundesverdienstkreuz für Karl Lehmann
Johannes Rau und der "Kirchentag"

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