Predigt am 30.05.2004

- Pfingstsonntag, d I cl -
(Kirche zum Mitreden, 30.05.2004)
Apg 2,1-11; Joh 14,23-31

Im Katechismus (Gasparri, 2, 120) steht zu lesen: "Der Heilige Geist ist am Pfingsttag sichtbar auf die Apostel herabgekommen; er hat sie im Glauben gestärkt und sie mit dem Reichtum der Gnade erfüllt, damit sie das Evangelium verkündeten und die Kirche in der ganzen Welt verbreiteten." Und das Tagesgebet am Pfingstsonntag lautet: "Gott, Du hast am heutigen Tage die Herzen der Gläubigen durch Erleuchtung des Hl. Geistes belehrt; gib uns durch denselben Geist wahre Weisheit und beständige Freude durch Seinen Trost."
Wen erleuchtet der Hl. Geist? Erleuchtet er die Apostel und macht er sie so zu Verkündern des Evangeliums, oder erleuchtet er die Gläubigen und belehrt er sie quasi direkt? Oder wenn man es noch weiter überspitzen möchte: Was ist richtig? Die Lehre des Katechismus, dass die Apostel den Hl. Geist empfangen und deshalb die Kirche verbreiten, oder die Formulierung des Tagesgebetes, dass die Herzen der Gläubigen durch Erleuchtung des Hl. Geistes belehrt werden? In der Tat gibt es immer wieder Menschen, die einen Gegensatz in diese beiden Aussagen hineininterpretieren möchten. Nimmt man an, dass Christus die Apostel und deren Nachfolger, also die Päpste und Bischöfe, zu Verkündern des Evangeliums bestimmt hat, dann wird man nicht um die Anerkennung der katholischen Kirche herumkommen, denn nur die katholische Kirche hat die ununterbrochene Tradition in der Lehre und den Sakramenten. Trotzdem gibt es Abspaltungen von der Kirche. Üblicherweise berufen sich diejenigen, die sich von der Kirche trennen, dafür auf die Heilige Schrift. So gen. evangelisch-lutherische Christen haben einmal eine Schrift gegen die katholische Kirche herausgegeben, in der es u.a. heißt: "Wir nennen uns evangelische Christen, weil wir der Lehre Christi, wie solche in der Heiligen Schrift enthalten ist, anhangen; weil aber diese seligmachende Wahrheit nach langer Verborgenheit durch den Dienst des seligen Dr. Martin Luther wieder ans Licht gebracht wurde, darum nennen wir uns evangelisch - lutherische Christen." Wenn dem so wäre, wie die evangelischen Christen es behaupten, warum hat dann Petrus am Pfingstfest gepredigt und nicht einfach Bibeln verteilt? Mit welchem Recht kann man Martin Luther als Autorität hinstellen, während man den Päpsten jegliche Autorität abspricht? Wie kann man überhaupt von der Bibel sprechen, wenn doch die katholische Kirche es war, die bestimmt hat, welche Schriften zur Bibel gehören und welche nicht? Und wenn man die Bibel liest, dann liest man eben, dass Christus den Aposteln den Heiligen Geist verheißen hat, dass der Heilige Geist die Apostel erfüllt und damit zur Verkündigung des Evangeliums und zur Ausbreitung der Kirche angeleitet hat. Indem der Heilige Geist die Apostel in fremden Sprachen zu den Menschen in Jerusalem sprechen lässt, zeigt er, dass er will, dass die Apostel das Evangelium verkünden und dass die Menschen auf die Worte der Apostel hören.
Der Heilige Geist wirkt auch in denen, die das Wort Gottes hören. Der Heilige Geist schenkt die Gnade der Heiligung, er leitet die Menschen zur Tugend an, er schenkt ihnen Trost und Kraft, das Ziel der ewigen Seligkeit zu erreichen. Der Heilige Geist belehrt tatsächlich die Herzen der Gläubigen, indem er sie erkennen lässt, dass die Worte der Kirche die Worte der Wahrheit sind. Was Petrus am Pfingsttag zu den Menschen in Jerusalem spricht, ist wahr. Was die Kirche in den Dogmen lehrt, ist wahr. Der Heilige Geist erleuchtet die Gläubigen, dass sie auf die Worte der Kirche hören, dass sie in den Worten der Kirche die Wahrheit erkennen und sie befolgen. Es gibt da also keineswegs einen Widerspruch zwischen Glaubensverkündigung durch die kirchliche Obrigkeit einerseits und Glaubenserkenntnis bei den Gläubigen anderseits. Vielmehr ist dies die grundsätzliche Ordnung, dass der Glauben durch Verkündigung und nicht durch direkte Erleuchtung empfangen und weitergegeben wird.
Nun ist es aber offensichtlich so, dass die Glaubensverkündigung nicht immer die Glaubensannahme zur Folge hat. Auch wenn die Pfingstrede des Petrus viele zur Kirche führt, so gibt es doch einige Zeugen des Sprachenwunders, die über die Apostel spotten: "Sie sind voll süßen Weines." Nach der Verteidigungsrede des Paulus vor Agrippa ruft Festus: "Du bist von Sinnen, Paulus. Das viele Wissen bringt dich um den gesunden Verstand". Nach der Rede vom guten Hirten sagen viele Juden über Christus: "Er ist vom Teufel besessen und von Sinnen" (Joh 10,21). Und die Heilige Schrift warnt immer auch vor den falschen Propheten, so schreibt Paulus einmal über seine Gegner: "diese Leute sind Lügenapostel, hinterlistige Arbeiter, die sich als Apostel Christi ausgeben. Und das ist kein Wunder; denn der Satan selbst gibt sich als Engel des Lichtes aus" (2 Kor 11,13f). Und an einer anderen Stelle schreibt Paulus: "Aber selbst wenn wir oder ein Engel vom Himmel euch ein anderes Evangelium verkündeten, als wir euch verkündet haben: er sei verflucht. Wie wir es schon früher gesagt haben, so wiederhole ich es jetzt: Wenn jemand euch ein anderes Evangelium verkündet, als ihr empfangen habt: er sei verflucht" (Gal 1,8f). In der Tat gab es schon eine ganze Menge von falschen Propheten, ja sogar von Scheinpäpsten. Wie soll man angesichts solcher nicht nur klar ausgesprochenen Gefahren, sondern auch bewiesenen Tatsachen noch Vertrauen in eine kirchliche Obrigkeit aufbringen können oder auch nur dürfen? Wäre es da nicht besser, wenn nicht gar die einzige Möglichkeit, sich von jeglicher menschlicher Zwischeninstanz zu lösen und nur noch auf die direkte Erleuchtung durch den Heiligen Geist zu vertrauen? Wäre es nicht besser, mit Martin Luther das Papsttum als "vom Teufel gestiftet" zu verdammen und nur noch "allein die Schrift" anzuerkennen, ganz gleich, ob die Teile der Heiligen Schrift nun durch die Kirche festgelegt wurden oder nicht? Nein. Denn auch wenn es manchmal schwierig scheinen mag, zu erkennen, ob jemand nun ein von Gott bestimmter Verkünder des Evangeliums ist oder ein Lügenapostel, ein Diener des Fürsten dieser Welt, dürfen wir dennoch auf Gott vertrauen. Gott widerspricht sich nicht. Gott hat die Kirche mit dem Heiligen Geist ausgestattet und verheißen, dass die Pforten der Hölle sie nicht überwinden werden. Das heißt: Wahre Lehre und wahre Kirche gehören untrennbar zusammen. Es gibt keine Änderung der Wahrheit. Wer sich von der kirchlichen Lehre trennt, der ist von der Kirche ausgeschlossen. Und zu der kirchlichen Lehre gehört der Grundsatz, dass diese Lehre sich nicht ändert.
Was also die Anschuldigungen betrifft, Christus sei vom Teufel besessen, Petrus sei betrunken und Paulus habe den gesunden Verstand verloren, haben wir eben die Pflicht, nachzuprüfen, ob das, was gesagt wird, begründet und widerspruchsfrei ist oder unbegründet und widersprüchlich. Und man wird feststellen: Diese ganzen Anschuldigungen sind unbegründet und widersprüchlich, während die Worte Christi und der Apostel begründet und widerspruchsfrei sind.
Halten wir also an dem fest, was die Kirche unfehlbar und damit unwandelbar lehrt. Prüfen wir, ob die Lehren, die uns vorgelegt werden, mit dem vereinbar sind, was Vernunft und Geschichte uns lehren, auch wenn dieses Prüfen anstrengend sein mag und uns die daraus resultierenden Erkenntnisse vielleicht nicht immer sofort gefallen. Beten wir um die Erleuchtung durch den Heiligen Geist, damit wir die Wahrheit erkennen, annehmen und treu durch die Zeit tragen. Amen.

S. auch:
Predigt vom 31.05.98
Predigt am 08.06.2003
Controvers-Katechismus
Problemfall "Neue Osnabrücker Zeitung"
Chronik der KzM-Vernichtung

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