In einem Forum wurde kürzlich ein Beitrag veröffentlicht:
"Gott ist tot. Und wenn Gott nicht tot ist, dann ist er zumindest schuldig
wegen unterlassener Hilfeleistung." Der Schreiber bezeichnet sich selbst
als "Ex-Christ". Offensichtlich war er mit der göttlichen Vorsehung
nicht ganz einverstanden, so dass er meinte, seinen Glauben aufgeben zu
dürfen oder zu müssen. Die Denkweise des Ex-Christen baut auf
dem Grundsatz auf: "Wenn Gott nicht das tut, was ich will, dann bete ich
ihn auch nicht an, denn entweder ist er böse, dann will ich nichts
mit ihm zu tun haben, oder es gibt ihn nicht, dann kann ich auch gar nichts
mit ihm zu tun haben." Was diesen selbsternannten "Ex-Christen" ganz konkret
bewogen hat, seinen Glauben aufzugeben, schreibt er nicht. Es könnten
private Erlebnisse sein, es könnte das Leid eines Freundes sein, es
könnte das Leiden von persönlich Unbekannten infolge gigantischen
Unrechts sein. Besonders die Vorstufe der Bundesrepublik Deutschland, der
Nationalsozialismus, wird in diesem Bereich immer wieder gerne genannt.
Wie konnte Gott diese Gräuel zulassen, dass z.B. allein im Konzentrationslager
Dachau 2600 Geistliche aus 134 Diözesen und 24 Nationen interniert
waren, wovon mehr als 1000 getötet wurden? Und warum starben im Konzentrationslager
Auschwitz Menschen wie der Franziskanerpater Maximilian Kolbe, obwohl sie
nicht nur unschuldig, sondern positiv rechtschaffen waren? Warum hat Gott
nicht eingegriffen, warum hat er dieses riesige Leid nicht verhindert oder
wenigstens früher beendet? Angesichts des Leids gibt es aber noch
andere Reaktionen als eben die, sich zum Ex-Christ zu erklären. Eine
besonders teuflische Reaktion besteht darin, den Glauben offiziell zwar
nicht aufzugeben, aber ihn zu vergiften, um andere, die sich für den
Glauben interessieren, leichter in die Irre führen zu können.
Das Leiden anderer wird also als Vehikel missbraucht, um antichristliche
Gedanken als christliche Gedanken verkaufen zu können. Ein Beispiel
für eine solche Vergiftung des Glaubens ist die Behauptung: "Nach
Auschwitz, dem Gulag und zwei Weltkriegen kann man nicht mehr vollmundig
von »Gott, dem Allmächtigen« reden. Im Neuen Testament
bieten sich andere »christlichere« Attribute an, die dem Prädikat
»allmächtig« vorzuziehen sind: »all-gütiger«,
»all-erbarmender« oder schlicht »lieber Gott«"
(Küng). Man spricht von einem "lieben Gott" und will damit seine Allmacht
aus dem Bewusstsein verdrängen, so dass im Grunde nur noch von einem
lächerlichen Gott die Rede ist. Zum Wesen Gottes gehört die Allmacht
notwendig. Diese angebliche Unmöglichkeit, dieses kategorische Verbot,
von der Allmacht Gottes zu reden, ist Zeichen eines durch und durch teuflischen
Denkens. Es dient dazu, den Menschen zu vergötzen, da Gott ja als
gescheitertes Wesen hingestellt wird. Wie furchtbar wäre es aber erst,
wenn solche Glaubensvergifter gem. staatlicher Entscheidung Anspruch auf
den Titel katholisch hätten, oder noch schlimmer, wenn die Verteidiger
des wahren Glaubens, also diejenigen, die wahre katholische Lehre unverkürzt
vertreten, gem. staatlicher Entscheidung nicht nur keinen Anspruch auf
den Titel katholisch hätten und sich sogar strafbar machten, wenn
sie sich noch katholisch nennen und wenn sie die Nicht-Katholiken als Nicht-Katholiken
bezeichnen? Über die Möglichkeit einer solchen Katastrophe wollen
viele gar nicht erst nachdenken. Es gibt angesichts des Leidens noch eine
weitere Reaktion, u.z. in Verzweiflung und Resignation zu verfallen. Man
präsentiert sich nicht selbstherrlich als Ex-Christ, der Gott als
böse oder aber nicht vorhanden bezeichnet, man huldigt auch keinen
Verdrehungen der Gotteslehre, indem man den eigentlichen Sinn der Dogmen
mehr oder weniger raffiniert verfälscht, man hat vielmehr gewissermaßen
mit der Welt abgeschlossen, man ist träge, gleichgültig geworden.
Man interessiert sich kaum dafür, wie es um Wahrheit und Gerechtigkeit
steht, den Triumph der Lüge und des Unrechts nimmt man fast schon
achselzuckend, teilnahmslos zur Kenntnis, wenn man ihn denn überhaupt
noch zur Kenntnis nimmt.
Blicken wir auf das heutige Evangelium. Darin wird von zwei Wunderheilungen
berichtet. Das Leid des Synagogenvorstehers wegen seiner toten Tochter
wird gewissermaßen sofort beendet, er kommt ja direkt nach dem Tod
seiner Tochter zu Christus. Das Leid der blutflüssigen Frau hingegen
hat bereits zwölf Jahre gedauert, allerdings führt die Berührung
von Christi Gewand zu ihrer sofortigen Heilung. Zunächst könnte
man fragen: Wenn Christus das Leid dieser Menschen mühelos sofort
beenden konnte, warum beendet er nicht das Leid jedes Menschen sofort?
Warum lässt er das Leiden zu? Warum triumphieren Lüge und Ungerechtigkeit,
warum unterliegen Wahrheit und Gerechtigkeit? Wer mit offenen Augen und
mit nüchternem Verstand nach der Antwort sucht, der wird sie in der
Lehre von der Erbsünde finden, der weiß, dass diese Welt der
Ort der Entscheidung ist, entweder für den Himmel oder für die
Hölle. In diesem Sinnzusammenhang steht auch das Leid: Wie gehe ich
mit dem Leid um? Nutze ich es, um mir und anderen einzureden, dass es keinen
Gott gibt, den man anbeten darf, nutze ich es, um andere mit antichristlichen
Verdrehungen in die Irre zu führen, oder sehe ich es im Licht der
Offenbarung von Erbsünde und Erlösung? Sowohl der Synagogenvorsteher
als auch die Frau haben das Leid als Weg zu Christus genutzt. Die Frau
hat Christus zwar nicht direkt angesprochen, aber die Bibelkommentare erklären,
dass laut den alttestamentlichen Reinheitsvorschriften der Blutfluss unrein
machte und die Frau demnach Christus nicht um eine heilbringende Berührung
bitten durfte. Das Heil erfahren also beide, weil sie die Initiative ergriffen
haben, weil sie zu Christus gekommen sind. Auch unser Leben muss von dem
Wunsch geprägt sein, von Christus das Heil zu erlangen. Möglicherweise
wird uns körperliches Leiden nicht erspart bleiben. Möglicherweise
wird uns Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen nicht erspart
bleiben. Doch was auch passiert: Wir müssen immer die Gemeinschaft
mit Christus suchen. Und selbst wenn unser Leiden Monate, Jahre und Jahrzehnte
dauern sollte, wir müssen uns vor Augen halten, dass Gott sofort Heilung
schenken kann, wenn er es für richtig hält. Gott ist der Allmächtige.
Abschließend noch ein Gedanke: Der Priester ist ein zweiter Christus.
Der Priester handelt, wenn er die Sakramente spendet, in der Person Christi.
Wenn wir die hl. Kommunion empfangen, wenn wir die Absolution in der Beichte
empfangen, dann handelt Christus. Wer in der Gemeinschaft mit Christus
stehen will, wird sich auch an die kirchlichen Gebote halten, die einmal
im Jahr den Empfang des Beichtsakramentes und einmal im Jahr, u.z. in der
österlichen Zeit, den Empfang der hl. Kommunion vorschreiben. Hier
ist also die Initiative der Gläubigen ganz konkret erforderlich, durch
den Dienst des Priesters das Heil zu empfangen, das Christus schenkt. Dabei
ist der Priester durch die sehr strenge Vorschrift gebunden, die Sakramente
grundsätzlich nur an Katholiken zu spenden. Wer noch einer gottfeindlichen
Gruppierung angehört, und sei es auch nur auf dem Papier, muss die
Initiative ergreifen, damit ihm der Weg zu Christus offen steht. Und wenngleich
jede Initiative je nach Bedeutung gut überlegt sein muss, darf man
hier nicht in Gleichgültigkeit verfallen und den Zeitpunkt gedankenlos
verstreichen lassen, an dem die Entscheidung hinreichend begründet
und damit notwendig geworden ist. Wenn wir nicht zögern, zum richtigen
Zeitpunkt das zu tun, was notwendig ist, werden auch wir Christi Stimme
hören: "Sei getrost, dein Glaube hat dir geholfen." Amen.
S. auch:
Christus in Dachau
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