Predigt 11.05.2008

- Pfingstsonntag, d I cl; Apg 2, 1-11; Joh 14,23-31 -
(Kirche zum Mitreden, 10.05.2008)
Youtube-Video: http://www.youtube.com/v/6o9hnAMtDlE
Wörter: 1196
In der Pfingstwoche werden die Sommerquatember gefeiert. Die Bezeichnung "Quatember" kommt vom lateinischen "feriae quattuor temporum", also Feiertage der vier Jahreszeiten; im Schott heißt es dazu: »Wie jede Woche durch die Feier des Sonntags eingeleitet und sozusagen eingeweiht wird, so auch die vier Jahreszeiten durch die vier Quatemberfeiern. [...] Auf deutschem Boden erhielten sie den Ehrennamen "Fronfasten", heilige, unverletztliche Fasten.« Im Gebiet des Deutschen Reichs bedeutet das: Am Mittwoch, Freitag und Samstag ist das Fasten unter schwerer Sünde vorgeschrieben. Aber darf man sich die Freude über das Pfingstfest denn damit verderben, dass man heute an das "Fronfasten" in der Pfingstwoche denkt? Schließlich feiert die Kirche doch am Pfingstfest die Sendung des Heiligen Geistes, und das ist doch wahrlich kein Fasttag. Nun, zunächst sollte man das Fasten nicht über Gebühr dramatisieren. Es ist ja nichts Unmenschliches, was dabei vorgeschrieben ist: Man darf sich einmal am Tag satt essen, außerdem darf man zusätzlich noch zwei kleine Stärkungen einnehmen. Nicht nur soll mit dem Fasten die Gesundheit nicht geschädigt werden, es soll sogar darauf geachtet werden, dass das Fasten die tägliche Arbeit nicht beeinträchtigt. Dementsprechend gibt es ja auch Befreiungen von der Fastenpflicht. Das Fasten ist eine ernste Pflicht, aber keine unerfüllbare Pflicht. Weder darf man beim Fasten übertreiben, noch darf man in der Bewertung des Fastens übertreiben. Ja, man schränkt sich ein wenig ein, aber man übt keinen übermenschlichen Verzicht. Ferner sollte man sich fragen, ob man denn sowohl die Feiertage als auch die Fastentage der Kirche in rechter Weise beachtet und begeht. Hält man sowohl die Sonntagsruhe als auch das Fasten? Oder ist man womöglich nur auf die Annehmlichkeiten der Feiertage erpicht? Legt man zwar größten Wert auf das Feiern an den Feiertagen, aber keinen so großen Wert auf das Fasten an den Fasttagen? Nun sind die Sommerquatember also in der Pfingstoktav, aber passt das Fronfasten denn überhaupt in diese Zeit? Paulus nennt bei den Früchten des Geistes (Gal 5,22f) auch die Enthaltsamkeit. Im griechischen Originaltext heißt es enkráteia, in der lateinischen Übersetzung der Vulgata continentia. Beide Vokabeln bedeuten Selbstbeherrschung, Enthaltsamkeit, Mäßigung, auch wenn die begriffliche Herleitung jeweils etwas anders ist. Das griechische enkráteia basiert auf dem Wort krátos, Gewalt, Herrschaft. Demokratie bedeutet also Herrschaft des Volkes: Die Gewalt geht vom Volke aus. Enkráteia bedeutet: Man hat sich selbst in der Gewalt, man kann sich selbst beherrschen. Continentia basiert auf tenere, halten: Man kann "an sich halten", man hat seine Leidenschaften im Griff. Die Selbstbeherrschung, die Enthaltsamkeit, die Mäßigung hat also im geistlichen Leben durchaus ihren Platz. Dementsprechend hat die Kirche das Fasten als Vorbereitung hoher Feste vorgeschrieben: Einige Vigiltage, also die Tage vor hohen Festen wie Weihnachten und Pfingsten sind Fasttage. Der Osterzeit geht die Fastenzeit voraus. Aber das Entscheidende ist eben nicht die Enthaltsamkeit an sich, sondern ihr kirchlicher Zusammenhang. Das Entscheidende ist die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche. Am Pfingstfest werden Petrus und die Apostel nach der Pfingstrede gefragt: "Brüder, was sollen wir tun?" Und Petrus antwortet: "Bekehrt euch, und ein jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden; so werdet ihr den Heiligen Geist empfangen. [...] Rettet euch aus diesem verderbten Geschlecht." Selbstbeherrschung wurde schon damals in vielen Gruppen gepredigt und geübt, in heidnischen Religionen und in jüdischen Gemeinschaften. Der dabei gezeigte eiserne Wille war teilweise wirklich bemerkenswert. Diese Selbstbeherrschung war allerdings oft geprägt von Selbstgerechtigkeit und Selbstverliebtheit bis hin zur Verachtung anderer. Als Christen hingegen wissen wir, dass es uns eben nicht um Selbstverwirklichung gehen kann. Wir werden nicht einfach dadurch gerecht, dass wir die Enthaltsamkeit üben, sondern wir üben die Enthaltsamkeit, um Gott unsere Liebe und Treue zu zeigen. Paulus nennt unter den Früchten des Geistes die Enthaltsamkeit auch nicht an erster Stelle, sondern an erster Stelle stehen: "Liebe, Freude, Friede, Geduld, Milde, Güte, Treue, Sanftmut."
Am vergangenen Sonntag haben wir im Evangelium die Worte Jesu zu seinen Jüngern gehört: "Wenn der Tröster kommt, den Ich euch vom Vater senden werde, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, so wird er Zeugnis von mir ablegen. Auch ihr werdet von mir Zeugnis ablegen, weil ihr von Anfang an bei Mir waret." Der Heilige Geist ist der Geist der Wahrheit. Die Wahrheit, so betont der hl. Thomas von Aquin direkt am Anfang seiner "philosophischen Summe" (S.c.G. 1,1,1), ist das letzte Ziel des gesamten Universums. Was zählt, ist die Wahrheit. Sicherlich, in unserem Erdendasein ist aufgrund der Erbsünde auch die Enthaltsamkeit ein wichtiges Element: Als geistbestimmte Menschen dürfen wir uns nicht an die Leidenschaften versklaven. Aber alles muss von der Wahrheit bestimmt sein. Es gibt keine echte Liebe ohne Wahrheit, es gibt keine echte Freude ohne Wahrheit, es gibt keinen echten Frieden ohne Wahrheit. Der menschliche Geist kann dabei zweifelsfrei viele Wahrheiten erkennen, aber zum einen neigt er infolge der Erbsünde dazu, die ihm eigentlich erkennbare Wahrheit doch nicht zu erkennen, ob nun aus Schwäche oder aus Bosheit; und zum anderen gibt es allerdings auch Wahrheiten, die die menschliche Vernunft schlichtweg übersteigen; dazu zählt insbesondere die Dreifaltigkeit Gottes. Und Christus wollte, dass die Apostel von ihm Zeugnis ablegen. Die Kirche legt also nach göttlicher Anordnung Zeugnis von der Wahrheit ab. Durch die Gabe der Unfehlbarkeit wird die Kirche in der Wahrheit gehalten. Wir finden und bewahren die Wahrheit, wenn wir auf die Kirche hören. Der Bericht über den Pfingsttag, also über die Reaktion auf die Mahnung des Petrus: "Rettet euch aus diesem verderbten Geschlecht", schließt ja nicht mit den Worten: "Den Interessenten wurde ein Buch in die Hand gedrückt, mit dem sie sich über die wahre Lehre informieren konnten", sondern mit den Worten: "Die nun sein Wort annahmen, wurden getauft. An jenem Tag kamen gegen dreitausend Seelen hinzu." Es geht nicht nur um Enthaltsamkeit, es geht nicht nur um die Kenntnis von Glaubenssätzen: Wir müssen auch in der Gemeinschaft der Kirche leben. Das Dogma lautet: "So viel bedeutet die Einheit des Leibes der Kirche, daß die kirchlichen Sakramente nur denen zum Heile gereichen, die in ihr bleiben, und daß nur ihnen Fasten, Almosen, andere fromme Werke und der Kriegsdienst des Christenlebens den ewigen Lohn erwirbt. Mag einer noch so viele Almosen geben, ja selbst sein Blut für den Namen Christi vergießen, so kann er doch nicht gerettet werden, wenn er nicht im Schoß und in der Einheit der katholischen Kirche bleibt" (DS 1351, NR 1938, 350). Wenn wir in der kirchlichen Gemeinschaft bleiben, dann finden wir wahre Freude und wahren Frieden. Auch uns mag wegen unserer Treue zu Christus mancher Spott widerfahren. Als die Apostel am Pfingstfest in fremden Sprachen redeten, spotteten auch einige: "Sie sind voll des süßen Weines." Gegen Johannes den Täufer und gegen Christus wurde behauptet, sie seien "vom Teufel besessen" (Mt 11,18; Joh 10,21). Gegen Paulus wurde behauptet, er sei "von Sinnen" (Apg 26). Auch heute könnte es Christen widerfahren, wegen ihrer Glaubenstreue für "paranoid" erklärt zu werden. Doch lassen wir uns dann nicht entmutigen. Führen wir stets ein Leben, das vom Geist Christi bestimmt ist. Hören wir auf die Lehre der Kirche, folgen wir den Weisungen der Kirche. Denken wir an die Mahnung des Petrus zum Pfingstfest: "Rettet euch aus diesem verderbten Geschlecht." Dann werden wir dereinst teilhaben an der wahren Freude und am wahren Frieden in der Gemeinschaft der Heiligen im Himmel. Amen.

[Zurück zur KzM - Startseite]