Predigt am 21.12.2003

- 4. Advent, sd I cl -
(Kirche zum Mitreden, 21.12.2003)
1 Kor 4,1-5; Lk 3,1-6

Das Gericht, das Richten, die Gerechtigkeit - diese Begriffe kommen in der Heiligen Schrift immer wieder vor. In den Lesungen aus dem Propheten Isaias, die wir besonders in der Adventszeit gehört haben, wo vom Blütenzweig aus der Wurzel Jesse die Rede ist, wird der Messias beschrieben: "Nicht nach dem Augenschein wird er richten, nicht nach dem Hörensagen entscheiden, sondern Er wird die Armen in Gerechtigkeit richten und nach Billigkeit eintreten für die Friedfertigen des Landes. Er wird die Erde schlagen mit der Rute Seines Mundes, und mit dem Hauche seiner Lippen die Gottlosen töten" (Is 11,3f). Und an anderer Stelle: "Saget den Kleinmütigen: Seid getrost und fürchtet euch nicht! Seht, euer Gott wird Rache üben und Vergeltung" (Is 35,4). Im Credo bekennen wir über Jesus Christus: "Er wird wiederkommen in Herrlichkeit, Gericht zu halten über Lebende und Tote". Oft betont die Heilige Schrift den Unterschied zwischen menschlichem und göttlichem Richten. Wenn ein menschliches Gericht ein Urteil fällt, muss dieses nicht notwendig auch vor dem göttlichen Richter Bestand haben. Deshalb die ausdrückliche Warnung Christi: "Nehmt euch in acht vor den Menschen! Denn sie werden euch den Gerichten ausliefern und in den Synagogen euch geißeln. Ja, um meinetwillen werdet ihr vor Statthalter und Könige geführt werden, um Zeugnis zu geben vor ihnen und vor den Heiden" (Mt 10,17f). Bei dem menschlichen Gericht wird oft nach dem Augenschein und nach dem Hörensagen entschieden. Ja, oft sind die menschlichen Gerichte aus purer Bosheit entschlossen, ihre Macht zu missbrauchen. Die Richter verhängen ganz bewusst Strafen gegen Unschuldige, sie schrecken selbst vor dem Justizmord nicht zurück. Der Messias hingegen wird richten in Gerechtigkeit, er wird die Gottlosen töten, er wird Rache üben und Vergeltung. Wenn die Aussagen über menschliches und göttliches Richten in der Heiligen Schrift so zahlreich und so deutlich sind, wenn diese Lehre vom Jüngsten Gericht fürwahr alles entscheidend ist, dann sollte man doch erwarten, dass bei denen, die sich Christen nennen, die Grundzüge dieser Aussagen vom Gericht stets klar vor Augen stehen. Dies ist aber anscheinend nicht der Fall. Das erschütterndste Beispiel für eine völlige Entstellung der christlichen Lehre vom Richten bietet eine international tätige Großgruppe, die sich nicht nur gerne selbst als christlich bezeichnet, sondern die obendrein durch weltliche Gerichte zwangsweise durchsetzen lässt, dass man sie als christliche Kirche bezeichnet. In restloser Verdrehung der christlichen Lehre vom Richten behauptet diese Gruppe, die weltlichen Gerichte wären die höchste Instanz im Universum, denn nicht mehr die göttlichen Gebote, sondern die menschlichen Beschlüsse gelten als verbindlich. Und wer die Anfrage stellt, woher denn ein weltliches Gericht überhaupt die Vollmacht haben kann, göttliches Recht außer Kraft zu setzen, der wird öffentlich beschimpft: "Die Dreistigkeit, mit der der Schuldner gerichtliche Verbote und Beschlüsse ignoriert, ist schon bemerkenswert." Schauen wir noch auf andere Leistungen dieser Gruppe. Einer ihrer Wortführer [Spindelböck] wird nicht müde, über andere den Stab der Verurteilung zu brechen. So schreibt er an einen katholischen Priester: "Kehren Sie um von Ihrem Irrweg, solange es noch Zeit ist. Denn 'der Richter steht schon vor der Tür'." Die Frage des Priesters, worin denn der Irrweg bestehen solle, ließ der Wortführer dabei auch auf intensives Nachfragen hartnäckig unbeantwortet. Die furchtbare Leichtfertigkeit, mit der der Wortführer andere verurteilt, veranlasste einen Beobachter zu der Bemerkung, der Wortführer sei ein "Richter von eigenen Gnaden". Derartige Beispiele für solche Richteranmaßung gibt es in Hülle und Fülle. Wer mit dem Christentum radikal gebrochen hat, der wird es auch fertigbringen, über einen anderen öffentlich zu erklären: "Dieser begeht die Sünde wider den Heiligen Geist, und diese wird ihm in alle Ewigkeit nicht vergeben werden."
Statt noch weitere Fälle von menschlichem Richten aufzuzählen, hören wir lieber auf das Wort des hl. Paulus: "Ich mache mir nichts daraus, von euch gerichtet zu werden oder von einem menschlichen Gerichtstag; ich richte mich ja auch nicht selbst. Ich bin mir zwar nichts bewußt, aber deshalb noch nicht gerechtfertigt; der mich richtet, ist der Herr. Darum richtet nicht vor der Zeit, ehe der Herr kommt." Es soll uns aber nur dann "nichts ausmachen", von Menschen gerichtet zu werden, wenn wir lebendige Glieder der Kirche sind. Das bedeutet: Wir sind den göttlichen Geboten unbedingt unterworfen. Wir müssen an der wahren Lehre festhalten. Wie wichtig es ist, an der wahren Lehre festzuhalten, formuliert Paulus einmal so: "Aber selbst wenn wir oder ein Engel vom Himmel euch ein anderes Evangelium verkündeten, als wir euch verkündet haben: er sei verflucht. Wie wir es schon früher gesagt haben, so wiederhole ich es jetzt: Wenn jemand euch ein anderes Evangelium verkündet, als ihr empfangen habt: er sei verflucht" (Gal 1,8f). Die wahre Lehre empfangen wir von der Kirche. Die Kirche ist "die Säule und Grundfeste der Wahrheit" (1 Tim 3,15). Wer auf die Kirche hört, der hört auf Christus. Die Kirche verkündet kein anderes Evangelium. Wenn aber eine Gruppe ein anderes Evangelium verkündet, dann kann sie unmöglich die Kirche sein, selbst dann nicht, wenn weltliche Gerichte anordnen, diese antichristliche Gruppe als christliche Kirche zu bezeichnen. Wir haben somit objektive Normen: Was die Kirche uns vorlegt, das ist die Wahrheit. Und die Wahrheit kann sich nicht ändern. Jetzt vor Weihnachten liest man öfters die Erklärung von so gen. "Theologen", dass die Geburt Jesu keine Jungfrauengeburt gewesen sein soll. Die Kirche nennt Maria aber ausdrücklich "immerwährende Jungfrau", Jungfrau "vor, in und nach der Geburt". Also wenn eine Gruppe nun als ihre offizielle Lehre zur Geburt Christi erklärt: "Nicht der physiologische Vorgang der Geburt war anders", dann ist bewiesen, dass diese Gruppe unmöglich die Kirche sein kann. Oder allgemeiner betrachtet: Die kirchliche Lehre ist formuliert in den Dogmen. Ein Dogma ist eine von Gott unmittelbar geoffenbarte Wahrheit, die durch das kirchliche Lehramt klar und ausdrücklich für alle als Gegenstand des pflichtgemäßen göttlichen und katholischen Glaubens verkündet worden ist. Die Feinde der Kirche hingegen erklären: "Dogmen können durchaus einseitig, oberflächlich, rechthaberisch, dumm und voreilig sein." Indem wir auf die Kirche hören, bleiben wir in der Wahrheit. Indem wir an der Wahrheit festhalten, erfüllen wir die Gerechtigkeit. Wenn wir aber eine Gruppe zur Kirche erklären, die ein anderes Evangelium verkündet, dann handeln wir gegen die Gerechtigkeit, selbst dann, wenn uns ein menschliches Gericht zum Verrat am Evangelium zwingen will. So sehr aber auch das Handeln derer zu verurteilen ist, die mithilfe weltlicher Gerichte die Unwahrheit durchsetzen, es steht uns nicht zu, das Richteramt Christi auszuüben. Vielmehr müssen wir für die Bekehrung der Sünder beten, müssen Sie je nach Gegebenheit auch ermahnen, von ihrem Irrweg abzulassen, und ihr böses Treiben je nach Maßgabe eindämmen. Aber das kann nicht dadurch geschehen, dass wir einfach die Vokabel "Irrweg" gebrauchen: Wir müssen anhand objektiver Normen, anhand der Lehre der Kirche aufzeigen, was warum ein Irrweg ist. Wir selbst müssen uns um ein gerechtes Leben in unverbrüchlicher Treue zur Kirche bemühen, und niemals dürfen wir die Hoffnung aufgeben, dass wir noch gerettet werden können, selbst wenn wir in schwere Sünde gefallen sein sollten. Dann müssen wir in aufrichtiger Reue den Weg der Bekehrung gehen, damit Christus beim Jüngsten Gericht uns ein gnädiger Richter sein wird. Amen.

S. auch:
katholisch.net: Klageschrift und "Verurteilung"
Roland Breitenbach und kath.net
Nachruf auf August Groß

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