Die Kreuzzüge

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(Kirche zum Mitreden, 14.06.2001)
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Als Wojtyla im Mai 2001 seinen Trip nach Griechenland inklusive Treffen mit "Orthodoxen" unternahm, wurde mal wieder kübelweise Schmutz über die Kirche ausgegossen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Thema "Kreuzzüge". Einige Beispiele:

I. Radio Vatikan

04.05.2001
"Papst Johannes Paul II. hat heute den letzen Teil seiner Reise zu den Stätten der Heilsgeschichte angetreten. Am Vormittag begann er seine sechstägige Pilgerschaft auf den Spuren des Völkerapostels Paulus in Athen, dem wohl schwierigsten Ort seiner Reise. Denn die Beziehungen zur Griechisch-orthodoxen Kirche sind kompliziert und vielschichtig. Gleich zu Beginn seiner Reise setzte der Papst ein deutliches Zeichen und bat um Vergebung für die Verbrechen der Kreuzritter, die im Jahr 1204 die Stadt Konstantinopel verwüstet und zahlreiche orthodoxe Christen getötet hatten.
[...]
Mit dem Besuch beim griechisch-orthodoxen Erzbischof von Athen und ganz Griechenland, Christodoulos, begann dann der diplomatisch heiklere Teil des Programmes. Im Vorfeld des Papstbesuches hatte es in Griechenland zahlreiche Proteste gegeben, in den vergangenen Tagen hatte sich das Stimmungsbild aber gebessert. Die Begegnung am Sitz des griechisch-orthodoxen Erzbischofs verlief in einer herzlichen Atmosphäre. Erzbischof Christodoulos begrüßte den pilgernden Papst. In seiner Ansprache ging er dann auf die zahlreichen noch nicht überwundenen Spannungen und historischen Verletzungen zwischen Rom und der Orthodoxie ein. Er erinnerte an die Kreuzzüge und sprach die mit Rom unierten Kirchen des Ostens an, die der eigentliche Grund für das Stocken des katholisch-orthodoxen theologischen Dialogs seien. Er hoffe, so Christodoulos, dass der Besuch des Papstes in Griechenland dem Dialog der Kirchen nützen werde. Auch der Papst ging in seiner Ansprache auf die Schwierigkeiten im Verhältnis der Kirche ein. Nach einigen Worten über die gemeinsamen Wurzeln des Glaubens der Kirchen stellte er fest: Wir brauchen einen befreienden Prozess der Reinigung des Gedächtnisses. 'Für die Gelegenheiten in Vergangenheit und Gegenwart, in denen Söhne und Töchter der katholischen Kirche sich mit Taten und Unterlassungen gegen ihre orthodoxen Brüder und Schwestern versündigt haben, bitten wir den Herrn um Vergebung.' Auch heute litten wir noch unter der Last vergangener und gegenwärtiger Kontroversen und Missverständnisse, fuhr Johannes Paul II. fort. 'Ich denke an die entsetzliche Zerstörung von Konstantinopel, das so lange die Bastion des Christentums im Osten war. Es ist tragisch, dass die Angreifer, die eigentlich den freien Zugang der Christen zum Heiligen Land sichern sollten, sich gegen ihre eigenen Brüder im Glauben gestellt haben.' Das Faktum, dass es sich dabei um lateinische Christen handelte, erfülle die Katholiken mit tiefem Bedauern, erklärte der Papst. Er rief Gott um Gnade an, um die Wunden der Vergangenheit zu heilen. Johannes Paul II. brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, dass eine 'Ökumene der Heiligkeit' letztlich zur vollen Einheit der Christen führen werde. Diese solle weder ein Absorbieren, noch eine Fusion sein, sondern ein Treffen in Liebe und Wahrheit. Mit Blick auf die unierten Kirchen des Ostens erklärte er: 'Wenn bestimmte Modelle der Wiedervereinigung aus der Vergangenheit dem Einheitsstreben, das der Heilige Geist neuerdings überall in den Christen geweckt hat, nicht mehr entspricht, müssen wir umso offener und aufmerksam sein für das, was der Geist den Kirchen jetzt sagt." Die anwesenden orthodoxen Bischöfe antworteten auf die Rede des Papstes mit zustimmendem Applaus. Erzbischof Christodoulos überreichte dem Papst abschließend als Geschenk eine Marienikone und sagte: Er hoffe, dass der Papst oft Gelegenheit haben werde, 'vor dieser Ikone für die Einheit unserer Kirchen zu beten'."

05.05.2001
"Gemeinsame Erklärung zu den christlcihen Wurzeln Europas
Der griechisch-orthodoxe Erzbischof Christodoulos und der Papst haben gestern abend eine "Gemeinsame Erklärung zu den christlichen Wurzeln Europas" veröffentlicht. Zentrale Themen darin sind die Einheit der Kirchen, Gerechtigkeit und Friede, und der Respekt vor der Menschenwürde. Beide sprechen sich für eine Überwindung der Kirchenspaltung und eine Einheit im Geiste aus, und verurteilen in diesem Zusammenhang Proselytenmacherei, Fanatismus und Gewaltanwendung. - Im Einigungsprozeß Europas sei wichtig, dass die Identität der Völker und ihr religiöses Erbe gewahrt bleiben. Die Globalisierung, so heißt es in der gemeinsamen Erklärung, müsse in brüderlicher und christlicher Weise vor sich gehen.
Gemeinsames Gebet am Freitagabend
Eine kleine Überraschung gab es gestern Abend: Nachdem die Beziehungen den Tag über herzlicher geworden waren, schlug der Papst am Abend Erzbischof Christodoulos im privaten Rahmen ein gemeinsames Vater-unser-Gebet vor. Die griechisch-orthodoxe Seite ging darauf ein. Damit wurde, was öffentlich vorher nicht denkbar gewesen war, doch noch Wirklichkeit.
Kardinal Kasper: Historischer Tag
Der Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, Kardinal Walter Kasper, hat gegenüber Radio Vatikan den gestrigen Tag als historisch bezeichnet. Neben der Vergebungsbitte des Papstes war für ihn besonders erfreulich, dass die griechisch-orthodoxe Kirche den Wunsch geäußert hat, den theologischen Dialog wieder aufzunehmen".

06.05.2001
"Der russisch-orthodoxe Patriarch Alexij II. hat die Vergebungsbitte des Papstes gegenüber der Orthodoxie mit Zurückhaltung aufgenommen. Man müsse die Worte des Papstes 'in ihrem Kontext sehen', sagte Alexij II. am Wochenende bei einem Treffen mit dem griechisch-orthodoxen Erzbischof von Athen, Metropolit Christodoulos. In erster Linie habe sich Johannes Paul II. auf die Kreuzzüge bezogen. Jetzt müsse man abwarten, wie sich diese Vergebungsbitte in konkreten Taten auswirke, meinte der Patriarch."
 

II. Die antichristliche Presse stimmte in diesen Chor ein:

"Schwieriger Besuch des Papstes in Athen. Historische Hypotheken belasten die Beziehungen" (NZZ 04.05.2001)
"Meist wird das Jahr 1054 als Zeitpunkt der Kirchenspaltung genannt. In jenem Jahr hatte in Konstantinopel der päpstliche Legat, Kardinal Humbert von Silva-Candida, in einem theatralischen Akt den Patriarchen von Konstantinopel, Michael Kerularios, und dessen Parteigänger exkommuniziert. Kerularios konterte, indem er den Kardinal nebst dessen beiden Begleitern exkommunizierte. 1054 war aber nur ein Glied in der Kette zunehmender Entfremdung zwischen westlicher und östlicher Christenheit, die bereits zuvor eingesetzt hatte. Weitaus verheerendere Auswirkungen hatten die Kreuzzüge, unter denen keineswegs nur die muslimische und jüdische Bevölkerung des Nahen Ostens zu leiden hatte, sondern ebenso die orthodoxen Christen."

"Gesten der Versöhnung als Vermächtnis des Pontifex. Die Papstreise dient der Verständigung unter den Religionen" (Stuttgarter Zeitung 09.05.2001)
"In der zerstörten griechisch-orthodoxen Kirche von Kuneitra betete er an einem der Brennpunkte des Nahostkonflikts für den Frieden. Dann pflanzte er vor der Ruine einen Ölbaum und mahnte die feindlichen Völker zu Toleranz. Dieses Bild wird im Gedächtnis bleiben, auch wenn die Worte des Papstes bei den politischen Führern noch auf taube Ohren stoßen und den Hass zwischen den Völkern zunächst nicht besänftigen können.
Unmittelbarer allerdings wirken die Signale, die das Kirchenoberhaupt auf religiösem Gebiet gibt. Hier formuliert der Papst quasi sein Vermächtnis: In Athen etwa hat der Pontifex ein neues Kapitel in der Kirchengeschichte aufgeschlagen, indem er sich bei der griechisch-orthodoxen Kirche für die Untaten der Kreuzzüge entschuldigte. Diese Geste der Versöhnung, öffnet den Weg für eine Zusammenarbeit der seit Jahrhunderten verfeindeten Konfessionen. Das ist ein weiterer Schritt hin zu einer weltweiten Ökumene, die der Papst für alternativlos hält angesichts der fortschreitenden Säkularisierung."

"Unbehagen an der Papstreise" (Salzburger Nachrichten, 09.05.2001)
"Ohne Namen zu nennen, berichtete Messori, derartige Stimmen höre man von einem Teil der römischen Kurie in Übereinstimmung mit einem Netz von Bischöfen in der Seelsorge. Das erneute Schuldbekenntnis für die Sünden der Katholiken gegenüber den Orthodoxen beim Vierten Kreuzzug beunruhige jene Teile der Kirche, die Wahrheit und Gerechtigkeit verteidigen wollten.
Messori gibt in seinem Artikel aber zugleich eine gewisse Sympathie mit der Strategie des Papstes zu erkennen, der 'dem Stolz der Welt die Bescheidenheit und vielleicht auch die Erniedrigung der Kirche entgegenstellt'.
Das Oberhaupt der orthodoxen Kirche von Griechenland, Erzbischof Christodoulos, hat sich dankbar für den jüngsten Papstbesuch in Griechenland geäußert. Der Besuch sei kurz, aber fruchtbar gewesen, betonte der Erzbischof in einem Brief an Johannes Paul II. Der Papst und Erzbischof Christodoulos hatten in Athen eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet, in der 'Gewalt, Proselytenmacherei (Bekehrungseifer) und Fanatismus im Namen der Religion' ausdrücklich verurteilt werden."

"Römisch III" (Frankfurter Rundschau, 19.05.2001)
"Dem männlich-kräftigen Woityla hätte man die Bitte um Vergebung, die er kürzlich an die Repräsentanten der Ostkirchen wegen der Kreuzzüge richtete, bloß als klugen diplomatischen Akt abgenommen. Der Tattergreis aber brachte sie in einer Sinnlichkeit zur Anschauung, die jede Reflexion unterband. Angesichts dieser Hinfälligkeit konnte sich der Gedanke, die Bitte um Vergebung sei abzuschlagen, nicht einmal probeweise einstellen. Oder der ironische Hinweis auf die unglaubliche Zeitverzögerung: Gewiss würden sich die katholischen Schwulen der Gegenwart freuen, wenn ihnen Rom auch nur ungefähr andeuten könnte, in wie vielen Jahrhunderten die Kirche bei ihresgleichen um Vergebung für das Verbot der Homosexualität einkommen werde?
Die Kreuzüge waren das erste große Massenschlachten aus ideologischen Gründen, das von Europa ausging; die Christenverfolgungen der Antike kamen da nicht mit. Konservative Kritiker der modernen Welt dagegen behaupten gern, das Massenschlachten sei erst von der französischen Revolution (und dann der russischen und dann dem NS) erfunden worden. Und wir würden wieder friedlich und von der transzendentalen Heimatlosigkeit geheilt, wenn wir uns der kirchlichen Autorität erneut unterwürfen. Och nö."
 

III. Soviel zur antichristlichen Schlammschlacht. Die böse, böse vorkonziliare Kirche hat nur Verbrechen an Verbrechen gereiht, insbesondere mit ihrem bösen, bösen "Proselytismus", also ihrer Absicht, die Welt zu Christus zu führen. Doch damit ist nun endgültig Schluss, nun gibt es "unumkehrbar" die Ökumene, und jetzt wird nur noch gemeinsam ein Feind bekämpft, dafür aber umso heftiger: die katholische Kirche (s. z.B. den Völkermord-Prozess).

Was hat es nun wirklich mit den Kreuzzügen auf sich? Hier die Fakten:

J. Marx, Lehrbuch der Kirchengeschichte, Trier (8)1922, 396-399:
"Die Wallfahrten nach dem h. Lande dauerten fort, auch als die Muhammedaner 637 Jerusalem erobert hatten. Als nun seit dem Auftreten der Fatimiden (969) die Pilger den Übermut und die Quälereien der Ungläubigen schwer fühlen mussten, trat der Gedanke auf an die Befreiung der h. Stätten, welche als gemeinsames Eigentum der Christenheit betrachtet wurden. Nachdem im Abendlande das kirchliche Leben und die politische Kraft erstarkt waren, musste man es als Schmach der Christenheit empfinden, dass die h. Stätten in der Hand der Ungläubigen sich befänden und von ihnen entweiht würden, und die Sehnsucht nach den Orten, wo der Heiland gelebt und gelitten hatte, gewaltig sich steigern. Diese Stimmung der gesamten Christenheit ward nun zur idealsten und grossartigsten Tat der Christenzeit, den Kreuzzügen, welche in dem Mittelpunkte des christlichen Lebens, dem Papsttume, ihre Anregung, Kräftigung und ihren Einheitspunkt fand. Die Päpste von Urban II. bis Klemens V. lebten in diesem Gedanken und setzten in unablässiger Arbeit alles daran, ihn zu verwirklichen; in ihrer Brust loderte das Feuer, das immer wieder die Herzen der Christen entflammte zu opferfreudigem und begeistertem Handeln. An 200 Jahre lang zogen immer wieder bewaffnete Scharen nach dem h. Lande, 2 Millionen von Menschenleben opferte die Christenheit dem h. Feuer der Begeisterung in sieben grossen und einer grosseen Zahl kleinerer Züge. Mögen auch manche von den Kreuzfahrern von Ehrgeiz, Selbstsucht und andern unedlen Beweggründen geleitet gewesen sein, die Stimmung der Träger des Kreuzes war im allgemeinen eine durchaus edle und erhabene.
Ein dreifaches Ziel erstrebte die abendländische Christenheit in diesem gewaltigen Ringen: a) Die Gewinnung des h. Landes und die Tilgung der Schmach, welche die Muhammedaner der Christenheit antaten, b) die Verteidigung des Abendlandes gegen den anstürmenden Islam, der eben bei Beginn der Züge wieder an den Toren Konstantinopels stand und Europa zu überschwemmen drohte, c) die Wiedervereinigung der morgenländischen Christen mit der Gesamtkirche, welche schon Gregor VII. als Ziel der Kreuzzüge hinstellte und als Frucht derselben zuversichtlich erhoffte. Die treibenden Kräfte der Bewegung waren edle: a) An erster Stelle war es der Einfluss der kirchlichen Autorität, welcher sich betätigte. Die Päpste und Konzilien riefen die Bewegung hervor und waren ohne Aufhören bemüht, dieselbe in Fluss zu erhalten, und die Christenheit gab sich vertrauend diesem Einflusse hin. Die Kirche war es ja auch, welche die grössten materiellen Opfer im Saladinszehnten und den spätem Kreuzzugssteuern von ihren Gütern brachte. b) Die damals herrschende Begeisterung für die Ehre Gottes und des christlichen Namens, für die Grösse und das Ansehen der Kirche war der Zündstoff, ohne den die Bemühungen der kirchlichen Autorität bald nutzlos geworden wären. Die Fürsten betrachteten es als eine Ehrensache, für die Kirche mit ihrer Macht einzutreten, und sie wären der Verachtung ihrer Untertanen anheimgefallen, hätten sie es nicht getan. Das Rittertum fand seine höchste Ehre darin, sein Schwert für die höchsten Interessen zu schwingen, und diese Anschauungen fanden ihren vollkommensten Ausdruck in der Entstehung und dem Wirken der Ritterorden. Das christlich Volk war begeistert für die Ehre und Grösse des christlichen Glaubens, wie kaum zu einer andern Zeit. c) Der Eifer für das Heil der eigenen Seele war eine mächtige Triebfeder. Den Tod im Kampfe betrachtete man als eine Art Marterttod, weil man für Christi Ehre starb. Mühe, Leiden und Tod auf den Kreuzfahrten waren Sühne für begangene schwere Sünden, und die kirchliche Gewalt verlieh einen vollkommenen Ablass den Teilnehmern und Förderern des Unternehmens, durch Gelübde verpflichtete man sich zum Zuge. Der tatsächliche Erfolg des gewaltigen Ringens war allerdings nicht der, den man erstrebte. Das h. Land wurde wohl erobert, aber nur auf etwa 100 Jahre behauptet. Die Wiedervereinigung der Griechen mit der Kirche, welche durch das kurzlebige lateinische Kaiserreich zu Konstantinopel bewirkt wurde, war keine tiefinnerliche, und jene des Konzils von Lyon (1274) nur von kurzer Dauer. Ein Teil der Armenier und die Maroniten vereinigten sich mit der Kirche. Die Türken wurden wohl auf Jahrhunderte von Europa ferngehalten, überschwemmten den Osten desselben aber doch zuletzt. Die Schuld an diesem wenigstens teilweisen Misserfolge trug zuerst das treulose Benehmen der Griechen, welche die Kreuzheere nicht unterstützten, ihnen sogar manche Schwierigkeiten bereiteten. Dazu traten die Uneinigkeit der Christen im Königreiche Jerusalem, ihre vielfach schlechten Sitten, welche sich aus dem Umgang mit den im Königreiche zurückgebliebenen Muhammedanern entwickelten, und die feindselige Stellung dieser Muhammedaner gegen das Reich. Wohl siedelten sich im Königreiche Jerusalem viele christliche Kaufleute an, aber die Kolonisten aus dem Abendlande blieben aus. Dazu kamen die Zwistigkeiten zwischen den einzelnen neuentstandenen christlichen Gebieten und zwischen den Ritterorden der Templer und Johanniter, der Mangel der einheitlichen Leitung bei den Kreuzzügen und die Quertreibereien der bloss ihren Vorteil suchenden venetianischen Kaufleute. Sehr wesentlich war es endlich, dass im Augenblicke, wo man hoffen konnte, das Unternehmen zu sichern, Kaiser Friedrich II. wortbrüchig seine so notwendige Hilfe versagte.
Aber trotzdem der unmittelbare Zweck des Unternehmens nur in geringem Masse erreicht wurde, hatte dasselbe doch für das kirchliche und soziale Leben der christlichen Völker so viele bedeutsame gute Folgen, dass die gebrachten Opfer belohnt waren. Im kirchlichen Leben wurde das Ansehen des Papsttums mächtig gehoben, der Investiturstreit zu einem für die Kirche günstigen Ausgange gebracht, der Missionseifer neu entfacht, indem man nun wieder in Asien bis zum Stillen Ozean vordrang; der Opfergeist wurde gewaltig gehoben durch die übernommenen Mühen und die Leistung der Beiträge, das Einheitsbewusstsein der christlichen Völker durch die gemeinsame Arbeit und den regeren Verkehr mit einander belebt und gestärkt. Auf dem profanen Gebiete wurden durch die Kreuzzüge Handel und Verkehr belebt, Handwerk und Gewerbe durch neue Kenntnisse vervollkommnet, die Wissenschaft trat aus ihrer Kinderzeit heraus, die Künste wurden durch neue Ideen mächtig gefördert. Die Bildung wurde eine viel allgemeinere, als es früher der Fall war, das Rittertum zu seiner Blüte geführt. Dass die Kreuzzüge eine sehr verschiedene Beurteilung erfahren, ist begreiflich. Wenn auch Schillers Urteil: 'Die Torheit und Raserei der Kreuzzüge hat guten Zwecken gedient, sie hat ja dem vereinigten Elende der geistigen Einförmigkeit und politischen Zwietracht einen Abzugskanal geboten', so ziemlich ganz von der besonnenen Geschichtsforschung aufgegeben ist, so muss es ja doch dem Ungläubigen seltsam erscheinen, wenn der Gläubige von Beweggründen, die sein Glaube ihm bietet, zu grossen Opfern sich anfeuern lässt."
 

H. Wedewer, Grundriß der Kirchengeschichte, Freiburg (13)1913, 53f:
"Die heiligen Orte Palästinas wurden stets von Pilgern besucht (Tätigkeit der heiligen Helena); dies war seit der Herrschaft der seldschukkischen Türken, welche 1072 Jerusalem eroberten, erschwert und verhindert; sie verwüsteten die heiligen Orte, mißhandelten und töteten die Pilger. Deshalb war der Zweck der Kreuzzüge:
1. Schutz der Christen,
2. Befreiung der heiligen Orte, um sie vor Entweihung und Zerstörung zu schützen,
3. Offensivstoß gegen diese Sarazenen, welche die Christenheit immer mehr bedrohten.
[...]
Folgen der Kreuzzüge:
1. Sie bewirken einen religiösen Aufschwung; obgleich sie ihren Zweck nicht dauernd erreichten, sind sie doch das großartigste Ereignis des Mittelalters und geben dem Zeitabschnitt einen idealen, tief religiösen Charakter; sie zeigen den Triumph des Christentums über den sinnlichen Menschen, der alles verläßt, um ein ideales Gut zu erreichen;
2. sie retten und sichern Europa vor der mohammedanischen Weltmacht für Jahrhunderte;
3. sie bringen einen Fortschritt der geistigen Bildung und einen neuen Gesichtskreis, befördern Künste Gewerbe, geographische und naturwissenschaftliche Kenntnisse, arabische und griechische Literatur;
4. sie veredeln das Rittertum (Blütezeit seit 1100), besonders durch die geistlichen Ritterorden;
5. sie wecken den Gemeinsinn der Völker, beleben den Glauben und die christliche Liebe (großartige Stiftungen, Orden etc.), vermehren das Ansehen der Kirche und des Papstums;
6. sie befördern die Entstehung selbständiger Gemeinden, die Entwicklung des Bürgertums, die Verminderung der Leibeigenschaft, die Erledigung vieler Lehen und dadurch die Vergrößerung der Hausmacht vieler Fürsten;
7. sie führen zu einem Aufschwunge des Handels, zur Blüte der italienischen Republiken;
8. viele getrennte Orientalen werden zur Kirche zurückgeführt, die Mission im Orient wird erleichtert."

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