Das Gericht, das Richten, die Gerechtigkeit - diese Begriffe kommen
in der Heiligen Schrift immer wieder vor. In den Lesungen aus dem Propheten
Isaias, die wir besonders in der Adventszeit gehört haben, wo vom
Blütenzweig aus der Wurzel Jesse die Rede ist, wird der Messias beschrieben:
"Nicht nach dem Augenschein wird er richten, nicht nach dem Hörensagen
entscheiden, sondern Er wird die Armen in Gerechtigkeit richten und nach
Billigkeit eintreten für die Friedfertigen des Landes. Er wird die
Erde schlagen mit der Rute Seines Mundes, und mit dem Hauche seiner Lippen
die Gottlosen töten" (Is 11,3f). Und an anderer Stelle: "Saget den
Kleinmütigen: Seid getrost und fürchtet euch nicht! Seht, euer
Gott wird Rache üben und Vergeltung" (Is 35,4). Im Credo bekennen
wir über Jesus Christus: "Er wird wiederkommen in Herrlichkeit, Gericht
zu halten über Lebende und Tote". Oft betont die Heilige Schrift den
Unterschied zwischen menschlichem und göttlichem Richten. Wenn ein
menschliches Gericht ein Urteil fällt, muss dieses nicht notwendig
auch vor dem göttlichen Richter Bestand haben. Deshalb die ausdrückliche
Warnung Christi: "Nehmt euch in acht vor den Menschen! Denn sie werden
euch den Gerichten ausliefern und in den Synagogen euch geißeln.
Ja, um meinetwillen werdet ihr vor Statthalter und Könige geführt
werden, um Zeugnis zu geben vor ihnen und vor den Heiden" (Mt 10,17f).
Bei dem menschlichen Gericht wird oft nach dem Augenschein und nach dem
Hörensagen entschieden. Ja, oft sind die menschlichen Gerichte aus
purer Bosheit entschlossen, ihre Macht zu missbrauchen. Die Richter verhängen
ganz bewusst Strafen gegen Unschuldige, sie schrecken selbst vor dem Justizmord
nicht zurück. Der Messias hingegen wird richten in Gerechtigkeit,
er wird die Gottlosen töten, er wird Rache üben und Vergeltung.
Wenn die Aussagen über menschliches und göttliches Richten in
der Heiligen Schrift so zahlreich und so deutlich sind, wenn diese Lehre
vom Jüngsten Gericht fürwahr alles entscheidend ist, dann sollte
man doch erwarten, dass bei denen, die sich Christen nennen, die Grundzüge
dieser Aussagen vom Gericht stets klar vor Augen stehen. Dies ist aber
anscheinend nicht der Fall. Das erschütterndste Beispiel für
eine völlige Entstellung der christlichen Lehre vom Richten bietet
eine international tätige Großgruppe, die sich nicht nur gerne
selbst als christlich bezeichnet, sondern die obendrein durch weltliche
Gerichte zwangsweise durchsetzen lässt, dass man sie als christliche
Kirche bezeichnet. In restloser Verdrehung der christlichen Lehre vom Richten
behauptet diese Gruppe, die weltlichen Gerichte wären die höchste
Instanz im Universum, denn nicht mehr die göttlichen Gebote, sondern
die menschlichen Beschlüsse gelten als verbindlich. Und wer die Anfrage
stellt, woher denn ein weltliches Gericht überhaupt die Vollmacht
haben kann, göttliches Recht außer Kraft zu setzen, der wird
öffentlich beschimpft: "Die Dreistigkeit, mit der der Schuldner gerichtliche
Verbote und Beschlüsse ignoriert, ist schon bemerkenswert." Schauen
wir noch auf andere Leistungen dieser Gruppe. Einer ihrer Wortführer
[Spindelböck] wird nicht müde, über andere den Stab der
Verurteilung zu brechen. So schreibt er an einen katholischen Priester:
"Kehren Sie um von Ihrem Irrweg, solange es noch Zeit ist. Denn 'der Richter
steht schon vor der Tür'." Die Frage des Priesters, worin denn der
Irrweg bestehen solle, ließ der Wortführer dabei auch auf intensives
Nachfragen hartnäckig unbeantwortet. Die furchtbare Leichtfertigkeit,
mit der der Wortführer andere verurteilt, veranlasste einen Beobachter
zu der Bemerkung, der Wortführer sei ein "Richter von eigenen Gnaden".
Derartige Beispiele für solche Richteranmaßung gibt es in Hülle
und Fülle. Wer mit dem Christentum radikal gebrochen hat, der wird
es auch fertigbringen, über einen anderen öffentlich zu erklären:
"Dieser begeht die Sünde wider den Heiligen Geist, und diese wird
ihm in alle Ewigkeit nicht vergeben werden."
Statt noch weitere Fälle von menschlichem Richten aufzuzählen,
hören wir lieber auf das Wort des hl. Paulus: "Ich mache mir nichts
daraus, von euch gerichtet zu werden oder von einem menschlichen Gerichtstag;
ich richte mich ja auch nicht selbst. Ich bin mir zwar nichts bewußt,
aber deshalb noch nicht gerechtfertigt; der mich richtet, ist der Herr.
Darum richtet nicht vor der Zeit, ehe der Herr kommt." Es soll uns aber
nur dann "nichts ausmachen", von Menschen gerichtet zu werden, wenn wir
lebendige Glieder der Kirche sind. Das bedeutet: Wir sind den göttlichen
Geboten unbedingt unterworfen. Wir müssen an der wahren Lehre festhalten.
Wie wichtig es ist, an der wahren Lehre festzuhalten, formuliert Paulus
einmal so: "Aber selbst wenn wir oder ein Engel vom Himmel euch ein anderes
Evangelium verkündeten, als wir euch verkündet haben: er sei
verflucht. Wie wir es schon früher gesagt haben, so wiederhole ich
es jetzt: Wenn jemand euch ein anderes Evangelium verkündet, als ihr
empfangen habt: er sei verflucht" (Gal 1,8f). Die wahre Lehre empfangen
wir von der Kirche. Die Kirche ist "die Säule und Grundfeste der Wahrheit"
(1 Tim 3,15). Wer auf die Kirche hört, der hört auf Christus.
Die Kirche verkündet kein anderes Evangelium. Wenn aber eine Gruppe
ein anderes Evangelium verkündet, dann kann sie unmöglich die
Kirche sein, selbst dann nicht, wenn weltliche Gerichte anordnen, diese
antichristliche Gruppe als christliche Kirche zu bezeichnen. Wir haben
somit objektive Normen: Was die Kirche uns vorlegt, das ist die Wahrheit.
Und die Wahrheit kann sich nicht ändern. Jetzt vor Weihnachten liest
man öfters die Erklärung von so gen. "Theologen", dass die Geburt
Jesu keine Jungfrauengeburt gewesen sein soll. Die Kirche nennt Maria aber
ausdrücklich "immerwährende Jungfrau", Jungfrau "vor, in und
nach der Geburt". Also wenn eine Gruppe nun als ihre offizielle Lehre zur
Geburt Christi erklärt: "Nicht der physiologische Vorgang der Geburt
war anders", dann ist bewiesen, dass diese Gruppe unmöglich die Kirche
sein kann. Oder allgemeiner betrachtet: Die kirchliche Lehre ist formuliert
in den Dogmen. Ein Dogma ist eine von Gott unmittelbar geoffenbarte Wahrheit,
die durch das kirchliche Lehramt klar und ausdrücklich für alle
als Gegenstand des pflichtgemäßen göttlichen und katholischen
Glaubens verkündet worden ist. Die Feinde der Kirche hingegen erklären:
"Dogmen können durchaus einseitig, oberflächlich, rechthaberisch,
dumm und voreilig sein." Indem wir auf die Kirche hören, bleiben wir
in der Wahrheit. Indem wir an der Wahrheit festhalten, erfüllen wir
die Gerechtigkeit. Wenn wir aber eine Gruppe zur Kirche erklären,
die ein anderes Evangelium verkündet, dann handeln wir gegen die Gerechtigkeit,
selbst dann, wenn uns ein menschliches Gericht zum Verrat am Evangelium
zwingen will. So sehr aber auch das Handeln derer zu verurteilen ist, die
mithilfe weltlicher Gerichte die Unwahrheit durchsetzen, es steht uns nicht
zu, das Richteramt Christi auszuüben. Vielmehr müssen wir für
die Bekehrung der Sünder beten, müssen Sie je nach Gegebenheit
auch ermahnen, von ihrem Irrweg abzulassen, und ihr böses Treiben
je nach Maßgabe eindämmen. Aber das kann nicht dadurch geschehen,
dass wir einfach die Vokabel "Irrweg" gebrauchen: Wir müssen anhand
objektiver Normen, anhand der Lehre der Kirche aufzeigen, was warum ein
Irrweg ist. Wir selbst müssen uns um ein gerechtes Leben in unverbrüchlicher
Treue zur Kirche bemühen, und niemals dürfen wir die Hoffnung
aufgeben, dass wir noch gerettet werden können, selbst wenn wir in
schwere Sünde gefallen sein sollten. Dann müssen wir in aufrichtiger
Reue den Weg der Bekehrung gehen, damit Christus beim Jüngsten Gericht
uns ein gnädiger Richter sein wird. Amen.
S. auch:
katholisch.net: Klageschrift und "Verurteilung"
Roland Breitenbach und kath.net
Nachruf auf August Groß