Die Entmachtung des Allmächtigen

- Freiheit in Deutschland -
(Kirche zum Mitreden, 23.09.1999)
Zunächst zwei Zitate aus Internetseiten der höchsten deutschen Gerichte:
a) Bundesgerichtshof:

Die Stellung des Bundesgerichtshofes in der Gerichtsorganisation

Der Bundesgerichtshof (BGH) wurde am 1. Oktober 1950 in Karlsruhe errichtet. Er ist das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit, d.h. für Zivilrechtsstreitigkeiten und Strafverfahren. In diesem Bereich sind rund 75 % aller Richterinnen und Richter tätig. Neben dem Bundesgerichtshof bestehen vier weitere oberste Gerichtshöfe des Bundes, nämlich das Bundesverwaltungsgericht in Berlin (künftig in Leipzig), der Bundesfinanzhof in München sowie das Bundesarbeitsgericht in Kassel (künftig in Erfurt) und das Bundessozialgericht in Kassel.

Eine Sonderstellung nimmt das Bundesverfassungsgericht ein, das seinen Sitz ebenfalls in Karlsruhe hat. Ihm obliegt die Aufgabe, über die Einhaltung der Verfassung zu wachen. Insbesondere überprüft es im Rahmen der sogenannten Normenkontrollverfahren die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen und wahrt die Grundrechte der Bürger im Fall ihrer Verletzung durch die öffentliche Gewalt. Es kann gegen Entscheidungen der obersten Gerichtshöfe jedoch mit der Verfassungsbeschwerde nur angerufen werden, wenn der Beschwerdeführer geltend macht, der Spruch eines solchen Gerichts verletze ihn in seinen durch das Grundgesetz gewährleisteten Rechten.

Im Hinblick auf den europäischen Einigungsprozeß und die zunehmend umfangreicher und detaillierter werdende Rechtsordnung der Europäischen Gemeinschaft gewinnt für die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auch der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft (EuGH) - mit Sitz in Luxemburg - eine immer größere Bedeutung. Nach Art. 177 Abs. 3 EWG-Vertrag darf zum Beispiel der Bundesgerichtshof als letzte Instanz der ordentlichen Gerichtsbarkeit über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts nicht selbst entscheiden, sondern ist verpflichtet, dem EuGH die in dessen Zuständigkeit fallende Rechtsfrage zur Entscheidung vorzulegen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EuGMR) in Straßburg kann angerufen werden zur Durchsetzung der in der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950 verankerten Rechte; auf die Rechtsauffassung dieses Gerichtshofes achtet auch der Bundesgerichtshof in seiner Rechtsprechung.

Die Aufgaben des Bundesgerichtshofes

Der Bundesgerichtshof ist im wesentlichen Revisionsgericht. Seine Arbeit beschränkt sich grundsätzlich auf die Nachprüfung der rechtlichen, nicht auch der tatsächlichen Beurteilung eines Falles durch das vorinstanzliche Gericht. Beweisaufnahmen finden daher beim Bundesgerichtshof in aller Regel nicht statt. Lediglich der für Patentsachen zuständige X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes wird auch als Berufungs- und damit als echtes Tatsachengericht tätig (§§ 110, 115 PatG). Im übrigen ist die Feststellung des für die Entscheidung erheblichen Sachverhalts die Aufgabe der Vorinstanzen. Der Bundesgerichtshof ist daran gebunden, es sei denn, daß gerade in bezug auf diese Feststellung ein begründeter Revisionsangriff erhoben wird, also ein Fehler im Verfahren der Vorinstanz gegeben ist. Soweit die Bindung reicht, prüft er lediglich, ob die Vorinstanz das Recht auf den von ihr festgestellten Sachverhalt richtig angewendet hat. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dient neben der Rechtseinheit und der Fortbildung des Rechts selbstverständlich auch der richtigen und gerechten Entscheidung jedes einzelnen Falles.


b) Bundesverfassungsgericht:


Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wacht über die Einhaltung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Seit seiner Gründung im Jahr 1951 hat das Gericht dazu beigetragen, der freiheitlich-demokratischen Grundordnung Ansehen und Wirkung zu verschaffen. Das gilt vor allem für die Durchsetzung der Grundrechte.
Zur Beachtung des Grundgesetzes sind alle staatlichen Stellen verpflichtet. Kommt es dabei zum Streit, kann das Bundesverfassungsgericht angerufen werden. Seine Entscheidung ist unanfechtbar. An seine Rechtsprechung sind alle übrigen Staatsorgane gebunden.
Die Arbeit des Bundesverfassungsgerichts hat auch politische Wirkung. Das wird besonders deutlich, wenn das Gericht ein Gesetz für verfassungswidrig erklärt. Das Gericht ist aber kein politisches Organ. Sein Maßstab ist allein das Grundgesetz. Fragen der politischen Zweckmäßigkeit dürfen für das Gericht keine Rolle spielen. Es bestimmt nur den verfassungsrechtlichen Rahmen des politischen Entscheidungsspielraums. Die Begrenzung staatlicher Macht ist ein Kennzeichen des Rechtsstaats.


Was des Bundesverfassungsgericht entschieden hat, ist unanfechtbar. Auch der Allmächtige ist nach dem Selbstverständnis der Richter gegenüber dem deutschen Recht machtlos, auch Gott muß sich den Richtern unterwerfen. Sehr eindrucksvoll haben die Richter ihre Religion, der sich jeder Staatsbürger zu unterwerfen hat, mit ihrem Urteil vom 11.12.1979 (s. Kaiser und Gott) festgeschrieben: Die Erklärung einer häretischen Sekte zur römisch-katholischen Kirche! Ist es bloßer Zufall, dass in Deutschland ausgerechnet der prominenteste Leugner der katholischen Wahrheit mit Preisen für seine Abfallprodukte überschüttet wurde, i.e. Hans Küng?
So hält der deutsche Staat die katholische Kirche schon seit Jahren in einem festen Würgegriff, der per definitionem "unanfechtbar" ist: Die unfehlbare Kirche, der mystische Leib Christi, ist tot, es lebe der unanfechtbare deutsche Staat.
Wie läßt sich die Situation der Kirche in Deutschland skizzieren? Vielleicht mit den Worten: "Zerstörung der katholischen Organisationen, fortschreitende Auflösung der blühenden öffentlichen und privaten katholischen Schulen, gewaltsame Trennung der Jugend von Familie und Kirche, Vergewaltigung der Gewissen der Staatsbürger, besonders der Beamten, systematische Verleumdung der Kirche, des Klerus, der Gläubigen, ihrer Einrichtungen, ihrer Lehre, ihrer Geschichte durch eine verschlagene und straffaufgebaute Propaganda, Schließung, Aufhebung, Einziehung von Ordenshäusern und anderen christlichen Instituten, Vernichtung der katholischen Presse und Buchproduktion"? Nun, das sind Worte, mit denen Pius XII. die Situation der Kirche in Nazi-Deutschland skizziert!
Als das tausendjährige Reich Adolfs von Österreich ein jähes Ende gefunden hatte, hielt der Papst eine Ansprache, die wir im folgenden vollständig wiedergeben (Von uns verwendete Textvorlage: P. Wilhelm Jussen (Hg.), Gerechtigkeit schafft Frieden. Reden und Enzykliken des Heiligen Vaters Papst Pius XII., Hamburg 1946, 202 - 216). Pius XII. stellte die Frage, ob es gelingen würde, dass die Welt aus den Erfahrungen mit dem Faschismus, in der der Staat die höchste, unanfechtbare Instanz ist, der sich das Gewissen jedes Menschen bdingungslos unterwerfen muss, lernt und nun den wahren Frieden anstrebt, der sich an den göttlichen Geboten orientiert.
Heute, mehr als fünzig Jahre nach der Ansprache, am Vorabend unserer Verhaftung, die einzig und allein wegen unseres Bekenntnisses des katholischen Glaubens erfolgt, das sich - zugegeben - nicht den "unanfechtbaren" Häresien unterwirft, können wir die Frage, die der Papst damals stellte, beantworten.

Ansprache Pius XII.
an das Kardinalskollegium
über den Nationalsozialismus
(2. Juni 1945)

Mit lebhaftem Dank, ehrwürdige Brüder, nehmen Wir die Glückwünsche entgegen, die Uns in euer aller Namen der verehrte und geliebte Dekan des Heiligen Kollegiums entboten hat. Unsere Gedanken gehen dabei zurück in die Zeit vor sechs Jahren, als ihr Uns, bei dem gleichen Anlaß wie heute, zum erstenmal nach der Erhebung Unserer unwürdigen Person auf den Stuhl Petri eure Namenstagswünsche darbrachtet.
Die Welt hatte damals noch Frieden, aber was für einen Frieden! Und wie kümmerlich war er! Mit sorgenvollem Herzen, in Bestürzung und Gebet neigten Wir Uns über diesen Frieden, wie man sich über das Lager eines Sterbenden beugt und ihn mit heißer Liebe, hartnäckig und wider alle Hoffnung, dem Zugriff des Todes zu entreißen sucht.
Aus den Worten, die Wir damals an euch richteten, klang schmerzliche Befürchtung vor dem Ausbruch eines Zwistes heraus, der immer bedrohlicher zu werden schien und dessen Ausdehnung und Dauer niemand voraussehen konnte.
Der fernere Verlauf der Ereignisse hat unsere düsteren Vermutungen nur zu sehr bestätigt, ja sie noch weit übertroffen.
Heute, nach ungefähr sechs Jahren, haben die Bruderkämpfe wenigstens in einem Teil dieser vom Krieg verwüsteten Welt aufgehört. Es ist Friede - wenn man es so nennen kann - freilich ein noch recht zerbrechlicher Friede, der nur um den Preis anhaltender Sorge wird bestehen und sich festigen können; ein Friede, dessen Bewahrung der ganzen Kirche, dem Hirten wie der Herde, ernste und sehr abgewogene Pflichten auferlegt: Geduld und Klugheit, Mut und Treue, mit viel Opfergeist! Alle sind berufen, hier sich einzusetzen, jeder in seinem Amt und an dem ihm zugewiesenen Platz. Dabei wird niemand je zuviel Sorgfalt oder zuviel Eifer aufwenden können.
Was Uns und Unser Apostolisches Amt betrifft, so wissen Wir wohl, ehrwürdige Brüder, daß Wir auf eure weise Mitarbeit, auf euer unablässiges Gebet, auf eure unverbrüchliche Ergebenheit sicher rechnen können.
In Europa ist der Krieg zu Ende ; aber welche Wunden hat er geschlagen! Der göttliche Meister hat gesagt: Alle, die ungerecht zum Schwerte greifen, werden durch das Schwert umkommen (Mt 26, 52). Und jetzt, was seht ihr?
Ihr seht die Hinterlassenschaft eines Staatsbegriffs und einer staatlichen Betätigung, die den heiligsten Gefühlen der Menschlichkeit in keiner Weise Rechnung trägt und die unverletzlichen Grundsätze des christlichen Glaubens mit Füßen tritt. Entsetzt betrachtet heute die ganze Welt den Zusammenbruch, der daraus. erwachsen ist. Diesen Zusammenbruch hatten Wir von ferne kommen sehen, und wohl nur sehr wenige haben mit größerer seelischer Spannung als Wir die unaufhaltsam fortschreitende Entwicklung der Ereignisse bis zum unvermeidlichen Falle verfolgt.
Mehr als zwölf der besten Jahre Unseres reifen Alters hatten Wir in Ausübung des Uns anvertrauten Amtes inmitten des deutschen Volkes gelebt. Mit der Freiheit, welche die damaligen politischen und sozialen Verhältnisse boten, bemühten Wir Uns in dieser Zeit um Sicherung der Lage der katholischen Kirche in Deutschland. So hatten Wir Gelegenheit, die hervorragenden Eigenschaften jenes Volkes kennen zu lernen, und standen in persönlichen Beziehungen mit seinen besten Vertretern. Deshalb hegen Wir auch die Zuversicht, daß es sich wieder zu neuer Würde und zu neuem Leben wird erheben können, nachdem es das satanische Gespenst des Nationalsozialismus von sich geworfen und nachdem die Schuldigen (wie Wir schon bei anderen Gelegenheit ausgeführt haben) ihre begangenen Verbrechen werden gesühnt haben.
Solange noch nicht jeder Hoffnungsschimmer geschwunden war, daß jene Bewegung eine andere und weniger verderbliche Richtung einschlagen könnte – sei es durch Einlenken ihrer gemäßigteren Vertreter, sei es durch tatkräftigen Widerstand des nicht einverstandenen Teiles des deutschen Volkes - solange tat die Kirche, was in ihrer Macht lag, um dem Überhandnehmen jener ebenso zerstörerischen wie gewalttätigen Lehren einen starken Damm entgegenzusetzen.
Im Frühjahr 1933 ersuchte die deutsche Regierung den Heiligen Stuhl um den Abschluß eines Konkordats mit dem Reich. Der Gedanke fand die Zustimmung auch des Episkopats und wenigstens des größeren Teiles der deutschen Katholiken. Tatsächlich schienen weder die mit einzelnen Ländern bereits abgeschlossenen Sonderkonkordate noch die Weimarer Verfassung ihnen genügend Sicherung und Gewähr zu bieten für die Achtung, ihrer Überzeugungen, ihres Glaubens, ihrer Rechte und ihrer Betätigungsfreiheit. Unter solchen Umständen konnten diese Sicherungen nur erreicht werden durch eine Abmachung mit der Reichsregierung in der feierlichen Form eines Konkordats. Da zudem sie selbst den Vorschlag gemacht hatte, wäre im Falle der Ablehnung die Verantwortung für alle üblen Folgen auf den Heiligen Stuhl zurückgefallen.
Nicht als ob die Kirche ihrerseits sich von übertriebenen Hoffnungen hätte täuschen lassen, auch nicht, als ob sie mit Abschluß des Konkordats die Lehre und die Ziele des Nationalsozialismus irgendwie hätte gutheißen wollen, wie damals ausdrücklich erklärt und dargelegt wurde (Osservatore Romano Nr. 174 vom 2. Juli 1933). Immerhin muß man zugeben, daß das Konkordat in den folgenden Jahren verschiedene Vorteile brachte oder wenigstens größeres Unheil verhütete. Trotz aller Verletzungen, denen es ausgesetzt war, ließ das Konkordat tatsächlich den Katholiken doch eine rechtliche Verteidigungsgrundlage, eine Stellung, in der sie sich verschanzen konnten, um von da aus, solange es ihnen möglich war, der ständig steigenden Flut der religiösen Verfolgung sich zu erwehren.
Tatsächlich hat sich der Kampf gegen die Kirche immer mehr verschärft: Zerstörung der katholischen Organisationen, fortschreitende Auflösung der blühenden öffentlichen und privaten katholischen Schulen, gewaltsame Trennung der Jugend von Familie und Kirche, Vergewaltigung der Gewissen der Staatsbürger, besonders der Beamten, systematische Verleumdung der Kirche, des Klerus, der Gläubigen, ihrer Einrichtungen, ihrer Lehre, ihrer Geschichte durch eine verschlagene und straffaufgebaute Propaganda, Schließung, Aufhebung, Einziehung von Ordenshäusern und anderen christlichen Instituten, Vernichtung der katholischen Presse und Buchproduktion.
Um diesen Angriffen Widerstand zu leisten, scharten sich immer noch Millionen tapferer Katholiken, Männer und Frauen, um ihre Bischöfe, die es nie unterlassen haben, auch in den letzten Kriegsjahren nicht, mutig und ernst ihre Stimme zu erheben. Sie scharten sich um ihre Priester, denen sie halfen, die Seelsorge den veränderten Notwendigkeiten und Verhältnissen anzupassen, und bis zuletzt stellten sie in zäher Geduld der Front der Gottlosigkeit und des Stolzes die Front des Glaubens, des Gebetes, der bewußt katholischen Lebenshaltung und Erziehung entgegen.
Inzwischen vervielfachte der Heilige Stuhl seinerseits ohne Zögern bei der deutschen Regierung seine Vorstellungen und seine Einsprüche, indem er nachdrücklich und klar sie auf die Achtung und Einhaltung der schon aus dem Naturrecht sich ergebenden und durch das Konkordat bekräftigten Pflichten hinwies. Die wache Aufmerksamkeit des Hirten mit der geduldigen Langmut des Vaters vereinend, erfüllte Unser großer Vorgänger Pius XI. in jenen kritischen Jahren mit Kraft und Unerschrockenheit seine Sendung als Haupt der Kirche.
Als dann aber alle Versuche gütlicher Vermittlung erfolglos blieben und er sich mit voller Klarheit überlegten Verletzungen eines feierlichen Vertrage sowie einer schleichenden oder offenen, aber stets hartnäckig geführten religiösen Verfolgung gegenüber sah, enthüllte er am Passionssonntag 1937 in seiner Enzyklika "Mit brennender Sorge" vor aller Welt, was der Nationalsozialismus in Wirklichkeit war: der hochmütige Abfall von Jesus Christus, die Verneinung seiner Lehre und , seines Erlösungswerks, der Kult der Gewalt, die Vergötzung von Rasse und Blut, die Unterdrückung der menschlichen Freiheit und Würde.
Wie ein Trompetenstoß ,der das Zeichen zum Alarm gibt, weckte das kraftvolle päpstliche Dokument - zu kraftvoll dachte damals mehr als einer - die Geister und Herzen.
Viele - auch außerhalb Deutschlands -, die bis dahin vor der Unverträglichkeit der nationalsozialistischen Weltanschauung mit der christlichen Lehre die Augen geschlossen hatten, mußten jetzt ihren Irrtum erkennen und bekennen. Viele, aber nicht alle! Andere, selbst in den Reihen der Gläubigen, waren zu sehr durch Vorurteile verblendet oder durch die Hoffnung auf politische Vorteile verführt. Die von Unserem Vorgänger aufgezeigte Augenscheinlichkeit der Tatsachen vermochte sie nicht zu überzeugen und noch weniger sie zu einer anderen Haltung zu bringen. Ist es vielleicht ein reiner Zufall, daß gewisse Gebiete, die dann vom nationalsozialistischen System besonders hart getroffen wurden, ausgerechnet jene waren, wo die Enzyklika "Mit brennender Sorge" wenig oder gar kein Gehör fand? Wäre es damals noch möglich gewesen, durch geeignete und rechtzeitige politische Vorbeugungsmaßnahmen ein für allemal den Ausbruch der brutalen Gewalt zu verhindern und das deutsche Volk in die Lage zu versetzen, sich von den es umstrickenden Banden freizumachen? Wäre es möglich gewesen, auf solche Weise Europa und der Welt den Einbruch dieser blutigen unermeßlichen Flut zu ersparen? Niemand wird wagen, hier ein sicheres Urteil zu fällen. Jedenfalls aber konnte niemand der Kirche den Vorwurf machen, sie habe nicht rechtzeitig den wahren Charakter der nationalsozialistischen Bewegung und die Gefahr, der sie die christliche Kultur aussetzte, klar aufgezeigt.
"Wer die Rasse oder das Volk oder den Staat oder die Staatsform, die Träger der Staatsgewalt oder Grundwerte menschlicher Gemeinschaftsgestaltung ... zur höchsten Norm aller, auch der religiösen Werte macht und sie mit Götzenkult vergöttert, der verkehrt und fälscht die gottgeschaffene und gottbefohlene Ordnung der Dinge" (Acta Apost. Sedis, Band 29, 1937, S. 149 und 171). In diesem Satz der Enzyklika gipfelt der aufs letzte gehende Widerstreit zwischen dem nationalsozialistischen Staat und der katholischen Kirche. Wo es so weit gekommen war, konnte die Kirche, ohne ihrer
Sendung untreu zu werden, nicht länger darauf verzichten, vor der ganzen Welt Stellung zu nehmen. Durch ihre Tat wurde sie jedoch ein weiteres Mal zum "Zeichen des Widerspruchs (Luk. 2,34) in dem sich die Geister in zwei entgegengesetzte Kampflager schieden. Die deutschen Katholiken anerkannten soviel wie einmütig, daß die Enzyklika "Mit brennender Sorge" Licht, Führung, Trost und Stärkung gebracht habe für alle, welche die christliche Religion ernst nahmen und folgerichtig in die Tat umsetzten. Es konnte indessen der Gegenstoß von seiten der Betroffenen nicht ausbleiben. Tatsächlich war gerade das Jahr 1937 für die katholische Kirche in Deutschland ein Jahr unsagbarer Bitternisse und furchtbarer Stürme.
Die großen politischen Ereignisse, welche die beiden folgenden Jahre kennzeichneten, und dann der Krieg, verminderten in keiner Weise die Feindseligkeit des Nationalsozialismus gegenüber der Kirche; eine Feindseligkeit, die sich bis in diese letzten Monate hinein offenbarte, solange nämlich seine Anhänger sich noch schmeichelten, sofort nach errungenem Waffensiege für immer auch mit der Kirche fertig werden zu können. Glaubwürdige und unwiderlegliche Zeugnisse hielten Uns auf dem laufenden über diese Pläne, die sich übrigens auch von selbst enthüllten durch wiederholtes und immer bösartigeres Vorgehen gegen die katholische Kirche .in Österreich, in Elsaß-Lothringen und vor allem in den Gebieten Polens, die schon während des Krieges dem Altreich eingegliedert worden waren. Alles wurde dort getroffen und vernichtet, alles, was der äußeren Gewalt erreichbar war.
In Fortsetzung der Tätigkeit Unseres Vorgängers haben Wir selbst während des Krieges nicht nachgelassen, vor allem in unseren Botschaften, der verderblichen und unerbittlichen Anwendung der nationalsozialistischen Lehre, die sich sogar die raffiniertesten wissenschaftlichen Methoden nutzbar machte, um oft genug schuldlose Menschen zu quälen und auszumerzen, die Forderungen und unverbrüchlichen Normen der Menschlichkeit und des christlichen Glaubens entgegenzusetzen. Es war dies für Uns der geeignetste, und Wir können sogar sagen, auch der einzig wirksame Weg, um vor der, ganzen Welt die unveränderlichen Grundsätze des moralischen Gesetzes zu verkünden, und um inmitten von so vielen Irrtümern und so vielen Gewalttätigkeiten Geist und Herz der deutschen Katholiken in den hohen Idealen der Wahrheit und der Gerechtigkeit zu bestärken. Diese Bemühungen blieben auch nicht ohne Erfolg. Wir wissen tatsächlich, daß Unsere Botschaften, vor allem die Weihnachtsbotschaft von 1942, trotz aller Verbote und Hindernisse in den Diözesankonferenzen des deutschen Klerus zum Gegenstand des Studiums gemacht und dann dem katholischen Volke dargelegt und erklärt wurden.
Aber wenn die leitenden Männer in Deutschland geplant hatten, die katholisch Kirche auch im Altreich zu vernichten, so hatte die Vorsehung es anders bestimmt. Die Drangsale der Kirche von seiten des Nationalsozialismus haben mit dem plötzlichen und tragischen Ende des Verfolgers ihren Abschluß gefunden!
Aus den Gefängnissen, aus den Konzentrationslagern, aus den Zuchthäusern strömen jetzt zusammen mit den politischen Gefangenen auch die Scharen von Priestern und Laien, deren einziges Vergehen in der Treue zu Christus und zum Glauben der Väter oder in der mutigen Erfüllung der priesterlichen Pflichten bestand. Für sie alle haben Wir innig gebetet und jede sich bietende Möglichkeit eifrig benutzt, um ihnen Unser tröstendes Wort und den Segen aus väterlichem Herzen zukommen zu lassen.
Je mehr sich tatsächlich die Schleier lüften, die bisher den schmerzvollen Leidensweg der Kirche unter der nationalsozialistischen Herrschaft verdeckten, um so mehr offenbart sich die oft bis zum Tode unverbrüchliche Festigkeit ungezählter Katholiken und der ruhmvolle Anteil, den in diesem edlen Wettkampf der Klerus gehabt hat. - Wiewohl Wir noch nicht im Besitze erschöpfender statistischer Angaben sind, können Wir doch nicht umhin, die eine oder andere Mitteilung zu machen. Sie sind uns reichlich zugegangen von Priestern und Laien, die als Internierte im Lager Dachau gewürdigt wurden, um des Namens Jesu willen Schmach zu dulden (Apg 5,41).
An erster Stelle stehen der Zahl und harten Behandlung nach die polnischen Priester. Von 1940 bis 1945 wurden in dem angegebenen Lager 2800 Geistliche und Ordensleute jener Nationalität gefangengesetzt, unter ihnen der Weihbischof von Wladislavia, der dort an Typhus gestorben ist. Im vergangenen April waren davon nur noch 816 übrig, während alle anderen gestorben sind mit Ausnahme von zwei oder drei in andere Lager überführten. Für Sommer 1942 wurden als dort eingebracht 480 Kultdiener deutscher Zunge angegeben, von denen 45 Protestanten und alle anderen katholische Priester waren. Trotz des ständigen Zugangs von neuen Internierten, besonders des Rheinlands und Westfalens, war ihre Zahl infolge der starken Sterblichkeit zu Beginn dieses Jahres nicht über 350. Es können auch nicht mit Stillschweigen die Geistlichen übergangen werden, die den besetzten Ländern angehören: Holland, Belgien, Frankreich (unter den französischen Priestern der Bischof von Clermont), Luxemburg, Slowenien, Italien. Viele von diesen Priestern und Laien haben um ihres Glaubens und ihres Berufes willen unsägliche Leiden erduldet. In einem Falle ging der Haß der Gottlosen gegen Christus so weit, daß sie an einem internierten Priester mit Stacheldraht die Geißelung und Dornenkrönung unseres Herrn nachgeäfft haben. Die hochherzigen Menschen, die zwölf Jahre hindurch, von 1933 an, in Deutschland für Christus und Seine Kirche das Opfer des persönlichen Besitzes, der persönlichen Freiheit und des eigenen Lebens gebracht haben, erheben zur Sühne ihre Hände zu Gott. Möge der gerechte Richter sie annehmen zur Wiedergutmachung so vieler Verbrechen, die gleicherweise gegen die Menschheit wie zum Schaden der Gegenwart und Zukunft des eigenen Volkes, besonders seiner unglücklichen Jugend, begangen würden, und möge auf Sein Geheiß hin der Würgeengel endlich den Arm sinken lassen.
Mit stets wachsendem Nachdruck hat der Nationalsozialismus die Kirche als Feindin des deutschen Volkes anprangern wollen. Die offenbare Ungerechtigkeit der Anklage würde die Gefühle der deutschen Katholiken wie auch Unsere eigenen zutiefst verletzt haben, wenn sie aus anderem Munde gekommen wäre. Aber auf den Lippen solcher Ankläger ist sie weit davon entfernt, eine Belastung zu sein. Sie ist vielmehr das glänzendste und ehrenvollste Zeugnis des entschlossenen, dauernden, von der Kirche getragenen Widerstandes gegen solch zerstörerische Lehren und Methoden, zum Wohl der wahren Kultur und des deutschen Volkes selbst, dem Wir wünschen, daß es nach der Befreiung aus dem Irrtum, der in den Abgrund gestürzt hat, sein Heil wiederfinden möge an den reinen Quellen des wahren Friedens und des wahren Glückes, an den Quellen der Wahrheit, der Demut und der Liebe, die mit der Kirche aus dem Herzen Christi hervorgeströmt sind.
Welch harte Lehre und Mahnung geben nicht die letzten Jahre! Möchten sie doch wenigstens verstanden werden und den anderen Völkern heilsam sein! "Erudimini, qui gubernatis terram!" Laßt euch belehren, ihr Herrscher der Erde! (Ps. 2,10). Das ist der heißeste Wunsch eines jeden, der die Menschheit aufrichtig liebt. Als Opfer einer unmenschlichen Ausbeutung, einer schamlosen Verachtung des Menschenlebens und der Menschenrechte, hat sie nur einen einzigen Wunsch, begehrt sie nur dieses eine: ein ruhiges und friedsames Leben führen zu dürfen in Würde und redlicher Arbeit.
Darum ist es ihr sehnlichster Wunsch, daß Schluß gemacht werde mit der Rücksichtslosigkeit, mit der die Familie und das Heim in den Kriegsjahren mißhandelt  und entweiht worden sind; eine Rücksichtslosigkeit, die  zum Himmel schreit und die sich zu einer der schwersten Gefahren nicht allein für die Religion und die Sittlichkeit,  sondern auch für das geordnete, Zusammenleben ausgewirkt hat; eine Schuld, die vor allem die gewaltigen Scharen von Verarmten, Enttäuschten und Verzweifelten geschaffen hat, die nur die Massen der Revolution und Unordnung vermehren, und das im Sold einer Gewaltherrschaft, die nicht weniger willkürlich ist als jene, die man niederkämpfen wollte.
Die Völker, vornehmlich die. mittleren und kleinen, stellen die Forderung, daß es ihnen freistehe, selbst ihr Geschick in die Hand zu nehmen. Sie können sich veranlaßt sehen, zum besten des gemeinsamen Fortschrittes Bindungen einzugehen, die ihre Hoheitsrechte einschränken. Nachdem sie aber ihren Anteil, ihren großen Anteil an den Opfern gebracht haben, um das System der brutalen Gewalt zu zerstören, können sie sich mit Recht verbitten, daß ihnen ein neues politisches oder kulturelles System aufgedrängt werde, das die große Mehrheit ihrer Bevölkerung entschieden ablehnt.
Sie halten dafür, und zwar mit Recht, daß die Hauptaufgabe der Gestalter des Friedens darin besteht, dem verbrecherischen Spiel mit dem Krieg ein Ende zu setzen und die Lebensrechte und gegenseitigen Pflichten zwischen Großen und Kleinen, Mächtigen und Schwachen zu schützen.
Im Grunde ihres Gewissens fühlen die Völker, daß ihre Lenker sich um jegliche Achtung bringen würden, wenn sie dem tollen Wahn einer Herrschaft der Gewalt nicht den Sieg des Rechtes folgen ließen. Der Gedanke einer neuen Friedensorganisation ist - daran dürfte wohl kein Zweifel sein - ehrlichstem und redlichstem Wollen entsprungen. Die ganze Menschheit verfolgt mit banger Sorge den Fortgang des edlen Werkes. Welch bittere Enttäuschung würde es sein, wenn es zum Scheitern käme; wenn so viele leid- und entsagungsvolle Jahre dadurch sinnlos gemacht würden, daß man den Geist der Unterdrückung, von dem die Welt endlich für immer befreit zu sein hoffte, von neuem triumphieren ließe! Arme Welt, auf die man dann das Wort Jesu anwenden könnte, daß ihre letzten Dinge schlimmer geworden sind als, die denen sie sich mühsam entwunden hatte! (Vgl. Luk. 11,24.25.26)
Die politische und soziale Gesamtlage drängt Uns dies Warnung auf die Lippen. Leider haben Wir in mehr als einer Gegend Priestermorde, Verschleppungen von Volkszugehörigen, Hinmetzelung von friedlichen Bürgern ohne Prozeß oder aus Privatrache beklagen müssen. Nicht weniger traurig sind die Nachrichten, die uns aus Slowenien und Kroatien zugekommen sind.
Aber wir wollen den Mut nicht sinken lassen. Die im Verlauf der letzten Wochen von zuständigen und verantwortlichen Männern gehaltenen Reden lassen verstehen, daß sie den Sieg des Rechtes nicht nur als politisches Ziel, sondern noch mehr ale sittliche Pflicht vor Augen haben.
Darum richten Wir aus innerstem Herzen an Unsere Söhne und Töchter auf der ganzen Welt eine dringende Einladung zum Gebet. Möge sie allen zu Ohren kommen, die in Gott den geliebten Vater aller nach Seinem Bild und Gleichnis erschaffenen Menschen erkennen; die wissen, daß in der Brust Christi ein göttliches Herz schlägt, reich an Erbarmen, die tiefe und unerschöpfliche Quelle alles Guten und jeglicher Liebe, allen Friedens und aller Versöhnung.
Vom Waffenstillstand bis zum wahren und ehrlichen Frieden wird, wie Wir kürzlich mahnend in Erinnerung brachten, der Weg recht mühsam und lang sein, allzu lang für das bange Sehnen und Harren einer Menschheit, die nach Ordnung und Ruhe geradezu hungert. Es ist aber unvermeidlich, daß es so ist. Und vielleicht ist es auch besser so. Man muß zuerst den Sturm der übererregten Leidenschaften zur Ruhe kommen lassen: Motos praestat componere fluctus" - Besser ist's, die erregten Wogen zu glätten. (Aen [Aeneis, das berühmte Heldenepos Vergils (römischer Dichter, 70-19 v. Chr.) über Aeneas, den Stammvater Roms und des Julischen Hauses] 1,135) Es ist notwendig, daß der Haß, das Mißtrauen, übertriebene nationale Hetze Platz machen dem Reifen weiser Entschlüsse, dem Erblühen friedlicher Pläne der Sachlichkeit in der Auseinandersetzung und gegenseitigem brüderlichem Verstehen.
Möge der Heilige Geist, der Erleuchter des Verstandes und milde Herr der Herzen sich würdigen, die Gebete Seiner Kirche zu erhören und in ihrer schwierigen Arbeit die zu leiten, die sich ihrer hohen Sendung, getreu aufrichtig bemühen, trotz aller Hindernisse und Widersprüche zu dem von allen so heiß ersehnten Ziel zu gelangen: dies Ziel ist der Friede, der wahre Friede, der dieses Namens würdig ist; ein Friede, der gegründet und gesichert ist in Aufrichtigkeit und Rechtlichkeit, in Gerechtigkeit und Wirklichkeitssinn; ein Friede ehrlichen und entschlossenen Einsatzes, um jene wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse zu meistern oder ihnen vorzubeugen, die, wie sie es, schon in der Vergangenheit taten, so auch in der Zukunft leicht zu neuen bewaffneten Konflikten führen könnten; ein Friede, der von allen Rechtlichgesinnten jedes Volkes und jeder Nation gebilligt werden kann; ein Friede, den die kommenden Geschlechter mit Dankbarkeit als die glückliche Frucht einer unglücklichen Zeit ansehen können; ein Friede, der einen säkularen entscheidenden Wendepunkt in der Bejahung der Menschenwürde darstellt; ein Friede, der wie eine "Charta Magna" ist, welche die dunkle Epoche der Gewalt abgeschlossen hat; ein Friede, der uns unter der barmherzigen Führung durch die zeitlichen Güter so hindurchgehen läßt, wir die ewige Seligkeit nicht verlieren (Oration vom 3. Sonntag nach Pfingsten).
Doch ehe dieser Friede Wirklichkeit wird, bleibt wahr, daß Millionen von Menschen am häuslichen oder im Krieg, in der Gefangenschaft oder in der Verbannung noch einen bitteren Kelch verkosten müssen. Wie sehr verlangt es Uns, das Ende ihrer Leiden und Ängste, die Erfüllung ihrer Sehnsucht zu sehen. Auch für sie, für die ganze Menschheit, die mit ihnen und in ihnen leidet, steige unser demütiges und inbrünstiges Beten zum Allmächtigen empor.
Inzwischen, ehrwürdige Brüder, gereicht Uns zu großer Stärkung der Gedanke, daß ihr an Unseren Sorgen, an Unseren Gebeten, an Unseren Hoffnungen teilnehmt, und daß in der ganzen Welt Bischöfe, Priester und Gläubige ihre Gebete mit den Unsrigen vereinen zum starken Flehruf der gesamten Kirche. Zum Zeugnis Unserer tiefen Dankbarkeit und als Unterpfand der unendlichen Erbarmungen und Gnaden Gottes erteilen Wir euch, den Eurigen, allen, die mit Uns einig gehen im Streben und Suchen nach dem Frieden, aus der Tiefe des Herzens
Unseren apostolischen Segen.



s. auch: Enzyklika "Mit brennender Sorge"

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