Eine Sonderstellung nimmt das Bundesverfassungsgericht ein, das seinen Sitz ebenfalls in Karlsruhe hat. Ihm obliegt die Aufgabe, über die Einhaltung der Verfassung zu wachen. Insbesondere überprüft es im Rahmen der sogenannten Normenkontrollverfahren die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen und wahrt die Grundrechte der Bürger im Fall ihrer Verletzung durch die öffentliche Gewalt. Es kann gegen Entscheidungen der obersten Gerichtshöfe jedoch mit der Verfassungsbeschwerde nur angerufen werden, wenn der Beschwerdeführer geltend macht, der Spruch eines solchen Gerichts verletze ihn in seinen durch das Grundgesetz gewährleisteten Rechten.
Im Hinblick auf den europäischen Einigungsprozeß und die zunehmend umfangreicher und detaillierter werdende Rechtsordnung der Europäischen Gemeinschaft gewinnt für die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auch der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft (EuGH) - mit Sitz in Luxemburg - eine immer größere Bedeutung. Nach Art. 177 Abs. 3 EWG-Vertrag darf zum Beispiel der Bundesgerichtshof als letzte Instanz der ordentlichen Gerichtsbarkeit über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts nicht selbst entscheiden, sondern ist verpflichtet, dem EuGH die in dessen Zuständigkeit fallende Rechtsfrage zur Entscheidung vorzulegen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EuGMR) in Straßburg kann angerufen werden zur Durchsetzung der in der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950 verankerten Rechte; auf die Rechtsauffassung dieses Gerichtshofes achtet auch der Bundesgerichtshof in seiner Rechtsprechung.
Mit lebhaftem Dank, ehrwürdige Brüder, nehmen Wir die Glückwünsche
entgegen, die Uns in euer aller Namen der verehrte und geliebte Dekan des
Heiligen Kollegiums entboten hat. Unsere Gedanken gehen dabei zurück
in die Zeit vor sechs Jahren, als ihr Uns, bei dem gleichen Anlaß
wie heute, zum erstenmal nach der Erhebung Unserer unwürdigen Person
auf den Stuhl Petri eure Namenstagswünsche darbrachtet.
Die Welt hatte damals noch Frieden, aber was für einen Frieden!
Und wie kümmerlich war er! Mit sorgenvollem Herzen, in Bestürzung
und Gebet neigten Wir Uns über diesen Frieden, wie man sich über
das Lager eines Sterbenden beugt und ihn mit heißer Liebe, hartnäckig
und wider alle Hoffnung, dem Zugriff des Todes zu entreißen sucht.
Aus den Worten, die Wir damals an euch richteten, klang schmerzliche
Befürchtung vor dem Ausbruch eines Zwistes heraus, der immer bedrohlicher
zu werden schien und dessen Ausdehnung und Dauer niemand voraussehen konnte.
Der fernere Verlauf der Ereignisse hat unsere düsteren Vermutungen
nur zu sehr bestätigt, ja sie noch weit übertroffen.
Heute, nach ungefähr sechs Jahren, haben die Bruderkämpfe
wenigstens in einem Teil dieser vom Krieg verwüsteten Welt aufgehört.
Es ist Friede - wenn man es so nennen kann - freilich ein noch recht zerbrechlicher
Friede, der nur um den Preis anhaltender Sorge wird bestehen und sich festigen
können; ein Friede, dessen Bewahrung der ganzen Kirche, dem Hirten
wie der Herde, ernste und sehr abgewogene Pflichten auferlegt: Geduld und
Klugheit, Mut und Treue, mit viel Opfergeist! Alle sind berufen, hier sich
einzusetzen, jeder in seinem Amt und an dem ihm zugewiesenen Platz. Dabei
wird niemand je zuviel Sorgfalt oder zuviel Eifer aufwenden können.
Was Uns und Unser Apostolisches Amt betrifft, so wissen Wir wohl, ehrwürdige
Brüder, daß Wir auf eure weise Mitarbeit, auf euer unablässiges
Gebet, auf eure unverbrüchliche Ergebenheit sicher rechnen können.
In Europa ist der Krieg zu Ende ; aber welche Wunden hat er geschlagen!
Der göttliche Meister hat gesagt: Alle, die ungerecht zum Schwerte
greifen, werden durch das Schwert umkommen (Mt 26, 52). Und jetzt, was
seht ihr?
Ihr seht die Hinterlassenschaft eines Staatsbegriffs und einer staatlichen
Betätigung, die den heiligsten Gefühlen der Menschlichkeit in
keiner Weise Rechnung trägt und die unverletzlichen Grundsätze
des christlichen Glaubens mit Füßen tritt. Entsetzt betrachtet
heute die ganze Welt den Zusammenbruch, der daraus. erwachsen ist. Diesen
Zusammenbruch hatten Wir von ferne kommen sehen, und wohl nur sehr wenige
haben mit größerer seelischer Spannung als Wir die unaufhaltsam
fortschreitende Entwicklung der Ereignisse bis zum unvermeidlichen Falle
verfolgt.
Mehr als zwölf der besten Jahre Unseres reifen Alters hatten Wir
in Ausübung des Uns anvertrauten Amtes inmitten des deutschen Volkes
gelebt. Mit der Freiheit, welche die damaligen politischen und sozialen
Verhältnisse boten, bemühten Wir Uns in dieser Zeit um Sicherung
der Lage der katholischen Kirche in Deutschland. So hatten Wir Gelegenheit,
die hervorragenden Eigenschaften jenes Volkes kennen zu lernen, und standen
in persönlichen Beziehungen mit seinen besten Vertretern. Deshalb
hegen Wir auch die Zuversicht, daß es sich wieder zu neuer Würde
und zu neuem Leben wird erheben können, nachdem es das satanische
Gespenst des Nationalsozialismus von sich geworfen und nachdem die Schuldigen
(wie Wir schon bei anderen Gelegenheit ausgeführt haben) ihre begangenen
Verbrechen werden gesühnt haben.
Solange noch nicht jeder Hoffnungsschimmer geschwunden war, daß
jene Bewegung eine andere und weniger verderbliche Richtung einschlagen
könnte – sei es durch Einlenken ihrer gemäßigteren Vertreter,
sei es durch tatkräftigen Widerstand des nicht einverstandenen Teiles
des deutschen Volkes - solange tat die Kirche, was in ihrer Macht lag,
um dem Überhandnehmen jener ebenso zerstörerischen wie gewalttätigen
Lehren einen starken Damm entgegenzusetzen.
Im Frühjahr 1933 ersuchte die deutsche Regierung den Heiligen
Stuhl um den Abschluß eines Konkordats mit dem Reich. Der Gedanke
fand die Zustimmung auch des Episkopats und wenigstens des größeren
Teiles der deutschen Katholiken. Tatsächlich schienen weder die mit
einzelnen Ländern bereits abgeschlossenen Sonderkonkordate noch die
Weimarer Verfassung ihnen genügend Sicherung und Gewähr zu bieten
für die Achtung, ihrer Überzeugungen, ihres Glaubens, ihrer Rechte
und ihrer Betätigungsfreiheit. Unter solchen Umständen konnten
diese Sicherungen nur erreicht werden durch eine Abmachung mit der Reichsregierung
in der feierlichen Form eines Konkordats. Da zudem sie selbst den Vorschlag
gemacht hatte, wäre im Falle der Ablehnung die Verantwortung für
alle üblen Folgen auf den Heiligen Stuhl zurückgefallen.
Nicht als ob die Kirche ihrerseits sich von übertriebenen Hoffnungen
hätte täuschen lassen, auch nicht, als ob sie mit Abschluß
des Konkordats die Lehre und die Ziele des Nationalsozialismus irgendwie
hätte gutheißen wollen, wie damals ausdrücklich erklärt
und dargelegt wurde (Osservatore Romano Nr. 174 vom 2. Juli 1933). Immerhin
muß man zugeben, daß das Konkordat in den folgenden Jahren
verschiedene Vorteile brachte oder wenigstens größeres Unheil
verhütete. Trotz aller Verletzungen, denen es ausgesetzt war, ließ
das Konkordat tatsächlich den Katholiken doch eine rechtliche Verteidigungsgrundlage,
eine Stellung, in der sie sich verschanzen konnten, um von da aus, solange
es ihnen möglich war, der ständig steigenden Flut der religiösen
Verfolgung sich zu erwehren.
Tatsächlich hat sich der Kampf gegen die Kirche immer mehr verschärft:
Zerstörung der katholischen Organisationen, fortschreitende Auflösung
der blühenden öffentlichen und privaten katholischen Schulen,
gewaltsame Trennung der Jugend von Familie und Kirche, Vergewaltigung der
Gewissen der Staatsbürger, besonders der Beamten, systematische Verleumdung
der Kirche, des Klerus, der Gläubigen, ihrer Einrichtungen, ihrer
Lehre, ihrer Geschichte durch eine verschlagene und straffaufgebaute Propaganda,
Schließung, Aufhebung, Einziehung von Ordenshäusern und anderen
christlichen Instituten, Vernichtung der katholischen Presse und Buchproduktion.
Um diesen Angriffen Widerstand zu leisten, scharten sich immer noch
Millionen tapferer Katholiken, Männer und Frauen, um ihre Bischöfe,
die es nie unterlassen haben, auch in den letzten Kriegsjahren nicht, mutig
und ernst ihre Stimme zu erheben. Sie scharten sich um ihre Priester, denen
sie halfen, die Seelsorge den veränderten Notwendigkeiten und Verhältnissen
anzupassen, und bis zuletzt stellten sie in zäher Geduld der Front
der Gottlosigkeit und des Stolzes die Front des Glaubens, des Gebetes,
der bewußt katholischen Lebenshaltung und Erziehung entgegen.
Inzwischen vervielfachte der Heilige Stuhl seinerseits ohne Zögern
bei der deutschen Regierung seine Vorstellungen und seine Einsprüche,
indem er nachdrücklich und klar sie auf die Achtung und Einhaltung
der schon aus dem Naturrecht sich ergebenden und durch das Konkordat bekräftigten
Pflichten hinwies. Die wache Aufmerksamkeit des Hirten mit der geduldigen
Langmut des Vaters vereinend, erfüllte Unser großer Vorgänger
Pius XI. in jenen kritischen Jahren mit Kraft und Unerschrockenheit seine
Sendung als Haupt der Kirche.
Als dann aber alle Versuche gütlicher Vermittlung erfolglos blieben
und er sich mit voller Klarheit überlegten Verletzungen eines feierlichen
Vertrage sowie einer schleichenden oder offenen, aber stets hartnäckig
geführten religiösen Verfolgung gegenüber sah, enthüllte
er am Passionssonntag 1937 in seiner Enzyklika "Mit brennender Sorge" vor
aller Welt, was der Nationalsozialismus in Wirklichkeit war: der hochmütige
Abfall von Jesus Christus, die Verneinung seiner Lehre und , seines Erlösungswerks,
der Kult der Gewalt, die Vergötzung von Rasse und Blut, die Unterdrückung
der menschlichen Freiheit und Würde.
Wie ein Trompetenstoß ,der das Zeichen zum Alarm gibt, weckte
das kraftvolle päpstliche Dokument - zu kraftvoll dachte damals mehr
als einer - die Geister und Herzen.
Viele - auch außerhalb Deutschlands -, die bis dahin vor der
Unverträglichkeit der nationalsozialistischen Weltanschauung mit der
christlichen Lehre die Augen geschlossen hatten, mußten jetzt ihren
Irrtum erkennen und bekennen. Viele, aber nicht alle! Andere, selbst in
den Reihen der Gläubigen, waren zu sehr durch Vorurteile verblendet
oder durch die Hoffnung auf politische Vorteile verführt. Die von
Unserem Vorgänger aufgezeigte Augenscheinlichkeit der Tatsachen vermochte
sie nicht zu überzeugen und noch weniger sie zu einer anderen Haltung
zu bringen. Ist es vielleicht ein reiner Zufall, daß gewisse Gebiete,
die dann vom nationalsozialistischen System besonders hart getroffen wurden,
ausgerechnet jene waren, wo die Enzyklika "Mit brennender Sorge" wenig
oder gar kein Gehör fand? Wäre es damals noch möglich gewesen,
durch geeignete und rechtzeitige politische Vorbeugungsmaßnahmen
ein für allemal den Ausbruch der brutalen Gewalt zu verhindern und
das deutsche Volk in die Lage zu versetzen, sich von den es umstrickenden
Banden freizumachen? Wäre es möglich gewesen, auf solche Weise
Europa und der Welt den Einbruch dieser blutigen unermeßlichen Flut
zu ersparen? Niemand wird wagen, hier ein sicheres Urteil zu fällen.
Jedenfalls aber konnte niemand der Kirche den Vorwurf machen, sie habe
nicht rechtzeitig den wahren Charakter der nationalsozialistischen Bewegung
und die Gefahr, der sie die christliche Kultur aussetzte, klar aufgezeigt.
"Wer die Rasse oder das Volk oder den Staat oder die Staatsform, die
Träger der Staatsgewalt oder Grundwerte menschlicher Gemeinschaftsgestaltung
... zur höchsten Norm aller, auch der religiösen Werte macht
und sie mit Götzenkult vergöttert, der verkehrt und fälscht
die gottgeschaffene und gottbefohlene Ordnung der Dinge" (Acta Apost. Sedis,
Band 29, 1937, S. 149 und 171). In diesem Satz der Enzyklika gipfelt der
aufs letzte gehende Widerstreit zwischen dem nationalsozialistischen Staat
und der katholischen Kirche. Wo es so weit gekommen war, konnte die Kirche,
ohne ihrer
Sendung untreu zu werden, nicht länger darauf verzichten, vor
der ganzen Welt Stellung zu nehmen. Durch ihre Tat wurde sie jedoch ein
weiteres Mal zum "Zeichen des Widerspruchs (Luk. 2,34) in dem sich die
Geister in zwei entgegengesetzte Kampflager schieden. Die deutschen Katholiken
anerkannten soviel wie einmütig, daß die Enzyklika "Mit brennender
Sorge" Licht, Führung, Trost und Stärkung gebracht habe für
alle, welche die christliche Religion ernst nahmen und folgerichtig in
die Tat umsetzten. Es konnte indessen der Gegenstoß von seiten der
Betroffenen nicht ausbleiben. Tatsächlich war gerade das Jahr 1937
für die katholische Kirche in Deutschland ein Jahr unsagbarer Bitternisse
und furchtbarer Stürme.
Die großen politischen Ereignisse, welche die beiden folgenden
Jahre kennzeichneten, und dann der Krieg, verminderten in keiner Weise
die Feindseligkeit des Nationalsozialismus gegenüber der Kirche; eine
Feindseligkeit, die sich bis in diese letzten Monate hinein offenbarte,
solange nämlich seine Anhänger sich noch schmeichelten, sofort
nach errungenem Waffensiege für immer auch mit der Kirche fertig werden
zu können. Glaubwürdige und unwiderlegliche Zeugnisse hielten
Uns auf dem laufenden über diese Pläne, die sich übrigens
auch von selbst enthüllten durch wiederholtes und immer bösartigeres
Vorgehen gegen die katholische Kirche .in Österreich, in Elsaß-Lothringen
und vor allem in den Gebieten Polens, die schon während des Krieges
dem Altreich eingegliedert worden waren. Alles wurde dort getroffen und
vernichtet, alles, was der äußeren Gewalt erreichbar war.
In Fortsetzung der Tätigkeit Unseres Vorgängers haben Wir
selbst während des Krieges nicht nachgelassen, vor allem in unseren
Botschaften, der verderblichen und unerbittlichen Anwendung der nationalsozialistischen
Lehre, die sich sogar die raffiniertesten wissenschaftlichen Methoden nutzbar
machte, um oft genug schuldlose Menschen zu quälen und auszumerzen,
die Forderungen und unverbrüchlichen Normen der Menschlichkeit und
des christlichen Glaubens entgegenzusetzen. Es war dies für Uns der
geeignetste, und Wir können sogar sagen, auch der einzig wirksame
Weg, um vor der, ganzen Welt die unveränderlichen Grundsätze
des moralischen Gesetzes zu verkünden, und um inmitten von so vielen
Irrtümern und so vielen Gewalttätigkeiten Geist und Herz der
deutschen Katholiken in den hohen Idealen der Wahrheit und der Gerechtigkeit
zu bestärken. Diese Bemühungen blieben auch nicht ohne Erfolg.
Wir wissen tatsächlich, daß Unsere Botschaften, vor allem die
Weihnachtsbotschaft von 1942, trotz aller Verbote und Hindernisse in den
Diözesankonferenzen des deutschen Klerus zum Gegenstand des Studiums
gemacht und dann dem katholischen Volke dargelegt und erklärt wurden.
Aber wenn die leitenden Männer in Deutschland geplant hatten,
die katholisch Kirche auch im Altreich zu vernichten, so hatte die Vorsehung
es anders bestimmt. Die Drangsale der Kirche von seiten des Nationalsozialismus
haben mit dem plötzlichen und tragischen Ende des Verfolgers ihren
Abschluß gefunden!
Aus den Gefängnissen, aus den Konzentrationslagern, aus den Zuchthäusern
strömen jetzt zusammen mit den politischen Gefangenen auch die Scharen
von Priestern und Laien, deren einziges Vergehen in der Treue zu Christus
und zum Glauben der Väter oder in der mutigen Erfüllung der priesterlichen
Pflichten bestand. Für sie alle haben Wir innig gebetet und jede sich
bietende Möglichkeit eifrig benutzt, um ihnen Unser tröstendes
Wort und den Segen aus väterlichem Herzen zukommen zu lassen.
Je mehr sich tatsächlich die Schleier lüften, die bisher
den schmerzvollen Leidensweg der Kirche unter der nationalsozialistischen
Herrschaft verdeckten, um so mehr offenbart sich die oft bis zum Tode unverbrüchliche
Festigkeit ungezählter Katholiken und der ruhmvolle Anteil, den in
diesem edlen Wettkampf der Klerus gehabt hat. - Wiewohl Wir noch nicht
im Besitze erschöpfender statistischer Angaben sind, können Wir
doch nicht umhin, die eine oder andere Mitteilung zu machen. Sie sind uns
reichlich zugegangen von Priestern und Laien, die als Internierte im Lager
Dachau gewürdigt wurden, um des Namens Jesu willen Schmach zu dulden
(Apg 5,41).
An erster Stelle stehen der Zahl und harten Behandlung nach die polnischen
Priester. Von 1940 bis 1945 wurden in dem angegebenen Lager 2800 Geistliche
und Ordensleute jener Nationalität gefangengesetzt, unter ihnen der
Weihbischof von Wladislavia, der dort an Typhus gestorben ist. Im vergangenen
April waren davon nur noch 816 übrig, während alle anderen gestorben
sind mit Ausnahme von zwei oder drei in andere Lager überführten.
Für Sommer 1942 wurden als dort eingebracht 480 Kultdiener deutscher
Zunge angegeben, von denen 45 Protestanten und alle anderen katholische
Priester waren. Trotz des ständigen Zugangs von neuen Internierten,
besonders des Rheinlands und Westfalens, war ihre Zahl infolge der starken
Sterblichkeit zu Beginn dieses Jahres nicht über 350. Es können
auch nicht mit Stillschweigen die Geistlichen übergangen werden, die
den besetzten Ländern angehören: Holland, Belgien, Frankreich
(unter den französischen Priestern der Bischof von Clermont), Luxemburg,
Slowenien, Italien. Viele von diesen Priestern und Laien haben um ihres
Glaubens und ihres Berufes willen unsägliche Leiden erduldet. In einem
Falle ging der Haß der Gottlosen gegen Christus so weit, daß
sie an einem internierten Priester mit Stacheldraht die Geißelung
und Dornenkrönung unseres Herrn nachgeäfft haben. Die hochherzigen
Menschen, die zwölf Jahre hindurch, von 1933 an, in Deutschland für
Christus und Seine Kirche das Opfer des persönlichen Besitzes, der
persönlichen Freiheit und des eigenen Lebens gebracht haben, erheben
zur Sühne ihre Hände zu Gott. Möge der gerechte Richter
sie annehmen zur Wiedergutmachung so vieler Verbrechen, die gleicherweise
gegen die Menschheit wie zum Schaden der Gegenwart und Zukunft des eigenen
Volkes, besonders seiner unglücklichen Jugend, begangen würden,
und möge auf Sein Geheiß hin der Würgeengel endlich den
Arm sinken lassen.
Mit stets wachsendem Nachdruck hat der Nationalsozialismus die Kirche
als Feindin des deutschen Volkes anprangern wollen. Die offenbare Ungerechtigkeit
der Anklage würde die Gefühle der deutschen Katholiken wie auch
Unsere eigenen zutiefst verletzt haben, wenn sie aus anderem Munde gekommen
wäre. Aber auf den Lippen solcher Ankläger ist sie weit davon
entfernt, eine Belastung zu sein. Sie ist vielmehr das glänzendste
und ehrenvollste Zeugnis des entschlossenen, dauernden, von der Kirche
getragenen Widerstandes gegen solch zerstörerische Lehren und Methoden,
zum Wohl der wahren Kultur und des deutschen Volkes selbst, dem Wir wünschen,
daß es nach der Befreiung aus dem Irrtum, der in den Abgrund gestürzt
hat, sein Heil wiederfinden möge an den reinen Quellen des wahren
Friedens und des wahren Glückes, an den Quellen der Wahrheit, der
Demut und der Liebe, die mit der Kirche aus dem Herzen Christi hervorgeströmt
sind.
Welch harte Lehre und Mahnung geben nicht die letzten Jahre! Möchten
sie doch wenigstens verstanden werden und den anderen Völkern heilsam
sein! "Erudimini, qui gubernatis terram!" Laßt euch belehren, ihr
Herrscher der Erde! (Ps. 2,10). Das ist der heißeste Wunsch eines
jeden, der die Menschheit aufrichtig liebt. Als Opfer einer unmenschlichen
Ausbeutung, einer schamlosen Verachtung des Menschenlebens und der Menschenrechte,
hat sie nur einen einzigen Wunsch, begehrt sie nur dieses eine: ein ruhiges
und friedsames Leben führen zu dürfen in Würde und redlicher
Arbeit.
Darum ist es ihr sehnlichster Wunsch, daß Schluß gemacht
werde mit der Rücksichtslosigkeit, mit der die Familie und das Heim
in den Kriegsjahren mißhandelt und entweiht worden sind; eine
Rücksichtslosigkeit, die zum Himmel schreit und die sich zu
einer der schwersten Gefahren nicht allein für die Religion und die
Sittlichkeit, sondern auch für das geordnete, Zusammenleben
ausgewirkt hat; eine Schuld, die vor allem die gewaltigen Scharen von Verarmten,
Enttäuschten und Verzweifelten geschaffen hat, die nur die Massen
der Revolution und Unordnung vermehren, und das im Sold einer Gewaltherrschaft,
die nicht weniger willkürlich ist als jene, die man niederkämpfen
wollte.
Die Völker, vornehmlich die. mittleren und kleinen, stellen die
Forderung, daß es ihnen freistehe, selbst ihr Geschick in die Hand
zu nehmen. Sie können sich veranlaßt sehen, zum besten des gemeinsamen
Fortschrittes Bindungen einzugehen, die ihre Hoheitsrechte einschränken.
Nachdem sie aber ihren Anteil, ihren großen Anteil an den Opfern
gebracht haben, um das System der brutalen Gewalt zu zerstören, können
sie sich mit Recht verbitten, daß ihnen ein neues politisches oder
kulturelles System aufgedrängt werde, das die große Mehrheit
ihrer Bevölkerung entschieden ablehnt.
Sie halten dafür, und zwar mit Recht, daß die Hauptaufgabe
der Gestalter des Friedens darin besteht, dem verbrecherischen Spiel mit
dem Krieg ein Ende zu setzen und die Lebensrechte und gegenseitigen Pflichten
zwischen Großen und Kleinen, Mächtigen und Schwachen zu schützen.
Im Grunde ihres Gewissens fühlen die Völker, daß ihre
Lenker sich um jegliche Achtung bringen würden, wenn sie dem tollen
Wahn einer Herrschaft der Gewalt nicht den Sieg des Rechtes folgen ließen.
Der Gedanke einer neuen Friedensorganisation ist - daran dürfte wohl
kein Zweifel sein - ehrlichstem und redlichstem Wollen entsprungen. Die
ganze Menschheit verfolgt mit banger Sorge den Fortgang des edlen Werkes.
Welch bittere Enttäuschung würde es sein, wenn es zum Scheitern
käme; wenn so viele leid- und entsagungsvolle Jahre dadurch sinnlos
gemacht würden, daß man den Geist der Unterdrückung, von
dem die Welt endlich für immer befreit zu sein hoffte, von neuem triumphieren
ließe! Arme Welt, auf die man dann das Wort Jesu anwenden könnte,
daß ihre letzten Dinge schlimmer geworden sind als, die denen sie
sich mühsam entwunden hatte! (Vgl. Luk. 11,24.25.26)
Die politische und soziale Gesamtlage drängt Uns dies Warnung
auf die Lippen. Leider haben Wir in mehr als einer Gegend Priestermorde,
Verschleppungen von Volkszugehörigen, Hinmetzelung von friedlichen
Bürgern ohne Prozeß oder aus Privatrache beklagen müssen.
Nicht weniger traurig sind die Nachrichten, die uns aus Slowenien und Kroatien
zugekommen sind.
Aber wir wollen den Mut nicht sinken lassen. Die im Verlauf der letzten
Wochen von zuständigen und verantwortlichen Männern gehaltenen
Reden lassen verstehen, daß sie den Sieg des Rechtes nicht nur als
politisches Ziel, sondern noch mehr ale sittliche Pflicht vor Augen haben.
Darum richten Wir aus innerstem Herzen an Unsere Söhne und Töchter
auf der ganzen Welt eine dringende Einladung zum Gebet. Möge sie allen
zu Ohren kommen, die in Gott den geliebten Vater aller nach Seinem Bild
und Gleichnis erschaffenen Menschen erkennen; die wissen, daß in
der Brust Christi ein göttliches Herz schlägt, reich an Erbarmen,
die tiefe und unerschöpfliche Quelle alles Guten und jeglicher Liebe,
allen Friedens und aller Versöhnung.
Vom Waffenstillstand bis zum wahren und ehrlichen Frieden wird, wie
Wir kürzlich mahnend in Erinnerung brachten, der Weg recht mühsam
und lang sein, allzu lang für das bange Sehnen und Harren einer Menschheit,
die nach Ordnung und Ruhe geradezu hungert. Es ist aber unvermeidlich,
daß es so ist. Und vielleicht ist es auch besser so. Man muß
zuerst den Sturm der übererregten Leidenschaften zur Ruhe kommen lassen:
Motos praestat componere fluctus" - Besser ist's, die erregten Wogen zu
glätten. (Aen [Aeneis, das berühmte Heldenepos Vergils (römischer
Dichter, 70-19 v. Chr.) über Aeneas, den Stammvater Roms und des Julischen
Hauses] 1,135) Es ist notwendig, daß der Haß, das Mißtrauen,
übertriebene nationale Hetze Platz machen dem Reifen weiser Entschlüsse,
dem Erblühen friedlicher Pläne der Sachlichkeit in der Auseinandersetzung
und gegenseitigem brüderlichem Verstehen.
Möge der Heilige Geist, der Erleuchter des Verstandes und milde
Herr der Herzen sich würdigen, die Gebete Seiner Kirche zu erhören
und in ihrer schwierigen Arbeit die zu leiten, die sich ihrer hohen Sendung,
getreu aufrichtig bemühen, trotz aller Hindernisse und Widersprüche
zu dem von allen so heiß ersehnten Ziel zu gelangen: dies Ziel ist
der Friede, der wahre Friede, der dieses Namens würdig ist; ein Friede,
der gegründet und gesichert ist in Aufrichtigkeit und Rechtlichkeit,
in Gerechtigkeit und Wirklichkeitssinn; ein Friede ehrlichen und entschlossenen
Einsatzes, um jene wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse zu meistern
oder ihnen vorzubeugen, die, wie sie es, schon in der Vergangenheit taten,
so auch in der Zukunft leicht zu neuen bewaffneten Konflikten führen
könnten; ein Friede, der von allen Rechtlichgesinnten jedes Volkes
und jeder Nation gebilligt werden kann; ein Friede, den die kommenden Geschlechter
mit Dankbarkeit als die glückliche Frucht einer unglücklichen
Zeit ansehen können; ein Friede, der einen säkularen entscheidenden
Wendepunkt in der Bejahung der Menschenwürde darstellt; ein Friede,
der wie eine "Charta Magna" ist, welche die dunkle Epoche der Gewalt abgeschlossen
hat; ein Friede, der uns unter der barmherzigen Führung durch die
zeitlichen Güter so hindurchgehen läßt, wir die ewige Seligkeit
nicht verlieren (Oration vom 3. Sonntag nach Pfingsten).
Doch ehe dieser Friede Wirklichkeit wird, bleibt wahr, daß Millionen
von Menschen am häuslichen oder im Krieg, in der Gefangenschaft oder
in der Verbannung noch einen bitteren Kelch verkosten müssen. Wie
sehr verlangt es Uns, das Ende ihrer Leiden und Ängste, die Erfüllung
ihrer Sehnsucht zu sehen. Auch für sie, für die ganze Menschheit,
die mit ihnen und in ihnen leidet, steige unser demütiges und inbrünstiges
Beten zum Allmächtigen empor.
Inzwischen, ehrwürdige Brüder, gereicht Uns zu großer
Stärkung der Gedanke, daß ihr an Unseren Sorgen, an Unseren
Gebeten, an Unseren Hoffnungen teilnehmt, und daß in der ganzen Welt
Bischöfe, Priester und Gläubige ihre Gebete mit den Unsrigen
vereinen zum starken Flehruf der gesamten Kirche. Zum Zeugnis Unserer tiefen
Dankbarkeit und als Unterpfand der unendlichen Erbarmungen und Gnaden Gottes
erteilen Wir euch, den Eurigen, allen, die mit Uns einig gehen im Streben
und Suchen nach dem Frieden, aus der Tiefe des Herzens
Unseren apostolischen Segen.