Das heutige Fest des hl. Laurentius, der im 3. Jahrhundert das Martyrium
erlitt, gehörte schon früh zu den bedeutendsten kirchlichen Festen.
Laurentius war Diakon des hl. Papstes Sixtus II., der einige Tage vor Laurentius
das Martyrium erlitt und dessen die Kirche am 6. August gedenkt. Laurentius
starb auf einem glühenden Rost den Feuertod.
In den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt hatten die Christen
unter vielen römischen Kaisern furchtbar zu leiden, großangelegte
Christenverfolgungen gingen fast Hand in Hand. Es gab Zeiten, in denen
die Kirche eine gewisse Ruhe vor den Verfolgern hatte, doch noch im 20.
Jahrhundert wüteten der Nationalsozialismus und der Kommunismus mit
entsetzlicher Grausamkeit gegen diejenigen, die sich zur wahren Kirche
Christi, also zur römisch-katholischen Kirche, bekannten. Nun, im
21. Jahrhundert in Deutschland, könnte es vielleicht so scheinen,
als lebte die Kirche in fast schon paradiesischen Zuständen. Es wehen
nicht an jeder Straße Hakenkreuz-Flaggen, es finden keine Masseneinweisungen
von Klerikern in Konzentrationslager mehr statt, es ziehen nicht regelmäßig
SA-Truppen durch die Stadt, die Spottlieder gegen die Kirche singen. Kleriker
im Dritten Reich mussten es hinnehmen, öffentlich mit den übelsten
Beleidigungen belegt zu werden. Kleriker im Dritten Reich wurden zu Staatsfeinden
erklärt. Kleriker im Dritten Reich wurden entweder mit absolut unhaltbaren
Vorwürfen oder auch ganz ohne Begründung in die Gefängnisse
geworfen und hingerichtet.
Die Zeiten haben sich geändert. Die heutige Bundesrepublik Deutschland
hat ein Strafgesetzbuch, in dem u.a. der Völkermord als strafwürdiges
Delikt bezeichnet wird. Der entsprechende Paragraph (220a) lautet: "(1)
Wer in der Absicht, eine nationale, rassische, religiöse oder durch
ihr Volkstum bestimmte Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören,
1. Mitglieder der Gruppe tötet, 2. Mitgliedern der Gruppe schwere
körperliche oder seelische Schäden [...] zufügt, 3. die
Gruppe unter Lebensbedingungen stellt, die geeignet sind, deren körperliche
Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen, 4. Maßregeln
verhängt, die Geburten innerhalb der Gruppe verhindern sollen, 5.
Kinder der Gruppe in eine andere Gruppe gewaltsam überführt,
wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft."
Da die Kirche zweifelsfrei eine religiöse Gruppe ist, kann und
muss jeder, der die Kirche als solche "ganz oder teilweise zu zerstören"
versucht, gemäß diesem Gesetz bestraft werden. Die Kirche genießt
auf dem Papier einen hervorragenden Schutz ihrer Lebensbedingungen in Freiheit
und Gerechtigkeit. Insbesondere die Kleriker sind buchstäblich bestens
abgesichert, denn wegen ihrer besonderen Wichtigkeit bei der Leitung, Verkündigung
und Sakramentenspendung würde jede Aktion gegen einen Kleriker einen
besonders schweren und entsprechend strafwürdigen Verstoß gegen
den Völkermord-Paragraphen bedeuten. Angesichts dieser Lage könnte
die Christenverfolgung durch den Nationalsozialismus in Vergessenheit geraten,
und Märtyrer wie der hl. Laurentius werden zwar noch als Heilige verehrt,
aber sie dienen nicht mehr als Vorbild für ein unerschrockenes Glaubensbekenntnis
bis zum Tod, eben weil der Kirche keine Gefahr mehr droht, die nicht durch
den staatlichen Schutz abgewehrt ist.
Was aber wäre, wenn sich ein Fehler in das System eingeschlichen
hätte? Der schlimmste Albtraum ist wohl der, dass die Gemeinschaft,
die vom Staat als römisch-katholische Kirche bezeichnet und behandelt
wird, nicht die römisch-katholische Kirche ist. Zum einen käme
jeder staatliche Schutz der Kirche einer Sekte zugute, d.h. eine Sekte
würde vom Staat gehegt und gepflegt, verteidigt und gestärkt.
Zum anderen ist zu bedenken: Die wahre römisch-katholische Kirche
muss sich ja auch öffentlich als römisch-katholische Kirche bezeichnen
und zu erkennen geben, denn sie ist der Wahrheit verpflichtet, die auch
den Missionsauftrag einschließt, damit jeder die wahre Kirche kennenlernen
und sich ihr anschließen kann. Bereits in der frühen Kirche,
während der Christenverfolgungen unter den römischen Kaisern,
wurde es als Glaubensabfall verurteilt, wenn jemand aufgrund staatlichen
Zwanges seinen Glauben verleugnete, selbst dann, wenn die Glaubensverleugnung
nur geheuchelt wurde. Das bedeutet: Auch heute würde der Tatbestand
des Glaubensabfalls erfüllt, wenn jemand aufgrund staatlichen Zwanges
seine Zugehörigkeit zur Kirche verleugnet. Also: Würde der Staat
eine Sekte als katholische Kirche bezeichnen und behandeln, würde
er folglich der wahren Kirche nicht nur den ihr bereits durch das Naturrecht
zustehenden und ihr sogar gesetzlich garantierten Schutz verweigern, er
würde sogar aktiv gegen die Kirche vorgehen, weil er ihr das Recht
verweigerte, als katholische Kirche in Erscheinung zu treten. Damit würde
er selbst die Zerstörung der Kirche betreiben. Er würde die Kirche
ihrer notwendigen Lebensbedingungen radikal berauben, er würde jeden,
der sich treu zur Kirche bekennt, zum Schweigen bringen, auf die eine oder
andere Weise. Eine solche Situation wäre für die Kirche dann
keineswegs paradiesisch. Die Kirche würde sich einer Situation ausgesetzt
sehen, die den Vergleich zum nationalsozialistischen Terror durchaus nicht
zu scheuen braucht.
Das Ausmaß einer solchen totalen Katastrophe könnte fast
nur noch dadurch gesteigert werden, dass ein Aktivist unter dem Deckmantel
der unverfälschten Katholizität es sich zum Ziel setzt, denen,
die in der dann wirklich zusammengeschrumpften "Kleinen Herde" noch verblieben
sind, den Todesstoß zu verpassen. Jemand, der vielleicht in ungeordneten
familiären Verhältnissen lebt, dessen Gebrauch von Genussmitteln
außer Kontrolle geraten ist, könnte es öffentlich als sein
Ziel erkären, den unverbrüchlich treuen katholischen Klerikern
"das Maul zu stopfen". Schließlich wurden Kleriker auch schon in
der Nazizeit mit Formulierungen bedacht wie: "Du Pfaffenhund, wirst 's
Maul halten!" Damit der Aktivist nicht als Wolf im Schafspelz erkannt wird,
schreibt er sich vielleicht noch in großen Lettern "Herr, erbarme
dich" auf die Fahnen, in der nicht unbegründeten Hoffnung, dass dann
einige auf die Hetzpropaganda des Aktivisten gegen die Kirche hereinfallen
werden.
Könnte selbst 2000 Jahre nach Christi Geburt noch eine solche
wie die skizzierte Situation eintreten und bestehen? Würde Gott es
zulassen, dass nach 2000 Jahren Christentum fast die ganze Welt von der
Wahrheit nichts wissen will, dass fast die ganze Welt Hirngespinsten und
Lügen hinterherläuft? Selbst wenn eine solche schreckliche Situation
Wirklichkeit wäre, dürfte unsere Haltung keine andere sein als
die, die uns von Märtyrern wie dem hl. Laurentius vorgelebt wurde:
Unsere Bekenntnistreue muss unverbrüchlich sein, selbst dann, wenn
uns dafür Verschmähung und Verachtung, Folter und Hinrichtung
drohen. Wenn die Verfolgung uns droht, verlieren wir nicht den Mut. Lernen
wir von den Märtyrern, selbst angesichts drohender Qualen und selbst
im Erleiden der furchtbarsten Qualen treue Zeugen Christi zu bleiben. "Wenn
das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein;
wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht. Wer sein Leben liebt, wird
es verlieren; wer aber sein Leben in dieser Welt haßt, wird es bewahren
für das ewige Leben." Amen.
S. auch:
Christus in Dachau (4 / 23)
Nummer 4 lebt!
Nachruf auf August Groß