In der heutigen Lesung aus dem ersten Petrusbrief klingt wieder das
sehr wichtige und durch die Jahrhunderte immer wieder betrachtete Thema
"Kirche und Staat" an. Wie soll sich der Christ der staatlichen Obrigkeit
gegenüber verhalten? Hat die staatliche Obrigkeit auch die Oberhoheit
über die Kirche?Der hl. Petrus schreibt: "Seid jeder menschlichen
Obrigkeit untertan um Gottes willen: sei es dem König als dem obersten
Herrn, sei es den Statthaltern, die von ihm angeordnet sind, die Übeltäter
zu bestrafen und die Guten zu belohnen." Und ferner: "Achtet alle, liebet
alle brüderlich; fürchtet Gott, ehrt den König. Ihr Knechte,
seid in aller Ehrfurcht den Herren untertan, nicht allein den gütigen
und sanften, sondern auch den launenhaften".
Betrachtet man diese Mahnungen für sich, so lässt sich feststellen:
Die menschliche Obrigkeit, die sich insbesondere im Staat manifestiert,
in der Rangordnung der Bürger und in der Befehlsgewalt bzw. in der
Gehorsamspflicht, sie ist von Gott gewollt. Deshalb kann und muss der Bürger
der staatlichen Obrigkeit untertan sein, eben um Gottes willen. Ein Gehorsam,
der aus bloßer Furcht vor Strafe oder aus bloßer berechnender
Gewinnsucht erfolgt, ist nach der christlichen Lehre ungenügend. Deswegen
hört die Gehorsamspflicht nicht sofort da auf, wo man sicher sein
kann, dass eine vom Staat verbotene Tat nicht entdeckt wird und dementsprechend
keine Strafe durch die Obrigkeit zu befürchten ist. Die Gehorsamspflicht
gegenüber der staatlichen Obrigkeit ist begründet in der Gehorsamspflicht
gegenüber Gott.
Die Bürger müssen dem obersten weltlichen Herrn und seinen
Statthaltern gehorsam sein. Was von der staatlichen Obrigkeit angeordnet
wird, dem muss Folge geleistet werden. Gewisse Volksverführer meinen,
aus dieser Lehre von der Staatsgewalt ließe sich eine grenzenlose
Staatsfreiheit ableiten, die dann in Parolen gepresst wird wie: "König
befiehl, wir folgen dir", oder: "Statthalter befiehl, wir folgen dir",
oder wie immer man das formulieren möchte. Nimmt man hinzu, dass Petrus
die Knechte mahnt, "in aller Ehrfurcht den Herren untertan" zu sein, "nicht
allein den gütigen und sanften, sondern auch den launenhaften", dann
könnte es vielleicht so scheinen, als ob jede Laune der Obrigkeit
die Untergebenen zum Gehorsam verpflichtet.
Nun spricht Petrus aber ausdrücklich von den Aufgaben des Staates,
"die Übeltäter zu bestrafen und die Guten zu belohnen". In der
Tat hat der Staat diese Aufgabe, für die Gerechtigkeit zu sorgen.
Der Staat muss die zeitlichen Dinge so ordnen, dass die Gerechtigkeit gewahrt
bleibt. Ein bloßes Nutzdenken und erst recht ein grenzenloses Willkürdenken
sind also nicht zulässig, auch nicht für die staatliche Obrigkeit.
Da nämlich, wo der Staat Unrecht verteidigt und Recht bekämpft,
muss man ihm Widerstand leisten, wenigstens insofern, als man dem Staat
den Gehorsam verweigert. Auch wenn jemand launenhaft ist, folgt daraus
noch nicht, dass alle seine Anordnungen Unrecht sind und dass er in keinem
Fall mehr Anspruch auf Gehorsam hat.
Weil Petrus von der Wahrung der Gerechtigkeit spricht und den Staat
als die Instanz beschreibt, die das Ziel verfolgt, "die Übeltäter
zu bestrafen und die Guten zu belohnen", kann es nicht so dargestellt werden,
als predige das Christentum einen blinden Gehorsam gegenüber der Obrigkeit.
Das wird noch deutlicher, wenn man z.B. auf das Verhalten von Petrus selbst
gegenüber der Obrigkeit blickt. Der Hohepriester wirft Petrus wegen
seiner Christus-Predigt vor: "Wir haben euch doch streng verboten, in diesem
Namen zu lehren. Gleichwohl erfüllt ihr Jerusalem mit eurer Lehre
und wollt das Blut dieses Menschen über uns bringen." Petrus und die
andern Apostel erwiderten: 'Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen"
(Apg 5,28f). Das bedeutet: Der Staat hat Grenzen seiner Befehlsgewalt,
und diese liegen eben im göttlichen Recht. Auch wenn Petrus lehrt:
"Seid jeder menschlichen Obrigkeit untertan um Gottes willen: sei es dem
König als dem obersten Herrn, sei es den Statthaltern, die von ihm
angeordnet sind", so meint Petrus dennoch nicht, man müsste sich in
absolut allem den Anweisungen der Obrigkeit unterwerfen.
Auch Christus selbst hat die Jünger nicht gelehrt, sie müssten
dann mit der Verkündigung der Wahrheit aufhören, wenn es ihnen
von Königen und Statthaltern befohlen werde, oder man dürfe vor
Königen und Statthaltern nur ehrfurchtsvoll schweigen, aber niemals
ein Bekenntnis des Glaubens ablegen, erst recht nicht dann, wenn man damit
sein Leben in Gefahr bringt. Vielmehr sagt Jesus: "Nehmt euch in acht vor
den Menschen! Denn sie werden euch den Gerichten ausliefern und in den
Synagogen euch geißeln. Ja, um meinetwillen werdet ihr vor Statthalter
und Könige geführt werden, um Zeugnis zu geben vor ihnen und
vor den Heiden" (Mt 10,17f).
Das bedeutet: Selbst wenn ein Gericht einen Christen wegen seiner Bekenntnistreue
verurteilt, ist damit noch nicht wirklich Recht gesprochen. Ganz im Gegenteil:
Das Gericht wird selbst zum Schuldigen, und alle, die das verbrecherische
Treiben des Gerichtes unterstützen oder einfach nur billigen, werden
sich dafür verantworten müssen.
Nun ist diese Lehre über die Grenzen der Staatsgewalt aber nicht
nur in der Offenbarung enthalten, sie wurde auch von der Kirche als unfehlbare
Lehre definiert. Papst Pius IX. gab in seiner Enzyklika "Quanta Cura" eine
Übersicht über einige Irrlehren. Darin heißt es u.a.: "Andere
aber wagen es, indem sie die schlimmen und so oft verurteilten und verworfenen
Lügen der Neuerer wiederholen, mit einer besonderen Unverschämtheit
die allerhöchste Autorität der Kirche und dieses Heiligen Stuhles,
welche ihr von Christus dem Herrn übertragen wurde, der Willkür
der Staatsgewalt zu unterwerfen und alle Rechte dieser Kirche und dieses
Heiligen Stuhles bzgl. dessen, was zum äußeren Ordnungsbereich
gehört, zu leugnen." Nach dieser Zusammenstellung verschiedener Irrlehren
erklärt Pius IX.: "Und deshalb, kraft Unserer Apostolischen Autorität,
verwerfen, ächten und verdammen Wir alle und jede in diesem Schreiben
nacheinander erwähnten schlechten Meinungen und Lehren, und wir wollen
und befehlen, daß dieselben von allen Kindern der katholischen Kirche
vollständig und ausnahmslos für verworfen, verboten und verdammt
betrachtet werden."
Es kann angesichts dieser klaren Lehre im Neuen Testament und dieser
ausdrücklichen Verurteilungsworte in der Enzyklika kein Zweifel bestehen:
"Wer z.B. sich zur Ansicht bekennt, die Kirche sei dem Staate unterworfen,
der ist ein Häretiker."
Hüten wir uns also vor einem falschen Gehorsamsverständnis,
bekennen wir mutig die Wahrheit selbst dann, wenn uns vielleicht nicht
sofort ein zeitlicher Vorteil daraus erwächst, um einst den Lohn für
unsere Treue zu Christus zu erhalten. Amen.
S. auch:
Der Staat als Satansdiener (2)
Syllabus